Leitsatz (amtlich)
1. Erwirbt ein Steuerpflichtiger eine an einen Dritten vermietete Eigentumswohnung zum Zweck der späteren Eigennutzung und nutzt er diese Wohnung nach dem Auszug des Mieters einige Monate lang aus subjektiven Gründen nicht, so kann die Einfamilienhaus-Verordnung erst ab dem Zeitpunkt angewandt werden, ab dem der Steuerpflichtige die Wohnung tatsächlich zu Eigenzwekken nutzt.
2. Für die Monate, in denen die Eigentumswohnung weder vermietet war noch zu Eigenwohnzwecken genutzt wurde, ist in einem solchen Fall kein Nutzungswert anzusetzen. Die auf diese Zeit entfallenden Werbungskosten sind abzuziehen.
Normenkette
EStG 1967 § 21 Abs. 2; EinfHaus-VO § 2
Tatbestand
Streitig ist, ob die Verordnung über die Bemessung des Nutzungswerts der Wohnung im eigenen Einfamilienhaus vom 26. Januar 1937 - EinfHaus-VO - (RGBl I 1937, 99, RStBl 1937, 161) auf eine Eigentumswohnung schon vom Zeitpunkt der Nutzbarkeit der Wohnung oder erst vom Zeitpunkt der tatsächlichen Eigennutzung durch den Eigentümer angewandt werden kann.
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) erwarben im Jahre 1967 eine Eigentumswohnung, die sie nach ihrer Verheiratung im September 1968 bezogen. Die Mieter der vorher vermieteten Wohnung zogen am 28. Februar 1968 aus. Ab dem 1. März 1968 bis zum Einzug der Kläger stand die Wohnung leer. Während dieser Zeit ließen die Kläger für 323 DM Instandsetzungsarbeiten ausführen.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) wandte die EinfHaus-VO schon auf die Zeit ab dem 1. März 1968 mit der Begründung an, es habe bereits bei Abschluß des Kaufvertrages festgestanden, daß die Wohnung eigengenutzt werden solle, die benutzbare Wohnung sei aber dann bis zur Eheschließung nur aus persönlichen Gründen nicht genutzt worden. Das FA ließ deshalb nur 2/12 der geltend gemachten Werbungskosten zum Abzug zu. Der Einspruch hatte nur insoweit Erfolg, als das FA die EinfHaus-VO erst ab dem 1. April 1968 anwandte, deshalb 3/12 der Werbungskosten und die Instandsetzungskosten von 323 DM in voller Höhe berücksichtigte.
Das FG wies die Klage ab. Es führte in seiner in EFG 1972, 332, veröffentlichten Entscheidung im wesentlichen aus: Die Kläger könnten ihre Rechtsansicht, für die Anwendung der Einfamilienhaus-Verordnung sei kein Raum, wenn der Eigentümer das Haus, gleichgültig aus welchen Gründen, nicht nutze, nicht auf die von ihnen zitierten Urteile des BFH stützen. Diese Urteile behandelten Fälle, in denen die Steuerpflichtigen ihr Haus nicht selbst hätten nutzen können, obwohl sie es gewollt hätten. Im Streitfall liege der umgekehrte Sachverhalt vor. Die Kläger hätten ihre Eigentumswohnung vorläufig nicht selbst benutzen wollen, obwohl sie es gekonnt hätten. Wenn jemand eine Eigentumswohnung nicht beziehen wolle, obwohl sie bezugsfertig sei, sei in der Regel für die Anwendung der EinfHaus-VO kein Raum. Der Nutzungswert der eigenen Wohnung sei in diesen Fällen nach § 21 Abs. 2 EStG zu ermitteln. Das setze allerdings die Absicht voraus, die Wohnung überhaupt nicht selbst nutzen zu wollen. Die Kläger hätten jedoch die Wohnung stets für sich haben wollen, sobald sie frei werden würde. Deshalb hätten sie die Wohnung gekauft. Ihr Ziel sei es gewesen, sofort nach der Hochzeit die Wohnung zu beziehen. Indem sie die Wohnung einige Monate für sich freihielten, hätten sie die Wohnung auch in dieser Zeit zu künftigen eigenen Wohnzwecken genutzt, so daß die EinfHaus-VO ab dem 1. März 1968 anzuwenden sei.
Die Kläger beantragen mit der Revision, die das FG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Streitfrage zugelassen hat, unter Aufhebung des FG-Urteils die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für 1968 auf ./. 3 245 DM festzustellen. Sie rügen Verstöße gegen § 21 EStG und gegen die EinfHaus-VO. Die Revision wird im wesentlichen wie folgt begründet: Die Auffassung des FG sei weder mit der Rechtsprechung des RFH noch der des BFH oder der FG und schon gar nicht mit dem Wortlaut des Gesetzes zu rechtfertigen. Schon der RFH habe in einem Urteil vom 10. März 1938 IV 298/37 (RStBl 1938, 528) das Vorliegen eines subjektiven Merkmals "Nutzungswert" in einem Fall verneint, in dem Räume völlig unbenutzt leergestanden hätten. Auch der BFH habe ständig betont, daß die Anwendbarkeit der EinfHaus-VO von der tatsächlichen Benutzung des Einfamilienhauses als Wohnung abhängig sei (Urteil vom 24. Januar 1969 VI R 173/67, BFHE 95, 100, BStBl II 1969, 312, und die dort angegebenen Entscheidungen). In ähnlicher Form habe sich auch das FG Baden-Württemberg in dem Urteil vom 15. April 1970 I 293/68 (Deutsche Steuer-Zeitung, Ausgabe B - Eildienst - 1970 S. 255) geäußert. Entgegen der Auffassung des FG gehöre außer dem objektiven Merkmal der Bezugsfertigkeit auch die Ausstattung der Räume mit den notwendigen Einrichtungsgegenständen zur Nutzbarkeit einer Wohnung. Die subjektive Benutzung komme als weiteres Merkmal hinzu.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Es ist weiterhin der Auffassung, daß es für die Anwendbarkeit der EinfHaus-VO entscheidend allein objektiv auf die Benutzbarkeit und subjektiv auf die Absicht ankomme, die sofort beziehbare Wohnung nicht mehr zu vermieten, sondern für eigene Zwecke zu nutzen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Das FG hat zu Unrecht die Anwendbarkeit der EinfHaus-VO schon auf einen Zeitpunkt bejaht, in dem der Eigentümer einer Wohnung diese zu Eigenwohnzwecken objektiv nutzen kann, sie aber aus subjektiven Gründen zu diesem Zeitpunkt tatsächlich noch nicht nutzt, sondern sie einige Monate lang leerstehen läßt.
Nach § 21 Abs. 2 EStG gehört zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung auch der Nutzungswert der Wohnung im eigenen Haus. Handelt es sich um eine Wohnung im eigenen Einfamilienhaus, so ist dieser Nutzungswert nach der EinfHaus-VO zu bemessen. Erste Voraussetzung für die Anwendung der EinfHaus-VO ist also, daß überhaupt ein Nutzungswert i. S. des § 21 Abs. 2 EStG angesetzt werden kann. Das ist schon nach dem Wortlaut dieser Vorschrift nur möglich, wenn eine Wohnung im eigenen Haus vom Eigentümer tatsächlich genutzt wird. Denn nur dann kann von einem "Nutzungs"wert gesprochen werden (vgl. dazu RFH-Urteil IV 298/37 und Popp in FR 1967, 57). Zu demselben Ergebnis kommt man auch dann, wenn man den Sinn und Zweck des § 21 Abs. 2 EStG berücksichtigt. Schon der RFH hat den Zweck dieser Vorschrift darin gesehen, daß der Eigenwohner dem Vermieter gleichgestellt werden soll (vgl. RFH-Urteile vom 8. Februar 1928 VI A 439/27, RFHE 23, 35, und VI A 80/27, RFHE 23, 46; vgl. auch die Ausführungen des BVerfG in dem Beschluß vom 3. Dezember 1958 1 BvR 488/57, BStBl I 1959, 68, unter Abschn. B zu II 1). Gerade aus dieser Gleichstellung mit dem Vermieter ist zu folgern, daß für eine Wohnung, die vom Eigentümer nicht selbst genutzt wird, kein Nutzungswert anzusetzen und deshalb auch die EinfHaus-VO nicht anwendbar ist. Denn auch für eine von einem Vermieter nicht vermietete Wohnung können keine fiktiven Einnahmen angesetzt werden (so auch Popp, a. a. O.). Diese Auffassung wird auch im Schrifttum ganz allgemein vertreten (vgl. z. B. Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, 16. Aufl., Bd. IV, Anm. 23 d zu § 21 EStG; Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 11. Aufl., Anm. 36 a zu § 21 EStG). Entgegen der Auffassung des FG geht auch der BFH in ständiger Rechtsprechung von dem Grundsatz aus, daß die EinfHaus-VO anwendbar wird, wenn das eigene Haus tatsächlich vom Eigentümer als Wohnung genutzt wird (vgl. BFH-Urteil VI R 173/67 und die dort angegebenen Entscheidungen). Es ist zwar richtig, daß in diesen Entscheidungen die Formulierung gewählt wurde, für die Anwendung der EinfHaus-VO sei kein Raum, solange der Eigentümer die Wohnung im eigenen Einfamilienhaus "noch nicht benutzt und nicht benutzen kann". Das erklärt sich, wie auch das FG erkannt hat, aus dem Umstand, daß alle diese Entscheidungen Fälle betrafen, in denen eine Benutzung durch den Eigentümer deshalb nicht möglich war, weil die Wohnungen noch nicht benutzbar waren. Es kann dem FG deshalb darin zugestimmt werden, daß diese Rechtsprechung auf den vorliegenden Fall nicht unmittelbar angewandt werden kann, weil hier die Wohnung benutzbar war und nur aus subjektiven Gründen von den Klägern zunächst nicht zu Eigenwohnzwecken benutzt wurde. Der Senat teilt jedoch nicht die Auffassung des FG, es ergebe sich aus dieser Rechtsprechung, daß immer schon dann, wenn die Wohnung benutzbar ist und nur aus subjektiven Gründen eine Zeitlang nicht vom Eigentümer benutzt wird, die EinfHaus-VO angewendet werden kann. Er ist vielmehr der Ansicht, daß auch nach dieser Rechtsprechung für die Anwendung der EinfHaus-VO zwei Voraussetzungen erforderlich sind, die Benutzbarkeit bzw. Bezugsfertigkeit und die tatsächliche Nutzung zu Wohnzwekken durch den Eigentümer. Es geht insbesondere aus den Ausführungen in dem Urteil VI R 173/67 eindeutig hervor, daß als entscheidendes Merkmal für die Anwendung der EinfHaus-VO die tatsächliche Nutzung durch den Eigentümer anzusehen ist. Das entspricht, wie oben dargelegt wurde, auch dem Wortlaut und dem Sinn und Zweck des § 21 Abs. 2 EStG. Der Ansatz eines Nutzungswerts für leerstehende Wohnungen würde dieser Vorschrift widersprechen. Dieser Auffassung steht das Urteil vom 10. März 1970 VI R 165/67 (BFHE 98, 490, BStBl II 1970, 453) nicht entgegen. Dort ist zwar unter Hinweis auf das BFH-Urteil vom 29. Oktober 1953 IV 238/53 U (BFHE 58, 162, BStBl III 1953, 353) für die Anwendung der EinfHaus-VO auf die Bezugsfertigkeit abgestellt. In dem Urteil IV 238/53 U wird jedoch ausdrücklich hervorgehoben, daß die Benutzung der Wohnung im eigenen Einfamilienhaus eine wesentliche Voraussetzung für die Anwendung der EinfHaus-VO ist. In dem damals entschiedenen Fall wurde das Einfamilienhaus offenbar unmittelbar nach der Bezugsfertigkeit von dem Eigentümer genutzt. Auch im Fall des Urteils VI R 165/67 ist der Eigentümer noch in demselben Monat, in dem das Einfamilienhaus bezugsfertig wurde, eingezogen.
Das Leerstehenlassen einer Wohnung könnte in besonders gelagerten Fällen allenfalls dazu führen, daß Aufwendungen auf den Erhalt der Wohnung nicht als Werbungskosten abgezogen werden könnten, weil sie nicht zur Erzielung von Einnahmen, sondern zum Erhalt des Vermögens gemacht worden sind (vgl. RFH-Urteil vom 6. November 1929 VI A 1442/29, RStBl 1930, 39). Der Senat folgt nicht der Auffassung von Popp (a. a. O.), daß die auf die Zeit des Leerstehens entfallenden Aufwendungen grundsätzlich nicht berücksichtigt werden können. Das kommt vielmehr ausnahmsweise nur dann in Betracht, wenn zwischen diesen Aufwendungen überhaupt kein ursächlicher Zusammenhang mit der Erzielung von Einnahmen mehr besteht. Ein solcher Fall liegt jedoch hier nicht vor.
Das FG-Urteil war aus diesen Gründen aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Das FA hat gegen die Berechnung des nach dem Antrag der Kläger festzustellenden Verlustes von 3 245 DM keine Einwendungen erhoben. Es hat auch die darin enthaltenen Absetzungen für Abnutzung und sonstigen Werbungskosten bei der einheitlichen Feststellung der Einkünfte und in der Einspruchsentscheidung für die Zeit, für die nach seiner Auffassung die EinfHaus-VO noch nicht anzuwenden war, bereits zum Abzug zugelassen.
Es bestehen deshalb keine Bedenken, die Einspruchsentscheidung des FA aufzuheben und die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für 1968 in der beantragten Höhe, d. h. auf ./. 3 245 DM, festzustellen.
Fundstellen
Haufe-Index 71658 |
BStBl II 1976, 9 |
BFHE 1976, 54 |
NJW 1976, 776 |