Leitsatz (amtlich)
Wird ein Betrieb gegen einen festen Kaufpreis und eine Leibrente veräußert, so wird für den durch den festen Kaufpreis realisierten Veräußerungsgewinn die Tarifvergünstigung des § 34 EStG gewährt. Die Rentenzahlungen, auch soweit sie im Jahr der Veräußerung zufließen, sind laufende nachträgliche Einnahmen im Sinne des § 24 Nr. 2 EStG.
Normenkette
EStG 1959 § 16 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4, § 24 Nr. 2, § 34 Abs. 2 Nr. 1
Tatbestand
Zu entscheiden ist in der Einkommensteuersache 1959 über die Höhe und die Art der Versteuerung eines durch Betriebsveräußerung entstandenen Veräußerungsgewinns.
Die Revisionsbeklagte (Stpfl.) veräußerte im Vertrag vom 28. Februar 1959 ihre Gastwirtschaft an den Bäckermeister X. Außer sofort zu zahlender Barbeträge von 50 000 DM erhielten die Stpfl. und ihre Tochter lebenslängliche Renten von monatlich 500 DM und 250 DM. Der Erwerber übernahm die Vermögensabgabeschuld der Stpfl. Den Veräußerungsgewinn ermittelte das FA in der Weise, daß es der Summe aus der Barzahlung von 50 000 DM, der kapitalisierten Leibrente für die Tochter (48 507 DM), dem Zeitwert der Vermögensabgabe (11 025 DM) und den der Stpfl. im Veräußerungsjahr zugeflossenen Rentenzahlungen (4 250 DM) die Buchwerte des veräußerten Betriebs (57 197 DM) einschließlich der Veräußerungskosten gegenüberstellte. Den Kapitalwert des eigenen Rentenanspruchs der Stpfl. ließ das FA unberücksichtigt. Auf den so errechneten Veräußerungsgewinn (§ 16 EStG 1959 - im folgenden EStG -) gewährte das FA nach Abzug eines laufenden Verlustes, von Sonderausgaben und von Freibeträgen einen ermäßigten Steuersatz von 10 v. H. nach § 34 EStG.
Hiergegen wendete sich die Stpfl. mit der Sprungberufung. Sie vertrat die Auffassung, daß das FA bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns die ihrer Tochter ausgesetzte Leibrente nicht mit dem kapitalisierten Betrag hätte berücksichtigen dürfen.
Die Sprungberufung hatte Erfolg. Das FG sah keine Veranlassung, die Rente der Tochter anders zu behandeln als die Rente der Stpfl. Auch bei der Rente an die Tochter handele es sich um eine echte Versorgungsrente und nicht um einen in Raten abzutragenden festen Kaufpreisteil. Beide Renten seien bei der Berechnung des Veräußerungsgewinns gleichzubehandeln. Es spiele keine Rolle, aus welchen Motiven die Stpfl. darauf bestanden habe, daß der Erwerber auch ihrer Tochter eine Leibrente gewähre. Es sei allein entscheidend, ob die vom Erwerber zu erbringenden Renten Kaufpreisratencharakter trügen, oder ob bei ihnen der Versorgungscharakter im Vordergrund stehe (vgl. Urteil des BFH I 200/58 U vom 20. Januar 1959, BFH 68, 500, BStBl III 1959, 192). An dem Versorgungscharakter der beiden Renten könne kein Zweifel bestehen. Auch für die Übernahme der Vermögensabgabe sei der Versorgungsgedanke entscheidend gewesen. Bei Ermittlung des Veräußerungsgewinnes seien also die kapitalisierte Rente an die Tochter und die übernommene Vermögensabgabe aus dem Veräußerungserlös auszuscheiden. Damit stünden den Buchwerten des veräußerten Betriebs zuzüglich Kosten von rund 57 000 DM nur die Barzahlungen von 50 000 DM gegenüber. Ein Veräußerungsgewinn könne daher nicht festgestellt werden.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision des FA führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
1. Die Behandlung der Übernahme der Vermögensabgabe durch das FG ist nicht richtig. Nach Abschn. 5 Abs. 2 der Richtlinien zur Behandlung der Lastenausgleichsabgaben bei der Einkommensteuer und Körperschaftsteuer ist bei der Veräußerung eines Betriebes die Vermögensabgabe mit dem Zeitwert als Teil des Veräußerungserlöses anzusetzen. Der Senat hat gegen diese Regelung keine Bedenken (vgl. schon Urteile des BFH I 185/56 U vom 30. Oktober 1956, BFH 64, 13, BStBl III 1957, 5, und IV 154/56 U vom 22. August 1957, BFH 65, 314, BStBl III 1957, 352).
2. Mit Recht hat das FG den kapitalisierten Rentenwert der Leibrente an die Tochter der Stpfl. nicht als sofort realisierten Teil des Veräußerungserlöses behandelt. Daß die der Stpfl. selbst zugesagte lebenslängliche Leibrente nicht mit ihrem Gegenwartswert anzusetzen und dem Buchwert des veräußerten Betriebsvermögens gegenüberzustellen ist, entspricht der sich auf das Urteil des RFH VI A 706/28 vom 14. Mai 1930 (RStBl 1930, 580) stützenden ständigen Rechtsprechung des RFH und des BFH. Hiernach sind einkommensteuerlich Kaufpreisrenten nur insoweit als Gewinn aus der Veräußerung des Betriebes unter dem Gesichtspunkt der nachträglichen Einkünfte nach § 24 Nr. 2 EStG im Zeitpunkt des jeweiligen Zuflusses zu erfassen, als sie allein oder zusammen mit einem fest vereinbarten Kaufpreisteil den Buchwert des veräußerten Betriebes im Zeitpunkt der Veräußerung übersteigen. Die gleichen Grundsätze müssen auf die der Tochter der Stpfl. zugesagte Rente angewendet werden. Auch für sie treffen die Überlegungen des Urteils des RFH VI A 706/28 zu, die ihn veranlaßten, auf eine Kapitalisierung des Rentenanspruchs zum Zwecke der Ermittlung des Veräußerungsgewinns zu verzichten. Die Rentenleistungen an die Tochter sind hiernach nachträgliche Einkünfte der Stpfl. (§ 24 Nr. 2 EStG). Es ist ohne Bedeutung, welche Rechtsbeziehungen zwischen der Tochter und der Stpfl. bestanden und welche Motive diese veranlaßten, eine Rentenleistung für die Tochter zu vereinbaren. Diese Umstände können gegebenenfalls für die Entscheidung Bedeutung haben, ob die Stpfl. die an die Tochter geleisteten Renten als Sonderausgaben oder Betriebsausgaben abziehen kann.
3. Hieraus ergibt sich, daß der Gewinn aus der Betriebsveräußerung durch die feste Kaufpreiszahlung (Barpreis zuzüglich Zeitwert der Befreiung von der Vermögensabgabeschuld) nur in Höhe von 3 828 DM (61 025 ./. 57 197) realisiert wurde.
4. Nach § 16 Abs. 4 EStG 1959 tritt die Steuerpflicht nur ein, wenn der Veräußerungsgewinn bei der Veräußerung des ganzen Gewerbebetriebs den Betrag von 10 000 DM übersteigt. Diese Vorschrift ist hier nicht anwendbar. Denn für die Entscheidung darüber, wie hoch der Veräußerungserlös ist und ob der Gewinn 10 000 DM übersteigt, sind nicht nur der feste Kaufpreis, sondern auch die Rentenzahlungen zu berücksichtigen. Auch die Rentenzahlungen sind Teil des Veräußerungserlöses und Teile des Veräußerungsgewinns, soweit sie zusammen mit dem festen Kaufpreis den Buchwert des veräußerten Betriebsvermögens im Zeitpunkt der Veräußerung übersteigen (Hinweis auf das zur Veröffentlichung bestimmte Urteil IV R 81/67 vom 17. August 1967). Da unter Zusammenrechnung des kapitalisierten Rentenrechts und des festen Kaufpreises der Veräußerungsgewinn 10 000 DM übersteigt, ist der Veräußerungsgewinn von 3 828 DM steuerpflichtig.
5. Der Stpfl. steht jedoch die Tarifvergünstigung des § 34 Abs. 1, 2 Nr. 1 EStG zu. Zwar geht die ständige Rechtsprechung des RFH und des BFH (vgl. hierzu zuletzt Urteil des BFH VI 118/65 und 119/65 vom 16. September 1966, BFH 87, 134, BStBl III 1967, 70) davon aus, daß § 34 EStG bei Veräußerungsgewinnen nur unter der Voraussetzung gewährt wird, daß die stillen Reserven des veräußerten Betriebsvermögens in einem einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang aufgedeckt und realisiert werden. Bei Aufdeckung der stillen Reserven "nach und nach" hingegen wird die Tarifvergünstigung nicht gewährt. Hieran hält der Senat fest. Obwohl die Veräußerung eines Betriebs gegen Rente bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise der allmählichen Realisierung der in dem veräußerten Betriebsvermögen vorhandenen stillen Reserven ähnlich ist und für die Rentenzahlungen selbst die Tarifvergünstigung des § 34 EStG nicht in Betracht kommt (vgl. das Urteil des RFH VI A 706/28), hält es der Senat gleichwohl für vertretbar, hier die Vergünstigung auf den Teil des Veräußerungsgewinnes zu gewähren, der sich aus der Gegenüberstellung des festen Kaufpreisteils und des Buchwerts des Betriebsvermögens ergibt, also für 3 828 DM. Es liegt ein Sonderfall vor, den man auch in der Weise beurteilen könnte, daß zwar alle stillen Reserven in dem gesamten Betriebsvermögen durch die Vereinbarung einer bestimmten, schätzbaren Gegenleistung aufgedeckt werden, daß aber ihrer Realisierung und Besteuerung im Zeitpunkt der Betriebsveräußerung andere entscheidende Überlegungen entgegenstehen. Die im Urteil des RFH VI A 706/28 gewählte und seitdem beibehaltene Art der Besteuerung der Rentenzahlungen aus Betriebsveräußerungen tritt mit Rücksicht auf die erheblichen Schwierigkeiten, die der Besteuerung bei Kapitalisierung des Rentenrechts entgegenstehen, insoweit an die Stelle der Besteuerung des uno actu realisierten Veräußerungsgewinns. (Hinweis auf Urteil des Senats IV 350/62 vom 3. August 1966, BFH 86, 733). Deshalb erscheint es hier gerechtfertigt, für den sofort realisierten Gewinnteil die Tarifvergünstigung des § 34 EStG zu gewähren. Die Kaufpreisbemessung (fester Kaufpreis und Rente) wird für diese Entscheidung als Einheit gesehen.
Die Vergünstigung kann nicht auch für die im Jahre der Veräußerung geleisteten Rentenzahlungen gewährt werden. Denn auch diese Rentenzahlungen gehören ebenso wie die späteren Renten zu den laufenden nachträglichen Einnahmen aus der Betriebsveräußerung im Sinn des § 24 Nr. 2 EStG, für die die Tarifvergünstigung des § 34 EStG nicht in Betracht kommt.
Fundstellen
BStBl II 1968, 76 |
BFHE 1968, 324 |