Entscheidungsstichwort (Thema)
Fortbildungslehrgänge an Wintersportorten zur Erlangung der Zusatzbezeichnung ,,Sportmedizin"
Leitsatz (NV)
Aufwendungen für die Teilnahme an einem Fortbildungslehrgang, der von einem Ärzteverband veranstaltet wird und mit bestimmten Stundenzahlen auf die Voraussetzungen zur Erlangung der Zusatzbezeichnung ,,Sportmedizin" angerechnet werden kann, sind nicht ganz überwiegend beruflich veranlaßt und deshalb nicht abziehbar, wenn der Lehrgang an einem bekannten Wintersportort stattfindet und weitgehend Gelegenheit zur Ausübung des Wintersports bietet.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 S. 1, § 12 Nr. 1 S. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revionsbeklagte (Kläger) ist Arzt; er war im Streitjahr als solcher nichtselbständig tätig. In seiner Einkommensteuererklärung für das genannte Streitjahr hatte er u. a. Aufwendungen in Höhe von . . . DM für die Teilnahme an einer Fortbildungsveranstaltung eines Sportärzteverbandes in D / Italien vom 20. März bis zum 4. April als Werbungskosten geltend gemacht. Es handelte sich dabei um eine Veranstaltung zur Erlangung des Rechts auf Führung der Zusatzbezeichnung ,,Sportmedizin".
In dem angefochtenen Einkommensteuerbescheid hatte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die geltend gemachten Aufwendungen nicht als Werbungskosten anerkannt. Auch der hiergegen eingelegte Einspruch blieb ohne Erfolg. Im Einspruchsverfahren hatte der Kläger sowohl einen Teilnahmenachweis als auch das Programm der Veranstaltung vorgelegt. Danach hat er 62 Stunden theoretische Fortbildung und 50 Stunden sportliche Ausbildung, davon 2 Stunden Theorie und 12 Stunden Skischule, absolviert.
Auf seine Klage hin hat das Finanzgericht (FG) den beantragten Werbungskostenabzug gebilligt. In den Gründen des in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1988, 67 veröffentlichten Urteils vom 27. Oktober 1987 5 K 307/85 wird ausgeführt, daß der Besuch der Fortbildungsveranstaltung in D für den Kläger eine Fortbildungsmaßnahme darstelle. Dem Abzug der Aufwendungen stände auch nicht die Vorschrift des § 12 Nr. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) entgegen. Auslandsreisen, die nach der Lebenserfahrung sowohl dem beruflichen als auch dem Bereich der Lebensführung angehören könnten, führten nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) nur dann zu abzugsfähigen Werbungskosten, wenn die Reisen ausschließlich oder zumindest weitaus überwiegend im beruflichen Interesse unternommen worden seien. Wenn also die Verfolgung privater Interessen wie z. B. der Erholung, der Bildung und Erweiterung des allgemeinen Gesichtskreises nach dem Anlaß der Reise, dem vorgesehenen Programm und der tatsächlichen Durchführung nahezu ausgeschlossen sei (vgl. dazu Beschluß des Großen Senats des BFH vom 27. November 1978 GrS 8 /77, BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213). Die Vorschrift des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG wolle mit dem in ihr niedergelegten Aufteilungs- und Abzugsverbot für sog. gemischte Aufwendungen verhindern, daß Steuerpflichtige durch eine mehr oder weniger zufällige oder bewußt herbeigeführte Verbindung zwischen beruflichen und privaten Interessen Aufwendungen für ihre Lebensführung deshalb zum Teil in einen einkommensteuerrechtlich relevanten Bereich verlagern könnten, weil sie einen Beruf haben, der ihnen dies ermögliche, während andere Steuerpflichtige derartige Aufwendungen aus versteuerten Einkünften decken müßten. Eine Reise gelte daher in der Regel nur dann als beruflich veranlaßt, wenn sie dem Besuch einer straff organisierten Fachtagung diene und die Verfolgung privater Interessen nahezu ausgeschlossen sei. Die vom Kläger besuchte Fortbildungsveranstaltung in D erfülle die vorgenannten Voraussetzungen für die steuerliche Anerkennung einer Auslandsreise. Für den Streitfall sei entscheidend, daß das Skilaufen zwingende Voraussetzung für die erfolgreiche Teilnahme an der Fortbildungsveranstaltung und damit wiederum Voraussetzung für die Erlangung der Zusatzbezeichnung ,,Sportmedizin" sei. Ein evtl. privates Interesse des Klägers am Skilaufen sei damit durch eine ganz überwiegende berufliche Veranlassung überlagert gewesen.
Hiergegen wendet sich das FA mit seiner vom FG zugelassenen Revision, mit der es beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise, das Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
Der Kläger beantragt, die eingelegte Revision kostenpflichtig zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
Der Kläger kann die geltend gemachten Kosten für die Teilnahme an dem Lehrgang in D nicht als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abziehen.
Das FG ist in tatsächlicher Hinsicht - gemäß § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) für den Senat bindend - davon ausgegangen, daß der Kläger den Lehrgang mit dem Ziel besucht hat, die Zusatzbezeichnung ,,Sportmedizin" zu erwerben. Diese Zielvorstellung liegt im beruflichen Bereich des Klägers. Denn auch Aufwendungen, die dazu dienen, sich im ausgeübten Beruf auf dem laufenden zu halten oder fortzubilden, sind beruflich veranlaßt und können deshalb Werbungskosten i. S. des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG sein (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 26. August 1988 VI R 175/85, BFHE 154, 513, BStBl II 1989, 91).
Der Abziehbarkeit der streitigen Aufwendungen steht jedoch § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG entgegen. Nach dieser Vorschrift dürfen Aufwendungen für die Lebensführung nicht abgezogen werden, auch wenn sie der Förderung des Berufs oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen dienen. Das Aufteilungs- und Abzugsverbot des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG verbietet zur Wahrung der steuerlichen Gerechtigkeit die Aufteilung und den Abzug von Aufwendungen, die sowohl der Lebensführung dienen als auch den Beruf fördern. Nur wenn die berufliche (betriebliche) Verursachung bei weitem überwiegt, private Gesichtspunkte also nur eine ganz untergeordnete Rolle spielen, bleibt der Abzug der (vollen) Aufwendungen als Werbungskosten (Betriebsausgaben) zulässig (BFH-Urteil vom 16. Oktober 1986 IV R 138/83, BFHE 148, 262, BStBl II 1987, 208, m. w. N.). Ob die allgemeine Lebensführung in nicht nur ganz untergeordneter Weise berührt ist, muß im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände geprüft werden. Nach der für Auslandsreisen und -aufenthalte ergangenen Rechtsprechung des BFH reicht es insbesondere nicht aus, daß die Reise fachlich, z. B. von einem Fachverband organisiert ist (Entscheidungen vom 22. Mai 1974 I R 212/72, BFHE 113, 274, BStBl II 1975, 70, unter 3 a, und in BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213, unter II 1 d). Vielmehr kommt es vorrangig auf den ganz überwiegenden beruflichen (betrieblichen) Zweck der Reise bzw. des Aufenthalts an, der nach objektiven Merkmalen genügend klar erkennbar sein muß (Urteil in BFHE 148, 262, BStBl II 1987, 208, unter 2c).
Danach ist die Teilnahme des Klägers an dem genannten Lehrgang nicht schon deshalb beruflich veranlaßt, weil dieser von einem Sportärzteverband veranstaltet und organisiert worden ist. Der Senat folgt der Vorinstanz auch nicht, wenn sie die nach ihrer Ansicht ganz überwiegende berufliche Veranlassung derartiger Lehrgänge damit begründet, daß die Teilnahme an einer solchen Veranstaltung ,,zwingende" Voraussetzung für die Erlangung der Zusatzbezeichnung ,,Sportmedizin" sei. Denn - wie das FA unter Hinweis auf den Inhalt des zum Gegenstand des Verfahrens erhobenen Veranstaltungsprogramms in seinen Verfahrensrügen zu Recht geltend macht - Lehrgänge der hier streitigen Art sind lediglich (mit bestimmten Stundenzahlen) auf die für die Erlangung der Zusatzbezeichnung festgelegte Stundendauer in Theorie und Praxis der Leibesübungen bzw. der Sportmedizin anrechenbar. Die Voraussetzungen für die Erlangung der Zusatzbezeichnung konnten auch in anderer Weise erfüllt werden. Im übrigen ist eine bewußt herbeigeführte Verbindung zwischen beruflicher Fortbildung und privatem Erholungswert auch dann schädlich, wenn sie von einem Berufsverband mit dem Ziel der Erlangung einer bestimmten beruflichen Bezeichnung vorgenommen wird.
Daß die streitigen Lehrgänge einen nicht unbedeutenden privaten Erlebnis- und Erholungswert hatten, kann nicht zweifelhaft sein. Aus den tatsächlichen Feststellungen des FG ergibt sich, daß die sportliche Betätigung ,,einen breiten Raum" einnahm, insbesondere an einem bekannten Wintersportort stattgefunden und in erheblichem Maße Gelegenheit zur Ausübung des Wintersports geboten hat. Das sind Umstände, die sonst im Rahmen privater Skiurlaube und Skikurse anzutreffen sind. Außerdem ergibt sich aus dem Veranstaltungsprogramm, daß der private Erholungswert auch durch die Möglichkeit der Teilnahme von Ehefrauen und Begleitpersonen bzw. für Nichtmitglieder zum Ausdruck kommt.
Der Auffassung, daß ein evtl. privater Erlebniswert oder die Befriedigung sportlicher Bedürfnisse die Beziehung zum Beruf nicht unterbreche, kann nicht gefolgt werden. Schließlich geht es hier nicht um die Ingangsetzung einer zweiten, nicht beruflichen Ursachenkette, sondern um die gleichzeitige Verfolgung beruflicher und (nicht unerheblicher) privater Interessen.
Auch der weitere Einwand des Klägers, die Vermittlung sportmedizinischer Kenntnisse sei ohne praktische Betätigung nicht möglich, steht der Auffassung des Senats nicht entgegen, ohne daß es darauf ankommt, ob bzw. inwieweit diese Behauptung zutrifft. Denn sie besagt nichts über die Notwendigkeit einer Betätigung in der hier gewählten Form einer unverhältnismäßig starken Betonung des Wintersports mit der Folge einer Einbeziehung erheblicher privater Erholungsinteressen.
Die Versagung der Abziehbarkeit in Fällen der vorliegenden Art steht nicht im Widerspruch zum Urteil des Senats in BFHE 154, 513, BStBl II 1989, 91. Nach diesem Urteil sind Aufwendungen für die Teilnahme an einem Lehrgang zum Erwerb einer Schulskileiter-Lizenz unter eng begrenzten Voraussetzungen als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abziehbar. Dabei wird aber - zum Ausschluß von Fällen, in denen der allgemeine Erlebnis- und Erholungswert eine nicht untergeordnete Rolle spielt -, u. a. vorausgesetzt, daß der Steuerpflichtige Sportlehrer ist, Sportunterricht erteilt und die erworbenen Fähigkeiten anschließend im Lehrerberuf durch die Leitung von Schulskireisen oder Schulskitagen verwendet. Derartige Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Denn der Arzt benötigt Skilaufen zur Ausübung seines Berufs nicht, auch wenn er die Zusatzbezeichnung ,,Sportmedizin" führt. Insofern lassen sich die hier zu beurteilenden Lehrgänge auch nicht mit Lehrgängen und Trainingskursen vergleichen, an denen Skilehrer oder Berufsskisportler teilnehmen.
Fundstellen
Haufe-Index 416730 |
BFH/NV 1990, 425 |