Leitsatz (amtlich)
1. Die Kraftfahrzeugsteuer ist nicht den Verbrauchsteuern, sondern den Verkehrsteuern zuzuordnen. Sie unterliegt der Verwaltung durch die Landesfinanzbehörden. Die einjährige Verjährungsfrist für Verbrauchsteuern ist für die Kraftfahrzeugsteuer nicht maßgebend.
2. Kraftfahrzeugsteuerfestsetzungen im Sinne des § 12 Abs. 4 KraftStDV sind Bescheide, die vom FA nach Prüfung des Sachverhalts in schriftlicher Form erlassen werden. Sie können - soweit nicht eine vorrangige Änderungsvorschrift eingreift - nur nach Maßgabe der Vorschrift des § 222 AO geändert werden.
Normenkette
GG Art. 106 Abs. 2 Nr. 3, Art. 108; AO § 144 Abs. 1 S. 1, §§ 222-223; KraftStDV 1961 § 12 Abs. 4
Tatbestand
Der Beklagte und Revisionskläger (FA) erließ einen berichtigten Kraftfahrzeugsteuerbescheid gegenüber dem Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger), worin ... Kraftfahrzeugsteuer in Höhe von 1 505,60 DM nachgefordert wurde.
Der Einspruch des Klägers blieb ohne Erfolg. In der Einspruchsentscheidung wird ausgeführt, daß das FA bei der seinerzeitigen Festsetzung der Kraftfahrzeugsteuer entsprechend der Anmeldung von einem Gesamtgewicht von 4 580 kg, anstatt von einem Gesamtgewicht von 7 000 kg ausgegangen sei. Da das Fahrzeug, wie sich beim Wechsel des Steuerschuldners herausgestellt habe, einen Hubraum von 4 580 ccm aufweise, sei bei der seinerzeitigen Ausfüllung des Anmeldevordrucks offensichtlich eine Verwechslung der beiden Werte erfolgt.
Das FG hob die Einspruchsentscheidung und den Steuerbescheid auf und setzte die noch zu entrichtende Steuer auf 143,60 DM herab. Das (in den EFG 1972, 95 veröffentlichte) Urteil enthält nur eine knappe Sachverhaltsbezeichnung und verweist "im einzelnen auf die Ausführungen der Verfahrensbeteiligten". Zur Begründung wird ausgeführt, die Kraftfahrzeugsteuer sei eine Verbrauchsteuer; deshalb betrage die Verjährungsfrist gemäß § 144 Abs. 1 AO ein Jahr. Der einzelne Steueranspruch, die konkrete Steuerschuld, entstehe bei Fortdauer der Zulassung jährlich neu vor Beginn des jeweiligen Jahresbesteuerungszeitraums. Aus diesem Grunde seien im Streitfall die Kraftfahrzeugsteuerschulden, die die Zeit ... beträfen, verjährt.
Mit der Revision beantragt das FA, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen. Es rügt unzutreffende Anwendung des § 144 Abs. 1 AO insofern, als das FG die Kraftfahrzeugsteuer als Verbrauchsteuer und nicht als Verkehrsteuer angesehen habe.
Der Kläger beantragt - im wesentlichen unter Bezugnahme auf die Gründe der Vorentscheidung - die Zurückweisung der Revision als unbegründet. Er hebt ergänzend hervor, daß er seiner Mitwirkungspflicht in vollem Umfange nachgekommen sei und die unzutreffende Steuerfestsetzung ausschließlich auf einem Irrtum des FA beruhe. Eine mögliche Steuernachforderung habe er, der Kläger, nicht in seine finanziellen Dispositionen einbeziehen können.
Der BdF, der dem Verfahren nach Revisionseinlegung gemäß § 122 Abs. 2 Satz 1 FGO beigetreten ist, vertritt die Auffassung, die Kraftfahrzeugsteuer sei eine Verkehrsteuer. Die Zuordnung der Kraftfahrzeugsteuer zur Gruppe der Verkehrsteuern widerspreche nicht der Systematik des GG. Der Entstehungsgeschichte des Art. 108 GG sei zu entnehmen, daß der Verfassungsgesetzgeber die Kraftfahrzeugsteuer nicht als Verbrauchsteuer angesehen haben könne. Die für die Unterscheidung von Verkehrsteuern und Verbrauchsteuern maßgebenden Kriterien seien dem traditionellen deutschen Steuerrecht zu entnehmen (BVerfGE 7, 244, 252; Maunz/Dürig, Grundgesetz, Tz. 20 zu Art. 106 GG). Zum Wesen der Verkehrsteuern gehöre, daß sie an Akte oder Vorgänge des Rechtsverkehrs anknüpfen (BVerfGE 16, 64, 73); diese Voraussetzung erfülle die Kraftfahrzeugsteuer. Dagegen könne die Kraftfahrzeugsteuer keine Verbrauchsteuer sein, da ein Übergang einer Sache aus einer steuerlichen Bindung in den freien Verkehr nicht stattfinde. Darauf, ob eine Steuer im finanzwissenschaftlichen Sinne vielleicht bei weiter Auslegung auch als Verbrauchsabgabe charakterisiert werden könnte, komme es nicht an. Entscheidend sei vielmehr allein der Verbrauchsteuerbegriff nach der Reichsabgabenordnung, der die Kraftfahrzeugsteuer nicht umfasse. Auch unter dem Gesichtspunkt der Aufwandsteuer könne die Kraftfahrzeugsteuer nicht als Verbrauchsteuer angesehen werden; denn Aufwandsteuern seien Steuern auf die in der Einkommensverwendung für den persönlichen Lebensbedarf zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit (BVerfGE 16, 74). Der Bezug zur Leistungsfähigkeit des Halters sei aber bei der Kraftfahrzeugsteuer so indirekt, daß er nicht ausreiche, der Kraftfahrzeugsteuer den Charakter einer Aufwandsteuer zu verleihen. Das gelte erst recht seit Einbeziehung der Nutzfahrzeuge in die Besteuerung.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
1. Das FA war - sofern eine Rechtsgrundlage für einen Berichtigungsbescheid vorlag (siehe unten zu 2.) - grundsätzlich verpflichtet, einen Berichtigungsbescheid zu erlassen, denn für die Verwaltung der Kraftfahrzeugsteuer sind gemäß Art. 108 Abs. 1, 2 GG in der Fassung des Finanzreformgesetzes vom 12. Mai 1969 (BGBl I, 359, zuvor Abs. 3 a. a. O.) die Landesfinanzbehörden zuständig. Die Kraftfahrzeugsteuer unterliegt auch nicht der einjährigen Verjährungsfrist nach § 144 Abs. 1 Halbsatz 1 AO. Beides ergibt sich daraus, daß die Kraftfahrzeugsteuer keine Verbrauchsteuer ist.
Das Grundgesetz rechtfertigt eine Zuordnung der Kraftfahrzeugsteuer zu den Verbrauchsteuern nicht. In Art. 106 Abs. 2 GG wird die Kraftfahrzeugsteuer zwar neben den Verkehrsteuern gesondert aufgezählt. Hieraus kann jedoch, wie die Entstehungsgeschichte der Vorschrift zeigt, nicht gefolgert werden, daß die Kraftfahrzeugsteuer den Verbrauchsteuern zuzuordnen ist. Die amtliche Begründung zum Gesetz zur Änderung und Ergänzung der Finanzverfassung vom 23. Dezember 1955 (BGBl I, 817) enthält u. a. folgende Sätze (Bundestags-Drucksache II/480): "In der vorläufigen Regelung der Ertragshoheit (Art. 106 GG) ist die Kraftfahrzeugsteuer nicht besonders bezeichnet, sondern offenbar den Verkehrsteuern zugerechnet worden. Die Eingliederung unter den Begriff der Verkehrsteuern ist jedoch rechtlich nicht unbestritten. Zur Ausräumung von Zweifeln über die Ertragshoheit wird die Kraftfahrzeugsteuer in Art. 106b neben den Verkehrsteuern besonders aufgeführt. Daraus folgt nicht, daß die Steuer außerhalb des Katalogs des Art. 105 GG stehe und nicht der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes unterliege." Diese Begründung macht deutlich, daß der Wille des Gesetzgebers ein klarstellender, nicht aber ein zuordnender war. Hinzu kommt, daß dieselbe Bundestags-Drucksache noch den folgenden Satz enthält: "Die Biersteuer ... ist, abgesehen von den Verbrauchsteuern mit örtlich bedingtem Wirkungskreis, die einzige Verbrauchsteuer, die nach Art. 106a Nr. 2 nicht dem Bund zufließt." Diese Feststellung wäre unzutreffend, wenn die Kraftfahrzeugsteuer eine Verbrauchsteuer wäre.
Legaldefinitionen der Verbrauchsteuern einerseits und der Verkehrsteuern andererseits gibt es nicht. Gemeinhin werden bei den Verbrauchsteuern ein bestimmter Gegenstand bzw. dessen Übertritt aus einem der Besteuerung unterliegenden Bereich in einen steuerlich nicht gebundenen Verkehr und das Halten oder der Verbrauch bestimmter Güter als für die Entstehung der Steuerschuld maßgebend angesehen (Urteil des BFH vom 30. April 1953 V 84/51 S, BFHE 57, 473, 489, BStBl III 1953, 183, 188 rechte Spalte); die Verkehrsteuern dagegen knüpfen an Akte oder Vorgänge des Rechtsverkehrs, an einen rechtlichen oder wirtschaftlichen Akt, an die Vornahme eines Rechtsgeschäfts oder an einen wirtschaftlichen Vorgang oder einen Verkehrsvorgang an (BVerfGE 16, 64, 73). Für die Frage, wie sich Verbrauchsteuern und Verkehrsteuern unterscheiden, ist in erster Linie der Tatbestand maßgebend, an den das Gesetz die Entstehung der Steuerschuld knüpft (vgl. BFH-Urteil V 84/51 S).
Im Schrifttum wird die Kraftfahrzeugsteuer als Verbrauchsteuer angesehen von Becker/Riewald/Koch, Reichsabgabenordnung, Kommentar, 9. Aufl., § 1 Anm. 7 c, Abs. 3; Hettlage, Finanzarchiv, Neue Folge, Bd. 14 S. 458; derselbe, Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Heft 14 S. 26; Kruse, Steuer-Recht I, Allgemeiner Teil, 3. Aufl., § 4 IV zu c a. E. (dort in 2. Auflage als streitig bezeichnet, jetzt als herrschende Lehre bezeichnet, ohne Nachweise); Mattern in Mattern/Meßmer, Reichsabgabenordnung, Tz. 71 ("wohl"); Maunz-Dürig, Grundgesetz, Art. 106 Rdnr. 24 ("wohl Aufwandsteuer"); Wacke, Das Finanzwesen der Bundesrepublik, S. 34. Diese Literaturauffassungen enthalten häufig nur ein eingeschränktes Bekenntnis zum Verbrauchsteuercharakter der Kraftfahrzeugsteuer (vgl. z. B. Becker/Riewald/Koch, a. a. O., Abs. 2). Die Zuordnung geschieht meist unter dem Gesichtspunkt der Aufwandbesteuerung, wobei auch auf die Ähnlichkeit mit einer allgemeinen Straßenabnutzungsgebühr oder einer Pauschalwegeabgabe hingewiesen wird (Flämig, Handwörterbuch des Deutschen Steuerrechts, Stichwort "Kraftfahrzeugsteuer"). Als Verkehrsteuer wird die Kraftfahrzeugsteuer angesehen von Bühler, Grundriß des Steuerrechts, 2. Aufl., 1953, Bd. I § 5 S. 73, Bd. II § 34 S. 315, 3. Aufl., 1958, Bd. II § 34 S. 322; Bühler/Strickroth, Allgemeines Steuerrecht, 3. Aufl., 1. Halbbd. § 4 S. 84; Fischer-Menshausen, Die Öffentliche Verwaltung 1956 S. 163; Gaul, Beförderungsteuer, 1964, Einführung S. 4; Höpker/Aschoff, Finanzarchiv, Bd. 12 S. 727 (ausdrücklich gegen Wacke, a. a. O.); Klein, Friedrich, Handbuch der Finanzwissenschaft, 2. Aufl., II. Bd. S. 601, 621, 622, 633, 634 ("nicht typische Verkehrsteuer"); Kühn/Kutter, Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 1 AO Anm. 3 a, bb; Mirre, Handbuch der Finanzwissenschaft, 1. Aufl., II. Bd. S. 308; Neumann, Kraftfahrzeugsteuer, Kommentar, 3. Aufl., Einleitung S. 14.
Nach Auffassung des Senats kommt für die Frage, ob die Kraftfahrzeugsteuer der Gruppe der Verbrauchsteuern zuzuordnen ist oder nicht, der gesetzestechnischen Ausgestaltung dieser Steuer besondere Bedeutung zu (siehe auch BVerfGE 7, 244, 260). Vergleicht man die Kraftfahrzeugsteuer mit den Bundesverbrauchsteuern, die alle im Gesetz selbst als solche bezeichnet sind (typische Verbrauchsteuern) - wie die Kaffeesteuer, Teesteuer, Zuckersteuer, Salzsteuer, Biersteuer, Schaumweinsteuer, Zündwarensteuer, Leuchtmittelsteuer, Spielkartensteuer, Mineralölsteuer (vgl. jeweils § 1 Abs. 1 Satz 2 der einschlägigen Gesetze), die Tabaksteuer (vgl. § 1 Abs. 2 TabStG), die Süßstoffsteuer (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 SüßstG), die Einfuhrumsatzsteuer (vgl. § 21 Abs. 1 UStG) -, so zeigt sich, daß Gemeinsamkeiten zwischen der Kraftfahrzeugsteuer und diesen Steuern nicht bestehen. Allen diesen Steuern ist die Erhebung an der Quelle, d. h. beim Hersteller bzw. bei der Einfuhr eigentümlich. Die Kraftfahrzeugsteuer knüpft dagegen nicht - was auch denkbar wäre - an die Auslieferung des Fahrzeugs ab Fabrik, sondern an den öffentlich-rechtlichen Akt der Zulassung zum Straßenverkehr an. Abgesehen von der hierdurch deutlich werdenden fehlenden Artverwandtschaft der Kraftfahrzeugsteuer mit den typischen Verbrauchsteuern, kann nicht außer acht gelassen werden, daß - worauf auch der BdF zu Recht hinweist - die bundesgesetzlich geregelten Verbrauchsteuern in allen Fällen im Gesetz selbst als solche bezeichnet werden, wogegen ein entsprechender gesetzlicher Ausspruch bei der Kraftfahrzeugsteuer nicht vorhanden ist.
Auch hinsichtlich der Überwälzbarkeit der Steuern bestehen erhebliche Unterschiede. Die typischen Verbrauchsteuern sind sämtlich überwälzbar. Das BVerwG (Urteil vom 7. März 1958 VII C 84/57, BVerwGE 6, 247, 256 mit weiteren Nachweisen) vertritt zu Recht die Auffassung, es bestehe Übereinstimmung, daß die Verbrauchsteuern auf Überwälzbarkeit angelegt sein müßten. Diese grundsätzlich vom Schuldner der Verbrauchsteuern kalkulierbare Überwälzbarkeit ist auch ein wesentlicher Grund für die in § 144 Abs. 1 Halbsatz 1 AO festgelegte kurze Verjährungsfrist dieser Steuern (vgl. Tipke/Kruse, Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 2.-5. Aufl., § 144 AO, Tz. 1). Das Merkmal der Überwälzbarkeit fehlt bei der Kraftfahrzeugsteuer weitgehend. Beim privaten Kraftfahrzeughalter scheidet die Möglichkeit einer Steuerüberwälzung ohnehin aus. Aber auch dann, wenn das Kraftfahrzeug zum Betriebsvermögen gehört, kann allenfalls eine indirekte Überwälzung der Steuer insofern vorgenommen werden, als die Kraftfahrzeugkosten einschließlich der Steuer als allgemeine Betriebskosten die Berechnung des Preises für die vom Betrieb angebotenen Waren oder Dienstleistungen mitbestimmen. Keinesfalls ist jedoch, wie bei den typischen Verbrauchsteuern, eine Steuerüberwälzung im Zuge einer Veräußerung des steuerbehafteten Gegenstandes (des Kraftfahrzeugs) denkbar.
Die Verschiedenheit der Kraftfahrzeugsteuer von den typischen Verbrauchsteuern in diesen wesentlichen Punkten läßt es nicht gerechtfertigt erscheinen, sie als Verbrauchsteuer anzusehen.
Nach der o. a. Begriffsbestimmung und nach der Rechtsprechung des BVerwG VII C 84/57 sollen zwar auch Steuern auf das "Halten bestimmter Gegenstände" als Verbrauchsteuern angesehen werden. Es mag dahinstehen, inwieweit dieser Auffassung, die offenbar auf den Gedanken der Luxusbesteuerung zurückgeht, heute noch gefolgt werden kann. Für die Qualifikation der Kraftfahrzeugsteuer jedenfalls, die durch den Wandel der Zeit mit einer Steuer auf gehobene Lebensführung nichts mehr gemein hat, kann sie angesichts der oben dargestellten sonstigen verbrauchsteuerunähnlichen Merkmale keine ausschlaggebende Bedeutung haben.
Entsprechend der eingangs dargestellten Begriffsbestimmung muß die Kraftfahrzeugsteuer den Verkehrsteuern zugerechnet werden. Gegenstand der Besteuerung sind - von dem (insoweit unbedeutenden) Ersatztatbestand der widerrechtlichen Benutzung abgesehen - das Halten eines Kraftfahrzeugs bzw. Anhängers zum Verkehr auf öffentlichen Straßen und die Zuteilung eines Kennzeichens für Probe- oder Überführungsfahrten (§ 1 Abs. 1 KraftStG). Beides hat eine auf Antrag erteilte öffentlich-rechtliche Erlaubnis (§ 18 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung) zur Voraussetzung, deren Erteilung sich als Vorgang des Rechtsverkehrs, wenn auch nicht des privaten, so doch des öffentlichen Rechts darstellt. Dieser in die Zukunft bis zur öffentlich-rechtlichen Abmeldung des Fahrzeugs fortwirkende Vorgang des Rechtsverkehrs und nicht etwa die tatsächliche Benutzung des Fahrzeugs ist das auslösende Moment für die Kraftfahrzeugsteuer. Anfang und Ende der Steuerpflicht sind in so engem Maße mit diesen öffentlich-rechtlichen Akten (Zulassung und Abmeldung) verknüpft, daß die Kraftfahrzeugsteuer den Verkehrsteuern zugeordnet werden muß (vgl. auch BFH-Urteil vom 10. Oktober 1972 VII R 21/70, BFHE 107, 174).
2. Die Kraftfahrzeugsteuer wird vom FA nach Prüfung des Sachverhalts durch einen im Gesetz selbst vorgesehenen Bescheid im Sinne § 222 AO festgesetzt.
Die KraftStDV ist Gesetz im Sinne § 222 AO, denn unter Gesetzen im Sinne dieser Vorschrift sind nicht nur formelle Gesetze, sondern auch Rechtsverordnungen zu verstehen (BFH-Urteile vom 10. Oktober 1966 II 165/63, BFHE 87, 125, BStBl III 1967, 42, und vom 15. Oktober 1968 II 53/63, BFHE 94, 79, 80, BStBl II 1969, 86).
Gemäß § 12 Abs. 4 KraftStDV 1961 ist die Steuerfestsetzungsverfügung dem Steuerschuldner durch Steuerbescheid bekanntzugeben. Der Senat versteht diese Vorschrift dahin, daß es sich um einen schriftlichen Bescheid handeln muß. Dies folgt einmal aus der Wortfassung "Verfügung ... durch Bescheid ... bekanntzugeben"; darunter kann man im steuerrechtlichen Sprachgebrauch gemeinhin keine mündliche Mitteilung verstehen. Hinzu kommt, daß es, hätte der Verordnungsgeber mündliche Bekanntgabe der Steuerfestsetzung für ausreichend erachtet, der Regelung des § 12 Abs. 4 KraftStDV nicht bedurft hätte, da die Bekanntgabe von Verfügungen bereits in § 91 AO geregelt ist. Schließlich zählt § 12 Abs. 4 KraftStDV eine Reihe von Sollerfordernissen der Festsetzungsverfügung auf, die mit denen der schriftlichen Bescheide im Sinne § 211 AO überinstimmen und denen in sinnvoller Weise nur in einem schriftlichen Bescheid Rechnung getragen werden kann. Berücksichtigt man neben diesen dem Gesetz selbst zu entnehmenden Kriterien, daß es dem heutigen Rechtsverständnis entspricht, aus Gründen der erforderlichen Eindeutigkeit und Klarheit öffentlich-rechtlichen Handelns und damit der Rechtssicherheit einen belastenden Verwaltungsakt im Zweifelsfalle schriftlich zu erlassen, dann kann § 12 Abs. 4 KraftStDV nur als gesetzliche Anordnung eines schriftlichen Kraftfahrzeugsteuerbescheids gesehen werden. Gegenüber diesen schwerwiegenden Gesichtspunkten kann der Umstand, daß die Vorschrift hinter dem Wort "Bescheid" den Klammerzusatz "§ 212 der Reichsabgabenordnung" enthält, zu keinem anderen Ergebnis führen. Der Senat hat bereits mit Urteil II 53/63 zu § 6 Abs. 1 und Abs. 2 KVStDV entschieden, daß ein nach dem übrigen Inhalt einer Vorschrift schriftlich zu erteilender Bescheid nicht durch eine Fiktion umqualifiziert werden kann. Dies muß entsprechend für den vorliegenden Fall gelten. Der o. g. Klammerzusatz kann somit nicht dazu führen, daß die Anwendbarkeit des § 222 AO ausgeschlossen wird.
Daß der Kraftfahrzeugsteuerbescheid "nach Prüfung des Sachverhalts" ergeht, folgt u. a. aus § 9 KraftStDV, wonach ausdrücklich eine Prüfung bestimmter Unterlagen vorgesehen ist. Wie der Senat im Urteil II 53/63 unter Bezugnahme auf die Entscheidung des RFH vom 7. Dezember 1937 I 308/37 (RFHE 42, 351, RStBl 1938, 20) ausgeführt hat, bedeutet die Formel "nach Prüfung des Sachverhalts", daß Steuern, die auf Grund einer bloßen Anmeldung festgesetzt werden, nicht unter § 222 AO fallen. Die Kraftfahrzeugsteuer wird nicht auf Grund einer bloßen Anmeldung, d. h. nicht nur entsprechend den Angaben in der Anmeldung, festgesetzt. Zwar werden die FÄ in der Praxis die ihnen mitgeteilten Besteuerungsgrundlagen nicht stets einer genauen Nachprüfung unterziehen können. Diese sich für das Massenverfahren mit weitgehend typisierten Fahrzeugen aufdrängende Arbeitsweise macht die Kraftfahrzeugsteuer indes nicht zu einer Steuer, die auf Grund nur der Anmeldung festgesetzt wird. Entscheidend für die Frage der Tatbestandsvoraussetzung des § 222 AO ist vielmehr nur, ob die Behörde ein ihr vom Gesetz eingeräumtes Prüfungsrecht hat. Dies ist bei der Kraftfahrzeugsteuer der Fall.
3. Da die Vorinstanz - aus ihrer Sicht folgerichtig - die Voraussetzungen für eine Berichtigungsveranlagung nach § 222 AO nicht geprüft hat und der Senat auf Grund der tatsächlichen Feststellungen des FG nicht in der Lage ist, diese Prüfung selbst vorzunehmen, geht die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück.
Fundstellen
Haufe-Index 70585 |
BStBl II 1973, 807 |
BFHE 1974, 213 |
NJW 1974, 471 |