Entscheidungsstichwort (Thema)
Mehrere Ehegatten-Vermietungsgesellschaften bürgerlichen Rechts; Durcherkennen auf einen Zurückverweisungsantrag
Leitsatz (NV)
1. Gründen Eheleute durch schriftliche Gesellschaftsverträge zwei Gesellschaften bürgerlichen Rechts mit unterschiedlichen Beteiligungsverhältnissen und treten sie beim Erwerb zweier Vermietungsobjekte, bei deren Vermietung und bei Abgabe der Steuererklärungen nach außen hin als zwei Unternehmer (GbR A und GbR B) auf, so liegen umsatzsteuerrechtlich zwei selbständige Vermietungsunternehmen vor.
2. Sind die Voraussetzungen für eine Entscheidung in der Sache gegeben, kann der BFH auch dann durcherkennen, wenn der Revisionskläger nur die Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung beantragt hatte.
Normenkette
UStG 1980 § 2 Abs. 1; FGO § 126 Abs. 3 Nr. 1
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute. Sie traten durch zwei notarielle Verträge vom 23. November 1984 einer Bauherrengemeinschaft bei und kauften Miteigentumsanteile, verbunden mit dem Sondereigentum an zwei zu errichtenden Teileigentumseinheiten (Läden). Dabei handelten sie in dem Vertrag, der sich auf die sog. Teileigentumseinheit Nr. III bezog, als "Eheleute A ... -- in Gesellschaft bürgerlichen Rechts --" mit dem Zusatz: "Herr A ist mit 95 % und Frau A ist mit 5 % an der Gesellschaft bürgerlichen Rechts beteiligt". In dem Vertrag, der sich auf die sog. Teileigentumseinheit Nr. IV bezog, traten sie als "Eheleute A ... -- in Gesellschaft bürgerlichen Rechts --" mit dem Zusatz auf: "Herr A ist mit 90 % und Frau A ist mit 10 % an der Gesellschaft bürgerlichen Rechts beteiligt".
Die Kläger vermieteten beide Läden durch Mietverträge vom 25. November 1984. Als Vermieter sind in den maschinenschriftlich ausgefüllten Formularmietverträgen jeweils Herr und Frau A genannt, wobei einer der Verträge den handschriftlichen Zusatz "Laden III GbR" und der andere den handschriftlichen Zusatz "Laden IV GbR" trägt. In den Mietverträgen sind jeweils unterschiedliche Konten für die Überweisung der Miete angegeben.
Durch schriftlichen Vertrag vom 1. Dezember 1984 errichteten die Kläger eine auf das Ladenlokal III bezogene Gesellschaft bürgerlichen Rechts -- GbR -- (gemeinsamer Erwerb und gemeinsame Vermietung) mit dem Beteiligungsverhältnis 95 % (Ehemann) zu 5 % (Ehefrau). Ein weiterer, entsprechender Vertrag vom selben Tag bezieht sich -- mit dem Beteiligungsverhältnis 90 % (Ehemann) zu 10 % (Ehefrau) -- auf das Ladenlokal IV. Geschäftsführer und Vertreter ist jeweils der Ehemann.
Die Kläger unterwarfen die Mietumsätze der Besteuerung und gaben für (1984 und) das Streitjahr (1985) unter der Bezeichnung Ladenlokal III GbR und Ladenlokal IV GbR zwei gesonderte Umsatzsteuererklärungen ab.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) führte demgegenüber die Besteuerungsgrundlagen in dem an die A GbR gerichteten Umsatzsteuerbescheid vom 8. Juli 1986 zusammen. Das FA war der Auffassung, die Vermietungsumsätze und die damit in Zusammenhang stehenden Vorsteuern seien einem Unternehmen zuzurechnen, und zwar einer aus den Klägern bestehenden GbR.
Einspruch und Klage blieben erfolglos.
Mit der Revision tragen die Kläger vor, entgegen der Ansicht des Finanzgerichts (FG) seien nach außen zwei Unternehmen auf getreten. Unabhängig davon ergebe sich bereits zwingend aus den unterschiedlichen Beteiligungsverhältnissen, daß umsatzsteuerrechtlich von zwei Unternehmen ausgegangen werden müsse.
Die Kläger beantragen, die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung an das FG zurückzuverweisen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen. Es ist der Auffassung, die Kläger seien zwar gegenüber dem jeweiligen Leistungsempfänger unter verschiedenen Bezeichnungen aufgetreten. Eine GbR bilde aber immer ein einheitliches Unternehmen, weil die Gesellschafter zivilrechtlich stets persönlich uneingeschränkt zur Leistung verpflichtet seien.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
1. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 ist Unternehmer, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Das Unternehmen umfaßt nach § 2 Abs. 1 Satz 2 UStG 1980 die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers. Unternehmer im Sinne der bezeichneten Vorschriften ist nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) derjenige, der Leistungen gegen Entgelt i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG 1980 erbringt (vgl. Urteil vom 6. Mai 1993 V R 45/88, BFHE 171, 138, BStBl II 1993, 564, m. w. N.). Dabei kommt es grundsätzlich darauf an, wer als Unternehmer nach außen hin auftritt (vgl. Senatsurteile vom 24. September 1987 V R 152/78, BFHE 151, 90, BStBl II 1988, 29; vom 11. Oktober 1990 V R 75/85, BFHE 162, 497, BStBl II 1991, 191, und vom 9. September 1993 V R 63/89, nicht veröffentlicht).
2. Das FG ist zwar von diesen Grundsätzen ausgegangen. Seiner rechtlichen Würdigung, im Streitfall seien die Kläger nach außen als Vermieter aufgetreten, vermag der Senat aber nicht zu folgen.
Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG, die nicht angegriffen und die deshalb der revisionsrechtlichen Prüfung zugrunde zu legen sind (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --), sind die Kläger bei der Vermietung der Läden als "Herr und Frau A Laden III GbR" und als "Herr und Frau A Laden IV GbR" aufgetreten. Sie haben durch zwei schriftliche Gesellschaftsverträge zwei Gesellschaften bürgerlichen Rechts -- mit unterschiedlichen Beteiligungsverhältnissen -- gegründet, wobei sich jede GbR ausdrücklich (nur) auf einen der beiden Läden bezog. Zudem sind sie bereits bei dem Erwerb der Vermietungsobjekte -- durch Angabe der Beteiligungsverhältnisse -- und auch später gegenüber dem FA bei Abgabe der Steuererklärungen als zwei Unternehmer aufgetreten.
Unter diesen Umständen sind im Streitfall vom Auftreten nach außen her zwei unterschiedliche Vermietungsunternehmen tätig geworden. Dies ist mittlerweile zwischen den Beteiligten nicht mehr streitig.
3. Die Auffassung des FA, gleichwohl liege umsatzsteuerrechtlich nur ein Unter nehmen vor, weil jeder Ehegatte zivilrechtlich -- ungeachtet der Beteiligungsverhältnisse -- uneingeschränkt aus den beiden Mietverträgen zur Leistung verpflichtet sei, entspricht nicht der Rechtsprechung des Senats. Danach ist eine Personenvereinigung, die unter ihrem Namen nach außen auftritt und als solche durch Lieferungen und (oder) sonstige Leistungen am Wirtschaftsleben teilnimmt, aufgrund der von ihr ausgeführten Umsätze Unternehmerin. Die Gesellschafter werden durch die Umsätze der Gesellschaft nicht (zugleich) Unternehmer (vgl. Senatsbeschluß vom 9. März 1989 V B 48/88, BFHE 156, 535, BStBl II 1989, 580 unter 1. b aa).
4. Für die rechtliche Würdigung ist im Streitfall nicht entscheidend, daß der Ehemann beide Gesellschaften aufgrund seiner Mehrheitsbeteiligung (95 % bzw. 90 %) sowie seiner alleinigen Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis beherrschte. Wie dargelegt, kommt es auf das Auftreten nach außen an. Soweit der Senat demgegenüber in seinem Urteil vom 29. April 1993 V R 38/89 (BFHE 172, 137, BStBl II 1993, 734) entscheidend darauf abgestellt hat, ob eine einheitliche Willensbildung gegeben ist, bezieht sich diese Aussage auf Bruchteilsgemeinschaften, die schon zivilrechtlich weniger verselbständigt sind als Gesellschaften bürgerlichen Rechts.
5. Auch § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) rechtfertigt nicht die Zusammenfassung der zwei Unternehmen zu einem einzigen (vgl. Senatsurteil in BFHE 172, 137, BStBl II 1993, 734 unter 2.).
6. Die Sache ist spruchreif. Der angefochtene Umsatzsteuerbescheid in der Gestalt der Einspruchsentscheidung ist (in vollem Umfang) rechtswidrig, weil er nicht erkennen läßt, gegen welches der beiden von den Klägern gebildeten Umsatzsteuersubjekte er sich richtet. Der Bescheid kann deshalb nicht entsprechend dem Klageantrag (Reduzierung der Steuerschuld um ... DM) geändert werden. Er ist vielmehr aufzuheben.
Der Senat kann gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO durcherkennen, obwohl die Kläger im Revisionsverfahren nur die Zurückverweisung der Sache beantragt haben (vgl. BFH-Urteil vom 27. September 1988 VIII R 98/87, BFHE 155, 91, BStBl II 1989, 229 unter 4., m. w. N.; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 126 Rz. 11).
Fundstellen