Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzulässige Rechtsausübung. Tatbestand. Vertragsbruch
Leitsatz (amtlich)
Eine unzulässige Rechtsausübung in Form des Ausnutzens eines fremden Vertragsbruchs setzt ein in besonderem Maße illoyales Vorgehen voraus. Dafür reicht es nicht aus, dass der Gläubiger einer Kommanditgesellschaft die Kommanditisten aus §§ 171, 172 Abs. 4 HGB in Anspruch nimmt, obwohl er weiß, dass diese der Gesellschaft gegenüber nicht zur Erstattung der an sie zurückgezahlten Einlagen verpflichtet sind.
Normenkette
BGB §§ 126, 138, 242; HGB §§ 171, 172 Abs. 4
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Beschwerde der Klägerin wird das Urteil des 5. Zivilsenats des OLG München vom 3.8.2007 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an den 17. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 25.932,72 EUR festgesetzt.
Gründe
[1] I. Die zum Unternehmensverbund der Bankgesellschaft B. gehörende Klägerin nimmt den Beklagten als Kommanditisten der B. GmbH & Co. KG gem. §§ 171 Abs. 1, 172 Abs. 4 HGB auf Rückzahlung eines Teilbetrages i.H.v. 25.932,72 EUR der Rate für Dezember 2003 eines der Kommanditgesellschaft gewährten Darlehens in Anspruch. Der Beklagte, dessen Haftsumme 160.000 DM beträgt, hatte diesen Betrag zzgl. eines 5 %igen Agios an die Gesellschaft gezahlt, dann aber einen Betrag in Höhe der Klagesumme zurückerhalten.
[2] Das LG hat der Klage bis auf einen Teil des Zinsanspruchs stattgegeben, das Berufungsgericht hat sie abgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Dagegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin.
[3] II. Die Beschwerde ist begründet und führt gem. § 544 Abs. 7 ZPO unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Zurückverweisung der Sache an einen anderen Senat des Berufungsgerichts, § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO. Das Berufungsgericht hat den Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs in entscheidungserheblicher Weise verletzt.
[4] 1. Das gilt zum einen für die Annahme, die Rechtsverfolgung der Klägerin ggü. dem Beklagten stelle eine unzulässige Rechtsausübung dar. Das Berufungsgericht hat dabei wesentliche Teile des Vortrags der Klägerin nicht berücksichtigt.
[5] a) Das Berufungsgericht sieht die unzulässige Rechtsausübung darin, dass die Klägerin ein vertragswidriges Verhalten der Kommanditgesellschaft gefördert habe. Dazu hat es sinngemäß ausgeführt: Die Kommanditgesellschaft sei aufgrund der "Genehmigung" der bisherigen Ausschüttungen in § 13 des neu gefassten Gesellschaftsvertrages vom 30.8.1999 daran gehindert gewesen, die an die Kommanditisten unberechtigt ausgezahlten Beträge i.H.v. 880.695,15 EUR wieder zurückzufordern. In dem die Komplementär-GmbH Darlehensraten i.H.v. insgesamt 897.317,25 EUR habe auflaufen lassen, habe sie den Zweck verfolgt, die Kommanditistin über deren Außenhaftung nach §§ 171, 172 Abs. 4 HGB zur Zahlung zu zwingen. Zu diesem Zweck habe sie sogar die Prozesskostenvorschüsse gezahlt und ihre Hausanwältin zur Verfügung gestellt. Dieses Verhalten stelle einen Verstoß der Komplementär-GmbH gegen den KG-Gesellschaftsvertrag dar. Der Klägerin seien diese Zusammenhänge bekannt gewesen, und sie habe dieses Verhalten gefördert, wenn nicht gar - durch die Forderung nach Liquiditätsverbesserung - provoziert.
[6] b) Bei dieser Abwägung hat das Berufungsgericht den Vortrag der Klägerin nicht erschöpfend berücksichtigt und damit gegen deren Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verstoßen.
[7] Voraussetzung für die Einrede des Schikaneverbots nach § 226 BGB und der unzulässigen Rechtsausübung ist - wie der Senat in seinem dieselbe Gesellschaft betreffenden Beschluss vom 9.7.2007 (II ZR 95/06, ZIP 2007, 2074, Tz. 9) ausgeführt hat, dass die Geltendmachung eines Rechts keinen anderen Zweck haben kann als die Schädigung eines anderen (RGZ 68, 424, 425), dass der Rechtsausübung kein schutzwürdiges Eigeninteresse zugrunde liegt (BGHZ 29, 113, 117 f.) oder dass das Recht nur geltend gemacht wird, um ein anderes, vertragsfremdes oder unlauteres Ziel zu erreichen (BGHZ 107, 296, 310 f.; Palandt/Heinrichs, BGB, 67. Aufl., § 242 Rz. 50 f.). Ein Rechtsmissbrauch kann sich auch aus dem Gesichtspunkt des Verleitens zum Vertragsbruch oder des Ausnutzens eines fremden Vertragsbruchs ergeben (vgl. Erman/Palm, BGB, 12. Aufl., § 138 Rz. 85). Dafür ist erforderlich, dass in dem Eindringen des Dritten in die Beziehungen der Vertragspartner ein besonderes Maß an Rücksichtslosigkeit ggü. dem Betroffenen hervortritt. Das kann bei kollusivem Zusammenwirken mit dem Vertragsschuldner gerade zur Vereitelung der Rechte des betroffenen Vertragsgläubigers anzunehmen sein oder bei einer Anwendung verwerflicher Mittel zur Umstimmung des Vertragsschuldners oder bei einem Missverhältnis von Zweck und Mittel, das in der besondere Situation, in der das Vorgehen des Dritten den Vertragsgläubiger trifft, mit Grundbedürfnissen loyaler Rechtsgesinnung unvereinbar ist (BGH, Urt. v. 2.6.1981 - VI ZR 28/80, ZIP 1981, 872, 873 m.w.N.). Das zu beurteilen, ist Sache des Tatrichters. Revisionsrechtlich kann nur überprüft werden, ob der Tatrichter den Sachverhalt zutreffend festgestellt hat, ob er den Rechtsbegriff der Schikane oder der unzulässigen Rechtsausübung zutreffend erfasst hat und ob seine Wertung gegen Denk- oder Erfahrungssätze verstößt. Diese Prüfung ergibt hier, dass schon der Sachverhalt nicht zutreffend und erschöpfend festgestellt worden ist, weil das Berufungsgericht den Vortrag der Parteien in einer Weise unvollständig gewürdigt hat, die einem Übergehen entscheidungserheblichen Vortrags gleichkommt.
[8] Von einem Verleiten zum Vertragsbruch, einem Ausnutzen eines fremden Vertragsbruchs oder einem Rechtsmissbrauch aus sonstigen Gründen kann nicht schon dann die Rede sein, wenn die Klägerin die vertraglichen Rechte, die den Kommanditisten gegen die Komplementärin zustehen, nicht respektiert. Ob die Komplementärin den KG-Gesellschaftsvertrag dadurch verletzt hat, dass sie Rückstände hat auflaufen lassen, um eine Inanspruchnahme der Kommanditisten aufgrund der Außenhaftung zu provozieren, betrifft in erster Linie das Innenverhältnis der Kommanditgesellschaft. Die Klägerin könnte davon nur betroffen sein, wenn die Gesellschaft in der Lage gewesen wäre, nicht nur die rückständigen, sondern auch die laufenden Darlehensraten zu begleichen, und wenn außerdem die Kommanditisten ggü. der Außenhaftung rechtlos wären. Beides ist nicht festgestellt.
[9] Im Gegenteil hat das LG - gestützt auf die Aussagen der Zeugen T. und M. - festgestellt, dass die Kommanditgesellschaft nicht genügend Liquidität gehabt habe, um sämtliche Darlehensraten zu zahlen. Dem folgt das Berufungsgericht nicht und führt zur Begründung an, die Folgeraten ab Januar 2004 seien - wenn auch nicht immer fristgerecht - gezahlt worden. Wieso daraus folgen soll, dass die Kommanditgesellschaft auch genügend Mittel hatte, um die drei rückständigen Raten i.H.v. insgesamt 897.317,25 EUR zu zahlen, ist nicht nachvollziehbar und setzt sich über den entsprechenden Vortrag der Klägerin hinweg.
[10] Weiter hat das Berufungsgericht nicht berücksichtigt, dass die Kommanditisten aus §§ 110, 161 Abs. 2 HGB grundsätzlich einen Freistellungs- bzw. Rückgriffsanspruch gegen die Kommanditgesellschaft haben, wenn sie aus der Außenhaftung - im Widerspruch zu ihren Verpflichtungen im Innenverhältnis - in Anspruch genommen werden (BGH, Urt. v. 30.4.1984 - II ZR 132/83, WM 1984, 893, 895). Darauf hat der Senat in dem Hinweisbeschluss vom 9.7.2007 (a.a.O.) entscheidend abgestellt. Vom Berufungsgericht wird dieser Gesichtspunkt indes überhaupt nicht in Erwägung gezogen. Das ist umso unverständlicher, als der Beklagte diesen Anspruch im Wege einer - dann allerdings abgetrennten - Drittwiderklage geltend gemacht hatte. Das Berufungsgericht wird in der neu eröffneten mündlichen Verhandlung Gelegenheit haben, dazu die erforderlichen Feststellungen zu treffen.
[11] 2. Dieser Gehörsverstoß ist entscheidungserheblich. Denn das Berufungsurteil ist auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis richtig.
[12] a) Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass die von der Klägerin nach § 488 BGB i.V.m. §§ 128, 171, 172 Abs. 4 HGB allein geltend gemachte Darlehensrate für Dezember 2003 bereits durch die Zahlungen der Kommanditgesellschaft erloschen sei. Das Berufungsgericht meint, die Klägerin habe nicht dargelegt, "welche Tilgungsbestimmungen in welcher Form die einzelnen Zahlungen aufwiesen". Damit seien zumindest die nach dem Ablauf der Stundungsfrist am 1.1.2005 von der Kommanditgesellschaft gezahlten Raten gem. § 366 Abs. 2 BGB auf die offenen Darlehensraten aus Oktober bis Dezember 2003 zu verrechnen.
[13] Das begegnet in mehrfacher Hinsicht durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Einerseits widerspricht sich das Berufungsgericht selbst, wenn es auf S. 10 seines Urteils die Darlegung von Tilgungsbestimmungen vermisst und auf S. 5 feststellt, dass die Klägerin entsprechende Tilgungsbestimmungen vorgetragen hat. Zum anderen überspannt es die Substantiierungslast der Klägerin und verstößt so ebenfalls gegen Art. 103 Abs. 1 GG.
[14] Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung genügt für die Schlüssigkeit einer Klage der Vortrag von Tatsachen, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe näherer Einzelheiten ist nur dann erforderlich, wenn sie für die Rechtsfolgen bedeutsam sind (BGH, Urt. v. 6.11.2000 - II ZR 67/99, ZIP 2001, 28, 30; v. 25.7.2005 - II ZR 199/03, ZIP 2005, 1738, 1740). Danach genügte es hier vorzutragen, nach dem Jahre 2003 seien Zahlungen von der Kommanditgesellschaft nur noch mit Tilgungsbestimmungen geleistet worden, die sich nicht auf die Raten für Oktober bis Dezember 2003 bezogen hätten. Das hat die Klägerin vorgetragen (GA 299 f.). Der Begriff Tilgungsbestimmung ist eine den Parteien geläufige Rechtstatsache, die nicht erläutert werden muss (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 26. Aufl., § 138 Rz. 2). Damit hätte das Berufungsgericht, wenn es diesen Vortrag als beweiserheblich ansah, den von der Klägerin dazu benannten Zeugen G. vernehmen müssen.
[15] b) Zudem hat das Berufungsgericht nicht erwogen, dass eine Tilgungsbestimmung auch konkludent gegeben werden kann und hier ein solcher Fall in Betracht kommt mit der Folge, dass die Klägerin ggf. gehindert war, nach § 366 Abs. 2 BGB zu verfahren.
[16] Nach der Senatsrechtsprechung reicht für eine Tilgungsbestimmung i.S.d. § 366 Abs. 1 BGB, dass bei mehreren unterschiedlich hohen Forderungen genau der Betrag einer der Forderungen gezahlt wird (BGH, Urt. v. 17.9.2001 - II ZR 275/99, ZIP 2001, 1997, 1998; ebenso MünchKomm/BGB/Wenzel 5. Aufl., § 366 Rz. 10). Das soll hier nach dem Vortrag der Klägerin insofern geschehen sein, als sich die monatlichen Darlehensraten für das Darlehen Nr. 3 ... ab dem 1.1.2004 von 108.582,51 EUR auf 88.197,85 EUR verringert haben (Anl. K 44 und GA 299) und die Kommanditgesellschaft ab diesem Zeitpunkt nur noch Zahlungen in dieser geringeren Höhe geleistet hat.
Fundstellen