Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfall des Wertersatzes nach Steuerhinterziehung in sog. Verschiebungsfall
Leitsatz (redaktionell)
1. Lässt in einem sog. Verschiebungsfall der Täter oder Teilnehmer die Tatvorteile einer anderen nicht tatbeteiligten Person unentgeltlich oder aufgrund eines jedenfalls bemakelten Rechtsgeschäfts zukommen (hier: eine Geldsumme in ununterbrochener Bereicherungskette jeweils unentgeltlicher Zuwendungen), um sie dem Zugriff des Gläubigers zu entziehen oder um die Tat zu verschleiern, kann gegen die Zuwendungsempfängerin der Verfall des Wertersatzes angeordnet werden, sie ist Verfallsbeteiligte.
2. Der Umstand, dass die von der Verfallsbeteiligten erlangte Geldsumme aus Steuerhinterziehungen des Zuwendenden stammt, steht der Anordnung des Verfalls von Wertersatz nicht entgegen. Aus der Tat erlangt sind auch hinterzogene Steuern.
3. Der Anordnung des Verfalls des Wertersatzes stehen keine Ansprüche des Steuerfiskus als Verletztem i. S. von § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB entgegen. Zwar kann auch der Steuerfiskus Verletzter i. S. dieser Vorschrift sein. Dem Steuerfiskus ist jedoch aus den Taten des Steuerhinterziehers kein Anspruch gegen die nicht tatbeteiligte Verfallsbeteiligte entstanden. Im Gegensatz zum Steuerhinterzieher war die Verfallsbeteiligte im Streitfall weder Täterin einer Steuerhinterziehung, noch war sie an den Steuerstraftaten beteiligt. Sie haftet deshalb auch nicht gemäß § 71 AO für die verkürzten Steuern.
Normenkette
AO §§ 370, 71; StGB §§ 73a, 73 Abs. 1 S. 2, Abs. 3
Verfahrensgang
LG Kiel (Urteil vom 21.12.2009) |
Tenor
Die Revision der Verfallsbeteiligten gegen das Urteil des Landgerichts Kiel vom 21. Dezember 2009 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Verfallsbeteiligten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend zu den Ausführungen des Generalbundesanwalts in seinem Antrag vom 21. Juni 2010 bemerkt der Senat:
Der Umstand, dass die von der Verfallsbeteiligten B. erlangte Geldsumme von mehr als 950.000 Euro aus Steuerhinterziehungen (§ 370 AO) des Angeklagten stammte, steht der Anordnung des Verfalls von Wertersatz gemäß § 73a i.V.m. § 73 Abs. 3 StGB nicht entgegen. Aus der Tat erlangt sind auch die hinterzogenen Steuern (vgl. Fischer, StGB, 57. Aufl. § 73 Rdn. 9).
Die Anordnung des Verfalls richtet sich gegen die Verfallsbeteiligte B., weil ein sog. Verschiebungsfall vorliegt. Bei dieser Fallgestaltung lässt der Täter oder Teilnehmer die Tatvorteile einer anderen Person unentgeltlich oder aufgrund eines jedenfalls bemakelten Rechtsgeschäfts zukommen, um sie dem Zugriff des Gläubigers zu entziehen oder um die Tat zu verschleiern (vgl. BGHSt 45, 235, 245f.). Hier hat B. die Geldsumme in ununterbrochener Bereicherungskette jeweils unentgeltlicher Zuwendungen ausgehend vom Angeklagten und vermittelt durch E. erlangt.
Der Anordnung des Verfalls stehen auch keine Ansprüche des Steuerfiskus als Verletztem im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB entgegen. Zwar kann auch der Steuerfiskus Verletzter im Sinne dieser Vorschrift sein (vgl. BGHR § 73 StGB Verletzter 3). Dem Steuerfiskus ist jedoch aus den Taten des Angeklagten kein Anspruch gegen die Verfallsbeteiligte B. entstanden. Im Gegensatz zum Angeklagten und zu E. war B. weder Täterin einer Steuerhinterziehung, noch war sie an den Steuerstraftaten des Angeklagten beteiligt. Sie haftet deshalb auch nicht gemäß § 71 AO für die von dem Angeklagten verkürzten Steuern.
Unterschriften
Nack, Wahl, Hebenstreit, Jäger, Sander
Fundstellen
BFH/NV 2010, 2397 |
wistra 2010, 406 |
PStR 2010, 233 |