Entscheidungsstichwort (Thema)
Zugmaschine im kraftfahrzeugsteuerrechtlichen Sinne
Leitsatz (NV)
1. Zum Begriff Zugmaschine im kraftfahrzeugsteuerrechtlichen Sinne.
2. Kraftfahrzeugsteuerbefreiungstatbestände sind grundsätzlich aus sich selbst heraus, ohne Rückgriff auf außerkraftfahrzeugsteuerrechtliche Gesichtspunkte (hier: förderungsrechtlicher Art), auszulegen.
Normenkette
KraftStG 1979 § 3 Nr. 7
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Halterin eines am 6. Mai 1987 zum Verkehr zugelassenen, von der Zulassungsstelle als Zugmaschine bewerteten Diesel-Jeeps Nissan Patrol mit ursprünglich sieben, nach erfolgtem Umbau nur noch zwei Sitzen und später angebrachter Anhängerkupplung mit Kupplungsbock. Für das Halten des Fahrzeugs gewährte das beklagte und revisionsbeklagte Finanzamt (FA) zunächst Kraftfahrzeugsteuerbefreiung gemäß § 3 Nr. 7 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes (KraftStG) 1979. Nachdem die Klägerin im August 1989 beantragt hatte, das Halten des Fahrzeugs, wie schon zuvor einmal befristet geschehen (August/September 1987), im Hinblick auf eine Urlaubsreise vorübergehend zu besteuern, gelangte das FA zu der Auffassung, daß es sich nicht um eine Zugmaschine, sondern um einen Personenkraftwagen handele, und setzte, nunmehr unbefristet, für die Zeit ab 1. August 1989 Kraftfahrzeugsteuer fest.
Die Klage gegen diese Besteuerung wurde abgewiesen. Das Finanzgericht (FG) führte aus, eine Zugmaschine im kraftfahrzeugsteuerrechtlichen Sinne liege nicht vor. Das Fahrzeug sei ein serienmäßig hergestellter, vielseitig verwendbarer geländetauglicher Wagen mit Allradantrieb, der auch nicht zur Zugmaschine umgerüstet worden sei. Seine bautechnische Konzeption sei nicht verändert worden; es könne - ohne Anhänger - nach wie vor mit der vorgesehenen Höchstgeschwindigkeit von 135 km/h gefahren werden. Seine Verwendung für eine Urlaubsfahrt spreche ebenfalls dafür, daß er wie ein Personenkraftwagen eingesetzt werden könne. Durch die Verringerung der Zahl der Sitze und das Zuschweißen der Befestigungen für die nicht montierten fünf Sitze sei die Eignung des Fahrzeugs zur Personenbeförderung nur eingeschränkt, nicht aber aufgehoben worden. Darüber hinaus sei durch diese Maßnahme der Laderaum erweitert worden, so daß sich der Wagen - als Kombifahrzeug - nunmehr sowohl zur Personenbeförderung als auch zur Güterbeförderung eigne, zusätzlich allerdings auch zum Ziehen von Anhängern. Im Hinblick hierauf könne es, entgegen der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zum Berlinförderungsgesetz (BerlinFG), nicht darauf ankommen, welcher Aufwand erforderlich sei, um die Umgestaltung des Fahrzeugs wieder rückgängig zu machen. Kraftfahrzeugsteuerrechtlich nicht maßgebend sei die zulassungsrechtliche Anerkennung als Zugmaschine.
Die Revision der Klägerin macht demgegenüber geltend, entscheidend müsse die Verwendung des Fahrzeugs zum Ziehen von Anhängern für den land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb sein. Insoweit liege eine Zugmaschine vor. Die Höchstgeschwindigkeit des Fahrzeugs sei nebensächlich. Die Umbaumaßnahmen machten das Fahrzeug in der derzeitigen Ausstattung für die Personenbeförderung unbrauchbar. Komme es, wie nach der vom FG abgelehnten BFH-Rechtsprechung, auf die Kosten einer Rückrüstung an, so sei trotz entsprechenden Beweisangebots (Sachverständigengutachten) nicht ermittelt worden, wie hoch der Kostenaufwand wäre.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Das FG hat zutreffend entschieden, daß die angefochtene Neufestsetzung (§ 12 Abs. 2 Nr. 2 KraftStG 1979; dazu Senat, Urteil vom 20. August 1985 VII R 182/82, BFHE 144, 465, 467, BStBl II 1985, 716) rechtmäßig ist. Die Voraussetzungen einer Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 7 KraftStG 1979 sind nicht erfüllt. Aufgrund der hier getroffenen Feststellungen ist davon auszugehen, daß der Kraftwagen der Klägerin kein Fahrzeug darstellt, dessen Halten nach dieser Vorschrift kraftfahrzeugsteuerfrei wäre.
Unter die Befreiungsvorschrift fallen neben Sonderfahrzeugen (§ 3 Nr. 7 Satz 2 KraftStG 1979) und bestimmten Anhängern Zugmaschinen, solange sie ausschließlich in der näher umschriebenen Weise verwendet werden. Allein durch eine entsprechende Verwendung wird der Befreiungstatbestand, wie sich aus dem klaren Wortlaut des Gesetzes ergibt, noch nicht erfüllt. Vorliegen muß auch eine bestimmte Beschaffenheit des Fahrzeugs. Hier stellt sich allein die Frage, ob das Fahrzeug der Klägerin eine Zugmaschine ist. Das ist nach den im Klageverfahren getroffenen Feststellungen, die den Senat binden (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung), zu verneinen.
Der Begriff Zugmaschine (§ 3 Nr. 7 KraftStG 1979) ist kraftfahrzeugsteuerrechtlicher Art. Die verkehrsrechtliche Einstufung als Zugmaschine ist kraftfahrzeugsteuerrechtlich nicht bindend (Senat, Urteil vom 26. November 1991 VII R 88/90, BFH/NV 1992, 414f.; vgl. auch Urteil vom 28. Juli 1992 VII R 118/91, BFHE 169, 468, 471, BStBl II 1993, 250). Vorschriften über Kraftfahrzeugsteuerbefreiungen sind, wie der Senat mehrfach entschieden hat (zuletzt Urteil vom 22. September 1992 VII R 45/92, BFHE 169, 478f., BStBl II 1993, 200), grundsätzlich aus sich selbst heraus auszulegen und anzuwenden. Das gilt auch im Hinblick auf die Tatbestandsmerkmale von Kraftfahrzeugsteuerbefreiungen. Für die Beurteilung, ob eine Zugmaschine im kraftfahrzeugsteuerrechtlichen Sinne vorliegt, sind somit außerkraftfahrzeugsteuerrechtliche Gesichtspunkte, wie sie etwa zur Abgrenzung zwischen Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen im Hinblick auf begünstigte Investitionen nach dem BerlinFG - § 19 Abs. 2 - entwickelt worden sind (z.B. BFH, Urteile vom 1. Juli 1977 III R 98/75, BFHE 123, 272, 275, BStBl II 1977, 864, und vom 22. Februar 1991 III R 11/90, BFH/NV 1991, 838), ohne Bedeutung. Soweit danach die Einstufung eines umgebauten Fahrzeugs u.a. von der Höhe der Kosten einer Rückrüstung abhängen kann, stellt sich diese Frage in kraftfahrzeugsteuerrechtlicher Hinsicht nicht. Schon aus diesem Grunde hat es das FG - ohne daß darin eine Abweichung von der förderungsrechtlichen Rechtsprechung läge - mit Recht abgelehnt, die Kosten einer Rückrüstung zu ermitteln. Im übrigen käme es auf entsprechende Feststellungen auch nur dann an, wenn infolge der baulichen Veränderungen aus dem Fahrzeug eine Zugmaschine geworden sein könnte. Dies hat das FG jedoch verneint, so daß von seiner Auffassung aus keine Veranlassung bestand, der Frage der Kosten näher nachzugehen.
Zugmaschine i.S. von § 3 Nr. 7 KraftStG 1979 ist ein Fahrzeug, dessen wirtschaftlicher Wert im wesentlichen in der Zugleistung liegt und das nach seiner Bauart ausschließlich oder überwiegend zur Fortbewegung von Lasten durch Ziehen von Anhängern zu dienen geeignet und bestimmt ist (ständige Rechtsprechung; zuletzt BFH/NV 1992, 414f. m.w.N.; vgl. auch FG des Saarlandes, Urteil vom 6. November 1991 2 K 189/87, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1992, 218). Von dieser Begriffsbestimmung ist - zutreffend - auch die Vorinstanz ausgegangen. Die hierzu getroffenen Feststellungen tragen das Ergebnis, daß das Fahrzeug der Klägerin auch unter Berücksichtigung der an ihm vorgenommenen Veränderungen, die - auch - ein Ziehen ermöglichen, keine Zugmaschine ist. Diese Veränderungen haben sogar dazu geführt, daß es sich nunmehr auch zur Güterbeförderung eignet (Erweiterung des Laderaums). Schon dieser Umstand steht der Annahme entgegen, daß das Fahrzeug (wenigstens) überwiegend zum Ziehen von Anhängern geeignet und bestimmt ist. Jedenfalls möglich und damit revisionsrechtlich unangreifbar ist im übrigen auch die tatrichterliche Würdigung, daß das Fahrzeug trotz der Verringerung der Zahl seiner Sitzplätze - auf zwei - weiterhin zur Personenbeförderung geeignet ist (vgl. EFG 1992, 218). Wenn das FG in diesem Zusammenhang auf die Höchstgeschwindigkeit des Fahrzeugs und dessen jedenfalls zeitweilige Nutzung für die Personenbeförderung (Urlaubsfahrt) abgestellt hat, so ist auch dies nicht zu beanstanden (vgl. auch BFH/NV 1992, 414f.). Die somit festgestellte Eignung und Nutzung des Fahrzeugs für die Personenbeförderung schließt es gleichfalls aus, in ihm eine Zugmaschine im kraftfahrzeugsteuerrechtlichen Sinne zu sehen.
Fundstellen
Haufe-Index 419634 |
BFH/NV 1994, 741 |