Leitsatz (amtlich)
Arbeitnehmer eines ausländischen Unternehmers, die lediglich zur Durchführung eines bestimmten, zeitlich begrenzten Auftrags in die Bundesrepublik kommen, ohne hier objektiv erkennbar den örtlichen Mittelpunkt ihres Lebens zu begründen, bleiben ausländische Abnehmer im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1967, auch wenn ihr Aufenthalt im Inland von längerer Dauer ist.
Normenkette
UStG 1967 § 6 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) - ein Kraftfahrzeughändler - lieferte im Mai 1968 an drei schwedische Staatsangehörige je einen Personenkraftwagen. Für diese Umsätze beanspruchte er Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 1, § 6 UStG 1967. Die schwedischen Abnehmer waren im Mai 1968 in die Bundesrepublik gekommen, um für ihre schwedische Arbeitgeberin bei der Errichtung eines Werkes einer Tochtergesellschaft in S mitzuwirken. Dort bezogen die schwedischen Arbeitnehmer Unterkunft. Sie behielten jedoch ihre Wohnung in Schweden bei. Das Gehalt und die sonstigen Bezüge erhielten sie ausschließlich von ihrer schwedischen Arbeitgeberin. Im Dezember 1968 kehrten sie nach Schweden zurück und führten bei dieser Gelegenheit die vom Kläger erworbenen Personenkraftwagen aus. Dieser Vorgang ist durch Bestätigung der Grenzzollstelle nachgewiesen.
Der Beklagte und Revisionskläger (FA) versagte in dem berichtigten, nach § 100 Abs. 2 AO vorläufigen Umsatzsteuerbescheid für das Kalenderjahr 1968 vom 2. April 1970 die Steuerfreiheit für diese Lieferungen, weil die schwedischen Erwerber keine ausländischen Abnehmer gewesen seien. Der Einspruch blieb im wesentlichen ohne Erfolg.
Das FG hat der Klage stattgegeben und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt: § 6 Abs. 1 Nr. 1 a UStG 1967 bezeichne als ausländischen Abnehmer einen Abnehmer, der seinen Wohnort oder Sitz außerhalb des Reichsgebietes habe. Der Begriff des Wohnorts sei im Gesetz nicht näher bestimmt. Doch lasse sich dem § 6 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1967 entnehmen, daß derjenige Ort als Wohnort zu gelten habe, an dem der Abnehmer ansässig sei. Ob sich die Beziehungen eines Ausländers zu einem Ort im Inland derart verdichtet hätten, daß man diesen Ort als seinen Wohnort bezeichnen könne, sei nach der Verkehrsanschauung zu beurteilen. Ob ein Ausländer im Inland ansässig sei, könne nur nach den Verhältnissen des Einzelfalles entschieden werden. Dabei sei die Dauer seines Aufenthaltes nur eines von mehreren zu berücksichtigenden Merkmalen. Daneben müßten die sonstigen Umstände des Aufenthalts, insbesondere sein Zweck, in Betracht gezogen werden. Bei Anwendung dieser Grundsätze könne im vorliegenden Falle nicht angenommen werden, daß die schwedischen Abnehmer des Klägers im Inland einen Wohnort gehabt hätten. Die Aufenthaltsdauer von etwa sieben Monaten sei zwar nicht unbeträchtlich. Doch zeigten alle anderen Umstände, daß die Beziehungen der schwedischen Abnehmer zu ihrem inländischen Aufenthaltsort von vornherein nur lose und vorübergehend gewesen seien.
Der Steuerfreiheit der Umsätze nach § 4 Nr. 1 UStG 1967 stehe im vorliegenden Falle nicht entgegen, daß die Abnehmer die Personenkraftwagen vor der Ausfuhr benutzt hätten. Der Gegenstand der Ausfuhr habe sich dadurch in seiner Substanz nicht verändert. Damit sei der gelieferte Gegenstand ausgeführt worden.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Dazu trägt es im wesentlichen vor: Als Wohnort sei der Ort anzusehen, an dem jemand für längere Zeit eine zum Wohnen geeignete feste Unterkunft derart bezogen habe, daß die Verkehrsauffassung diesen Ort als seinen Wohnort bezeichne. Wer im Inland beschäftigt sei und aus diesem Grunde im Inland eine Wohnung bezogen habe, habe nach der Verkehrsauffassung keinen ausländischen Wohnort mehr. Dies müsse insbesondere für den Fall gelten, daß der Aufenthalt im Inland einen Zeitraum von sechs Monaten überschreite. Die Ansicht des FG, nach der neben der Dauer des Aufenthalts auch sonstige Umstände, insbesondere der Zweck des Aufenthalts, in Betracht zu ziehen seien, würde dazu führen, daß der Unternehmer zu umfangreichen und unzumutbaren Nachforschungen genötigt werde. Im übrigen könne in einer Vielzahl der Fälle die Frage der Steuerfreiheit des Umsatzes nur im nachhinein zutreffend beurteilt werden. Auch der Sinn der Steuerbefreiung für Ausfuhrumsätze, die Wettbewerbsgleichheit der deutschen Wirtschaft mit der ausländischen Wirtschaft sicherzustellen, erfordere nicht die vom FG getroffene Auslegung des Gesetzes. Die Wettbewerbschancen der deutschen Wirtschaft würden nämlich für gewöhnlich dann nicht beeinträchtigt, wenn ihre Lieferungen an Ausländer erfolgten, die sich für längere Zeit im Inland aufhielten, weil sie ohnehin überwiegend darauf angewiesen seien, deutsche Erzeugnisse im Inland zu kaufen. Schließlich sei im vorliegenden Falle der Gegenstand der Lieferung nicht mit dem Gegenstand der Ausfuhr identisch gewesen. Der Kläger habe den Abnehmern fabrikneue Fahrzeuge geliefert. Diese hätten nach siebenmonatiger inländischer Nutzung Gebrauchtfahrzeuge ausgeführt.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen. Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Zutreffend hat das FG dem Kläger für seine PKW-Lieferungen die Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 1 UStG 1967 gewährt, da es sich bei den Abnehmern des Klägers - den schwedischen Arbeitnehmern - um ausländische Abnehmer i. S. des § 6 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1967 gehandelt hat. Diese Voraussetzung ist erfüllt, weil die schwedischen Abnehmer im Zeitpunkt der Lieferung ihren Wohnort außerhalb des Reichsgebiets hatten (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UStG 1967). Der Begriff des Wohnorts ist vom Gesetz nicht näher festgelegt. Ausgehend von der durch den Gesetzeswortlaut gestützten Erwägung, daß ein ausländischer Abnehmer nur einen Wohnort haben kann, wird in der Praxis unter dem Wohnort nur derjenige Ort verstanden, an dem der Abnehmer für längere Zeit Wohnung genommen hat, und der nicht nur aufgrund subjektiver Willensentscheidung, sondern auch bei objektiver Betrachtung als der örtliche Mittelpunkt seines Lebens anzusehen ist (vgl. Erlaß des BdF vom 29. Juli 1969 IV A/2 - S 7131 - 29/69, Abschn. B Abs. 2, BStBl I 1969, 381, USt-Kartei § 4 S 7131 Karte 2; Eckhardt/Weiß, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, § 6 Tz. 14). Der Senat hält diese Auslegung des Wohnortbegriffs für zutreffend. Sie trägt insbesondere dem Umstand Rechnung, daß in allen Fällen, in denen der Abnehmer sowohl im Inland als auch im Ausland ansässig ist, eine Entscheidung getroffen werden muß, welcher der örtlichen Anknüpfungspunkte als Wohnort i. S. des § 6 UStG 1967 anzusehen ist.
Das FG hat in diesem Zusammenhang auch zutreffend die Auffassung vertreten, daß der Begriff des Wohnorts nicht mit den von §§ 13 und 14 StAnpG verwendeten Begriffen des Wohnsitzes und des gewöhnlichen Aufenthalts inhaltsgleich ist. Die Steuergesetze verwenden die letztgenannten Begriffe mit den ihnen zugewiesenen Inhalten insbesondere für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit der FÄ für die Besteuerung (§§ 73 a, 74, 76 Nr. 2 und 6 AO) und als Anknüpfungsmerkmal für die Feststellung der unbeschränkten und beschränkten persönlichen Steuerpflicht. Eine Wohnsitzbegründung im In- und Ausland ist möglich; dagegen kann ein Abnehmer nur einen Wohnort i. S. des § 6 UStG 1967 haben (vgl. Eckhardt/Weiß, a. a. O., § 6 Tz. 14; Weiß, Lieferung eines PKW an einen ausländischen Touristen, Umsatzsteuer-Rundschau 1972 S. 47).
Die vom FG in tatsächlicher Hinsicht getroffenen Feststellungen zu den Lebensumständen der schwedischen Abnehmer rechtfertigen den daraus vom FG gezogenen rechtlichen Schluß, daß der Wohnort dieser Abnehmer im maßgebenden Zeitpunkt der Lieferung in Schweden, also außerhalb des Reichsgebiets, gelegen hat. Die schwedischen Abnehmer hatten ihre Wohnungen in Schweden beibehalten, da sie bei einem in Schweden ansässigen Unternehmen beschäftigt waren und dort auch ihren regelmäßigen Arbeitsplatz besaßen. Ihr Aufenthalt in der Bundesrepublik ging auf einen von vornherein zeitlich befristeten Arbeitsauftrag ihres schwedischen Arbeitgebers zurück. Die Bindungen an Schweden waren weder in persönlicher noch in beruflicher Hinsicht gelockert. Feste (und die bisherigen Bindungen an Schweden ersetzende) Bindungen an den Aufenthaltsort in der Bundesrepublik waren die schwedischen Abnehmer nicht eingegangen. Sie können jedenfalls nicht in der Wohnungnahme und insbesondere nicht in der siebenmonatigen Dauer des Aufenthalts in der Bundesrepublik gesehen werden. Die im alten Umsatzsteuerrecht und dort auch nur für die sogenannten Abholfälle geltende Frist von sechs Monaten (vgl. § 7 Abs. 1 Nr. 2 des Ausfuhrförderungsgesetzes, § 4 a Nr. 2 Buchst. d UStG 1951) ist im neuen Recht nicht fortgeführt worden. Damit ist dem Umstand Rechnung getragen, daß die zeitliche Dauer eines Aufenthalts im Inland ein zwar wichtiges, aber nicht allein entscheidendes Kriterium für die Bestimmung des Wohnortes ist.
Dem FG ist auch darin zuzustimmen, daß in der bei einem ausländischen Abnehmer ohnehin nur zeitlich begrenzten Nutzung eines erworbenen Gebrauchsgegenstandes vor seiner Ausfuhr keine Bearbeitung oder Verarbeitung gesehen werden kann. Eine andere Auslegung liefe dem Sinn und Zweck der Befreiungsvorschriften für Ausfuhrlieferungen zuwider (ebenso Eckhardt/Weiß, a. a. O., § 6 Tz. 46 a).
Fundstellen
Haufe-Index 71693 |
BStBl II 1976, 80 |
BFHE 1976, 192 |