Leitsatz (amtlich)
a) Zur Anfechtbarkeit der Rücknahmefiktion.
b) Im Gläubiger- und Forderungsverzeichnis sind die Höhe und der voraussichtliche Zeitpunkt der Fälligkeit von Ansprüchen aus bestehenden Schuldverhältnissen anzugeben, auch wenn die Forderung gestundet ist oder sie erst nach Verfahrenseröffnung entsteht; dies gilt auch für Ansprüche des Verfahrensbevollmächtigten des Schuldners auf vereinbarte Vorschüsse und auf Anwaltshonorar.
Normenkette
InsO § 6 Abs. 1, § 34 Abs. 1, § 287 Abs. 2, § 305 Abs. 1, 3
Verfahrensgang
LG München I (Beschluss vom 27.06.2003; Aktenzeichen 14 T 11441/03) |
AG München |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 14. Zivilkammer des LG München I v. 27.6.2003 wird auf Kosten des Schuldners als unzulässig verworfen.
Der Antrag des Schuldners auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 300 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Schuldner beantragte am 3.3.2002 die Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens über sein Vermögen. Mit Beschluss v. 1.4.2003 forderte das Insolvenzgericht den Schuldner auf, dem Gericht ein Gläubiger- und Forderungsverzeichnis vorzulegen, in das auch die Honorarforderungen des Verfahrensbevollmächtigten des Schuldners aufgenommen sind. Auf die Rücknahmefiktion des § 305 Abs. 3 S. 2 InsO wurde hingewiesen. Der Verfahrensbevollmächtigte teilte daraufhin mit, derzeit habe er keine Forderung gegen den Antragsteller. Gleichzeitig legte er eine korrigierte Anlage 5H zum Vermögensverzeichnis vor, in der die gegenwärtige Höhe der gesicherten Forderung, deretwegen der Schuldner seine Lohn- und Gehaltsansprüche an den Verfahrensbevollmächtigten abgetreten hatte, nicht mehr - wie zuvor - mit 3.300 EUR, sondern nunmehr mit 0 EUR angegeben wurde.
Am 12.5.2003 stellte das Insolvenzgericht in einem Vermerk fest, dass der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens als zurückgenommen gelte. Die hiergegen erhobene sofortige Beschwerde hat das LG als unzulässig verworfen.
Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Schuldner seinen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens weiter.
II.
Die Rechtsbeschwerde des Schuldners ist nicht statthaft. Sie ist daher gem. § 577 Abs. 1 S. 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen.
1. Gemäß § 574 Abs. 1 ZPO ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt oder sie in dem angefochtenen Beschluss zugelassen worden ist. Das Beschwerdegericht hat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen (§ 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ZPO). Sie ist auch nicht gem. § 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO i.V.m. § 7 InsO statthaft, weil die Voraussetzungen des § 7 InsO im vorliegenden Fall nicht gegeben sind.
2. Gemäß § 7 InsO findet die Rechtsbeschwerde gegen die Entscheidung über die sofortige Beschwerde statt. Der sofortigen Beschwerde unterliegen die Entscheidungen des Insolvenzgerichts nur in den Fällen, in denen die Insolvenzordnung dies vorsieht, § 6 Abs. 1 InsO. Eine Rechtsbeschwerde ist folglich nur statthaft, wenn die sofortige Beschwerde eröffnet ist (BGH v. 16.3.2000 - IX ZB 2/00, BGHZ 144, 78 [82] = MDR 2000, 779; Beschl. v. 18.9.2003 - IX ZB 75/03, BGHReport 2004, 129 = MDR 2004, 233 = WM 2003, 2344; v. 16.10.2003 - IX ZB 599/02, BGHReport 2004, 128 = MDR 2004, 232 = WM 2003, 2390 [2391]).
3. Gemäß § 305 Abs. 3 S. 1 InsO hat das Insolvenzgericht den Schuldner aufzufordern, das Fehlende unverzüglich zu ergänzen, wenn er die gem. § 305 Abs. 1 InsO mit dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder unverzüglich nach diesem Antrag vorzulegenden Erklärungen und Unterlagen nicht vollständig abgegeben hat. Kommt der Schuldner diesen Aufforderungen nicht binnen eines Monats nach, gilt sein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens als zurückgenommen, § 305 Abs. 3 S. 2 InsO.
Das Gesetz sieht weder gegen die Aufforderung des Insolvenzgerichts nach § 305 Abs. 3 S. 1 InsO noch hinsichtlich der kraft Gesetzes eintretenden Rücknahmewirkung (§ 305 Abs. 3 S. 2 InsO) oder gegen den Eintritt dieser Wirkung feststellende Mitteilungen oder Beschlüsse ein Rechtsmittel vor. Wie der Senat mit Beschluss v. 16.10.2003 (BGH v. 16.10.2003 - IX ZB 599/02, BGHReport 2004, 128 = MDR 2004, 232 = WM 2003, 2390 [2391]) entschieden hat, ist deshalb gegen die entsprechende Mitteilung oder den feststellenden Beschluss eine sofortige Beschwerde grundsätzlich nicht statthaft.
Um den mit der Regelung des § 305 InsO verfolgten Beschleunigungszweck nicht zu vereiteln, kommt eine sofortige Beschwerde in entsprechender Anwendung des § 34 Abs. 1 InsO auch dann nicht in Betracht, wenn der Schuldner auf eine Aufforderung des Gerichts zwar Ergänzungen nachreicht, diese aber noch immer nicht den Anforderungen genügen. Auch in diesem Fall tritt die Rücknahmewirkung von Gesetzes wegen ein. Einer Abweisung des Eröffnungsantrags als unzulässig bedarf es nicht (BGH, Beschl. v. 16.10.2003 - IX ZB 599/02, BGHReport 2004, 128 = MDR 2004, 232 = WM 2003, 2390 [2391]).
4. Der Senat hat im Beschluss v. 16.10.2003 allerdings offen gelassen, ob § 34 Abs. 1 InsO analog anwendbar ist, wenn die gerichtliche Aufforderung im Hinblick auf die beizubringenden Unterlagen und Erklärungen nicht erfüllbar ist oder vom Insolvenzgericht Anforderungen gestellt werden, die mit der Regelung des § 305 Abs. 1 InsO nicht in Einklang stehen (OLG Celle v. 16.10.2000 - 2 W 99/00, OLGReport Celle 2001, 84 = ZIP 2001, 340; ZInsO 2002, 285).
Diese Fragen können auch hier offen bleiben; denn der Schuldner hat lediglich eine erfüllbare Anforderung in der gerichtlichen Aufforderung v. 1.4.2003 nicht erfüllt.
Aus den eingereichten Unterlagen ergab sich, dass der Verfahrensbevollmächtigte des Schuldners gegen diesen Ansprüche auf Vorschusszahlung und Vergütung hatte. Das Insolvenzgericht konnte demzufolge den Schuldner auffordern, das Gläubiger- und Forderungsverzeichnis entsprechend zu ergänzen. Dem ist der Schuldner nicht nachgekommen.
a) In der Abtretungserklärung nach § 287 Abs. 2 InsO erklärte der Schuldner, dass die pfändbaren Forderungen auf Bezüge bereits vorher abgetreten worden sind. In dem hier in Bezug genommenen Ergänzungsblatt 5H zum Vermögensverzeichnis war aufgeführt, dass der Schuldner seine Lohn- und Gehaltsansprüche wegen gegenwärtiger Ansprüche i.H.v. 3.300 EUR an seinen Verfahrensbevollmächtigten abgetreten hat. Aus der vorgelegten Abtretungsvereinbarung v. 3.6.2002 zwischen Schuldner und Verfahrensbevollmächtigten ergibt sich, dass die Parteien einen sofort fälligen Vorschuss gem. § 17 BRAGO vereinbart haben. Dieser soll gemäß Anwaltsvertrag gestundet sein; der Inhalt des Anwaltsvertrages wurde nicht mitgeteilt. Der Schuldner hat trotz Aufforderung des Insolvenzgerichts v. 4.3.2003 auch die Höhe des vereinbarten Vorschusses nicht angegeben. Unter diesen Umständen konnte für das Insolvenzgericht nicht zweifelhaft sein, dass der Verfahrensbevollmächtigte Gläubiger des Schuldners war und deshalb in das Gläubigerverzeichnis aufgenommen werden musste.
b) In das Gläubigerverzeichnis sind alle Gläubiger des Schuldners aufzunehmen. Hierunter sind die persönlichen Gläubiger zu verstehen, die in dem Zeitpunkt der angestrebten Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner haben; denn ihrer Befriedigung dient das Insolvenzverfahren, § 38 InsO.
Der Gläubiger muss lediglich einen im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner haben; das bedeutet, dass der anspruchsbegründende Tatbestand bereits vor Verfahrenseröffnung abgeschlossen sein muss. Begründet in diesem Sinne ist ein Anspruch, wenn das Schuldverhältnis vor Verfahrenseröffnung bestand, selbst wenn sich hieraus eine Forderung erst nach Verfahrenseröffnung ergibt (BGH v. 6.11.1978 - VIII ZR 179/77, BGHZ 72, 263 [265 f.] = MDR 1979, 310; BFH v. 11.11.1993 - XI R 73/92, FR 1994, 643 = ZIP 1994, 1286 [1287]; Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl., § 38 Rz. 6; Ehricke in MünchKomm/InsO, § 38 Rz. 15 f.; Holzer in Kübler/Prütting, InsO, § 38 Rz. 7; FK-InsO/Schumacher, 3. Aufl., § 38 Rz. 12).
Der Vorschussanspruch des Verfahrensbevollmächtigten war bereits vor Antragstellung durch vertragliche Vereinbarung entstanden. Soweit er gestundet war, trat die Fälligkeit jedenfalls mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens gem. § 41 InsO ein (Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl., § 41 Rz. 3).
Allerdings hat der Verfahrensbevollmächtigte des Schuldners mit Schreiben v. 8.4.2003 mitgeteilt, dass er derzeit keine Forderung gegen den Antragsteller habe; gleichzeitig wurde in der Anlage 5H die derzeitige Höhe der durch die Abtretung gesicherten Forderung auf 0 EUR korrigiert. Dagegen wurde nicht erklärt, dass der Abtretungsvertrag aufgehoben worden sei. Deshalb war im Gläubiger- und Forderungsverzeichnis der vereinbarte Vorschuss und die voraussichtliche Höhe des Anwaltshonorars anzugeben.
Mit Abschluss des Anwaltsvertrages ist der Rechtsgrund für das Anwaltshonorar gelegt. Das genügt. Es kommt nicht darauf an, wann die den Gebührentatbestand auslösende Tätigkeit erfolgt (Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert, BRAGO, 15. Aufl., § 16 Rz. 1; Hartmann, Kostengesetze, 33. Aufl., § 16 BRAGO Rz. 1; Riedel/Sußbauer, BRAGO, 8. Aufl., § 16 Rz. 1).
c) Das Insolvenzgericht durfte gem. § 305 Abs. 3 S. 1 InsO die Ergänzung des offenkundig unvollständigen Gläubiger- und Forderungsverzeichnisses fordern.
Die Angabe aller Forderungen und Gläubiger ist für die Durchführung des Insolvenzverfahrens erforderlich. Bei Forderungen, die bei Antragstellung noch gestundet oder aus sonstigen Gründen nicht fällig sind, muss mitgeteilt werden, wann sie fällig werden. Andernfalls wäre schon das Vorliegen eines Insolvenzgrundes nicht nachprüfbar (Wenzel in Kübler/Prütting, InsO, § 305 Rz. 25). Darüber hinaus aber ist, wenn Abtretungen vorliegen, die Angabe, welche Forderungen der Abtretung zu Grunde liegen, für die Gläubiger, die einem Schuldenbereinigungsplan zustimmen sollen, von erheblicher Bedeutung. Im Schuldenbereinigungsplan ist deshalb gem. § 305 Abs. 1 Nr. 4 InsO aufzuführen, ob und inwieweit bestehende Sicherheiten der Gläubiger vom Plan berührt werden. Die Sicherungsrechte des Verfahrensbevollmächtigten sind dagegen im Schuldenbereinigungsplan nicht erwähnt worden. Im Übrigen beeinträchtigt eine solche Abtretung die nach § 287 Abs. 2 InsO vorzunehmende Abtretung zu Gunsten aller Gläubiger. Denn die Vorausabtretung zu Gunsten eines einzelnen Gläubigers wird erst zwei Jahre nach Verfahrenseröffnung unwirksam, § 114 Abs. 1 InsO. Deshalb ist in der Abtretungserklärung nach § 287 Abs. 2 S. 1 InsO auf die Vorausabtretung hinzuweisen, § 287 Abs. 2 S. 2 InsO. Dieser Hinweis wäre aber gänzlich unzureichend, wenn die Forderung, die durch die Abtretung gesichert wird, nicht im Gläubiger- und Forderungsverzeichnis bezeichnet wäre.
Fundstellen
Haufe-Index 1343830 |
DB 2005, 1793 |
DStZ 2005, 500 |
DStZ 2005, 764 |
BGHR 2005, 1011 |
NJW-RR 2005, 990 |
WM 2005, 1131 |
WuB 2006, 431 |
DZWir 2005, 460 |
MDR 2005, 1076 |
NZI 2005, 403 |
Rpfleger 2005, 466 |
VuR 2005, 198 |
ZInsO 2005, 484 |
ZVI 2005, 364 |
ZVI 2006, 22 |