Leitsatz (amtlich)
Erhöhte Absetzungen nach § 14 BerllnFG kommen für Hochseejachten grundsätzlich nicht in Betracht. Das gilt auch dann, wenn die Jachten während der Wintermonate in Berlin (West) gewartet und dort zur Förderung des Verkaufs gleichartiger Jachten Interessenten vorgeführt werden.
Normenkette
BerlinFG § 14 Abs. 2 Nr. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Rechtsstreit geht um die Frage, ob für Anzahlungen auf die Anschaffungskosten einer Jacht die erhöhte Absetzung für Abnutzung (AfA) nach § 14 Abs. 4 Satz 1 des Berlinförderungsgesetzes (BerlinFG) im Jahr der Anzahlung geltend gemacht werden kann.
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betreibt zusammen mit seiner Ehefrau einen ... betrieb für ...
Außerdem betreibt er seit 1970 ein Gewerbe als Handeslvertreter für Motor- und Segeljachten. Er hat zu diesem Zweck mit der Werft X in ... mehrere Verträge abgeschlossen, nach denen ihm bis zum 31. Dezember 1976 das Alleinverkaufsrecht für die Erzeugnisse dieses Unternehmens zustehen sollte.
Im Jahre 1971 bestellte der Kläger bei der Werft X eine Hochseejacht (Anschaffungskosten rd. 264 000 DM). Nach Angaben des Klägers leistete er hierauf im Streitjahr 1972 eine Anzahlung von 91 346,78 DM. Im Jahre 1973 wurde dem Kläger die Jacht übergeben. Nach seinen Darlegungen hat er die Jacht zum Teil selbst benutzt; teilweise soll sie auch Vorführungszwecken gedient haben. Außerdem hat sie der Kläger an andere Personen verchartert.
Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) wurde die Jacht in den Jahren 1973 bis 1978 auf der Ostsee gesegelt. Zwecks Wartung und Überholung wurde sie jeweils im Herbst der Jahre 1973 bis 1977 nach Berlin gebracht und im folgenden Frühjahr wieder nach ... überführt. An Chartererlösen vereinnahmte der Kläger:
1973 3 726 DM
1974 14 029 DM
1975 16 421 DM
1976 16 983 DM
1977 16 042 DM
Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr beantragte der Kläger, ihm auf die Anzahlung für die Anschaffung seiner Segeljacht eine erhöhte Absetzung von 75 v. H. von 91 346 DM = (aufgerundet) 68 510 DM zu gewähren. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) lehnte dies ab.
Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Zur Begründung der Einspruchsentscheidung führte das FA aus,die Jacht sei dem notwendigen Privatvermögen zuzurechnen; deshalb seien die im Zusammenhang mit der Jacht stehenden Aufwendungen als nicht abzugsfähige Kosten der Lebensführung anzusehen.
Auch die Klage wurde abgewiesen. Das FG begründete seine Entscheidung damit, daß die erhöhten Absetzungen für Anzahlungen aus Anschaffungskosten (§ 14 Abs. 4 Satz 1 BerlinFG) nur für bewegliche Wirtschaftsgüter in Anspruch genommen werden könnten, die mindestens drei Jahre nach ihrer Anschaffung in einer in Berlin (West) belegenen Betriebsstätte verblieben. Daran habe es im Streitfall gefehlt. Die Hochseejacht des Klägers sei in Westdeutschland verchartert worden. Selbst wenn man zugunsten des Klägers annehme, daß er als Handelsvertreter für Motor- und Segeljachten eine Betriebsstätte in Berlin (West) gehabt habe und daß die Jacht sein Betriebsvermögen gewesen sei, so sei sie jedenfalls nicht i. S. des BerlinFG in der Berliner Betriebsstätte "verblieben". Dies hätte vorausgesetzt, daß sie zumindest weitaus überwiegend in Berlin (West) eingesetzt worden wäre (Urteile des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 15. Januar 1974 VIII R 140/70, BFHE 112, 106, BStBl II 1974, 390, und vom 15. Januar 1974 VIII R 192/71, BFHE 112, 442, BStBl II 1974, 559). Daran habe es im Streitfall gefehlt.
Mit der Revision rügt der Kläger Verfahrensverstöße sowie die Verletzung materiellen Rechts. Das FG habe seine Entscheidung auf einen rechtlichen Gesichtspunkt gestützt, den die Verfahrensbeteiligten erkennbar nicht für erheblich gehalten hätten. Unter den Beteiligten sei zunächst nur streitig gewesen, ob die Jacht des Klägers seinem Betriebs- oder seinem Privatvermögen zuzurechnen gewesen sei. Demgemäß sei der Prozeßstoff auf diese Frage konzentriert worden. In seiner Entscheidung sei das FG aber auf diese Streitfrage nicht weiter eingegangen; es habe die Abweisung der Klage vielmehr allein auf die "formale" Anwendung des § 14 Abs. 2 Nr. 1 BerlinFG gestützt. -- Abgesehen hiervon habe das FG die Vorschrift des § 14 Abs. 2 Nr. 1 BerlinFG unzutreffend angewendet. Bei gewissen Betrieben sei es nach deren besonderer Zweckbestimmung erforderlich, daß sie ihre Wirtschaftsgüter außerhalb von Berlin (West) einsetzten. Wollte man derartigen Betrieben die Vorteile des BerlinFG versagen, so wären diese Unternehmen gezwungen, ihre Betriebsstätte in die Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) zu verlegen, um mit westdeutschen Unternehmen konkurrieren zu können. Ein Unternehmen, das die Vercharterung von Hochseejachten betreibe und aus dem Verkauf von Jachten Provisionen erziele, könne seinen Sitz und seine Betriebsstätte durchaus in Berlin (West) haben. Seine besondere Zielsetzung mache es jedoch erforderlich, daß die zum Betriebsvermögen gehörenden Jachten zeitweise an die Nord- oder Ostsee verbracht werden. Die Segeljacht des Klägers habe sich jeweils vom Herbst bis zum Frühjahr in Berlin (West) befunden. Dort seien die Überholungsarbeiten durchgeführt worden; dort sei sie auch potentiellen Käufern vorgeführt worden. Durch den Geschäftsbetrieb eines derartigen Unternehmens würden in Berlin (West) Arbeitsplätze (Verwaltungs- und Büropersonal) geschaffen; außerdem seien sämtliche Wartungs- und Überholungsarbeiten in Berlin (West) durchgeführt worden. -- Durch seine enge Auslegung des § 14 Abs. 2 Nr. 1 BerlinFG habe das FG die zu Art. 12 des Grundgesetzes (GG) entwickelten Auslegungsgrundsätze mißachtet.
Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des FG aufzuheben und der Klage stattzugeben.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Das FG hat die Voraussetzungen für die Geltendmachung von Absetzungen zu Recht verneint.
1. Die Voraussetzungen für eine normale AfA nach § 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) lagen im Streitfall nicht vor.
Eine AfA kommt bei abnutzbaren Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens grundsätzlich erst dann in Betracht, wenn sie angeschafft oder hergestellt worden sind (§ 7 Abs. 1 EStG; wegen der für die Anschaffung bzw. Herstellung maßgebenden Zeitpunkte vgl. § 9 a der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung -- EStDV --). Die Jacht, für die der Kläger Absetzungen machen möchte, war im Streitjahr 1972 noch nicht geliefert worden; ihre Übergabe erfolgte erst im Jahre 1973.
2. Nach § 14 Abs. 4 BerlinFG in der für das Streitjahr 1972 geltenden Fassung vom 29. Oktober 1970 (BGBl I, 1481, BStBl I, 1017) -- nunmehr: § 14 Abs. 5 BerlinFG i. d. F. vom 23. Februar 1982 -- können unter bestimmten Voraussetzungen Absetzungen allerdings auch für Anzahlungen auf Anschaffungskosten vorgenommen werden. Diese Voraussetzungen haben jedoch im Streitfall nicht vorgelegen.
a) Die Anzahlungen müssen für "abnutzbare Wirtschaftsgüter" gezahlt werden, "die zum Anlagevermögen einer in Berlin (West) belegenen Betriebsstätte gehören" (§ 14 Abs. 1 BerlinFG). Es muß sich um Wirtschaftsgüter handeln, für die nach den allgemeinen Vorschriften des Einkommensteuerrechts eine AfA überhaupt in Betracht kommt. Daran fehlt es bei solchen Wirtschaftsgütern, bei denen nach § 4 Abs. 5 Nr. 3 EStG 1971 (nunmehr § 4 Abs. 5 Nr. 4 EStG 1981) Aufwendungen nicht abzugsfähig sind.
Nach § 4 Abs. 5 Nr. 3 EStG 1971 können Aufwendungen für Segeljachten (das gilt auch für AfA) grundsätzlich nicht abgezogen werden. Eine Ausnahme gilt nur für den Fall, daß eine Jacht ausschließlich oder fast ausschließlich betrieblichen Zwecken dient, eine private Nutzung dagegen nur in ganz geringfügigem Umfang stattfindet (vgl. BFH-Beschluß vom 19. Oktober 1970 GrS 2/70, BFHE 100, 309, BStBl II 1971, 17).
Das FG hat im Streitfall keine hinreichenden tatsächlichen Feststellungen getroffen, in welchem Umfang der Kläger seine Jacht betrieblich und privat genutzt hat. Die Frage kann jedoch offenbleiben, da es an den weiteren Voraussetzungen für die Inanspruchnahme einer erhöhten AfA nach § 14 BerlinFG fehlte.
b) Nach § 14 Abs. 2 Nr. 1 BerlinFG können die erhöhten Absetzungen nur in Anspruch genommen werden "für bewegliche Wirtschaftsgüter, die mindestens drei Jahre nach ihrer Anschaffung oder Herstellung in einer in Berlin (West) belegenen Betriebsstätte verbleiben". Diese Voraussetzung lag bei der vom Kläger angeschafften Jacht nicht vor.
Der Begriff des "Verbleibens" in § 14 BerlinFG ist i. S. einer räumlichen Bindung des angeschafften Wirtschaftsguts an die Betriebsstätte in Berlin (West) zu verstehen. Ein nur buchmäßiger Ausweis der Wirtschaftsgüter als Anlagevermögen eines Betriebs (bzw. einer Betriebsstätte) in Berlin (West) reicht nicht aus (BFH-Urteil vom 17. Mai 1968 VI R 257/67, BFHE 92, 390, BStBl II 1968, 569).
Bei der Prüfung, ob ein Wirtschaftsgut im Anlagevermögen einer Westberliner Betriebsstätte verblieben ist, sind Wesensart und Zweckbestimmung der einzelnen Wirtschaftsgüter zu berücksichtigen (George in Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 13. Aufl., Rdnr. 37 zu § 14 BerlinFG). Das gilt insbesondere für Fahrzeuge und Schiffe.
Zu den Anforderungen an die räumliche und zeitliche Bindung eines zum Anlagevermögen gehörenden Kfz an eine Betriebsstätte in Berlin (West) hat der BFH entschieden, ein Kfz müsse in jedem Jahr des Dreijahreszeitraums (nicht nur im Durchschnitt der drei Jahre) überwiegend und regelmäßig -- d. h. ohne größere zeitliche Unterbrechung -- im Verkehr in Berlin (West) oder von und nach Berlin eingesetzt werden (Urteil vom 11. Juni 1969 I R 80/68, BFHE 96, 82, BStBl II 1969, 516). Ein Linienbus, der über zwei Jahre für eine Berliner Verkehrsgesellschaft in Berlin (West) eingesetzt, dann aber an einen westdeutschen Verkehrsbetrieb verchartert wird, ist nicht während der gesamten Dreijahresfrist in Berlin "verblieben"; für diesen Bus kann daher die erhöhte AfA nicht in Anspruch genommen werden (vgl. BFHE 112, 442, BStBl II 1974, 559 -- ergangen zu § 21 Abs. 2 des Berlinhilfegesetzes -- BHG -- 1962).
Zum Verbleib von Schiffen, die zu einer Berliner Betriebsstätte gehören, hat der BFH bisher noch nicht entschieden. Für diesen Fall kann indessen nichts grundsätzlich anderes gelten als für die räumliche Bindung von Kfz. Der Senat kann dahinstehen lassen, ob er sich insoweit der Auffassung der Finanzverwaltung (vgl. hierzu Sönksen/Söffing, Berlinförderungsgesetz, § 14 Rdnr. 48 ff.) anschließen kann, nach der ein Binnenschiff während des Drei-(bzw. nunmehr: Acht-)Jahreszeitraums in jedem Jahr mehr als die Hälfte seiner Betriebstage im Verkehr von und nach Berlin eingesetzt werden muß, um die Steuervergünstigung der erhöhten AfA nach § 14 BerlinFG zu erhalten. Für eine Hochseejacht, die schon nach ihrem Verwendungszweck nicht für den Verkehr von und nach Berlin in Frage kommt, können die für den dreijährigen Verbleib von Kfz und Binnenschiffen entwickelten Anforderungen jedenfalls nicht zur Anwendung kommen. Seinem Verwendungszweck nach kann eine Hochseejacht nur in Hochseegewässern eingesetzt werden; damit kommt eine wirtschaftliche Nutzung grundsätzlich nur außerhalb von Berlin in Betracht.
Das gilt insbesondere für die Fälle, in denen eine Jacht zu Hochseefahrten verchartert wird. In diesen Fällen kann selbst der Umstand, daß die Jacht während der Wintermonate nach Berlin (West) überführt und dort für den Einsatz im folgenden Jahr überholt wird, die vom Gesetz geforderte Bindung an Berlin (West) nicht herstellen.
Auch wenn eine Jacht, die zu Hochseefahrten verchartert wird, außerdem noch zur Förderung des Verkaufs gleichartiger Jachten in und außerhalb Berlins vorgeführt wird, kann die Bindung an eine etwaige Berliner Betriebsstätte im allgemeinen nicht bejaht werden. Etwas anderes könnte zwar dann gelten, wenn die Jacht ausschließlich oder überwiegend zu Vorführungszwecken in Berlin (West) verbliebe. Wird dagegen eine Jacht, die ihrer Bestimmung gemäß zu Hochseefahrten genutzt und bei solchen Gelegenheiten auch potentiellen Käufern vorgeführt wird, nur gelegentlich der im Winter stattfindenden Überholungsund Wartungsarbeiten auch in Berlin (West) vorgeführt, so fehlt es nach dem Gesamtbild der Verhältnisse an einer überwiegenden räumlichen Bindung an Berlin.
Daß diese Auslegung des § 14 BerlinFG den aus Art. 12 GG abzuleitenden Verfassungsgrundsätzen widersprechen soll, vermag der Senat nicht zu erkennen.
c) Geht man hiervon im Streitfall aus, so hat es an den Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme der erhöhten AfA nach § 14 BerlinFG gefehlt. Selbst wenn man zugunsten des Klägers unterstellen würde, daß die Jacht ganz überwiegend betrieblichen Zwecken (nämlich zur Vercharterung und zur Vorführung) gedient hat, ist doch das Erfordernis des dreijährigen Verbleibs in Berlin (West) nicht erfüllt; nach den Feststellungen des FG hat es an einem überwiegenden Einsatz der Jacht in Berlin (West) gefehlt.
3. Der Einwand des Klägers, das FG habe seine Entscheidung auf einen rechtlichen Gesichtspunkt gestützt, den die Verfahrensbeteiligten nicht für erheblich gehalten haben, enthält seinem Inhalt nach die Rüge mangelnden rechtlichen Gehörs. Die Rüge ist unbegründet.
a) Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs bedeutet in erster Linie (vgl. § 96 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --), daß das Gericht nur solche Tatsachen und Beweisergebnisse seiner Entscheidung zugrunde legen darf, zu denen die Beteiligten Stellung nehmen konnten. Darüber hinaus müssen die Beteiligten aber auch die Möglichkeit haben, zu Rechtsfragen Stellung zu nehmen (vgl. BFH-Urteil vom 25. Februar 1976 I R 77/74, BFHE 118, 361, BStBl II 1976, 431). Die Beteiligten dürfen von einer Entscheidung nicht überrascht werden; die Entscheidung darf mithin nicht auf Gesichtspunkte gestützt werden, die bisher im Verfahren noch nicht erörtert wurden und die auch nicht nahelagen.
Eine solche Überraschungsentscheidung liegt im Streitfall nicht vor. Es trifft zwar zu, daß die Voraussetzungen der erhöhten Abschreibung nach § 14 BerlinFG im Laufe des finanzgerichtlichen Verfahrens schriftsatzmäßig zunächst ausschließlich unter dem Gesichtspunkt geprüft wurden, ob die Jacht zum Betriebsvermögen oder zum Privatvermögen des Klägers gehört hat. Den Beteiligten mußte aber unter den gegebenen Umständen klar sein, daß nicht nur diese, sondern auch die übrigen Voraussetzungen des § 14 BerlinFG vom FG geprüft werden mußten. Abgesehen hiervon hat das FG vor der mündlichen Verhandlung noch eine Reihe von Fragen an den Kläger formuliert (Anlage zur Terminsladung vom 28. Dezember 1978), aus denen entnommen werden konnte, daß sich die Prüfung des Gerichts nicht nur auf die Zugehörigkeit der Jacht zum Beriebsvermögen beschränken würde, sondern auch die übrigen Voraussetzungen des § 14 BerlinFG als prüfungsbedürftig angesehen wurden.
b) Abgesehen hiervon hat das FA in seiner Revisionserwiderung vom 9. August 1979 unwidersprochen ausgeführt, das FG habe in der mündlichen Verhandlung auch die Voraussetzungen des dreijährigen Verbleibs der Jacht mit den Beteiligten erörtert.
Fundstellen
Haufe-Index 74482 |
BStBl II 1983, 86 |
BFHE 1982, 129 |