Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerblicher Grundstückshandel: Personengesellschaft, Branchennähe der Gesellschafter, teilentgeltliche Veräußerung
Leitsatz (NV)
- Die Drei-Objekt-Grenze zur Abgrenzung von gewerblichem Grundstückshandel und privater Vermögensverwaltung ist für die Qualifikation der Einkünfte einer Personengesellschaft (hier: GbR) auch in Fällen der sog. Branchennähe der Gesellschafter zu beachten.
- Teilentgeltliche Veräußerungen sind bei der Frage des Überschreitens dieser Grenze nicht zu berücksichtigen, wenn das Teilentgelt die Selbstkosten nicht übersteigt und somit - bezüglich dieses Objekts ‐ keine Gewinnerzielungsabsicht vorliegt.
Normenkette
EStG § 15 Abs. 2
Verfahrensgang
FG Nürnberg (EFG 2001, 1294) |
Tatbestand
I. Gesellschafter der X-GbR (Klägerin und Revisionsbeklagte ―Klägerin―) sind die Eheleute X, die im Güterstand der Gütergemeinschaft leben.
Auf einem in ihrem Eigentum stehenden Grundstück errichteten die Eheleute ein Mehrfamilienhaus (Bauantrag: 22. Dezember 1992; Herstellungskosten: rd. 670 000 DM), das noch vor seiner Fertigstellung (1. Juni 1994) im Mai 1994 in fünf Eigentumswohnungen (ETW) aufgeteilt wurde.
Mit Verträgen vom 31. Mai 1994 veräußerten die Gesellschafter drei ETW an verschiedene Erwerber (ETW Nr. 1 für 285 000 DM; ETW Nr. 2 und 4 für jeweils 250 000 DM). Zudem übertrugen sie ETW Nr. 3, die in ihrer Größe der ETW Nr. 4 entspricht, gegen Zahlung von 120 000 DM ihrem Sohn Y. ETW Nr. 5 blieb im Eigentum der Eheleute und wurde fremdvermietet.
Im Anschluss an eine Betriebsprüfung vertrat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) die Auffassung, dass die Voraussetzungen des gewerblichen Grundstückshandels erfüllt seien, und erließ am 29. Oktober 1997 für das Streitjahr (1994) sowohl einen Bescheid zur einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung als auch einen Bescheid zur Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags. Dabei ging er unter Ansatz des Teilwerts für ETW Nr. 3 von einem gewerblichen Gewinn in Höhe von … DM aus.
Die Einsprüche blieben ohne Erfolg.
Der hiergegen erhobenen Klage hat das Finanzgericht (FG) stattgegeben. Abweichend von der Ansicht des Vorlagebeschlusses des X. Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 29. Oktober 1997 X R 183/96 (BFHE 184, 355, BStBl II 1998, 332) sei für die Abgrenzung des gewerblichen Grundstückshandels von der privaten Vermögensverwaltung jedenfalls bei Wohnbauten an der sog. Drei-Objekt-Grenze festzuhalten. Diese sei im Streitfall nicht überschritten, da die teilentgeltliche Übertragung von ETW Nr. 3 an den Sohn Y nicht berücksichtigt werden könne. Bezüglich dieser Veräußerung fehle es nicht nur an der erforderlichen Gewinnerzielungsabsicht. Hinzu komme, dass die (teilentgeltliche) Übertragung mit dem Verzicht auf den Pflichtteilsanspruch am Nachlass des zuerst versterbenden Elternteils verbunden gewesen sei und im Übrigen im Zusammenhang hiermit der andere Sohn der Eheleute X eine Wohnung schenkweise erhalten habe. Lediglich im Falle der Errichtung von Großbauten könne ein gewerblicher Grundstückhandel auch bei Veräußerung von weniger als vier Objekten angenommen werden. Von Letzterem sei im Streitfall jedoch nicht auszugehen (vgl. Entscheidungen der Finanzgerichte ―EFG― 2001, 1294).
Mit der Revision beantragt das FA sinngemäß, das vorinstanzliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist nicht begründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―). Zutreffend hat die Vorinstanz angenommen, dass die X-GbR nicht gewerblich tätig geworden ist.
1. Nach § 15 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ―i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG)― ist Gewerbebetrieb eine selbständige und nachhaltige Betätigung, die mit Gewinnerzielungsabsicht unternommen wird und sich als Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt. Für das zusätzlich zu beachtende (negative) Erfordernis, dass es sich nicht um eine private Vermögensverwaltung handeln darf und damit ein Gewerbebetrieb nur dann angenommen werden kann, wenn nach dem Gesamtbild der Betätigung und unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung die Ausnutzung substantieller Vermögenswerte durch Umschichtung gegenüber der Nutzung von Grundbesitz im Sinne einer Fruchtziehung aus zu erhaltenden Substanzwerten entscheidend in den Vordergrund tritt, hat die Rechtsprechung im Bereich des gewerblichen Grundstückshandels die sog. Drei-Objekt-Grenze eingeführt, nach der kein Gewerbebetrieb vorliegt, wenn weniger als vier Objekte veräußert werden (vgl. BFH-Urteil vom 15. März 2000 X R 130/97, BFHE 191, 360, BStBl II 2001, 530, m.w.N.). Nach dem Beschluss des Großen Senat vom 10. Dezember 2001 GrS 1/98 (BFHE 197, 240, BStBl II 2002, 291) gilt dies nicht nur in Fällen der Anschaffung bebauter Grundstücke und deren Veräußerung (sog. Durchhandeln), sondern ―entsprechend der Grundentscheidung des Gesetzgebers, private Veräußerungsgewinne nicht der Einkommensteuer zu unterwerfen, sowie aus Gründen der gebotenen Rechtsvereinfachung und der Verlässlichkeit der Rechtsordnung― in der Regel auch dann, wenn das Grundstück vom Steuerpflichtigen bebaut und anschließend veräußert wird (sog. Bebauungsfall). Dem schließt sich der erkennende Senat an.
2. Hiernach ist auch für den im anhängigen Verfahren zu entscheidenden Sachverhalt von einer privaten Vermögensverwaltung auszugehen.
a) Dies ergibt sich zum einen daraus, dass die Drei-Objekt-Grenze für die Qualifikation der Einkünfte einer Personengesellschaft auch in Fällen der Branchennähe der Gesellschafter zu beachten ist (vgl. BFH-Urteile vom 20. November 1990 VIII R 15/87, BFHE 163, 66, BStBl II 1991, 345; vom 25. April 1991 IV R 111/90, BFHE 165, 188, BStBl II 1992, 283; vom 29. November 1989 X R 100/88, BFHE 159, 161, BStBl II 1990, 1060; zur Zurechnung von Kenntnissen der Gesellschafter zur Sphäre der Gesamthand vgl. BFH-Urteil vom 14. November 1995 VIII R 16/93, BFH/NV 1996, 466, 468) und diese Grenze im Streitfall nicht überschritten wurde.
Zu Recht hat das FG hierbei die teilentgeltliche Veräußerung der ETW Nr. 3 an den Sohn unberücksichtigt gelassen, da ―wie zwischen den Verfahrensbeteiligten unstreitig― das Teilentgelt die Herstellungskosten dieser Wohnung zuzüglich des Einlagewerts des anteiligen Grund und Bodens (Selbstkosten) nicht erreicht hat und die Eheleute X somit ―bezüglich des Verkaufs von ETW Nr. 3― ohne Gewinnerzielungsabsicht gehandelt haben (vgl. BFH-Entscheidungen vom 14. März 1989 VIII R 373/83, BFHE 158, 214, BStBl II 1990, 1053; vom 9. Mai 1996 IV R 74/95, BFHE 181, 19, BStBl II 1996, 599; vom 2. Februar 2000 X B 83/99, BFH/NV 2000, 946; vom 21. März 2000 IV B 64/99, BFH/NV 2000, 1329). Der zugleich vereinbarte Pflichtteilsverzicht vermag bereits deshalb keine andere Beurteilung zu rechtfertigen, weil in dem Verzicht kein Entgelt für die Grundstücksübertragung zu sehen ist (vgl. BFH-Entscheidungen vom 7. April 1992 VIII R 59/89, BFHE 167, 515, BStBl II 1992, 809; vom 16. März 2001 IV B 96/00, BFH/NV 2001, 1113; offen gelassen in BFH-Urteil vom 20. Oktober 1999 X R 132/95, BFHE 190, 178, BStBl II 2000, 82). Ferner sind im Streitfall auch keine Anhaltspunkte für eine rechtsmissbräuchliche Grundstücksübertragung ersichtlich (§ 42 der Abgabenordnung ―AO 1977―; vgl. dazu BFH-Urteil vom 6. August 1998 III R 227/94, BFH/NV 1999, 302: betr. Schenkung und anschließende Veräußerung durch Beschenkten).
b) Zum anderen liegen im Streitfall erkennbar keine Umstände vor, die es nach dem Beschluss des Großen Senats in BFHE 197, 240, BStBl II 2002, 291 (Abschn. C. III. 5. der Gründe) ausnahmsweise rechtfertigen, auch bei Veräußerung von weniger als vier Objekten eine gewerbliche Betätigung anzunehmen. Insbesondere sind die ETW Nr. 1, 2 und 4 weder im Sinne der Ausführungen des Großen Senats "vor der Bebauung veräußert" noch ist das Grundstück "von vornherein … nach Wünschen der Erwerber bebaut worden". Die Eheleute X haben hierzu im finanzgerichtlichen Verfahren dargelegt, dass sie zunächst vorgehabt hätten, auch diese Wohnungen als Teil der Altersvorsorge zu vermieten. Demgemäß seien sie in keiner Weise am Markt in Veräußerungsabsicht aufgetreten. Der Verkauf sei vielmehr erst dadurch zustande gekommen, dass sich die (späteren) Erwerber kurze Zeit vor Fertigstellung an sie gewandt hätten. Zum Beweis dieses ―vom FA nicht bestrittenen― Vortrags wurden nicht nur die Erwerber als Zeugen benannt. Hinzu kommt, dass er dem tatsächlichen Geschehensablauf insoweit entspricht, als die Kaufverträge am 31. Mai 1994 und damit nur einen Tag vor Fertigstellung des Gesamtgebäudes notariell beurkundet wurden.
c) Schließlich sind im Streitfall weder dem vom FG festgestellten Sachverhalt noch dem Vorbringen der Beteiligten irgendwelche Hinweise dafür zu entnehmen, dass die Eheleute X außerhalb der X-GbR weitere Grundstücksgeschäfte in Gewinnerzielungsabsicht getätigt und damit ―i.V.m. der Zurechnung der Grundstücksgeschäfte der X-GbR― selbst einen gewerblichen Grundstückshandel betrieben haben (vgl. BFH-Beschluss vom 3. Juli 1995 GrS 1/93, BFHE 178, 86, BStBl II 1995, 617). Demgemäß ist im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits auch nicht auf die umstrittenen verfahrensrechtlichen Folgen eines solchen Sachverhalts für die Feststellung der aus der Beteiligung an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft erzielten Einkünfte einzugehen (vgl. hierzu BFH-Urteile vom 11. Juli 1996 IV R 103/94, BFHE 181, 45, BStBl II 1997, 39; vom 11. Dezember 1997 III R 14/96, BFHE 185, 177, BStBl II 1999, 401; vom 26. April 2001 IV R 14/00, BFHE 195, 290, BStBl II 2001, 798; Schmidt, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 21. Aufl., 2002, § 15 Rz. 202 ff.; zum Gewerbesteuermessbescheid vgl. BFH-Urteil vom 10. Dezember 1998 III R 62/97, BFH/NV 1999, 1067, zu Abschn. II. 3. c).
Fundstellen
Haufe-Index 844178 |
BFH/NV 2002, 1571 |
DStRE 2003, 408 |
EStB 2002, 421 |
IBR 2003, 54 |