Entscheidungsstichwort (Thema)
Entstehung der Selbstverbrauchsteuer nach § 30 UStG 1973
Leitsatz (NV)
Nach § 30 Abs. 6 UStG 1973 entsteht die Selbstverbrauchsteuer mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem der Unternehmer den Selbstverbrauch ausgeführt hat, also des Zeitraums, in dem der Unternehmer das abnutzbare körperliche Wirtschaftsgut der Verwendung oder Nutzung als Anlagevermögen zugeführt hat. Daran ändert sich nichts dadurch, daß nach § 27 Abs. 15 UStG 1973 nur der Selbstverbrauch erfaßt wird, für den der Investitionsentschluß des Unternehmers im zeitlichen Geltungsbereich der Vorschrift nach außen erkennbar gefaßt worden ist, unabhängig vom Zeitpunkt der Zuführung des Wirtschaftsguts zum Anlagevermögen.
Normenkette
UStG 1980 § 27 Abs. 15, § 30
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) stellte am 26. Januar 1973 einen Bauantrag (Nr. 66/73) für den Neubau einer Lagerhalle mit einer Gesamtnutzfläche von 1 500 qm. Etwa 200 qm der Nutzfläche waren für Büroflächen vorgesehen, die in die Halle integriert werden sollten. Eine Aufteilung war im Grundriß noch nicht enthalten.
Die Baubehörde genehmigte das Bauvorhaben mit Bescheid vom 5. April 1973. Nach Beginn der Bauarbeiten am 15. Mai 1973 vermietete die Klägerin die Lagerhalle an eine KG. Da diese hinsichtlich der Büroräume Änderungswünsche hatte, reichte die Klägerin am 19. Juni 1973 bei der Baubehörde einen weiteren Bauantrag für den Büroanbau an eine Lagerhalle ein, der die Eingangs-Nr. 631/73 erhielt. Der Antrag betraf den Plan, an die bereits genehmigte Lagerhalle unter Beibehaltung ihrer Gesamtfläche einen eingeschossigen Bürovorbau in Massivbauweise mit Flachdach zu errichten. Die (zusätzliche) Nutzfläche war mit 274,50 qm angegeben. Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom 28. August 1973 genehmigt.
Sowohl für die Lagerhalle als auch für den Büroanbau erfolgte (nach den Feststellungen des Finanzgerichts - FG -) die Schlußabnahme am 27. Juni 1974.
Nach mehreren Prüfungen vertrat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die Auffassung, der Büroanbau sei ein selbständiges Wirtschaftsgut, er unterliege der Selbstverbrauchsteuer nach § 30 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1973, weil der Bauantrag dafür erst nach dem 9. Mai 1973 gestellt worden sei. Das FA setzte dementsprechend aus den Baukosten für den Büroanbau in Höhe von . . . DM Selbstverbrauchsteuer in Höhe von . . . DM (11 v. H.) mit geändertem Umsatzsteuerbescheid für 1973 vom 6. September 1979 fest.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
Mit der Revision trägt die Klägerin vor, das Urteil des FG beruhe auf einer Verletzung von § 27 Abs. 15 und § 30 Abs. 2 UStG 1973.
Unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 16. Dezember 1982 V R 120/81 (BFHE 137, 104, BStBl II 1983, 158) macht sie geltend: Bei den am 19. Juni 1973 eingereichten Unterlagen habe es sich durchaus um bloße Änderungspläne für das bereits mit Bescheid vom 5. April 1973 genehmigte Bauvorhaben handeln können. Diese Änderungen hätte zudem das Gesamtbauvorhaben nur unwesentlich berührt und auch in seinem Wesen nicht verändert. Das FG habe zwar umfangreich Beweis dafür geführt, daß mit den Bauunterlagen vom 19. Juni 1973 ein neues, zweites Baugenehmigungsverfahren eingeleitet worden sei. Die Begründung hierfür sei jedoch nicht schlüssig. Aus der Bezeichnung ,,Büroanbau an eine Lagerhalle" in den Bauunterlagen könne nicht gefolgert werden, daß sie, die Klägerin, von einem selbständigen Bauvorhaben ausgegangen sei. Ebensowenig könne aus der Einreichung eines formellen zweiten Bauantrags mit detaillierten Zeichnungen geschlossen werden, daß ein neues Baugenehmigungsverfahren habe in Gang gesetzt werden sollen. Damit hätten lediglich die Auflagen im Genehmigungsbescheid vom 5. April 1973 erfüllt werden sollen. Warum die Bauprüfabteilung dennoch die Unterlagen als weiteren Bauantrag behandelt habe, sei nicht bekannt. Das FG habe insoweit keine tatsächlichen Feststellungen getroffen, wie das Baugenehmigungsverfahren abgelaufen sei. Auch die Frage, ob die Unterlagen als Änderungspläne für das bereits genehmigte Bauvorhaben hätten angesehen werden können, sei nicht geklärt. Aus den Unterschieden zwischen Planung und Durchführung hinsichtlich der Quadratmeter-Größe, der Bauausführung und des Investitionsvolumens könne baurechtlich nicht auf zwei verschiedene Bauvorhaben mit entsprechender Relevanz für die Selbstverbrauchsteuer geschlossen werden.
Diese nicht hinreichende Tatsachenfeststellung sei ein materiell-rechtlicher Fehler.
Der Büroteil könne auch aus anderen Gründen nicht als selbständiger Baukörper angesehen werden. Er bilde mit dem Hallenbau eine wirtschaftliche Einheit, zumal eine Trennung der beiden Baukörper nach Auskunft des Architekten nicht ohne erhebliche Bauaufwendungen möglich sei (vgl. BFH-Urteil vom 21. Juli 1977 V R 58/75, BFHE 123, 527, BStBl II 1978, 78). Wegen der Einheitlichkeit könnten auch keine nachträglichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten i. S. von § 30 Abs. 2 UStG 1973 angenommen werden.
Die Klägerin beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Umsatzsteuer 1973 (Bescheid vom 6. September 1979) um . . . DM herabzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Beide Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. Das Urteil des FG läßt zwar keinen Rechtsfehler erkennen, soweit es die Anwendung des § 30 UStG 1973 auf den Büroanbau gemäß § 27 Abs. 15 UStG 1973 bejaht hat. Nach dieser Vorschrift ist § 30 UStG 1973 auf den Selbstverbrauch anzuwenden, der in der Zeit vom 9. Mai 1973 bis 30. November 1973 (vgl. die Neunte Verordnung zur Durchführung des Umsatzsteuergesetzes vom 20. Dezember 1973, BGBl I, S. 1 961 - 9. UStDV -) bewirkt wird. Als der nach Satz 2 der Vorschrift maßgebliche Beginn der Herstellung gilt nach Satz 5 bei Gebäuden der Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Baugenehmigung gestellt wird. Die Tatsachenfeststellungen und deren Würdigung durch das FG dahingehend, daß hinsichtlich des Büroteils ein selbständiger Bauantrag (vom 19. Juni 1973) mit einem selbständigen Baugenehmigungsverfahren durchgeführt worden sei, ist verfahrensrechtlich einwandfrei zustande gekommen. Verletzung von Denkgesetzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen sind nicht erkennbar und auch nicht gerügt. Die Beweiswürdigung durch das FG ist damit für das Revisionsgericht bindend. Sie ist jedenfalls möglich. Zwingend muß sie nicht sein. Die rechtliche Folgerung des FG, daß mit diesem selbständigen Antrag auf Baugenehmigung die Voraussetzungen des § 27 Abs. 15 UStG 1973 erfüllt wurden, sind mit den Grundsätzen des Urteils in BFHE 137, 104, BStBl II 1983, 158, vereinbar.
2. Der Senat kann aber das Urteil des FG nicht bestätigen, soweit es von der Entstehung der Selbstverbrauchsteuer im Jahre 1973 ausgeht.
Nach § 30 Abs. 6 UStG 1973 entsteht die Steuerschuld mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem der Unternehmer den Selbstverbrauch ausgeführt hat, also des Zeitraums, in dem der Unternehmer das abnutzbare körperliche Wirtschaftsgut der Verwendung oder Nutzung als Anlagevermögen zuführt (§ 30 Abs. 2 UStG 1973).
Zur Frage der Zuführung des Büroanbaus zum Anlagevermögen der Klägerin hat das FG keine Feststellungen getroffen. Im Einleitungssatz des Tatbestands des FG-Urteils ist lediglich ein ,,im Jahr 1973 errichteter Büroanbau" angesprochen. Ferner ist festgestellt, die Schlußabnahme für Halle und Büroteil sei am 27. Juni 1974 erfolgt.
Im Hinblick auf die Ausführungen des FG in den Entscheidungsgründen, daß § 27 Abs. 15 UStG 1973 nicht vorrangig an den Zeitpunkt der Zuführung des Wirtschaftsguts zum Anlagevermögen anknüpfe, sondern an den nach außen erkennbar gewordenen Investitionsentschluß des Unternehmers, dieser löse die Selbstverbrauchsteuerpflicht aus, während der Zuführungshandlung nur sekundäre Bedeutung zukomme, ist nicht auszuschließen, daß das FG die für die Festsetzung der Selbstverbrauchsteuer maßgebliche Entstehungsregelung des § 30 Abs. 6 UStG 1973 außer acht gelassen hat.
Das Urteil war daher aufzuheben.
3. Da der Senat mangels Feststellungen zu dieser Frage die Sache nicht selbst entscheiden kann, war sie an das FG zurückzuverweisen.
Fundstellen