Entscheidungsstichwort (Thema)
Teilwertabschreibung wegen verminderter Rentabilität eines Fabrikgebäudes
Leitsatz (NV)
Die Abbruchsabsicht des Erwerbers eines (technisch und wirtschaftlich nicht verbrauchten) Fabrikgebäudes rechtfertigt beim Veräußerer weder eine Teilwertabschreibung noch Absetzungen gemäß § 7 Abs. 1 Satz 4 EStG.
Eine Teilwertabschreibung kann jedoch wegen nachlassender Rentabilität eines Fabrikgebäudes geboten sein. Auch baurechtliche Nutzungsbeschränkungen können eine Teilwertabschreibung rechtfertigen.
Normenkette
EStG § 6 Abs. 1 Nr. 1, § 7 Abs. 1 S. 4
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin - eine KG - betreibt eine Maschinenfabrik. Sie produziert hauptsächlich Pressen und Formen zur Herstellung von Betonteilen. Bis zum August 1973 wurde das Unternehmen auf einem Grundstück im Ortsbereich von X betrieben.
Im Juli 1972 erwarb die Klägerin im Industriegebiet von X ein Grundstück, auf dem sie für ca. 5 Mio DM neue Fabrikgebäude errichtete, in die sie im August 1973 ihren Betrieb verlegte. Die Verlegung war erforderlich geworden, weil die Abnehmer der Klägerin seit Mitte der 60er Jahre immer größere Anlagen zur Fertigung immer größerer Betonteile verlangten. Das führte dazu, daß die bisherigen Fabrikationshallen für die Herstellung dieser Großgeräte zu eng wurden. Eine Erweiterung oder ein Neubau der Fabrikgebäude war auf dem bisherigen Betriebsgrundstück nicht mehr möglich, weil das Gebiet, in dem der Betrieb der Klägerin lag, im Bebauungsplan von X seit 1971 als Wohngebiet ausgewiesen war.
Etwa ein Jahr vor der Betriebsverlegung, Ende September 1972, hatte die Klägerin das bisherige Fabrikgrundstück mit den aufstehenden Gebäuden für ca. 5,5 Mio DM an eine Wohnungsbaugesellschaft veräußert. Der Buchwert der mitveräußerten Gebäude hatte zu diesem Zeitpunkt 1,1 Mio DM betragen. Die Klägerin durfte die veräußerten Anlagen bis zum Umzug in die neuen Fabrikhallen weiterbenutzen. Sie war auch berechtigt, Gebäudeteile zu entfernen, ohne daß dadurch der Kaufpreis gemindert wurde. Wie im Kaufvertrag vorgesehen, riß die Erwerberin nach dem Auszug der Klägerin die Gebäude ab und errichtete auf dem Gelände eine Wohnanlage.
Das FA gestattete der Klägerin, in der Bilanz auf dem 31. Dezember 1972 eine Rücklage nach § 6 b EStG in Höhe des gesamten Veräußerungsgewinns zu bilden.
Bei der einheitlichen und gesonderten Feststellung des Gewinns für die Jahre 1970 bis 1972 legte das FA die Wertansätze für die alten Fabrikgebäude entsprechend den Bilanzen der Klägerin zugrunde.
Im Einspruchsverfahren machte die Klägerin erfolglos geltend, die Wertansätze der Betriebsgebäude in den Bilanzen für die Streitjahre 1970 bis 1972 seien gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG zu ändern. Bei vorsichtiger Schätzung habe sie schon 1970 davon ausgehen müssen, daß der Betrieb bis zum 31. Dezember 1972 an den neuen Standort verlegt sein werde. Dies mache eine Verteilung des am 1. Mai 1970 vorhandenen Buchwerts auf 32 Monate erforderlich.
Das FG hat der Klage im wesentlichen stattgegeben.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA führte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO):
1. Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, daß die Bilanzen der Klägerin hinsichtlich des Wertansatzes der Betriebsgebäude zu berichtigen waren, wenn und soweit sie nicht den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung entsprachen (§ 4 Abs. 2 Satz 1 EStG). Richtig ist auch, daß es die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung gebieten, Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens bei voraussichtlich dauernder Wertminderung mit dem niedrigeren Wert anzusetzen (§ 154 Abs. 2 des Aktiengesetzes - AktG -). Dieser Ansatz entspricht dem Teilwert und ist auch für das Steuerrecht verbindlich vorgeschrieben (BFH-Urteil vom 27. November 1974 I R 123/73, BFHE 114, 415, BStBl II 1975, 294).
2. Gleichwohl kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben, weil das FG die Rechtsgrundsätze über die Zulässigkeit einer Teilwertabschreibung nicht zutreffend angewandt hat.
Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 EStG können Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die der Abnutzung unterliegen, mit dem Teilwert angesetzt werden, wenn dieser niedriger ist als die um die AfA verminderten Anschaffungs- oder Herstellungskosten. Teilwert ist der Betrag, den der Erwerber des ganzen Betriebs im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde; dabei ist davon auszugehen, daß der Erwerber den Betrieb fortführt (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG). Geht es - wie im Streitfall - um die Bewertung bebauter Grundstücke, so sind der Teilwert für Grund und Boden einerseits und Gebäude andererseits jeweils gesondert zu ermitteln (BFH-Beschluß vom 16. Juli 1968 GrS 7/67, BFHE 94, 124, BStBl II 1969, 108).
Das FG hat den Teilwert der später von der Erwerberin abgebrochenen Gebäude zum 29. September 1972 zu Unrecht deshalb mit 50 000 DM angesetzt, weil der Grundstückserwerberin allein der Bauplatz so viel wert gewesen sei, wie das von der Klägerin erworbene Fabrikgelände mit den darauf errichteten neuen Fabrikgebäuden. Zwar ist es richtig, daß der Erwerberin - einer Wohnungsbaugesellschaft - nur an dem Grund und Boden gelegen war, da sie auf dem Grundstück nach Abbruch der Fabrikgebäude eine Wohnanlage errichten wollte. Für die Bestimmung des Teilwerts, der ein objektiver Wert ist, hat jedoch außer Betracht zu bleiben, wie der Erwerber später das Gebäude verwenden, ob er es etwa selbst verwerten oder abreißen will. Ein Grundstücksverkäufer wird die Verwertungsabsichten des Erwerbers nicht preismindernd berücksichtigen, sondern den auf dem Markt erzielbaren Preis verlangen. Wer andererseits ein bebautes Grundstück - zu welchem Zweck auch immer - in seine Verfügungsmacht bringen will, wird den am Markt geforderten Preis bezahlen. Der Erwerber hätte für das Gebäude nur dann keinen Kaufpreis zu entrichten, wenn es technisch oder wirtschaftlich verbraucht wäre. Nur in diesem Fall entfiele der gezahlte Kaufpreis allein auf den Grund und Boden (BFHE 128, 178, BStBl II 1979, 729).
Die bisherigen Feststellungen des FG bieten keinen Anlaß zu der Annahme, die alten Fabrikgebäude seien im Zeitpunkt der Grundstücksveräußerung wegen technischen oder wirtschaftlichen Verbrauchs objektiv wertlos gewesen. Daß die Gebäude technisch verbraucht waren, behauptet die Klägerin selbst nicht. Die später abgerissenen Gebäude waren auch nicht wegen wirtschaftlichen Verbrauchs objektiv wertlos. Das ergibt sich schon daraus, daß die Klägerin auch noch nach der Veräußerung bis zum Umzug auf das neue Fabrikgrundstück im August 1973 in den bisherigen Betriebsräumen produziert hat.
3. Die Tatsache, daß die Grundstückserwerberin beabsichtigte, die auf dem Grundstück befindlichen Gebäude abzureißen und dort eine Wohnanlage zu errichten, rechtfertigt in den Streitjahren auch keine Absetzungen für eine außergewöhnliche wirtschaftliche Abnutzung gemäß § 7 Abs. 1 Satz 4 EStG. Denn dieser Umstand bewirkte in den Streitjahren weder eine Substanzeinbuße noch eine Verminderung der wirtschaftlichen Nutzbarkeit oder Verwendungsmöglichkeit dieser Gebäude (vgl. BFH-Urteil vom 28. Oktober 1980 VIII R 34/76, BFHE 132, 41, 44, BStBl II 1981, 161; Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19. Aufl., § 7 EStG Anm. 227, 228).
4. Aus demselben Grund können der Klägerin in den Streitjahren auch keine erhöhten AfA wegen Verkürzung der Nutzungsdauer der alten Fabrikgebäude zugebilligt werden. Nutzungsdauer eines Gebäudes ist der Zeitraum, in dem das Gebäude voraussichtlich seiner Zweckbestimmung entsprechend durch den Steuerpflichtigen genutzt werden kann (§ 11 c Abs. 1 Satz 1 der EinkommensteuerDurchführungsverordnung - EStDV -; BFH-Urteil vom 28. September 1971 VIII R 73/68, BFHE 103, 468, BStBl II 1972, 176). Die zu erwartende Veräußerung des Grundstücks hat keinen Einfluß auf die wirtschaftliche Nutzungsdauer (Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., Anm. 175). Auch der - möglicherweise schon im Jahr 1970 zu erwartende - Verkauf der Betriebsgebäude auf Abbruch läßt nicht den Schluß zu, daß die weitere Nutzung der Gebäude durch die Klägerin selbst so gut wie ausgeschlossen gewesen sei. Wie ein Gebäude genutzt wird, bestimmt jeder Eigentümer für sich allein, soweit er sich nicht nach behördlichen oder gesetzlichen Bestimmungen zu richten hat (BFH-Urteil vom 8. Juli 1980 VIII R 176/78, BFHE 131, 310, BStBl II 1980, 743; Urteil des FG Baden-Württemberg vom 23. März 1972 VI 30/71, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1972, 376).
5. Wenn auch die Abbruchabsicht der Grundstückserwerberin nicht zu der Annahme berechtigt, die Gebäude hätten zum 29. September 1972 nur noch einen Teilwert von etwa 50 000 DM gehabt, kommt eine Teilwertabschreibung - allerdings nicht in dem von der Klägerin begehrten Umfang - aus einem anderen Grund in Betracht.
a) Nach der Rechtsprechung des BFH kann eine Teilwertabschreibung bei einzelnen Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens geboten sein, wenn sich die Ertragsverhältnisse des ganzen Betriebs durch technische oder strukturelle Veränderungen auf die Dauer stark rückläufig gestalten. Auch bei guter Rentabilität des ganzen Betriebs kann die geringere Rentierlichkeit einzelner Wirtschaftsgüter eine Teilwertabschreibung der unrentierlich gewordenen Wirtschaftsgüter rechtfertigen. Denn der für Zwecke der Teilwertermittlung herangezogene fiktive Erwerber des ganzen Unternehmens müßte bei Ansatz jedes einzelnen Wirtschaftsguts auch dessen dauernd nachlassende Rentabilität berücksichtigen (BFH-Urteil vom 19. Oktober 1972 I R 244/70, BFHE 107, 214, BStBl II 1973, 54). Das gilt auch für Grundstücke und Gebäude, die - aus welchen Gründen auch immer - nicht mehr rentabel genutzt werden können. Dabei ist zu beachten, daß Wirtschaftsgüter auch durch Einzelveräußerung genutzt werden können. Deshalb ist der Einzelveräußerungspreis, der zu erzielen wäre, wenn der Steuerpflichtige das Wirtschaftsgut am Bilanzstichtag einzeln, ohne Rücksicht auf seine Betriebszugehörigkeit, veräußert hätte, regelmäßig die unterste Grenze der Teilwertabschreibung (BFH-Urteil vom 25. August 1983 IV R 218/80, BFHE 139, 268, BStBl II 1984, 33).
Im Streitfall hat das FG festgestellt, daß die Fabrikhallen im Ortsbereich von X den betrieblichen Erfordernissen nicht mehr gerecht wurden. Die räumliche Enge auf dem alten Fabrikgrundstück ließ einen reibungslosen Produktionsablauf nicht zu. Eine Erweiterung der Fabrikhallen war in den Streitjahren aus baurechtlichen Gründen (Änderung des Bebauungsplans) nicht mehr möglich. Die Klägerin hatte sich deshalb schon im Jahre 1970 um den Erwerb eines Ersatzgrundstücks in einer Nachbargemeinde bemüht.
Diese Umstände lassen den Schluß zu, daß der Teilwert der alten Fabrikgebäude zum 31. Dezember 1970 unter den fortgeschriebenen Anschaffungs- oder Herstellungskosten lag, weil die Fabrikgebäude nicht mehr rentabel genutzt werden konnten. Der gedachte Erwerber des ganzen Unternehmens hätte die Beeinträchtigung der Produktion durch die unzureichende Größe der Fabrikgebäude bei der Bestimmung des Kaufpreises für diese Wirtschaftsgüter im Rahmen des Gesamtkaufpreises preismindernd berücksichtigt.
b) Als weiterer Grund für eine Teilwertabschreibung kommt die Änderung des Bebauungsplans der Stadt X im Jahre 1971 in Betracht, durch die das Gebiet, in dem der Betrieb der Klägerin lag, als allgemeines Wohngebiet ausgewiesen wurde. Diese Änderung des Bebauungsplans hatte zwar nicht zur Folge, daß eine weitere gewerbliche Nutzung des Grundstücks ausgeschlossen war. Denn der Bebauungsplan hat nur Wirkung für die Zukunft. Nach bisher geltendem Recht legal errichtete Bauwerke genießen Bestandsschutz, auch wenn sie den Festsetzungen des Bebauungsplans nunmehr widersprechen. Sie dürfen in ihrem bisherigen Umfang weiter genutzt und für diese Nutzung auch instandgehalten werden (vgl. Battis/Krautzberger/Löhr, Bundesbaugesetz, 1985, Rdnr. 10 zu § 30). Gleichwohl wird durch die Änderung des Bebauungsplans die Nutzungs- und Verwertungsmöglichkeit eines dem Bebauungsplan widersprechenden Gebäudes eingeschränkt. Denn der Bestandsschutz erstreckt sich nur auf die baulichen Anlagen in ihrer jeweiligen Funktion; er erfaßt keine wesentlichen Änderungen (insbesondere Erweiterungen) der vorhandenen Baulichkeiten (ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, vgl. z. B. Urteile vom 18. Oktober 1974 IV C 75/71, BVerwGE 47, 126; vom 18. Oktober 1974 IV C 77/73, Die Öffentliche Verwaltung 1975, 103, und vom 12. Dezember 1975 IV C 71/73, BVerwGE 50, 49). Ein gedachter Erwerber des gesamten Unternehmens würde auch diese rechtliche Beschränkung der Nutzungsmöglichkeit der Baulichkeiten bei der Bemessung des Kaufpreises für die Fabrikgebäude berücksichtigen.
c) Das Urteil in BFHE 107, 214, BStBl II 1973, 54 steht einer Teilwertabschreibung nicht entgegen. In dieser Entscheidung hat der BFH trotz rückläufiger Produktions- und Ertragsverhältnisse die vom Steuerpflichtigen begehrte Teilwertabschreibung für das Betriebsgelände abgelehnt, weil im Zeitpunkt der Bilanzaufstellung für das Streitjahr der Betrieb in dem Gebäude noch fortgeführt worden war. Im Gegensatz zum vorliegenden Fall waren in der Sache in BFHE 107, 214, BStBl II 1973, 54 jedoch keine Anhaltspunkte dafür gegeben, daß die Ursache für die rückläufige Rentabilität des Betriebs gerade in den baulichen Anlagen begründet war. Der I. Senat konnte deshalb in der Entscheidung in BFHE 107, 214, BStBl II 1973, 54 davon ausgehen, daß eine dauernde Wertminderung der Gebäude zum Bilanzstichtag nicht vorlag.
6. Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO), weil das FG auf der Grundlage der vorstehenden Ausführungen noch Feststellungen dazu treffen muß, in welcher Höhe eine Teilwertabschreibung zu den Bilanzstichtagen der Streitjahre anzuerkennen ist. Dabei wird das FG auch zu beachten haben, daß eine gleichmäßige Verteilung des Abschreibungsbetrags auf mehrere Jahre, wie sie die Klägerin mit ihrem Hauptantrag begehrt, bei der Teilwertabschreibung nicht zulässig ist. Die Teilwertabschreibung ist vielmehr bei Steuerpflichtigen, die - wie die Klägerin - ihren Gewinn nach § 5 EStG ermitteln, zu dem auf die Wertminderung folgenden Bilanzstichtag vorzunehmen (Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 6 EStG Anm. 561, 564). Die bisherigen Feststellungen des FG legen die Annahme nahe, daß die Umstände, die zu einer dauernden Wertminderung der Betriebsgebäude geführt haben, für die Klägerin bereits bei Aufstellung der Bilanz zum 31. Dezember 1970 erkennbar waren.
Fundstellen
Haufe-Index 60776 |
BFH/NV 1986, 22 |