Leitsatz (amtlich)
Hat das Landgericht über die Zulässigkeit des Rechtsweges trotz entsprechender Rüge des Beklagten entgegen § 17 a Abs. 3 Satz 2 GVG nicht vorab, sondern erst im Urteil entschieden und darin die Zulässigkeit des Rechtsweges bejaht, so hat das Oberlandesgericht als Beschwerdegericht, wenn es statt dessen den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für gegeben hält, das erstinstanzliche Urteil durch Beschluß aufzuheben und den Rechtsstreit an das zuständige Arbeitsgericht zu verweisen.
Zur Abgrenzung zwischen selbständigem und unselbständigem Handelsvertreter.
Normenkette
GVG § 17a; HGB § 84
Verfahrensgang
Tenor
Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluß des 22. Zivilsenats in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 17. Juni 1997 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Der Beschwerdewert beträgt 21.051,35 DM.
Tatbestand
I. Der Beklagte war bei der Klägerin, die eine Vermögensberatung betreibt, aufgrund „Vertreter-Vertrages” nebst gesonderten Zusatzbedingungen – jeweils vom 1. Mai 1993 – als „Vertriebsdirektor” tätig. Er kündigte das Vertragsverhältnis aus wichtigem Grund zum 30. Juni 1994. Mit der beim Landgericht erhobenen Klage hat die Klägerin die Rückzahlung von Provisionsvorschüssen sowie die Zahlung von Schadensersatz und einer Vertragsstrafe begehrt. In der Klageerwiderung hat der Beklagte – unter anderem – die Unzulässigkeit des Rechtsweges mit der Begründung gerügt, zwischen den Parteien habe ein Arbeitsverhältnis bestanden.
Das Landgericht hat der Klage auf Rückzahlung der Provisionsvorschüsse durch Teilurteil stattgegeben. In den Entscheidungsgründen ist unter anderem ausgeführt, der Beklagte sei freier Handelsvertreter der Klägerin im Sinne von § 5 Abs. 3 ArbGG gewesen, so daß der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben sei. Gegen dieses Urteil hat der Beklagte Berufung eingelegt. Das Oberlandesgericht hat das Teilurteil des Landgerichts durch den angefochtenen Beschluß aufgehoben und den Rechtsstreit gemäß § 17 a Abs. 2 Satz 1 GVG an das Arbeitsgericht Ulm verwiesen. Hiergegen richtet sich die vom Oberlandesgericht zugelassene „weitere Beschwerde” der Klägerin.
Entscheidungsgründe
II. 1. Das als sofortige Beschwerde im Sinne von § 17 a Abs. 4 Satz 3 bis 6 GVG anzusehende Rechtsmittel (vgl. auch BGHZ 131, 169, 170) wahrt die gesetzliche Form und Frist (§§ 569, 577 Abs. 2 ZPO) und ist auch sonst zulässig. Ungeachtet des Umstandes, daß das Oberlandesgericht hier erstmals in dem Vorabverfahren gemäß § 17 a Abs. 2 bis 4 GVG durch Beschluß entschieden hat, ist der Senat an die Zulassungsentscheidung gemäß § 17 a Abs. 4 Satz 6 GVG gebunden. Da das Landgericht trotz der entsprechenden Rüge des Beklagten entgegen § 17 a Abs. 3 Satz 2 GVG über die Rechtswegfrage nicht vorab entschieden hatte, ist das Berufungsgericht zutreffend selbst in das Vorabverfahren eingetreten und hatte dabei gemäß § 17 a Abs. 4 Satz 5 GVG auch über die Zulassung der sofortigen Beschwerde zu befinden (BGHZ 131, 169, 170 f).
2. In der Sache bleibt die Beschwerde ohne Erfolg.
Zutreffend hat das Oberlandesgericht auf der Grundlage des hierfür maßgeblichen Vorbringens der Klägerin (BGHZ 133, 240, 243) den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten verneint und denjenigen zu den Arbeitsgerichten (§ 48 ArbGG) für gegeben erachtet. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 a ArbGG sind die Gerichte für Arbeitssachen ausschließlich zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis. Als Angestellter und damit Arbeitnehmer im Sinne dieser Vorschrift (§ 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG) gilt auch der sogenannte unselbständige Handelsvertreter im Sinne von § 84 Abs. 2 HGB. Unstreitig übte der Beklagte für die Klägerin auch handelsvertretertypische Tätigkeiten im Sinne von § 84 Abs. 1 Satz 1 HGB aus. Im Eingang des für die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien maßgeblichen Vertrages und unter Nr. 3.1 der Zusatzbedingungen wird der Beklagte als „Vertriebsdirektor”, in § 1 Nr. 2 des Vertrages als „hauptberuflicher und selbständiger Handelsvertreter” bezeichnet. Dies hat das Oberlandesgericht berücksichtigt und den Beklagten gleichwohl aufgrund der weiteren Gestaltung des Vertrages und seiner Durchführung als unselbständigen Handelsvertreter im Sinne von § 84 Abs. 2 HGB angesehen. Es hat dabei nicht verkannt, daß einige Vertragsbestimmungen, insbesondere die – erfolgsabhängige – Provisionsregelung für eine Selbständigkeit des Beklagten sprechen. Nach Ansicht der Vorinstanz erhalten die Vertragsbeziehungen der Parteien jedoch ihr entscheidendes Gepräge durch eine Vielzahl von Regelungen, die sämtlich für eine unselbständige, abhängige Stellung des Beklagten im Unternehmen der Klägerin sprechen. In diesem Zusammenhang verweist das Oberlandesgericht darauf, daß der Beklagte ausweislich der Zusatzvereinbarung neben der Kundenwerbung überwiegend mit umfangreichen Aufgaben in den Bereichen Führung, Organisation, Konzeption, Präsentation und Information betraut gewesen sei, bei deren Verrichtung er einerseits den Außendienstmitarbeitern der Klägerin vorgesetzt, gegenüber der Klägerin selbst jedoch umfassend weisungsgebunden gewesen sei. Die Arbeitszeit des Beklagten sei ebenso wie sein Urlaubsanspruch fest geregelt gewesen. Die Vertragsgestaltung habe der Klägerin eine weitgehende Tätigkeitskontrolle ermöglicht. Der Beklagte habe sein Büro in den Geschäftsräumen der Klägerin unterhalten und kein eigenes Gewerbe angemeldet. Schließlich verweist das Oberlandesgericht darauf, daß die Klägerin in der Stellenanzeige für einen Nachfolger des Beklagten einen Verkaufsleiter gesucht habe, dessen Tätigkeit in der Werbung, Schulung und Kontrolle von Außendienstmitarbeitern liegen sollte.
Dafür, daß das Oberlandesgericht seine Auffassung auf unzutreffende Tatsachen gestützt hätte, ist nichts ersichtlich; dies wird von der Beschwerde auch nicht geltend gemacht. Bei seiner zusammenfassenden Bewertung hat die Vorinstanz erkannt, daß der Gesamt-Sachverhalt Indizien sowohl für wie gegen eine selbständige Stellung des Beklagten im Unternehmen der Klägerin enthält. Sie ist aber von einem deutlichen Übergewicht derjenigen Gesichtspunkte ausgegangen, die für die Unselbständigkeit des Beklagten sprechen und letztlich für die dahingehende Überzeugungsbildung maßgeblich waren. Diese Bewertung, die die Beschwerde ebenfalls nicht angreift, ist nachvollziehbar und einleuchtend; sie wird vom Senat geteilt.
Das Oberlandesgericht hat daher zutreffend unter Aufhebung des landgerichtlichen Urteils den Rechtsstreit an das zuständige Arbeitsgericht verwiesen. Daß die Entscheidung, wie in § 17 a Abs. 4 Satz 1 GVG vorgesehen, in Beschlußform erging, ist auch angesichts der Tatsache, daß es sich bei der aufgehobenen landgerichtlichen Entscheidung um ein Urteil handelte, rechtlich nicht zu beanstanden (vgl. BGHZ 119, 246, 251; 131, 169, 170 f; 132, 245, 247; BAG, Urteil vom 26. März 1992 – NZA 1992, 954, 957 = AP § 48 ArbGG 1979 Nr. 7 m. Anm. Vollkommer; Beschluß vom 20. Februar 1995 – NJW 1995, 2310, 2311; BVerwG, Beschluß vom 28. Januar 1994 – NJW 1994, 956).
III. Den Beschwerdewert hat der Senat auf ein Fünftel des Hauptsachewerts festgesetzt (vgl. BGH, Beschluß vom 19. Dezember 1996 – III ZB 105/96 = WM 1997, 1077 unter III).
Unterschriften
Dr. Deppert, Dr. Zülch, Dr. Hübsch, Dr. Beyer, Dr. Leimert
Fundstellen