Entscheidungsstichwort (Thema)
Marktforscher-GbR: Freiberufler oder Gewerbetreibende?
Leitsatz (NV)
1. Ein Marktforscher ist kein beratender Betriebswirt (Anschluß an BFH-Urteil vom 27. Februar 1992 IV R 27/90, BFHE 168, 59, BStBl II 1992, 826).
2. Die Wissenschaftlichkeit einer Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG stellt gewisse Mindestanforderungen sowohl an die inhaltliche Qualität als auch an die äußere Form der Arbeit.
Normenkette
EStG § 15 Abs. 3 Nr. 1, § 18 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger zu 1 bis 3 (Kläger) sind diplomierte Volks- und Betriebswirte, die sich nach ihrer akademischen Ausbildung dem Bereich der Markt- und Produktforschung zugewandt haben, und zwar zunächst als angestellte Leiter der Zweigstelle eines auswärtigen Instituts, später als gleichberechtigte Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), der Klägerin zu 4. In der Zeit ihrer selbständigen Tätigkeit (1979 bis 1982) haben sie Markt- und Produktforschungsaufgaben auf der Grundlage des sog. Haushaltspanelverfahrens angeboten.
Beim Panelsystem handelt es sich um Erhebungen, die innerhalb einer gleichbleibenden, repräsentativen Gruppe von Personen oder Haushalten (Panel) über einen längeren Zeitraum hinweg fortlaufend oder in gewissen Abständen durchgeführt werden. Zu diesem Zweck hatten die Kläger von einem anderen Marktforschungsinstitut 5000 Haushaltungen anwerben lassen. Die Haushalte wurden im Wege der Befragung danach ausgesucht, ob sie beispielsweise bestimmte Warengattungen oder - spezieller - bestimmte Marken zu verbrauchen pflegten, ob sie über ein Kfz oder ein Fernsehgerät verfügten. Den Ausbau und die Pflege des Panels haben die Kläger mit ihren Mitarbeitern in der Folgezeit - ebenfalls im Wege der Befragung - selbst betrieben und in den Streitjahren nach eigenen Angaben zwischen 12000 und 15000 national repräsentative Haushaltungen nach wissenschaftlich-mathematischen Methoden als Erhebungsgrundlage erfaßt.
Auf dieser Grundlage haben die Kläger in den Streitjahren zahlreiche schriftliche und telefonische Panelbefragungen durchgeführt, wobei der Schwerpunkt ihrer Arbeit in der Durchführung von Produkttests bestand. Bei diesen Tests erhalten die Haushalte Proben des betreffenden Produkts, das sie nach dem Verbrauch der Probe anhand eines Fragebogens beurteilen.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) hat die Tätigkeit der Kläger im Anschluß an eine Betriebsprüfung als gewerblich i.S. des § 15 Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) angesehen. Demgegenüber sind die Kläger der Ansicht, wissenschaftlich und als beratende Betriebswirte i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG tätig geworden zu sein.
Hiergegen erhoben die Kläger nach erfolglosem Einspruch Klage zum Finanzgericht (FG). Die Kläger trugen vor, bereits die Auswahl und Unterhaltung des Testpanels erfordere eine wissenschaftliche Vorbildung. Hierbei seien Methoden und Verfahrensweisen der mathematischen Statistik, der empirischen Sozialforschung sowie der Markt- und Verbrauchsforschung zu berücksichtigen. Auch die ihnen von den einzelnen Auftraggebern übertragenen Marketingprobleme könnten nur auf wissenschaftlicher Grundlage gelöst werden. Sie könnten nicht einfach anderwärts entwickelte und hinreichend bewährte Methoden zur Anlage und Auswertung eines Tests übernehmen. Die wissenschaftliche Forschung und die entsprechende Dokumentation auf diesem Gebiet seien noch nicht weit genug fortgeschritten.
Das FG gab in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) veröffentlichten Urteil der Klage nur insoweit statt, als es den Gewerbeertrag 1982 um eine vom FA nicht berücksichtigte Gewerbesteuerrückstellung minderte.
Hiergegen richtet sich die vom Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassene Revision der Kläger, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts rügen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Die Entscheidung des FG, daß die Klägerin zu 4 keine Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 EStG ausgeübt hat, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), an der festzuhalten ist, ist die gesamte Tätigkeit einer Personengesellschaft als Gewerbebetrieb anzusehen, wenn sie überhaupt eine gewerbliche Tätigkeit ausübt. Dies ergibt sich für das Streitjahr aus § 2 Abs. 2 Nr. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG), der auch für die einkommensteuerrechtliche Qualifizierung der Einkünfte maßgeblich ist (vgl. jetzt § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG); zur näheren Begründung wird auf das Senatsurteil vom 10. November 1983 IV R 86/80 (BFHE 140, 44, BStBl II 1984, 152) verwiesen. Das gilt auch, wenn im Rahmen einer Personengesellschaft neben einer gewerblichen eine freiberufliche Tätigkeit ausgeübt wird (vgl. zuletzt Senatsurteil vom 11. Mai 1989 IV R 43/88, BFHE 157, 155, BStBl II 1989, 797). Zu den Personengesellschaften in diesem Sinne gehört auch eine GbR, wie sie zwischen den Klägern besteht (Senatsurteil in BFHE 157, 155, BStBl II 1989, 797, 799; Schmidt, Einkommensteuergesetz, 11. Aufl., § 15 Anm. 42b m.w.N.).
2. Die von den Klägern nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und daher für den Senat nach § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) bindenden Feststellungen des FG rechtfertigen den Schluß, daß die Kläger jedenfalls nicht ausschließlich Tätigkeiten ausgeübt haben, die nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG als freiberuflich einzustufen sind.
a) Zu Recht hat das FG die Tätigkeit der Kläger nicht als die von beratenden Betriebswirten angesehen. Auch eine dem beratenden Betriebswirt ähnliche Tätigkeit hat es zutreffend verneint. Zur Begründung wird auf das Senatsurteil vom 27. Februar 1992 IV R 27/90 (BFHE 168, 59, BStBl II 1992, 826) verwiesen, in dem sich der Senat mit den Argumenten, die die Prozeßbevollmächtigten in diesem wie in jenem Verfahren vorgetragen haben, ausführlich auseinandergesetzt hat (kritisch hierzu: Schick, Anmerkungen zur Steuerrechtsprechung in Karteiform, Einkommensteuergesetz 1975, § 18 Abs. 1, Rechtsspruch 68, der allerdings von seiner - vom BFH abgelehnten - These ausgeht, es genüge die Ähnlichkeit mit einer Gruppe der Katalogberufe).
b) Die Kläger haben nach den für den Senat bindenden Feststellungen des FG auch nicht ausschließlich Tätigkeiten ausgeübt, die als wissenschaftlich zu qualifizieren wären. Vielmehr haben die Kläger in ihrer gesamthänderischen Gebundenheit auch Aufträge ausgeführt, die zu gewerblichen Einkünften führen.
Nach der Rechtsprechung des BFH ist Voraussetzung für die Bejahung einer wissenschaftlichen Tätigkeit, daß eine hochstehende, besonders qualifizierte Beschäftigung ausgeübt wird, die der Forschertätigkeit vergleichbar ist. Es muß eine schwierige Aufgabe nach wissenschaftlichen Grundsätzen, d.h. nach streng sachlichen und objektiven Grundsätzen zu lösen versucht werden. Der Begriff der Wissenschaften ist in besonderem Maße mit den Disziplinen verbunden, die an den Hochschulen gelehrt werden. Wissenschaftlich tätig ist nicht nur derjenige, der schöpferische oder forschende Arbeit leistet (reine Wissenschaft), sondern auch derjenige, der das aus der Forschung hervorgegangene Wissen auf konkrete Vorgänge anwendet (angewandte Wissenschaft). Von wissenschaftlichem Arbeiten kann aber nur dann gesprochen werden, wenn grundsätzliche Fragen oder konkrete Vorgänge methodisch in ihren Ursachen erforscht, begründet und in einen Sinnzusammenhang gebracht werden, wie z.B. in einem wissenschaftlichen Gutachten über schwierige Fragen (vgl. Senatsurteile in BFHE 168, 59, BStBl II 1992, 826, und vom 26. November 1992 IV R 109/90, BFHE 170, 88, BStBl II 1993, 235).
Der Senat hat in seinem Urteil in BFHE 168, 59, BStBl II 1992, 826 im einzelnen dargelegt, daß der laufenden Tätigkeit eines Marktforschers nicht allein wegen ihrer Praxisbezogenheit der wissenschaftliche Charakter abzusprechen ist. Er hat weiter Kriterien genannt, die für die Wissenschaftlichkeit der Marktforscher-Tätigkeit sprechen können. So ist insbesondere von Bedeutung, ob die gestellten Aufgaben einen Schwierigkeitsgrad erreichen, wie ihn etwa Diplomarbeiten aufweisen. Dabei ist besonderes Augenmerk auf die Ermittlung der Strichprobe und der Abfassung des Fragebogens zu richten.
Des weiteren hat der Senat die Anforderungen aufgezeigt, die an die schriftliche Ausarbeitung einer wissenschaftlichen Untersuchung auf dem Gebiet der empirischen Sozialforschung zu stellen sind. Danach ist in der Regel zu fordern, daß der Schlußbericht die zur Beurteilung der Stichhaltigkeit der Untersuchung erforderlichen Angaben enthält. Dieses Erfordernis ergibt sich daraus, daß zu einer wissenschaftlichen Tätigkeit die Nachprüfbarkeit und Nachvollziehbarkeit des Vorgehens gehört. Eine wissenschaftliche Tätigkeit ist insbesondere nicht gegeben, wenn der Markt- oder Meinungsforscher bei der Auswahl der Befragten oder der Gestaltung des Fragebogens auf einige wenige Muster zurückgreifen kann, auch wenn diese Muster selbst nach wissenschaftlichen Methoden entwickelt sein sollten.
Nach den Feststellungen des FG und dem von ihm in Bezug genommenen Akteninhalt erstellte die Klägerin allein im Jahre 1981 170 Rechnungen, denen 150 Aufträge zugrunde lagen. Viele Aufträge waren gleichartig und rührten vom selben Auftraggeber her. Die Fragebögen waren vielfach vom Auftraggeber vorgegeben oder standardisiert. Auch die Stichprobe war oft im Auftragsschreiben der Kunden enthalten, bezeichnenderweise insbesondere dort, wo diese eigene Marktforschungsabteilungen unterhalten oder wo es sich bei den Auftraggebern nicht um die Herstellerfirmen selbst handelt, sondern eine Werbeagentur als Auftraggeber zwischengeschaltet ist. Unter diesen Umständen ist nicht ausreichend dargetan, daß jeweils neue Überlegungen für die Anordnung der einzelnen Untersuchungen erforderlich waren (vgl. Senatsurteil in BFHE 168, 59, BStBl II 1992, 826).
Andere Auftraggeber haben die Fragebögen selbst ausgewertet (...-Verlag, Projekte Nr. 225, 194, 201, 206). Es fehlt somit an einem Schlußbericht, den der Senat in seinem Urteil in BFHE 168, 59, BStBl II 1992, 826 als formelle Voraussetzung für die Wissenschaftlichkeit einer Arbeit auf dem Gebiet der empirischen Sozialforschung für notwendig gehalten hat. An diesem Erfordernis ist festzuhalten, weil andernfalls nicht die Rede davon sein kann, daß die Arbeit der Art nach einem wissenschaftlichen Gutachten über schwierige Fragen entspricht. Die bloße Behauptung, die Untersuchungsanordnungen und -ergebnisse seien mit den Auftraggebern telefonisch besprochen worden, ist deshalb nicht geeignet, die Wissenschaftlichkeit einer Panel-Umfrage zu begründen.
Die Kläger können sich nicht mit Erfolg darauf berufen, daß ihre Auftraggeber keine andere Form der Bearbeitung gewünscht hätten, daß beispielsweise die Standardisierung der Fragebögen notwendig gewesen sei, um die Ergebnisse über die Zeit hinweg miteinander vergleichen zu können. Ob eine Arbeit als wissenschaftlich i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu qualifizieren ist, richtet sich ausschließlich danach, ob sie die hierfür von der Rechtsprechung aufgestellten Kriterien erfüllen, nicht dagegen nach den Bedürfnissen der Auftraggeber (vgl. Senatsurteil in BFHE 170, 88, BStBl II 1993, 235, unter 1. b). Das gilt unabhängig davon, daß die Auftraggeber von den Klägern hoch qualifizierte Leistungen erwarteten. Der Begriff der Wissenschaftlichkeit in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ist ein rein steuerrechtlicher (Schick, Die freien Berufe im Steuerrecht, 1973, S. 20), der zwar gewisse Mindesterfordernisse an die inhaltliche Qualität, insbesondere aber an die äußere Form der Arbeit stellt.
Diese nicht als wissenschaftlich zu qualifizierenden Aufträge waren von denjenigen Aufträgen abgrenzbar, deren Bearbeitung das FG als wissenschaftliche Tätigkeit angesehen hat, oder die nach den im Senatsurteil in BFHE 168, 59, BStBl II 1992, 826 aufgestellten Kriterien als wissenschaftlich angesehen werden können (z.B. Projekt Nr. 114, Auftraggeber Z, wegen der Vorschaltung einer Pilotstudie).
Die Tätigkeiten der Kläger, die nicht als wissenschaftlich einzustufen sind, können auch nicht als bloßer Ausfluß vorangegangener wissenschaftlicher Problemlösungen, nämlich Pflege und Erweiterung des Testpanels, angesehen werden.
Allerdings gehört die bloße Verwertung wissenschaftlicher Arbeit, beispielsweise einer Erfindung, noch zur freiberuflichen Tätigkeit. Das gilt aber nur für die Verwertung in Form der Nutzungsüberlassung (Lizenzvergabe; BFH-Urteil vom 11. September 1969 IV R 160/67, BFHE 98, 144, BStBl II 1970, 317). Verwertet dagegen der Steuerpflichtige die Ergebnisse seiner wissenschaftlichen Tätigkeit mittelbar durch Einsatz in seinem eigenen Betrieb, richtet sich die Art der Einkünfte nach denen, die durch den Betrieb erzielt werden (BFH-Urteil in BFHE 98, 144, BStBl II 1970, 317; Schick, a.a.O., S. 22). Eine getrennte einkommensteuerrechtliche Beurteilung verschiedener Tätigkeiten einer natürlichen Person ist nur insoweit möglich, als diese Tätigkeiten nach außen in einer Weise in Erscheinung treten, daß die Person mit diesen Tätigkeiten am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnimmt (BFH-Urteil vom 30. November 1978 IV R 15/73, BFHE 126, 461, BStBl II 1979, 236). Im Streitfall haben die Kläger das von ihnen fortentwickelte und gepflegte Testpanel nur mittelbar verwertet, indem sie die mit seiner Hilfe möglichen Untersuchungen selbst, unter Einsatz eigener personeller und sachlicher Mittel durchgeführt haben. Da sie im Rahmen ihrer GbR - wie dargelegt - nicht ausschließlich Aufträge ausgeführt haben, die sich als wissenschaftliche Arbeiten qualifizieren lassen, ist die gesamte Tätigkeit der GbR als gewerblich zu beurteilen.
Fundstellen
Haufe-Index 419183 |
BFH/NV 1994, 89 |