Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Vereinbaren mehrere an einem Wohnungsbau beteiligte Steuerpflichtige bürgerlich-rechtlich wirksam, die erhöhte Absetzung für Abnutzung des § 7b EStG unter sich nicht nach dem Verhältnis des Miteigentums, sondern nach dem Anteil der Baukosten zu verteilen, so ist diese Vereinbarung in der Regel auch einkommensteuerrechtlich maßgebend.
Normenkette
EStG §§ 7, 7b
Tatbestand
Mitglieder der Bfin., einer Grundstücksgemeinschaft, sind zwei Schwestern, die ein im Jahre 1957 gebautes Einfamilienhaus bewohnen. Die Bgin. errechnete für 1957 einen Verlust aus Vermietung und Verpachtung von 9 771 DM, den sie wie folgt verteilte:
----------------- A ---------------------- B Anteiliger Grund = betrag gemäß § 2 Abs. 1 der Ver = ordnung über die Bemessung des Nutzungswerts der Wohnung im ei = genen Einfamilienhaus = haus (Einfami = lienhaus-VO) -------- 151 DM --------- 151 DM Anteiliger Zin = senabzug gemäß § 2 Abs. 2 der Einfamilienhaus- = VO -------------- 151 DM ---------- 151 DM § 7b-Abschrei = bung ---------- 7.271 DM 7.422 DM 2.500 DM 2.651 DM anteiliger Ver = lust ------------------- 7.271 DM -------- 2.500 DM.Die Verteilung der Absetzung nach § 7 b EStG begründete die Bgin. damit, daß die Schwestern in verschiedener Höhe (mit 72 713 DM bzw. 25 000 DM) zu den Baukosten beigetragen hätten. Das Finanzamt rechnete den Schwestern den Verlust je zur Hälfte zu, weil der Verlust entsprechend den Eigentumsverhältnisses verteilt werden müsse.
Das Finanzgericht gab der Sprungberufung statt. Es führte in seiner Entscheidung, die in den "Entscheidungen der Finanzgerichte" 1960 S. 377 veröffentlicht ist, aus: Im Schrifttum werde die Meinung vertreten (Littmann, Das Einkommensteuer-Recht, 6. Aufl., Tz. 67 ff. zu § 7b; Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, Anm. 3, 4 zu § 7 b EStG), die erhöhte Absetzung gemäß § 7 b sei die modifizierte Normalabsetzung für Abnutzung des § 7 EStG und könne deshalb wie diese nur nach dem Beteiligungsverhältnis in Anspruch genommen werden. Im Fall des Urteils des Bundesfinanzhofs IV 349/52 U vom 6. November 1952 (BStBl 1953 III S. 9, Slg. Bd. 57 S.20) habe aber der Bundesfinanzhof die von einem Gemeinschafter aufgewendeten Kosten, auch soweit sie nicht auf seinen Gebäudeanteil entfielen, den "Herstellungskosten" zugerechnet. Wenn auch der vom Bundesfinanzhof entschiedene Fall nicht ganz mit dem Streitfall vergleichbar sei, so könne man doch daraus für § 7 b EStG den Grundsatz ableiten, daß bei der Auslegung dieser Vorschrift ihr Sinn und Zweck ausschlaggebend sein müßten. § 7 b EStG verfolge aber den Zweck, die Herstellungskosten im wirtschaftlichen Sinn bei dem zu begünstigen, der sie aufbringe. Bei unterschiedlichen Einkommensverhältnissen der Miteigentümer würde es, wenn man die erhöhte Absetzung nicht nach dem Kostenanteil, sondern immer nach dem Eigentumsanteil verteile, sonst auch leicht möglich sein, daß ein Teil der Sondervergünstigungen ins Leere falle (Eisenberg "Mitteilungsblatt der Steuerberater" 1960 S. 41). Miteigentümer, die die Herstellungskosten eines Wohngebäudes in einem vom Miteigentum abweichenden Verhältnis getragen hätten, könnten demnach die erhöhte Absetzung für Abnutzung entsprechend ihrem Kostenanteil in Anspruch nehmen.
Entscheidungsgründe
Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts ist nicht begründet.
Das Finanzamt nimmt anscheinend an, daß eine Gemeinschaft einkommensteuerlich ihren Ertrag auf die Mitglieder nur im Verhältnis des Miteigentums aufteilen könne. Dieser Auffassung ist nicht beizutreten. Sind an einer Einkunftsquelle mehrere beteiligt, so sind für die Verteilung der gemeinschaftlichen Einkünfte aus dieser Quelle auch einkommensteuerlich grundsätzlich die bürgerlich-rechtlichen Vereinbarungen der Beteiligten maßgebend, sofern sie ernsthaft getroffen und durchgeführt werden (Urteil des Bundesfinanzhofs I 260/56 U vom 27. November 1956, BStBl 1957 III S. 35, Slg. Bd. 64 S. 89). In bestimmten Fällen können allerdings steuerrechtliche Sonderregelungen eingreifen, wie z. B. § 12 Ziff. 2 EStG, wonach Zuwendungen an gesetzlich unterhaltsberechtigte Personen grundsätzlich das Einkommen des Zuwendenden nicht mindern können; in solchen Fällen liegt in der Zuwendung an die unterhaltene Person eine einkommensteuerlich unbeachtliche Vorwegverfügung des Zuwendenden (Urteile des Bundesfinanzhofs VI 27/56 vom 8. Februar 1957, BStBl 1957 III S. 207, Slg. Bd. 64 S. 550; VI 283/57 vom 28. Februar 1958 "Der Betrieb" 1959 S. 696). Solche Fälle sind aber Ausnahmen. Grundsätzlich sind die Einkünfte bei demjenigen zu versteuern, dem sie auf Grund der Vereinbarungen der Beteiligten zufließen. Einen Rechtssatz, wie ihn offenbar das Finanzamt anwenden will, daß die Einkünfte aus einer gemeinsam genutzten Quelle steuerlich den Beteiligten immer im Verhältnis der Eigentumsanteile zugerechnet werden müßten, kennt das EStG nicht. Es ist denkbar und kommt oft vor, daß bei gleichen Eigentumsverhältnissen einem Gemeinschafter, der in Form von Arbeit oder Kapital eine Sonderleistung erbracht hat, bei der Ertragsteilung ein Vorweg gegeben wird (vgl. § 15 Ziff. 2 EStG).
Vereinbaren die Gesellschafter aus solchen oder ähnlichen Gründen eine vom Eigentumsverhältnis abweichende Verteilung des Ertrags, so liegt auch keine Schenkung vor, wie das Finanzamt annimmt; denn der Vorweg des einen führt nicht zu einer unentgeltlichen Bereicherung auf Kosten es anderen, sondern ist ein Teil eines zweiseitigen entgeltlichen Vertrags.
Es ist dem Finanzamt zuzugeben, daß die Absetzung für Abnutzung im Sinne des § 7 EStG den Wertverzehr ausgleichen soll, den ein zur Erzielung von Einkünften genutztes Wirtschaftsgut in einem Wirtschaftsjahr erleidet und daß dieser Wertverzehr darum, wenn mehrere Personen beteiligt sind, grundsätzlich demjenigen zuzurechnen ist, zu dessen Lasten er geht. Das ist in der Regel der Eigentümer. Darum hat der Senat z. B. angenommen, daß bei einem Nießbrauch an einem Mietwohngrundstück die Absetzung für Abnutzung im allgemeinen beim Eigentümer, nicht beim Nießbraucher zu verrechnen ist (Urteil VI 74/55 U vom 5. Juli 1957, BStBl 1957 III S. 393, Slg. Bd. 65 S. 419; VI 269/60 S vom 4. August 1961, das zur amtlichen Veröffentlichung im BStBl bestimmt ist). Dem Finanzgericht ist darin zuzustimmen, daß § 7 b EStG - gesetzessystematisch betrachtet - eine abgewandelte Form der allgemeinen Absetzung für Abnutzung im Sinn des § 7 EStG ist und an deren Stelle tritt (Urteil des Senats VI 132/55 U vom 8. Februar 1957, BStBl 1957 III S. 133, Slg. Bd. 64 S. 352). Darin erschöpfen sich aber die Bedeutung und das Wesen des § 7b EStG nicht. Die Absetzungen des § 7b EStG gehen weit über § 7 EStG, der den Abschreibungssatz grundsätzlich nach dem Wertverzehr des Wirtschaftsguts im Wirtschaftsjahr bemißt, hinaus; sie sind ein gesetzlich zugelassener Vorgriff auf die künftige Absetzung für Abnutzung zu dem ausgesprochenen Zweck, den Wohnungsbau durch eine gegenwärtige Steuererleichterung in Form der Vorwegnahme künftiger Abschreibungen zu fördern und dadurch den Bauherrn eine Finanzierungshilfe aus öffentlichen Mitteln zu geben. Die Besonderheit der Absetzung nach § 7b EStG im Verhältnis zur allgemeinen Absetzung des § 7 EStG kommt z. B. auch darin zum Ausdruck, daß nach § 7b Abs. 5 EStG 1958 innerhalb eines Zeitraums von vier Jahren eine Nachholung der Absetzung für Abnutzung möglich ist, während § 7 EStG die Nachholung einer vorher bewußt unterlassenen Absetzung für Abnutzung ausschließt (Urteil des Bundesfinanzhofs I 344/55 U vom 3. Juli 1956, BStBl 1956 III S. 250, Slg. Bd. 63 S.137). Auch die Bemessungsgrundlage für die Abschreibung kann in Ausnahmefällen bei § 7 und § 7b EStG verschieden sein (Urteil des Bundesfinanzhofs I 28/59 U vom 18. August 1959, BStBl 1959 III S. 448, Slg. Bd. 69 S.502). § 7b EStG gehört in den Kreis der Vorschriften, die nach der Währungsumstellung aus wirtschafts- und sozialpolitischen Gründen in das Einkommensteuerrecht eingebaut wurden und bei deren Auslegung vor allem auch dieser besondere Zweck zu berücksichtigen ist (Urteile des Bundesfinanzhofs IV 399/53 U vom 15. Juli 1954, BStBl 1954 III S. 251, Slg. Bd. 59 S. 110; IV 435/53 U vom 27. Januar 1955, BStBl 1955 III S. 125, Slg. Bd. 60 S. 326; I 15/57 U vom 28. Januar 1958, BStBl 1958 III S. 115, Slg. Bd. 66 S.297).
Zieht man das in Betracht, so muß man mit dem Finanzgericht annehmen, daß es im Sinn des Gesetzes liegt, Vereinbarungen der Beteiligten, durch die die Sonderabschreibung des § 7b EStG im Verhältnis der Kostenanteile verteilt wird, auch steuerlich anzuerkennen. Der Steuerfiskus, der zur Förderung des Wohnungsbaus in Form der Sonderabschreibungen des § 7b EStG bewußt und gezielt ein erhebliches Opfer an Steueraufkommen auf sich nimmt, muß im übrigen in erster Linie darauf bedacht sein, daß nicht über die Grenzen des § 7b EStG hinaus Abschreibungen vorgenommen werden. Wie aber mehrere Beteiligte den ihnen nach § 7b EStG insgesamt zustehenden Abschreibungsbetrag unter sich aufteilen, ist für den Steuerfiskus von weniger großer Bedeutung, solange kein Mißbrauch vorliegt. Von einem Mißbrauch kann aber im Streitfall keine Rede sein. Auf ähnlichen Erwägungen beruht offenbar auch die Entscheidung des Bundesfinanzhofs IV 349/52 U a. a. O.
Das Finanzgericht hat festgestellt, daß die Schwestern wegen der unterschiedlichen Beteiligung an den Baukosten trotz gleichen Miteigentums eine abweichende Verteilung der Sonderabschreibung vereinbart haben. Das Finanzgericht hatte keine Veranlassung, diese von der Bgin. behauptete und wirtschaftlich vernünftige Abmachung in Zweifel zu ziehen oder als nicht ernsthaft anzusehen. Weitere Ermittlungen brauchte es deshalb nicht vorzunehmen, so daß auch die Rüge mangelnder Sachaufklärung nicht durchgreift.
Fundstellen
Haufe-Index 410205 |
BStBl III 1961, 482 |
BFHE 1962, 593 |
BFHE 73, 593 |
BB 1961, 1116 |
DB 1961, 1376 |