Leitsatz (amtlich)
Wird fehlerhaft veredelte Ware, wie in den "Einheitsbedingungen für Textil- und Lohnveredelungsaufträge" ausbedungen, an den Veredelungsbetrieb zum Selbstkostenpreis überlassen, so ist dieser bei der Weberei nicht steuerbar.
Normenkette
UStG § 1 Nr. 1
Tatbestand
Die Revisionsbeklagte (Stpfl.) betreibt eine Weberei; sie läßt ihre selbst hergestellten Gewebe durch Veredelungsbetriebe bleichen, färben und bedrucken. Für die von ihr mit den Veredelungsbetrieben abgeschlossenen Werkverträge gelten die "Einheitsbedingungen für Textil- und Lohnveredelungsaufträge", deren § 15 Abs. 4 und 5 lautet:
(4) Macht der Veredler von der Möglichkeit der Richtigstellung, Umfärbung, Nachbesserung oder Ersatzlieferung keinen Gebrauch, oder sind diese nicht möglich, so besteht die Entschädigungspflicht höchstens in der Übernahme der Ware zu dem Selbstkostenpreis, zu dem sie nachweisbar neu hergestellt bzw. eingekauft werden kann. Dabei darf der billigste Tagesverkaufspreis für entsprechende Ware des Auftraggebers nicht überschritten werden.
(5) Ein Anspruch des Auftraggebers auf Erstattung weiteren Schadens, insbesondere für entgangenen Gewinn und Produktionsausfall, ist ausgeschlossen.
Für mangelhafte und für ihre Zwecke unbrauchbar gewordene Ware erhielt die Stpfl. im Streitjahr von Veredelungsfirmen insgesamt 6139,42 DM. Gleichzeitig überließ die Stpfl. den Veredelungsbetrieben die für sie nicht mehr brauchbare Ware. Der Revisionskläger (FA) unterwarf diesen Betrag in vollem Umfang der Umsatzsteuer mit 4 v. H.
Die Stpfl. ist der Auffassung, daß es sich bei der im § 15 Abs. 4 der Einheitsbedingungen festgelegten Entschädigungspflicht um eine echte Verpflichtung zum Schadensersatz handele. Demgegenüber stützt sich das FA auf das Urteil des RFH V A 251/28 vom 21. September 1928 (Deutsche Steuer-Zeitung 1928 S. 1118), das allerdings die Umsatzsteuerpflicht des Veredelungsbetriebs behandele; da aber nach diesem Urteil die vom Weber hingegebenen Stoffe Teil des vom Veredler verdienten Werklohns, also Gegenleistung seien, könnten sie nicht gleichzeitig beim Weber nur als schadensmindernde Rechnungsgröße bei der Zahlung des Selbstkostenpreises durch den Veredler behandelt werden.
Die Berufung der Stpfl. hatte Erfolg. Das FG hat die Stpfl. wegen mangelnden Leistungsaustausches mit dem streitigen Betrag von der Umsatzsteuer freigestellt.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Hiergegen richtet sich die Rb. des FA, die nach dem Inkrafttreten der FGO als Revision zu behandeln ist; sie ist unbegründet.
Zutreffend geht die Vorentscheidung davon aus, daß der streitige Betrag nur dann zur Umsatzsteuer heranzuziehen ist, wenn er im Rahmen eines Leistungsaustausches gezahlt ist, wenn also Leistung und Entgelt im Verhältnis der Wechselbeziehung, in einem inneren Zusammenhang bei gegenseitiger Abhängigkeit stehen. Ersetzt der zum Schadensersatz Verpflichtete dem Berechtigten lediglich seinen Schaden, so wird der hierfür aufgewendete Betrag in der Regel nicht innerhalb eines solchen Leistungsaustausches gezahlt. Die Entgeltlichkeit einer Leistung richtet sich nicht unmittelbar nach bürgerlichem Recht; denn es sind Fälle denkbar, in denen ein nach § 249 Satz 2 BGB (Geldzahlung statt Naturalherstellung) gezahlter Betrag bei Änderung der Anspruchsgrundlage steuerbar sein kann (vgl. RFH-Urteil V A 458-461/30 vom 3. Oktober 1930, RStBl 1931, 154). Ein solcher Sonderfall liegt hier nicht vor. Vielmehr kann im Streitfall der Berechtigten (Stpfl.) der Schaden nicht durch Wiederherstellung des vertragsgemäßen Zustandes ersetzt werden. Die beschädigten Waren können nicht in den nach dem Werkvertrag vorausgesetzten Zustand versetzt werden, ihre Verwertung ist der Stpfl. nicht zumutbar. Die Stpfl. kann demnach nach § 249 Satz 2 BGB Schadensersatz in Geld verlangen. Beschränkte sich der Sachverhalt auf eine solche Schadensersatzforderung, so bestünde kein Zweifel, daß der Betrag nicht steuerbar wäre. Wenn die Stpfl. nun, wie vertraglich vereinbart ist und wie es dem das Schadensersatzrecht beherrschenden Grundsatz des Vorteilsausgleichs (vgl. Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bd. 27 S. 241, 248, ferner Werner in Staudingers Kommentar zum BGB, 10./11. Aufl. 1967, Vorbem. vor § 249 Anm. 105) entspricht, die beschädigte Ware dem zum Schadensersatz Verpflichteten zur Verwertung überläßt, geschieht dies zur Schadensminderung; der dadurch geminderte Barbetrag wird nicht im Austausch oder für die beschädigte Ware bezahlt, sondern ist der in Geld zu ersetzende Schaden, auf den die Stpfl. Anspruch hat. Ihren an sich höheren Schaden - denn vertragsgemäß zurückgegebene Ware hätte sie mit Gewinn verkaufen können - braucht der Veredelungsbetrieb nur deshalb nicht zu ersetzen, weil dies durch die Einheitsbedingungen, also vertraglich, ausgeschlossen ist. Mit Recht hat die Vorinstanz hervorgehoben, daß es für die Annahme eines Entgelts auch an dem inneren Zusammenhang zu dem Wert der beschädigten Ware fehlt, weil stets der Selbstkostenpreis ohne Rücksicht auf den Grad der Beschädigung und damit auf den Wert der Ware zu entrichten ist.
Das RFH-Urteil V A 251/28 vom 21. September 1928 (a. a. O.) läßt die Frage einer etwaigen Steuerpflicht des Webers ausdrücklich offen.
Auch wenn man mit dem FA ein als Einheit zu beurteilendes sukzessives Veredelungsgeschäft zwischen Webern und Lohnausrüstern annehmen wollte, würde dies den Charakter des streitigen Betrags als Schadensersatz nicht beeinträchtigen; denn die Verpflichtung zum Schadensersatz ist auch solchenfalls gegeben, wenn Ware beim Veredler Verdirbt; allein aus diesem Grunde, nicht um dieser Ware willen, wird gezahlt.
Hiernach rechtfertigt sich die getroffene Entscheidung.
Fundstellen
BStBl II 1968, 108 |
BFHE 1968, 308 |