Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitnehmerhaftung: Haftungsbeschränkung für alle betrieblich veranlaßten Arbeiten unabhängig von der Gefahrgeneigtheit

 

Orientierungssatz

Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes schließt sich der Rechtsauffassung des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts (BAG, 1992-06-12, GS 1/89) im Ergebnis an.

 

Verfahrensgang

BAG (Vorlegungsbeschluss vom 12.06.1992; Aktenzeichen GS 1/89)

 

Gründe

Der Senat versteht den Vorlagebeschluß dahin, daß die bisher von der Rechtsprechung erarbeiteten Grundsätze der Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung gegenüber seinem Arbeitgeber für fahrlässig verursachte Schäden bei der Ausführung von Arbeiten, die durch den Betrieb veranlaßt sind und aufgrund eines Arbeitsverhältnisses geleistet werden, weiter gelten sollen, ohne jedoch auf gefahrgeneigte Arbeiten beschränkt zu sein. Die Gefahrgeneigtheit der Arbeit wird aber für die Gewichtung der Abwägungsfaktoren – des Verschuldens auf der einen und des Betriebsrisikos auf der anderen Seite – im Rahmen einer Abwägung nach § 254 BGB von Bedeutung bleiben.

Dieser Rechtsauffassung schließt sich der Senat aus den Erwägungen des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts unter B II des Vorlagebeschlusses an.

Den verfassungsrechtlichen Ausführungen unter B III des Vorlagebeschlusses möchte der Senat nicht in allem folgen; nach seinem Verständnis kommt ihnen aber keine tragende Bedeutung zu. Zwar weisen die hier betroffenen Rechtspositionen des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers Bezüge zu Art. 2 und 12 GG in ihrer objektiv- rechtlichen Wirkungsdimension aus. Diese bedürfen nach Auffassung des Senats aber nicht der besonderen Hervorhebung bei der Gewichtung der Abwägungsfaktoren im Rahmen des § 254 BGB in der Bedeutung, die der Große Senat des Bundesarbeitsgerichts ihnen beimessen will. Eine solche Hervorhebung kann sogar zu Mißverständnissen führen. So könnte etwa die Ansicht, daß die Innehabung und Verwendung vorhandener Vermögensgüter des Betriebs gegenüber der Erwerbs- und Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers zurücktreten müsse, wenn dies zur existenziellen Sicherung des Arbeitnehmers erforderlich sei (S. 15 aaO), das hier zur Erörterung stehende Haftungskonzept verdecken, nach dem eine Haftungsentlastung des Arbeitnehmers nach Maßgabe einer Abwägung des Verschuldens gegen das Betriebsrisiko im Rahmen des § 254 BGB erfolgen kann. Mit der Argumentation, daß die Haftungserleichterungen entscheidend auch auf das Mißverhältnis zwischen Schaden und Arbeitseinkommen einerseits und auf die Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz des Arbeitnehmers andererseits zu stützen seien, ließe sich ferner die Gewährung von Haftungserleichterungen bis hin zur Haftungsfreistellung auch ohne Rücksicht auf das Verschulden begründen. Damit wäre die gesetzgeberische Konzeption der vollen Haftung für jedes Verschulden (§§ 249, 276 BGB) nicht mehr nur modifiziert sondern aufgehoben. Nach Auffassung des Senats ist eine solche Fortentwicklung durch Richterrecht von Verfassungs wegen weder geboten noch zulässig.

 

Fundstellen

DB 1994, 428 (LT)

NJW 1994, 856 (ST)

CR 1994, 361 (ST)

EWiR 1994, 339 (S)

NZA 1994, 270-271 (ST)

ZBR 1994, 124 (ST)

ZIP 1994, 225

ZIP 1994, 225 (ST)

ZTR 1994, 254 (L1

ArbuR 1994, 72 (LT)

JuS 1994, 264 (L)

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