Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuer
Leitsatz (amtlich)
Wird von einem Handelsvertreter ein fertiges Garagentor vermittelt und übernimmt er auf Wunsch des Käufers dessen Einbau, so sind zwei getrennte Leistungen anzunehmen, sofern nicht ausreichende Beweisanzeichen für die Annahme der Lieferung eines eingebauten Garagentors vorliegen.
Normenkette
UStG § 1 Ziff. 1, § 3 Abs. 2, § 3/4; UStDB § 7 Abs. 1; UStG § 3/8
Tatbestand
Der Revisionsbeklagte (Steuerpflichtige - Stpfl. -) vertreibt für die Firma X Garagentore. Die Kaufverträge mit den Kunden wurden in den Veranlagungszeiträumen 1959 bis 1961 allgemein in der Weise abgewickelt, daß der Stpfl. dem Kunden einen Lieferschein mit Firmenaufdruck X erteilte und der Firma eine Kopie des Lieferscheins übersandte. Die Firma X schickte ihre Rechnung unmittelbar dem Kunden zu, der sie auch bezahlte. Sie lieferte die Tore zerlegt in einbaufähigem Zustand; insbesondere lieferte sie sämtliche Schrauben und die zur Befestigung im Mauerwerk erforderlichen Anker sowie eine genaue Einbauanleitung mit. Die Tore gingen über das Auslieferungslager, das vom Stpfl. unterhalten wurde. Der von der Firma X festgesetzte Kaufpreis betrug ... DM. In diesem Preis waren die Kosten der Anfuhr zur Baustelle und das Abladen abgegolten. Für die Vermittlung erhielt der Stpfl. von der Firma X eine Provision von ... v. H. des Verkaufspreises. Weniger als die Hälfte der Kunden beauftragte den Stpfl. mit dem Einbau des Tores, der vom Stpfl. mit eigenen Arbeitskräften ausgeführt wurde. Den Preis für die Montage, der ... DM betrug, zahlte der Kunde direkt an den Stpfl.
Im Jahr 1962 fand bei dem Stpfl. eine Betriebsprüfung statt. Dabei wurde vom Prüfer beanstandet, daß der Stpfl. in den Fällen, in denen er das Garagentor eingebaut hatte, nur die Provision und die Einbaukosten mit 4 v. H. versteuert hatte. Er vertrat die Auffassung, daß den Kunden daran gelegen sei, in diesen Fällen ein fertiges Tor in ihre Garage zu bekommen. Dieser einheitliche wirtschaftliche Vorgang könne umsatzsteuerlich nicht aufgeteilt werden. Der Stpfl. habe hier eine Werklieferung durchgeführt. Es könne keinen Unterschied machen, ob der Stpfl. die Materialien im eigenen Namen einkaufe oder ob er sie dadurch beschaffe, daß er sich beim Verkauf an seinen Auftraggeber als Verkaufsagent beteilige. Im übrigen seien die Montagearbeiten auch nicht von untergeordneter Bedeutung.
Das Finanzamt (FA) schloß sich der Auffassung des Prüfers an und führte für 1959 und 1960 Berichtigungsveranlagungen und für 1961 die erstmalige Veranlagung durch. Der Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen.
Mit der Berufung hatte der Stpfl. Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hielt eine Werklieferung nicht für gegeben. Nach dem unbestrittenen Sachverhalt habe der Stpfl. die Tore für den Kunden erkennbar im Namen der Firma X verkauft. Die Ansicht des FA lasse sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Materialbeistellung halten. Die Frage der Materialbeistellung könne nur in Fällen auftreten, in denen beide Teile Hauptstoff dazugetan hätten. Im vorliegenden Fall habe aber der Kunde den zu bearbeitenden Stoff gestellt. Es werde deshalb kein einheitlicher wirtschaftlicher Vorgang unzulässigerweise in eine Lieferung und eine Werkleistung aufgespalten, sondern es bestehe Personenverschiedenheit zwischen dem Lieferer und dem die Leistung ausführenden Unternehmer (Urteil des BFH V 5/58 U vom 17. Oktober 1958, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 67 S. 529 - BFH 67, 529 -, BStBl III 1958, 475). Auf die Frage, ob der Zusammenbau und der Einbau einfach oder kompliziert sei, könne es für die Beurteilung nicht ankommen.
Entscheidungsgründe
Die gegen diese Entscheidung eingelegte Rb., die gemäß § 184 Abs. 2 FGO als Revision zu behandeln ist, ist nicht begründet.
Das UStG besteuert tatsächliche wirtschaftliche Vorgänge. Es ist deshalb bei der umsatzsteuerrechtlichen Beurteilung von dem gegebenen Sachverhalt auszugehen. Im vorliegenden Fall hat der Stpfl. den Verkauf der Garagentore vermittelt und diese montiert. Dem Sachverhalt nach liegen deshalb zwei sonstige Leistungen vor, nämlich eine Vermittlungsleistung und eine Arbeitsleistung. Es fragt sich jedoch, ob nicht, wie das FA meint, eine einheitliche Leistung (Werklieferung) anzunehmen ist.
Das FA ist bei seiner Beurteilung davon ausgegangen, daß auf Grund der das Umsatzsteuerrecht beherrschenden wirtschaftlichen Betrachtungsweise nach der Rechtsprechung des RFH und des BFH einheitliche wirtschaftliche Vorgänge nicht in Teilvorgänge zerlegt werden dürfen, wenn sie wirtschaftlich zusammengehören und ein unteilbares Ganzes bilden (Urteile des RFH V 101/32 vom 27. Oktober 1933, RStBl 1934, 172; V 76/42 vom 9. Oktober 1942, RStBl 1942, 1055, und Urteile des BFH V 198/54 U vom 27. Januar 1955, BFH 60, 241, BStBl III 1955, 94, und V 265/56 U vom 14. Februar 1957, BFH 64, 504, BStBl III 1957, 187). Nach dieser Rechtsprechung sollen gleiche wirtschaftliche Vorgänge ungeachtet ihrer bürgerlich-rechtlichen Gestaltung umsatzsteuerlich in gleicher Weise erfaßt werden. Auch die wirtschaftliche Betrachtungsweise geht jedoch von dem gegebenen Sachverhalt aus. Es können deshalb zusammengehörige Vorgänge nicht schon deshalb als eine einheitliche Leistung angesehen werden, weil sie einem einheitlichen Ziel dienen. Das gleiche wirtschaftliche Ziel kann auf verschiedenen Wegen erreicht werden. Die bürgerlich- rechtliche Gestaltung darf deshalb nicht beiseite geschoben werden, wenn sie dem wirtschaftlichen Sachverhalt entspricht und einen vernünftigen wirtschaftlichen Sinn hat. Im vorliegenden Fall liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, daß die Kunden von dem Stpfl. ein fertiges Garagentor hätten geliefert bekommen wollen. Das Ziel, ein fertiges Garagentor zu erhalten, kann auch dadurch erreicht werden, daß der Kunde von der Fabrik das Garagentor kauft und dieses dann einbauen läßt. Wenn aber ausreichende Beweisanzeichen für das Vorliegen einer Lieferung fehlen, können die beiden sonstigen Leistungen nicht als Werklieferung behandelt werden (Urteil des BFH V 127/63 vom 10. März 1966, BFH 85, 560).
Das FG hat die Annahme einer Werklieferung mit der Begründung abgelehnt, daß nach dem unstreitigen Sachverhalt der Stpfl. die Tore für den Kunden erkennbar im Namen der Firma X verkauft habe. Es ist dabei zutreffend davon ausgegangen, daß unter Beschaffung im Sinne des § 3 Abs. 2 UStG eine Beschaffung im eigenen Namen zu verstehen ist. Allerdings ist der Begriff der Selbstbeschaffung in § 3 Abs. 2 UStG ebenso wie der Begriff der Lieferung ein wirtschaftlicher Begriff. Es sind dabei vor allem die Einkaufshandlungen zu verstehen, die zum Erwerb des Stoffes führen. Kauft der Unternehmer den Stoff im Namen des Auftraggebers ein, so handelt er als Vermittler. Eine Selbstbeschaffung könnte darin nur dann gesehen werden, wenn sich aus der Tätigkeit des Stpfl. ergäbe, daß er ein fertiges Tor hätte liefern und der Kunde ein fertiges Tor vom Stpfl. hätte erwerben wollen. Eine solche Annahme hat die Rechtsprechung z. B. aus der Bestellung des Kunden und dem Angebot des Unternehmers hergeleitet. In dieser Hinsicht ist im Streitfalle jedoch nichts dargetan.
Schließlich hat das FG die Annahme einer einheitlichen Leistung auch unter dem Gesichtspunkt der Materialbeistellung zu Recht abgelehnt. Nach der Rechtsprechung ist eine umsatzsteuerliche Materialbeistellung nicht gegeben, wenn der Werkunternehmer an der Beschaffung des Werkstoffes durch den Werkbesteller in irgendeiner Weise beteiligt ist (Urteil des BFH V 117/53 S vom 30. Oktober 1953, BFH 58, 196, BStBl III 1953, 366). Dieser Grundsatz kann jedoch, wie das FG zutreffend ausgeführt hat, auf den Fall der Materialgestellung nicht ohne weiteres angewendet werden. Der Fall der Materialbeistellung unterscheidet sich vom Fall der Materialgestellung dadurch, daß der Unternehmer einen Teil des Stoffs im eigenen Namen und einen Teil im Namen des Auftraggebers beschafft hat, während bei der Materialgestellung Stoff im eigenen Namen nicht beschafft wurde (vgl. das Urteil des BFH V 127/63 vom 10. März 1966, BFH 85, 560). Um einen Fall der Materialgestellung handelt es sich aber im vorliegenden Fall, da der Stpfl. durch seine Vermittlung an der Beschaffung des gesamten Hauptstoffes mitgewirkt hat. Es fehlt deshalb im Gegensatz zu dem Fall, in dem der bearbeitende Unternehmer einen Teil des Hauptstoffes im eigenen Namen beschafft hat, an einem Lieferungselement, das für die Beurteilung der Fälle der Materialbeistellung von wesentlicher Bedeutung ist.
Von den Fällen, in denen nach den gegebenen Umständen die Lieferung eines fertigen Gegenstandes angenommen werden kann (vgl. z. B. Urteil des BFH V 29/63 U vom 15. Juni 1965, BFH 82, 698, BStBl III 1965, 498), unterscheidet sich der vorliegende Fall im Sachverhalt. Es fehlen jegliche Beweisanzeichen für eine solche Annahme. Der Stpfl. hat hier vielmehr als Provisionsvertreter ein spezielles fabrikfertiges Enderzeugnis vermittelt, das auf Grund einer Anleitung eingebaut werden kann. Es spricht außerdem für die Annahme einer bloßen Vermittlungstätigkeit und einer daneben bestehenden Werkleistung, daß die Mehrzahl der Kunden die Garagentore selbst eingebaut, jedenfalls hierzu nicht den Stpfl. in Anspruch genommen hat.
Bei dieser Sach- und Rechtslage kann dahingestellt bleiben, ob der Zusammenbau und der Einbau der Garagentore eine einfache oder komplizierte Tätigkeit darstellt. Ebenso braucht zu der vom FA aufgeworfenen Frage, ob die Grundsätze über die wirtschaftliche Betrachtungsweise auch dann angewendet werden können, wenn zwischen dem Lieferer und dem die Leistung ausführenden Unternehmer Personenverschiedenheit besteht, nicht Stellung genommen zu werden.
Die Revision war hiernach als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 424105 |
BStBl III 1967, 132 |
BFHE 1967, 159 |
BFHE 87, 159 |