Leitsatz (amtlich)
Erwirbt jemand im Wege vorweggenommener Erbfolge einen landwirtschaftlichen Betrieb unter dem Vorbehalt des Nießbrauchs des bisherigen Eigentümers und veräußert er während der Dauer des Nießbrauchs den landwirtschaftlichen Betrieb weiter, ist der bei der Veräußerung erzielte Veräußerungsgewinn ihm zuzurechnen.
Orientierungssatz
Wird ein landwirtschaftlicher und forstwirtschaftlicher Betrieb unentgeltlich im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übertragen, liegt weder eine Entnahme noch eine Betriebsaufgabe vor. Der Betrieb wird steuerrechtlich unverändert durch den Rechtsnachfolger fortgeführt. Unentgeltlich ist der Erwerb auch dann, wenn sich der Übertragende den Nießbrauch an diesem Betrieb vorbehält (Schenkung unter einer Auflage BGB §§ 516, 525). Die Einräumung des Nießbrauchs stellt keine Gegenleistung dar (BFH-Rechtsprechung). Die Bestellung des Nießbrauchs hat bei landwirtschaftlichen und forstwirtschaftlichen Betrieben grundsätzlich zur Folge, daß zwei Betriebe entstehen, ein ruhender (beim Nießbrauchsverpflichteten) und ein wirtschaftender (beim Nießbrauchsberechtigten). Der mit dem Erbvorgang vereinbarte Nießbrauch ist eine außerbetriebliche Last, auch wenn später an dessen Stelle eine andere Last (Altenteil) treten soll. Bei Weiterveräußerung des landwirtschaftlichen und forstwirtschaftlichen Betriebes tritt keine Minderung des erzielten betrieblichen Veräußerungsgewinns ein.
Normenkette
EStG § 14; BGB §§ 516, 525
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 26.November 1973 übertrug die Mutter der Klägerin auf diese im Wege der vorweggenommenen Erbfolge einen landwirtschaftlichen Betrieb mit Gebäuden und etwa 25 Morgen landwirtschaftlicher Fläche. Die Mutter behielt sich den lebenslänglichen Nießbrauch an dem übertragenen Hof vor; demgemäß ist im Vertrag bekundet, daß sie die Bewirtschaftung des Hofes fortführt. Für den Fall eines Verzichts der Mutter auf das ihr eingeräumte Nießbrauchsrecht hatte sie das Anrecht auf ein näher beschriebenes Altenteilsrecht (Wohnrecht auf dem übertragenen Hof, Verpflegung, Pflege usw.).
Am 7.Juni 1975 schlossen die Mutter, die Kläger sowie der Bruder der Klägerin einen weiteren notariell beurkundeten Vertrag. Darin verkaufte die Klägerin die ihr von der Mutter im Jahre 1973 übertragene Hofstelle ihrem Bruder zu einem Kaufpreis von 320 000 DM. Die Besitzübergabe des Hofes wurde auf den 1.Juli 1975 vereinbart. Die Mutter verzichtete auf das ihr in dem Hofübergabevertrag vom 26.November 1973 eingeräumte Nießbrauchsrecht sowie das Altenteilsrecht. Dafür räumte die Klägerin ihrer Mutter ein Altenteilsrecht an dem mit einem Einfamilienhaus zu bebauenden näher bezeichneten Grundstück ein.
Im März 1978 führte die zentrale landwirtschaftliche Betriebsprüfungsstelle des Finanzamts (FA) ... bei der Klägerin eine Betriebsprüfung durch, die sich auf die Einkommensteuer 1975 bezog. Der Betriebsprüfer errechnete für die Veräußerung des landwirtschaftlichen Betriebes durch die Klägerin an ihren Bruder einen Veräußerungsgewinn in Höhe von 251 000 DM. Der Beklagte und Revisionskläger (FA) erließ auf dieser Grundlage den angefochtenen Einkommensteuerbescheid, gegen den sich die zusammenveranlagten Kläger nach erfolglos durchgeführtem Einspruchsverfahren mit der Klage wandten.
Mit ihr begehrten die Kläger, den Veräußerungsgewinn um den Betrag von 77 418 DM niedriger anzusetzen. Auf dem veräußerten Betrieb habe ein lebenslängliches Nießbrauchsrecht zugunsten der Mutter gelastet, an dessen Stelle im Vertrag vom 7.Juni 1975 ein anderes Altenteilsrecht getreten sei. Damit habe die Klägerin den Hoferwerber von der Nießbrauchsbelastung freigestellt. Ohne die Ablösung des Nießbrauchsrechtes wäre der Kaufpreis entsprechend niedriger angesetzt worden. Der Wert des der Mutter eingeräumten Altenteils sei daher steuerrechtlich als Kaufpreisminderung anzusehen.
Das Finanzgericht (FG) hat der Klage teilweise stattgegeben. Entgegen der Auffassung des FA sei der Überlassungsvertrag vom 26.November 1973 in Verbindung mit dem Vertrag vom 7.Juni 1975 dahin zu würdigen, daß die Klägerin ihrer Mutter für deren Verzicht für das eingeräumte dingliche lebenslängliche Nießbrauchsrecht ein Altenteilsrecht auf dem noch mit einem Einfamilienhaus zu bebauenden Grundstück eingeräumt habe. Die Mutter habe vor Abschluß des Vertrages vom 7.Juni 1975 nicht auf den Nießbrauch verzichtet. Den Wert des Altenteils schätze es auf insgesamt jährlich 5 004 DM; unter Ansatz der noch bis zum Erreichen des 65.Lebensjahres der Mutter zu zahlenden Krankenversicherung (1 080 DM jährlich) ergebe sich ein kapitalisierter Wert des Altenteilsrechts in Höhe von 74 152 DM.
Mit der vom FG zugelassenen Revision macht das FA geltend: Das finanzgerichtliche Urteil verletze § 14 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m. § 16 EStG. Das FG habe sich nicht mit den Urteilen des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 26.Februar 1976 I R 150/74 (BFHE 118, 337, BStBl II 1976, 378) und vom 2.August 1983 VIII R 170/78 (BFHE 139, 76, BStBl II 1983, 735) auseinandergesetzt.
Das FA beantragt, das Urteil des FG vom 11.Juli 1984 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Abweisung der Klage.
1. Wird ein land- und forstwirtschaftlicher Betrieb unentgeltlich im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übertragen, so liegt weder eine Entnahme noch eine Betriebsaufgabe vor. Der Betrieb wird vielmehr steuerrechtlich unverändert durch den Rechtsnachfolger fortgeführt (BFH-Urteile vom 24.Oktober 1951 IV 233/51 U, BFHE 56, 10, BStBl III 1952, 5, und vom 23.April 1971 IV 201/65, BFHE 102, 488, BStBl II 1971, 686; vgl. auch BFH-Urteil vom 4.November 1980 VIII R 55/77, BFHE 132, 414, BStBl II 1981, 396). Der Rechtsnachfolger ist an die Buchwerte des Rechtsvorgängers gebunden (§ 7 Abs.1 der Einkommensteuer- Durchführungsverordnung --EStDV--).
Unentgeltlich ist der Erwerb auch dann, wenn sich der Übertragende den Nießbrauch an dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb vorbehält. Es handelt sich auch in diesem Falle um eine Schenkung i.S. von § 516 Abs.1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Die Einräumung des Nießbrauchs an den einzelnen Sachen und Rechten des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes (§§ 1030 ff., 1068 ff. BGB), insbesondere die Einräumung des Nießbrauchs an dem zum land- und forstwirtschaftlichen Betrieb gehörenden Grundstücken bedeutet lediglich, daß der Betrieb unter einer Auflage (vgl. § 525 BGB) zugewendet wird. Die Einräumung des Nießbrauchs stellt weder bürgerlich-rechtlich (Palandt/Putzo, Bürgerliches Gesetzbuch, 46.Aufl., § 525 Anm.2c mit weiteren Nachweisen) noch einkommensteuerrechtlich eine Gegenleistung des Empfängers für die Übertragung des Zugewandten dar (vgl. BFH-Urteile vom 23.August 1963 VI 81/62 U, BFHE 77, 450, BStBl III 1963, 484, und vom 28.Juli 1981 VIII R 124/76, BFHE 134, 130, BStBl II 1982, 378).
2. Die Bestellung des Nießbrauchs hat bei land- und forstwirtschaftlichen Betrieben grundsätzlich zur Folge, daß zwei Betriebe entstehen, und zwar ein ruhender in der Hand des nunmehrigen Eigentümers (und Nießbrauchsverpflichteten) und ein wirtschaftender in der Hand des Nießbrauchsberechtigten und Hofübergebers (Felsmann, Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirte, 3.Aufl., A 253, 255). So lange der neue Eigentümer und Nießbrauchsverpflichtete die Betriebsaufgabe nicht ausdrücklich erklärt, ist er Inhaber eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes. Die Sachlage ist vergleichbar mit dem Wirtschaftsüberlassungsvertrag zwischen dem bisherigen Hofinhaber und dem voraussichtlichen Hoferben (vgl. dazu BFH-Urteile vom 5.Februar 1976 IV R 31/74, BFHE 118, 37, BStBl II 1976, 335, und vom 24.Juli 1975 IV R 99/72, BFHE 116, 364, BStBl II 1975, 772). Auch hier fallen das Eigentum und die Bewirtschaftung auseinander. Der land- und forstwirtschaftliche Betrieb als selbständiger Organismus bleibt in der Hand des jetzt Wirtschaftenden bestehen. Der Eigentümer kann allerdings wählen, ob er die Betriebsaufgabe erklärt (BFH-Urteil vom 18.März 1964 IV 114/61 S, BFHE 79, 195, BStBl III 1964, 303, und Urteil des Großen Senats vom 13.November 1963 GrS 1/63 S, BFHE 78, 315, BStBl III 1964, 124; vgl. auch BFH-Urteil vom 29.Oktober 1981 IV R 138/78, BFHE 134, 339, BStBl II 1982, 381, 383).
Verkauft der Eigentümer im Fall eines sogenannten Wirtschaftsüberlassungsvertrages zum Betrieb gehörende Grundstücke, so muß er die Veräußerungsgewinne versteuern (Leingärtner/Zaisch, Die Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirtschaft, Rdnr.1073). Ebenso sind im Fall der Nießbrauchsbestellung Gewinne aus der Veräußerung von zum Betrieb gehörenden Grundstücken dem Eigentümer zuzurechnen (Leingärtner/Zaisch, a.a.O., Rdnr.1016; Felsmann, a.a.O., A 252, A 259).
Im Streitfall waren die Grundstücke des landwirtschaftlichen Betriebs im Zeitpunkt der Veräußerung Betriebsvermögen der Klägerin. Aufgrund des Hofübergabevertrages vom 26.November 1973 waren sie wirtschaftlich ihr zuzurechnen.
3. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz kann der vom FA zutreffend ermittelte Veräußerungserlös nicht um den kapitalisierten Wert der im Vertrag vom 7.Juni 1975 geregelten Altenteilsleistungen gemindert werden.
a) Die Einräumung des Nießbrauchs im Hofübergabevertrag vom 26.November 1973 war ein privater Vorgang. Ein im Zusammenhang mit einem Erbvorgang vereinbarter Nießbrauch ist keine betriebliche, sondern eine außerbetriebliche Last, die sich in der privaten Vermögenssphäre auswirkt. Diese Beurteilung trifft auch für eine Vereinbarung zu, die vorsieht, daß zu einem späteren Zeitpunkt an die Stelle des Nießbrauchs eine andere Last (nämlich das Altenteil) treten soll. Die dergestalt von der Klägerin übernommene private Last bestand gegenüber ihrer Mutter. Der Bruder als Käufer des Hofes war weder gegenüber seiner Mutter nießbrauchsverpflichtet noch hatte er sich zur Gewährung des Altenteils verpflichtet. Mit der Überführung der Altenteilsverpflichtung von dem zu verkaufenden Hof auf ein anderes Grundstück hat die Klägerin ihren Bruder nicht von einer Altenteilsverpflichtung freigestellt, sondern das Hofgrundstück von einer Belastung bereinigt, die sie im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge übernommen hatte. Die Klägerin stand vor der Wahl, die ihr obliegende Verpflichtung entweder in der Form weiterzuführen, wie es tatsächlich geschehen ist (Übertragung des Altenteilsrechts auf ein anderes Grundstück) oder ihren Bruder (mit Einverständnis der Mutter) zu bewegen, die ihr obliegende private Altenteilsverpflichtung vertraglich zu übernehmen, was für diesen Fall zu einer Minderung des in bar zu zahlenden Kaufpreises geführt hätte. Keine der beiden möglichen Lösungen berührt aber den von der Klägerin erzielten betrieblichen Veräußerungsgewinn.
b) Die Entscheidung des FG stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar, denn bei den mit der Einräumung des (neuen) Altenteilsrechts verbundenen Kosten handelt es sich nicht um Veräußerungskosten i.S. des § 16 Abs.2 EStG. Veräußerungskosten, die den Veräußerungsgewinn mindern, können nur Aufwendungen sein, die durch die Erzielung des Erlöses für die Veräußerung des Betriebs veranlaßt sind. Die Altenteilsleistungen sind indes, wie unter a) dargelegt, privat veranlaßt und können schon deshalb nicht vom Veräußerungsgewinn abgezogen werden.
c) Da das der Klage teilweise stattgebende Urteil des FG insoweit von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, war es aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Aufgrund der vorstehenden Erwägungen war die Klage abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 61557 |
BStBl II 1987, 772 |
BFHE 150, 321 |
BFHE 1987, 321 |
BB 1987, 2148 |
DStZ/E 1987, 343-343 (S) |
StEL 1987, 52-55 (LT) |