Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Unter welchen Voraussetzungen sind Ausgaben des Arbeitgebers zur Zukunftssicherung seiner Arbeitnehmer zugeflossener Arbeitslohn?
Die Bestimmung des § 2 Abs. 3 Ziff. 2 Satz 3 LStDV 1950, wonach ein Freibetrag von 312 DM im Kalenderjahr gewährt wird, ist rechtsgültig. Der Rückgriff auf Freibeträge für abgelaufene Kalenderjahre ist nicht zulässig.
Zur Zulässigkeit der Pauschalierung der Lohnsteuer nach Abschn. 55 Absätze 13 und 14 LStR.
Normenkette
EStG § 19/1/1; LStDV § 2 Abs. 3 Ziff. 2; LStR Abschn. 55
Tatbestand
Der Beschwerdeführerin (Bfin.) ist eine Pensionskasse in der Rechtsform eines Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit angeschlossen (Abgekürzt: Kasse). Die Kasse hat den Zweck, ihren Mitgliedern bei Alter oder Berufsunfähigkeit sowie den Hinterbliebenen der Mitglieder zusätzliche Versorgungsrenten zu gewähren. In ihrer Satzung ist u. a. das folgende vorgesehen: Mitglieder sind die Festangestellten der Bfin. Sie erhalten von der Kasse eine Aufnahmebestätigung, aus der sich der Beginn der Mitgliedschaft ergibt (§§ 3 und 4). Die Mitgliedschaft erlischt bei Ausscheiden aus dem Dienst der Bfin. Der Vorstand der Kasse kann aber mit einem ausscheidenden Mitglied gegen Weiterzahlung der Beiträge das Versicherungsverhältnis fortführen. Bei Erlöschen der Mitgliedschaft erhält das Mitglied 75 v. H. des für ihn angesammelten Deckungskapitals. Soweit ein Mitglied die Beiträge selbst entrichtet hat, ist ihm das darauf entfallende Deckungskapital voll auszuzahlen. Stirbt ein Mitglied vor Vollendung des 27. Lebensjahres oder wird es bis vor diesem Zeitpunkt dienstunfähig, so werden ihm bzw. den Hinterbliebenen die vollen Beiträge erstattet (§ 6). Die Ausgaben der Kasse werden gedeckt aus etwaigen Sonderzuschüssen der Bfin. und den Erträgnissen des Vermögens, in erster Linie aber aus den Beiträgen der Versicherten in Höhe von 9 v. H. ihres Gehalts. Diese Beiträge übernimmt die Bfin. Die Beiträge sind zu Beginn des Jahres im voraus fällig. Kommt die Bfin. in Verzug, so können die Mitglieder zur Zahlung aufgefordert werden. Kommen sie der Aufforderung nicht fristgemäß nach, so erlischt die Mitgliedschaft (§ 19). Der Rechtsanspruch der Mitglieder auf die Leistungen der Kasse beginnt an dem Tag, an dem der Versicherungsfall eintritt, jedoch nicht, solange Gehalt gezahlt wird (§ 31).
Für ihre 160 Arbeitnehmer wies die Bfin. der Kasse für 1949, 1950 und 1951 im Jahre 1951 insgesamt 235.547 DM zu. Für die Berechnung der Lohnsteuer kürzte sie davon für jedes Jahr und jeden Arbeitnehmer gemäß § 2 Abs. 3 Ziff. 2 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV) 1950 einen Betrag von 312 DM, insgesamt also (160 x 312 x 3 =) 149.760 DM. Von dem Recht von (235.547 ./. 149.760 =) 85.787 DM berechnet sie gemäß Abschn. 55 Abs. 14 der Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) 1950 die Lohnsteuer pauschal mit 8 v. H. und die Abgabe Notopfer Berlin mit 1 v. H.
Nach Auffassung des Finanzamts durfte die Bfin. für jeden Arbeitnehmer den Freibetrag von 312 DM nur einmal in Anspruch nehmen, weil gemäß Abschn. 55 Abs. 10 LStR der Rückgriff auf die Freibeträge für 1950 und 1951 unzulässig sei. Das Finanzamt nahm die Bfin. als Arbeitgeberin wegen des zu geringen Steuerabzugs in Anspruch.
Das Finanzgericht wies die Berufung als unbegründet zurück. Es führte im wesentlichen aus: Nach § 2 Abs. 3 Ziff. 2 LStDV 1950 gehörten zum Arbeitslohn auch Ausgaben des Arbeitgebers für die Zukunftsicherung seiner Arbeitnehmer, soweit sie im Kalenderjahr insgesamt 312 DM überstiegen. Zunächst sei diese Regelung im Erlaß des Reichsministers der Finanzen vom 22. Dezember 1941 (Reichssteuerblatt - RStBl - 1941 S. 969) enthalten gewesen. Dieser Erlaß sei ein Milderungserlaß im Sinne des § 13 der Reichsabgabenordnung (AO). Er bestimme, daß Rückgriffe auf unausgenutzte Freibeträge der abgelaufenen Kalenderjahre und Vorgriffe auf Freibeträge für spätere Jahre unzulässig seien. Für die Besteuerung des Arbeitslohns sei der Zeitpunkt des Zuflusses maßgebend. Die Behandlung der Zuweisungen in den Bilanzen der Bfin. (Rückstellungen) sei nicht entscheidend. Unerheblich sei auch, aus welchen Gründen die Bfin. die Zuweisungen für 1949 und 1950 erst im Jahre 1951 vorgenommen habe. Im übrigen sei entgegen der Auffassung der Bfin. die Nachholung für 1949 und 1950 im Jahre 1951 nicht zwangsläufig gewesen. Das Rückgriffsverbot könne auch nicht von der Pauschalierung der Lohnsteuer mit 8 v. H. getrennt werden. Da die Bfin. die Pauschalierung beantragt habe, müsse sie auch das Rückgriffsverbot gegen sich gelten lassen.
Mit der Rechtsbeschwerde bestreitet die Bfin. - entgegen ihrer ursprünglichen Einlassung - nunmehr, daß die Zuweisungen an die Kasse Arbeitslohn für die Mitglieder der Kasse darstellten. Mit den Zuweisungen fließe den Angestellten noch kein Arbeitslohn zu. Die Zuweisungen könnten nicht anders beurteilt werden als Rückstellungen, die Unternehmen in ihren Bilanzen wegen Pensionsanwartschaften ihrer Angestellten bildeten. § 2 Abs. 3 Ziff. 2 LStDV widerspreche dem Einkommensteuergesetz (EStG), wenn er Zuwendungen der Arbeitgeber an Versorgungseinrichtungen als Arbeitslohn behandle, der den Arbeitnehmern zugeflossen sei. Hilfsweise macht die Bfin. weiterhin geltend, daß sie, wenn die Zuweisungen Arbeitslohn seien, den Freibetrag von 312 DM mit Recht dreimal in Anspruch genommen habe. Sie hätte bereits Ende 1949 und 1950 der Kasse die satzungsmäßigen Zuweisungen machen müssen. Sie habe in ihren Bilanzen entsprechende Rückstellungen gebildet; die Kasse habe Forderungen in gleicher Höhe gegen sie erworben. Die Abdeckung der Schulden sei nur hinausgeschoben worden, weil infolge der Währungsumstellung die Verhältnisse nicht zu übersehen gewesen seien. Das Finanzgericht fasse den Begriff "Zufluß" zu formal. Gutschrift in den Büchern des Arbeitgebers bedeute Zufluß an die Angestellten. Schließlich haben auch die Pauschalierung der Lohnsteuer auf die der Kasse zugewiesenen Beträge im Gesetz keine Stütze. Es werde damit ohne gesetzliche Grundlage eine Sondersteuer für Zuwendungen an Pensionskassen erhoben.
Auf Ersuchen des Senat ist der Bundesminister der Finanzen dem Verfahren beigetreten und hat Stellung genommen. Auch der Deutsche Industrie- und Handelstag, der Deutsche Gewerkschaftsbund, der Verband der Lebensversicherungsunternehmen und die Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung haben sich auf Ersuchen des Senats zu den mit § 2 Abs. 3 Ziff. 2 LStDV zusammenhängenden grundsätzlichen Fragen der lohnsteuerlichen Behandlung der Altersversorgung der Arbeitnehmer gutachtlich geäußert.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.
Im vorliegenden Fall ist streitig, ob die Zuweisung der Bfin. für ihre Angestellten, die Mitglieder der Kasse sind, Zufluß von Arbeitslohn bedeutete; ferner, ob die Bfin. den Freibetrag von 312 DM dreimal in Anspruch nehmen durfte; schließlich, ob die vorgenommene Pauschalierung der Lohnsteuer und des Notopfers Berlin mit dem Gesetz vereinbar war.
I. Zur Frage des Zuflusses von Arbeitslohn
Macht der Arbeitgeber für die Altersversorgung seiner Arbeitnehmer Zuwendungen an dritte Stellen, so kann zweifelhaft sein, ob dem Arbeitnehmer Arbeitslohn bereits dann zufließt, wenn der Arbeitgeber die Aufwendungen macht, oder erst, wenn der Arbeitnehmer tatsächlich in den Genuß der Altersversorgung kommt. Nach § 2 Abs. 3 Ziff. 2 LStDV gehören zum Arbeitslohn Ausgaben, die ein Arbeitgeber leistet, um einen Arbeitnehmer oder diesem nahestehende Personen für den Fall der Krankheit, des Unfalls, der Invalidität, des Alters oder des Todes sicherzustellen (Zukunftssicherung), auch wenn auf die Leistungen aus der Zukunftssicherung kein Rechtsanspruch besteht, vorausgesetzt, daß der Arbeitnehmer ausdrücklich oder stillschweigend der Zukunftssicherung zugestimmt hat. Nicht zum Arbeitslohn gehören Ausgaben für die Zukunftssicherung, die nur dazu dienen, dem Arbeitgeber die Mittel zur Leistung einer dem Arbeitnehmer zugesagten Versorgung zu verschaffen (sogenannte Rückdeckung des Arbeitgebers).
Der steuerlichen Behandlung der Aufwendungen des Arbeitgebers entspricht die steuerliche Behandlung der Altersbezüge der Arbeitnehmer. Sind die Ausgaben des Arbeitgebers für die Zukunftssicherung gegenwärtiger Arbeitslohn für die Arbeitnehmer, so sind die Altersbezüge nicht Arbeitslohn, insbesondere nicht, wenn sie als wiederkehrende Bezüge (Renten) aus einer Versorgungseinrichtung gewährt werden (§ 2 Abs. 2 Ziff. 2 letzter Satz LStDV). Solche Renten werden vielmehr nach § 22 EStG besteuert. Sind dagegen, wie z. B. im Fall der Rückdeckung, die Ausgaben des Arbeitgebers für die Zukunftssicherung nicht gegenwärtiger Arbeitslohn für die Arbeitnehmer, so müssen grundsätzlich die späteren Versorgungsbezüge Arbeitslohn sein, der nach den allgemeinen Grundsätzen als Arbeitslohn besteuert wird.
Ob Ausgaben des Arbeitgebers für die Zukunftssicherung gegenwärtig zufließender Arbeitslohn für die Arbeitnehmer sind, muß im einzelnen Fall nach allgemeinen Grundsätzen festgestellt werden. Nach der ständigen Rechtsprechung sind Ausgaben des Arbeitgebers für die Zukunftssicherung gegenwärtig zufließender Arbeitslohn, wenn sich die Sache - wirtschaftlich betrachtet - so darstellt, als ob der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Beträge zur Verfügung gestellt und der Arbeitnehmer sie zum Erwerb einer Zukunftssicherung verwendet hätte (vgl. die Angaben bei Hartz-Over, Lohnsteuer, Stichwort "Zukunftssicherung des Arbeitnehmers"). Werden vom Arbeitgeber Beiträge an eine selbständige Versorgungskasse, die den Arbeitnehmers Rechtsansprüche auf Versorgung gewährt, geleistet, so sind diese Beiträge in der Regel Arbeitslohn (Urteil des Reichsfinanzhofs IV 149/40 vom 25. Juli 1940, RStBl 1940 S. 906).
Nach diesen Grundsätzen müssen die streitigen Zuweisungen der Bfin. als zugeflossener Arbeitslohn angesehen werden. Die Angestellten der Bfin. haben mit der Kasse einen Versicherungsvertrag geschlossen, aus dem sie 9 v. H. ihres Gehalts als Versicherungsprämie schulden. Sie haben aus dem Versicherungsvertrag unentziehbare Ansprüche gegen die Kasse. Auch wenn sie ausscheiden, vorzeitig sterben oder dienstunfähig werden, sind die geleisteten Beiträge nicht verloren. Nach einer Betriebsvereinbarung und der Satzung der Kasse ist die Bfin. verpflichtet, die von den Angestellten zu entrichtenden Versicherungsbeiträge zu übernehmen. Indem sie die Angestellten von der Leistungspflicht gegenüber der Kasse befreit, gewährt sie ihnen einen geldwerten Vorteil in Höhe des Nennbetrags der ersparten Beiträge. Der Fall liegt demnach wirtschaftlich nicht anders, als wenn die Bfin. die Bezüge ihrer Angestellten um 9 v. H. erhöhte, ihnen aber gleichzeitig die Verpflichtung auferlegte, die Gehaltserhöhung zum Erwerb einer bestimmten Zukunftssicherung zu verwenden. Ohne Rechtsirrtum konnte das Finanzgericht unter diesen Umständen annehmen, daß die Bfin. mit den Zuweisungen an die Kasse ihren Angestellten zusätzlichen Arbeitslohn gewähre.
Die Bfin. meint, es handle sich um eine sogenannte Pauschalzuweisung an die Kasse, weil der Satz von 9 v. H. auf die Gesamtgehaltssumme bezogen sei und der dabei auf den einzelnen Angestellten entfallende Teil sich nicht mit der Prämie decke, die nach versicherungsmathematischen Grundsätzen erhoben werden müßte. Die Bfin. hält § 2 Abs. 3 Ziff. 2 Satz 5 LStDV, wonach auch bei sogenannten Pauschalzuweisungen an Kassen Arbeitslohn vorliegt, für rechtsungültig, weil er dem EStG widerspreche. Der Senat braucht in dieser Sache zu der umstrittenen Frage der Rechtsgültigkeit der letztgenannten Bestimmung nicht Stellung zu nehmen. Denn im Streitfall handelt es sich nicht um Pauschalzuweisungen, d. h. Zuweisungen, bei denen der für den einzelnen Arbeitnehmer geleistete Teil nicht festzustellen ist. Vielmehr beträgt die von jedem Angestellten geschuldete Prämie 9 v. H. seines Gehalts; mit der Zahlung dieser Prämie erwirbt er die satzungsmäßigen Ansprüche gegen die Kasse. Ob die Prämie der versicherungsmathematisch zu errechnenden Prämie entspricht, ist für die Fragen, ob Arbeitslohn vorliegt, ohne Bedeutung.
Im Urteil des Bundesfinanzhofs IV 331/53 U vom 11. Februar 1954 (Slg. Bd. 58 S. 597, Bundessteuerblatt - BStBl - 1954 III S. 139) ist entschieden worden, daß Zuwendungen an betriebliche Unterstützungskassen, die der Wiederauffüllung des durch die Währungsumstellung verlorenen Kassenvermögens dienen, nicht Arbeitslohn sind. Die Beteiligten sind darüber einig, daß dieser Fall nicht vorliegt, sondern daß es sich bei den streitigen Zuweisungen um die satzungsmäßigen Zuweisungen an die Kasse für die noch im Dienst stehenden Angestellten handelt.
Die Bfin. hält es für wirtschaftlich nicht gerechtfertigt, die einzelnen Formen der Altersversorgung von Arbeitnehmers steuerlich verschieden zu behandeln. Wenn Unternehmen ihre Arbeitnehmer in der Weise sicherten, daß sie ihnen für später eine Versorgung zusagten und dafür bilanzmäßige Rückstellungen bildeten, so versteuerten die Arbeitnehmer solche Pensionsanwartschaften nicht als gegenwärtigen Arbeitslohn; die Steuerpflicht entstehe erst, wenn die Arbeitnehmer Versorgungsbezüge tatsächlich erhielten; vom Arbeitnehmer aus gesehen sei es aber wirtschaftlich unerheblich, ob er seine Altersversorgung in dieser oder jener Form erhalte. Nach dem geltenden Recht - und nur zu dessen Auslegung sind die Gerichte berufen - werden die verschiedenen Formen der Alterssicherung der Belegschaft verschieden behandelt, und zwar sowohl bei den Unternehmen als auch bei den Betriebsangehörigen. Die Unterscheidung ist auch wirtschaftlich gerechtfertigt. Die Sicherung, die die Angestellten der Bfin. haben, ist stärker, als sie im allgemeinen bei Arbeitnehmern ist, die nur eine Pensionsanwartschaft haben. Im übrigen ist es eine Frage der Gesetzgebung, ob das geltende Recht geändert werden soll. Die Auffassung, daß der Arbeitslohn, wenn überhaupt, den Angestellten jeweils am Ende des Jahres zugeflossen sei, in dem der Kasse 9 v. H. der Gehaltssumme in den Büchern der Bfin. gutgeschrieben wurden, trifft nicht zu. Gutschrift in den Büchern des Arbeitgebers kann zwar Zufluß von Arbeitslohn sein (vgl. Hartz-Over, Lohnsteuer, Stichwort "Zufluß von Arbeitslohn"). Im Streitfall bedeutet die Gutschrift aber schon deshalb keinen Zufluß, weil sie nicht auf Grund einer Vereinbarung mit der Belegschaft vorgenommen wurde, sondern weil die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse nach der Währungsumstellung unklar waren und die Bfin. die Zuweisungen nicht alsbald machen konnte oder wollte. Unter diesen Umständen hatte die Gutschrift mehr den Charakter einer Rückstellung für zweifelhafte Ansprüche.
Nach allem ist es rechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Finanzgericht die Zuweisungen der Bfin. an die Kasse als Arbeitslohn für die Mitglieder der Kasse angesehen hat, der ihnen im Jahre 1951 zufloß.
II. Der Freibetrag von 312 DM Nach § 2 Abs. 3 Ziff. 2 Satz 3 LStDV gehören Ausgaben des Arbeitgebers für die Zukunftsicherung seiner Betriebsangehörigen nur soweit zum Arbeitslohn, als sie im Kalenderjahr insgesamt 312 DM übersteigen. Diese Bestimmung der LStDV hat im EStG oder in einem anderen Gesetz keine ausdrückliche Grundlage. Da die Bfin. die Anwendung und Auslegung der Bestimmung begehrt, bedarf es der Prüfung, ob die Bestimmung rechtsgültig ist und den Charakter einer Rechtsnorm hat.
Der Bundesminister der Finanzen und die gutachtlich gehörten Stellen halten übereinstimmend die Bestimmung für rechtsgültig. Der Bundesminister der Finanzen sieht die Rechtsgrundlage in § 51 Abs. 1 Ziff. 1 Buchst. c EStG 1951 (Vereinfachungsmaßnahme) und in § 3 Ziff. 14 EStG 1951 (volle oder teilweise Steuerfreiheit von Zuwendungen aus sozialen Gründen). Der Deutsche Industrie- und Handelstag sieht die Bestimmung als fortgeltendes Recht aus der autoritären Zeit an.
Der Senat läßt dahingestellt, ob die vom Bundesminister der Finanzen angezogenen Bestimmungen des EStG 1951 eine ausreichende Rechtsgrundlage für § 2 Abs. 3 Ziff. 2 Satz 3 LStDV bilden könnten. Dazu bedürfte es vor allem der Prüfung, ob die Ermächtigungen in diesen Bestimmungen dem Grundsatz der Spezialität entsprechen, wie er in Art. 80 Abs. 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG) festgelegt ist. Nach dieser Verfassungsnorm müssen nämlich bei Ermächtigungen zum Erlaß von Rechtsverordnungen Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetz bestimmt werden. Es kann zweifelhaft sein, ob die vom Bundesminister der Finanzen angeführten Ermächtigungsvorschriften im EStG diesem Grundsatz ausreichend Rechnung tragen und deshalb eine Grundlage für die streitige Vorschrift bilden können.
Einer abschließenden Entscheidung dieser Frage bedarf es aber nicht, da § 2 Abs. 3 Ziff. 2 Satz 3 LStDV bereits aus anderen Gründen als für die Steuergerichte verbindliche und auslegungsfähige Rechtsnorm anzuerkennen ist. Der Freibetrag von 312 DM wurde durch den Erlaß des Reichsministers der Finanzen vom 22. Dezember 1941 (RStBl 1941 S. 969) eingeführt, der seinerseits den Erlaß des Reichsministers der Finanzen vom 14. Oktober 1940 (RStBl 1940 S. 897) ablöste. Dieser letztgenannte Erlaß des Reichsministers der Finanzen hatte pauschale Zuweisungen der Arbeitgeber an Versorgungseinrichtungen in weitem Umfang von der Lohnsteuer überhaupt freigestellt. Der Erlaß des Reichsministers der Finanzen vom 22. Dezember 1941 führt das Gesetz, auf das er sich stützt, nicht an. Er hatte aber in § 13 AO 1934 eine ausreichende Rechtsgrundlage. Nach dieser Vorschrift konnte nämlich der Reichsminister der Finanzen u. a. aus Billigkeitsgründen allgemein anordnen, daß Besteuerungsgrundlagen für die Besteuerung nach dem Einkommen niedriger festgestellt würden. Bei der damaligen Rechtslage trat nämlich in vielen Fällen eine steuerliche Doppelbelastung für die Arbeitnehmer insofern ein, als die Zuwendungen an die Versorgungseinrichtungen als Arbeitslohn und die Rentenbezüge aus den Versorgungseinrichtungen in vollem Umfang als wiederkehrende Bezüge nach § 22 EStG zu versteuern waren. Diese Härte wurde in erhöhtem Masse fühlbar, als durch die Neufassung des § 2 Abs. 3 Ziff. 2 der Lohnsteuer-Durchführungsbestimmungen (LStDB) 1939 (Reichsgesetzblatt I S. 449, RStBl 1939 S. 409) mit Wirkung ab 1. April 1939 der Begriff Arbeitslohn bei sogenannten Pauschalzuweisungen an Versorgungseinrichtungen erheblich erweitert worden war. Siehe dazu Oeftering, Deutsche Steuer-Zeitung 1940 S. 513. Diese Härten sollten durch die Einführung des Freibetrags bewußt gemildert werden (vgl. Hoheisel, Deutsche Steuer-Zeitung 1942 S. 30). Diente aber der Erlaß des Reichsministers der Finanzen vom 22. Dezember 1941 der Milderung von Härten, so hätte der Reichsminister der Finanzen ihn auf § 13 AO stützen können. Im gleichen Sinne hat auch das Urteil des Obersten Finanzgerichtshofs IV 53/49 S vom 25. November 1949 (Slg. Bd. 54 S. 399, Amtsblatt des Bayer. Staatsministeriums der Finanzen - Bay. FMBl - 1950 S. 11) den Erlaß des Reichsministers der Finanzen vom 22. Dezember 1941 insoweit als Milderungserlaß behandelt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs sind wirksam erlassene Milderungserlasse von den Steuergerichten anzuwenden und auszulegen, solange sie unverändert fortgelten. Es kommt dann nicht darauf an, ob sie ausdrücklich auf § 13 AO gestützt und ob sie in den für die Bekanntgabe von Rechtsnormen bestimmten Blättern veröffentlicht worden sind (vgl. zuletzt Urteil des Bundesfinanzhofs I 285/56 U vom 7. Mai 1957, BStBl 1957 III S. 264). Dem Umstand, daß der Freibetrag im Jahre 1950 sachlich unverändert in die LStDV 1950 eingebaut wurde, mißt der Senat keine ausschlaggebende Bedeutung bei, weil dadurch das bestehende und fortlaufend objektive Recht nur in eine andere Form gebracht wurde.
Eine andere Frage ist, ob für den Freibetrag noch ein Bedürfnis besteht, nachdem ab 1. Januar 1955 durch § 22 EStG 1955 die Rentenbesteuerung grundlegend geändert und die mit der früheren Regelung oft verbundene Doppelbelastung der Arbeitnehmer beseitigt wurde. Nach der Neuregelung der Rentenbesteuerung führt der Freibetrag in vielen Fällen dazu, daß einerseits die Zuwendungen an die Versorgungseinrichtungen steuerlich begünstigt oder gar steuerfrei werden und andererseits die Rentenbezüge aus den Versorgungseinrichtungen ganz oder in erheblichem Umfang steuerfrei bleiben. Arbeitnehmer, die in dieser Form eine Alterssicherung haben, stehen deshalb seit 1955 oft wesentlich günstiger als Arbeitnehmer, die auf Grund der früheren Zusage des Arbeitgebers ihre Versorgungsbezüge unmittelbar vom Arbeitgeber beziehen und nach den allgemeinen Vorschriften als Arbeitslohn versteuern. Es ist indessen nicht eine Frage der Gesetzesauslegung, sondern der Steuerpolitik und der Gesetzgebung, wie dieser Entwicklung Rechnung getragen werden soll.
§ 2 Abs. 3 Ziff. 2 Satz 3 LStDV ist demnach eine gültige Rechtsnorm, die das Finanzgericht auslegen durfte und mußte. Wenn es die Vorschrift dahin aufgefaßt hat, daß der Freibetrag von 312 DM nur für das Jahr der Zuweisung in Betracht komme und Rückgriffe und Vorgriffe auf die Freibeträge vergangener und kommender Jahre unzulässig seien, so ist das nicht zu beanstanden. Alle vom Senat gehörten Stellen befürworten diese einschränkende Auslegung. Die Einschränkung war schon im Erlaß des Reichsministers der Finanzen vom 22. Dezember 1942 (unter Ziff. 4 Abs. 4) enthalten und läßt den Umfang der vom Reichsminister der Finanzen beabsichtigten Milderung erkennen. Dadurch, daß auf das "Kalenderjahr" Bezug genommen wird, kommt auch in § 2 Abs. 3 Ziff 2. Satz 3 LStDV der Wille des Verordnungsgebers ausreichend klar zum Ausdruck. Abschn. 55 Abs. 10 LStR 1950, der die gleiche Regelung enthält, entspricht demnach dem Gesetz.
Nach allem hat das Finanzgericht zutreffend den Freibetrag von 312 DM nur einmal zugelassen.
III. Die Pauschalierung der Lohnsteuer und der Abgabe Notopfer Berlin
Das Finanzamt hat auf Antrag der Bfin. gemäß Abschn. 55 Abs. 13 LStR die Lohnsteuer und die Abgabe Notopfer Berlin pauschaliert. Der Bundesminister der Finanzen meint, die Pauschalierung sei als Vereinfachungsmaßnahme zulässig; sie finde ihre Rechtsgrundlage in § 220 Ziff. 3 AO. Nach dieser Bestimmung kann der Bundesminister der Finanzen Bestimmungen über Zulässigkeit und Rechtswirkungen von Vereinbarungen im Besteuerungsverfahren in den Fällen treffen, in denen die Vereinbarungen die Besteuerung vereinfachen und das steuerliche Ergebnis bei dem Steuerpflichtigen nicht wesentlich ändern. Alle gutachtlich gehörten Stellen haben sich für die Zulässigkeit der Pauschalierung ausgesprochen und haben vor allem auch die Zweckmäßigkeit der Regelung betont.
Rechtlich ist eine mit Zustimmung des Steuerpflichtigen vorgenommene Pauschalierung der Steuer, die der Vereinfachung für alle Beteiligten dient und die gesetzliche Steuerbelastung nicht offensichtlich und willkürlich verschiebt, nicht zu beanstanden. Zweifellos sind diese Voraussetzungen in vielen Fällen der Pauschalierung nach Abschnitt 55 Abs. 13 LStR erfüllt. Es spricht aber manches dafür, daß die Regelung in Abschnitt 55 Abs. 13 LStR nicht ausschließlich als Vereinfachungsmaßnahme gedacht war und wirkt. Da sie im sachlichen Zusammenhang mit der erwähnten Neufassung des § 2 Abs. 3 Ziff. 2 LStDB 1939 erging und im Erlaß des Reichsministers der Finanzen vom 22. Dezember 1941 erstmalig enthalten war, liegt die Annahme nahe, daß sie ein Teil der neuen Gesamtregelung zu lohnsteuerlichen Behandlung der Ausgaben für die Zukunftsicherung der Arbeitnehmer war. Sie sollte insoweit offenbar auch als Milderungsmaßnahme wirken, um den Arbeitgebern den Entschluß zur übernahme der Lohnsteuer auf die Ausgaben für die Zukunftsicherung ihrer Arbeitnehmer zu erleichtern. Es ist nicht zu verkennen, daß der niedrige Pauschsatz oft zu einer erheblichen Milderung der gesetzlichen Steuer führt.
Der Senat hält es trotzdem für vertretbar, die Pauschalierung als gesetzmäßig anzuerkennen, solange alle Beteiligten einverstanden sind. Ist allerdings ein Unternehmen mit der Pauschalierung nicht einverstanden, so bietet Abschn. 55 Abs. 13 LStR keine Rechtsgrundlage, es gegen seinen Willen zur Pauschalierung und übernahme der pauschalierten Lohnsteuer zu zwingen. Rechtlich zweifelhaft kann auch die Regelung in Abschn. 55 Abs. 14 LStR sein, wonach bei einer Pauschalierung der Lohnsteuer auf Ausgaben zur Zukunftsicherung der Anteil des einzelnen Arbeitnehmers an der Ausgabe bei der Ermittlung seiner Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit auszuscheiden hat. Verlangte etwa ein Arbeitnehmer, ihn nicht nach dem Milderungserlaß zu besteuern, sondern nach dem Gesetz in der Weise, daß einerseits die Ausgabe des Arbeitgebers für die Zukunftsicherung bei ihm als Arbeitslohn angesetzt und die Ausgabe andererseits im Rahmen der gesetzlichen Höchstsätze bei ihm als Sonderausgabe nach § 10 EStG (§ 20 LStDV) berücksichtigt und der auf ihn entfallende Teil der pauschalierten Lohnsteuer gemäß § 47 EStG auf seine Einkommensteuerschuld angerechnet wird, so ist zweifelhaft, ob die Finanzbehörden ein solches Verlangen eines Arbeitnehmers im Rahmen des geltenden Rechts ablehnen könnten.
Der Senat braucht aber dazu in diesem Verfahren nicht abschließend Stellung zu nehmen, da die Bfin. nach ihren Erklärungen in der mündlichen Verhandlung an ihrem Antrag auf Pauschalierung festhält, wenn die Zuweisungen als Arbeitslohn angesehen werden.
Nach allem mußte die Rechtsbeschwerde als unbegründet zurückgewiesen werden.
Fundstellen
Haufe-Index 408907 |
BStBl III 1958, 4 |
BFHE 1958, 8 |
BFHE 66, 8 |