Entscheidungsstichwort (Thema)
Verbraucherinsolvenzverfahren. Restschuldbefreiungsantrag. Unvollständiger Antrag. Fehlende Abtretungserklärung des Schuldners. Ergänzung der Antragsunterlagen. Nachreichung der Abtretungserklärung. Frist
Leitsatz (amtlich)
Stellt sich im eröffneten Verbraucherinsolvenzverfahren heraus, dass die dem Antrag auf Restschuldbefreiung beizufügende Abtretungserklärung nicht vorliegt, so darf das Insolvenzgericht dem Schuldner für die Nachreichung der Abtretungserklärung keine Frist setzen, die kürzer ist als ein Monat.
Normenkette
InsO § 305 Abs. 3, § 287 Abs. 1 S. 2, § 20 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Bonn (Beschluss vom 20.09.2007; Aktenzeichen 6 T 297/07) |
AG Bonn (Beschluss vom 21.08.2007; Aktenzeichen 97 IK 23/06) |
Tenor
Dem Schuldner wird auf seine Kosten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Frist zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 6. Zivilkammer des LG Bonn vom 20.9.2007 gewährt.
Auf die Rechtsmittel des Schuldners werden der vorgenannte Beschluss des LG Bonn und der Beschluss des AG Bonn vom 21.8.2007 aufgehoben.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 5.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
[1] Auf Antrag des Schuldners eröffnete das Insolvenzgericht am 25.1.2006 das Verbraucherinsolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners und bestellte den weiteren Beteiligten zum Treuhänder. In diesem Verfahren ordnete das Gericht am 7.5.2007 die Durchführung des Schlusstermins im schriftlichen Verfahren an. Den auf den 6.7.2007 anberaumten Schlusstermin im schriftlichen Verfahren hob das Insolvenzgericht am 17.7.2007 nachträglich wegen eines formellen Verfahrensfehlers auf. Es hatte festgestellt, dass dem Insolvenzantrag die Abtretungserklärung des Schuldners nach § 287 Abs. 2 InsO (Anlage 3 des amtlichen Verzeichnisses) nicht beigefügt war. Ebenfalls am 17.7.2007 wies das Gericht den Schuldner auf die Unvollständigkeit seines Antrags hin und gab ihm Gelegenheit, die Abtretungserklärung nachzureichen. In der Belehrung teilte es dem Schuldner mit, dass er mit der Verwerfung seines Antrags als unzulässig rechnen müsse, wenn dieser nicht innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Hinweises nach § 20 Abs. 2 InsO vollständig vorliege. Die zweiwöchige Frist, bei der es sich um eine gesetzliche Frist handele, sei nicht verlängerbar (§ 287 Abs. 1 Satz 2, § 4 InsO, § 224 Abs. 2 ZPO). Dem Hinweis waren ein Antragsformular des Landes Nordrhein-Westfalen zur Restschuldbefreiung, ein Merkblatt "Restschuldbefreiung" und das amtliche Formular 5 H beigefügt. Der Hinweis wurde dem Schuldner am 20.7.2007 zugestellt. Der vom Schuldner ausgefüllte Antrag auf Restschuldbefreiung mit der Abtretungserklärung ging am 8.8.2007 beim Insolvenzgericht ein. Dieses hat mit Beschluss vom 21.8.2007 den Antrag des Schuldners auf Restschuldbefreiung als unzulässig zurückgewiesen, weil er die fehlende Abtretungserklärung entgegen dem gerichtlichen Hinweis nicht innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 287 Abs. 1 Satz 2 InsO vorgelegt habe.
[2] Die gegen diesen Beschluss gerichtete sofortige Beschwerde des Schuldners hat keinen Erfolg gehabt. Mit seiner Rechtsbeschwerde begehrt der Schuldner weiter die Aufhebung der Zurückweisung des Antrags auf Restschuldbefreiung.
II.
[3] Die gem. § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, §§ 7, 6 Abs. 1, § 289 Abs. 2 Satz 1 InsO statthafte, wegen grundsätzlicher Bedeutung zulässige Rechtsbeschwerde (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) ist auch begründet.
[4] 1. Das LG hat ausgeführt, der Rechtspfleger habe mit zutreffender Begründung den Antrag des Schuldners auf Erteilung der Restschuldbefreiung als unzulässig zurückgewiesen, weil er nicht innerhalb der in § 287 Abs. 1 Satz 2 InsO normierten Frist eingelegt worden sei. Soweit der Schuldner geltend mache, das Gericht hätte ihm für die Beibringung des vollständigen Antrags eine Frist von einem Monat setzen müssen, verkenne er die seit dem Inkrafttreten der Neuregelung des § 287 Abs. 1 InsO geänderte Gesetzeslage. Danach sei die Restschuldbefreiung spätestens binnen einer nicht verlängerbaren Frist von zwei Wochen nach Zustellung des gerichtlichen Hinweises zu beantragen. Die Möglichkeit, den Restschuldbefreiungsantrag sogar noch im Berichtstermin zu stellen, sei entfallen. Der nicht fristgerecht gestellte Antrag sei unzulässig. Wiedereinsetzung könne dem Schuldner nicht gewährt werden, weil keine Notfrist oder andere Frist i.S.d. § 233 ZPO vorliege. Der Schuldner habe auch nicht hinreichend dargetan oder glaubhaft gemacht, dass ein gerichtliches Fehlverhalten für die verspätete Handlung ursächlich geworden sei. Eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör liege nicht vor.
[5] 2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung nicht stand.
[6] Das Insolvenzgericht hätte den Antrag des Schuldners als zulässig ansehen müssen. Der Schuldner hat die Abtretungserklärung entsprechend § 305 Abs. 3 Satz 2 InsO rechtzeitig nachgereicht.
[7] a) Wie zu verfahren ist, wenn sich im eröffneten Verfahren herausstellt, dass die Vorlage der gem. § 305 Abs. 1 Nr. 2 InsO i.V.m. § 287 Abs. 1 Satz 2 InsO erforderlichen Abtretungserklärung versehentlich unterblieben ist, regelt das Gesetz nicht. Eine Entscheidung des BGH zu dieser Frage liegt bislang nicht vor. In seinem Beschluss vom 17.2.2005 (BGHZ 162, 181) hat der Senat allerdings die ggf. zu setzende richterliche Frist der Vorschrift des § 287 Abs. 1 Satz 2 InsO entnommen, wenn der Schuldner keinen Eigenantrag auf Insolvenzeröffnung gestellt hat. Hierauf und auf die Einhaltung der Zwei-Wochen-Frist ist der Schuldner sowohl im Regel- als auch im Verbraucherinsolvenzverfahren hinzuweisen (BGHZ, a.a.O., S. 184). Ob die nach § 287 Abs. 1 Satz 2 InsO i.V.m. § 20 Abs. 2 InsO zu setzende Frist im Verbraucherinsolvenzverfahren auch die Ergänzung der Antragsunterlagen betrifft, ist damit noch nicht entschieden.
[8] b) Was gilt, wenn sich bei einem Antrag auf Restschuldbefreiung erst im eröffneten Verfahren herausstellt, dass die gem. § 287 Abs. 2 InsO erforderliche Abtretungserklärung dem Antrag nicht beigefügt ist, ist streitig. Teilweise wird die Auffassung vertreten, das Insolvenzgericht habe den Schuldner analog § 287 Abs. 1 Satz 2 InsO i.V.m. § 20 Abs. 2 InsO auf das Erfordernis der Abtretung hinzuweisen. Werde diese sodann nicht in der Zwei-Wochen-Frist vorgelegt, sei der Antrag auf Restschuldbefreiung als unzulässig zurückzuweisen (so OLG Zweibrücken ZVI 2002, 128 f.; Graf-Schlicker/Kexel, InsO § 287 Rz. 5; Kübler/Prütting/Wenzel, InsO § 287 Rz. 7b). Nach anderer Auffassung ist die Zwei-Wochen-Frist des § 287 Abs. 1 Satz 2 InsO in Verbraucherinsolvenzverfahren nicht anzuwenden. Für den Fall, dass dem Antrag des Schuldners die Abtretungserklärung nicht beigefügt sei, enthalte § 305 Abs. 3 Satz 2 InsO in diesem Verfahren eine speziellere Regelung (so OLG Celle ZVI 2002, 29, 30; Braun/Buck, InsO, 3. Aufl., § 305 Rz. 21; HmbKomm-InsO/Streck, 2. Aufl., § 287 Rz. 22; Landfermann in HK/InsO, 4. Aufl., § 287 Rz. 11; Ahrens in FK/InsO, 4. Aufl., § 287 Rz. 19; Stephan in MünchKomm/InsO, 2. Aufl., § 287 Rz. 19; Römermann in Nerlich/Römermann, InsO § 287 Rz. 56; Uhlenbruck/Vallender, InsO, 12. Aufl., § 287 Rz. 36 f.; Mohrbutter/Ringstmeier/Pape, Handbuch der Insolvenzverwaltung 8. Aufl., § 17 Rz. 36).
[9] Die Frist zur Ergänzung der dem Restschuldbefreiungsantrag beizufügenden Unterlagen richtet sich im Verbraucherinsolvenzverfahren nach § 305 Abs. 3 Satz 2 InsO. Die Vorschrift enthält für das Verbraucherinsolvenzverfahren eine spezielle Regelung, die der entsprechenden Anwendung des § 287 Abs. 1 Satz 2 InsO vorgeht. Enthält der Insolvenzantrag des Schuldners im Verbraucherinsolvenzverfahren entgegen § 305 Abs. 1 Nr. 2 InsO keine Erklärung zur Restschuldbefreiung so hat das Gericht ihn nach § 305 Abs. 3 Satz 1 InsO zur Abgabe dieser Erklärung aufzufordern (Landfermann in HK/InsO, a.a.O., § 305 Rz. 29; Graf-Schlicker/Sabel, a.a.O., § 305 Rz. 13; Kübler/Prütting/Wenzel, a.a.O., § 305 Rz. 23a; Uhlenbruck/Vallender, a.a.O., § 305 Rz. 82). Die entsprechende Anwendung des § 287 Abs. 1 Satz 2 InsO auf den Fall, dass eine Unvollständigkeit des Antrags erst nach Verfahrenseröffnung bemerkt wird, wäre systemwidrig. Sie würde die Frist, die dem Schuldner im Verbraucherinsolvenzverfahren zur Ergänzung und Vervollständigung seiner Unterlagen zur Verfügung stehen soll, unzulässig verkürzen. Die kurze Frist des § 287 Abs. 1 Satz 2 InsO hat ihren Grund in der Notwendigkeit, alsbald Klarheit darüber zu gewinnen, ob der Schuldner die Restschuldbefreiung anstrebt oder nicht. Diese Klarheit besteht hier bereits. Die Vervollständigung der Unterlagen ist weniger eilbedürftig. Der Schutz vor einer übereilten Entscheidung, den § 305 Abs. 3 Satz 2 InsO dem Schuldner im Verbraucherinsolvenzverfahren gibt, würde zudem unterlaufen, wenn man auf die Frist zur Nachreichung der Abtretungserklärung in diesem Verfahren nach Verfahrenseröffnung § 287 Abs. 1 Satz 2 InsO entsprechend anwendete. Es ergäbe sich ein Wertungswiderspruch zum Eröffnungsverfahren, in dem unzweifelhaft § 305 Abs. 3 InsO anzuwenden ist, wenn der Schuldner einen unvollständigen Antrag vorlegt und beispielsweise die Abtretungserklärung fehlt.
[10] 3. Zwar führt das Beschwerdegericht mit Recht aus, die Frist des § 287 Abs. 1 Satz 2 InsO sei als gesetzliche Frist nicht verlängerbar und es komme auch keine Wiedereinsetzung in Betracht, weil es sich weder um eine Notfrist noch um eine andere Frist i.S.d. § 233 ZPO handele (BGHZ 162, 181, 185; Uhlenbruck/Vallender, a.a.O., § 287 Rz. 19). Hierauf kommt es aber nicht an, weil das Insolvenzgericht dem Schuldner nicht die Frist des § 287 Abs. 1 Satz 2 InsO hätte setzen dürfen und seine Belehrung über die Folgen des Fristablaufs fehlerhaft war. Vielmehr hätte es ihn entsprechend § 305 Abs. 3 Satz 1 InsO zur Ergänzung seiner Unterlagen auffordern und auf die Monatsfrist des § 305 Abs. 3 Satz 2 InsO sowie auf die Folgen der Fristversäumung hinweisen müssen (Stephan in MünchKomm/InsO, a.a.O., § 287 Rz. 19).
III.
[11] Eine Kostenentscheidung war nicht zu treffen. Gerichtsgebühren sind weder in der zweiten noch in der dritten Instanz angefallen (vgl. Nr. 2361 und 2364 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG). Die außergerichtlichen Kosten des Schuldners können dem weiteren Beteiligten nicht überbürdet werden, weil dieser in Bezug auf die Zurückweisung des Antrags auf Restschuldbefreiung nicht Gegner des Schuldners i.S.d. §§ 4 InsO, 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist.
Fundstellen