Leitsatz (amtlich)
1. Ansprüche auf bereicherungsrechtliche Rückabwicklung (BGB § 816 Abs 2) von Zahlungen an den Steuerfiskus, die aufgrund privatrechtlicher Abmachungen auf die Steuerverbindlichkeit eines Dritten geleistet wurden, gehören vor die Zivilgerichte.
2. Eine Gesellschaft ist an liquidationsfremde Geschäfte ihres Liquidators nicht gebunden, wenn der Geschäftsgegner wußte oder wissen mußte, daß sich das Geschäft nicht mehr im Rahmen des Liquidationszwecks hielt.
3. Zur Prüfungspflicht des Geschäftsgegners.
Orientierungssatz
(Zitierung)
Vergleiche zu Leitsatz 2: BGH, 1959-01-26, II ZR 174/57, WM IV 1959, 323.
Tatbestand
Die Klägerin, eine Kommanditgesellschaft in Liquidation, verlangt vom beklagten Land aus ungerechtfertigter Bereicherung und daneben aus Amtshaftung Rückgewähr einer Zahlung, die ein Schuldner der Klägerin aufgrund einer Abtretung an das beklagte Land geleistet hat.
Die Klägerin gehört zu einem größeren Unternehmensverbund, der von der IBN-KG, einer größeren Publikums-Kommanditgesellschaft, getragen wird; persönlich haftende Gesellschafterin der KG ist die IBN. Die IBN-KG hielt sämtliche Geschäftsanteile der Gießtechnik und der FFG, die ihrerseits Komplementäre weiterer Kommanditgesellschaften waren, denen die IBN-KG als alleinige Kommanditistin angehörte. Derartige Kommanditgesellschaften waren:
- Gießtechnik KG; Komplementärin: Gießtechnik,
- die D. bank; Komplementärin: FFG,
- die Klägerin; Komplementärin: FFG.
Geschäftsführer sämtlicher Komplementärgesellschaften mit beschränkter Haftung (also sowohl der IBN als auch der FFG und der Gießtechnik) war J.
Die IBN-KG hielt weiter 96 % der Geschäftsanteile der B.-V.-F. GmbH, die ihrerseits zu 95 % am Grundkapital der N. beteiligt war.
Die Klägerin und die D. Bank verkauften im Jahre 1975 ihre Schiffe an die N.; sie befinden sich seit dem 5. Juni 1975 in Liquidation. Bis Mitte 1978 war J. ihr alleiniger Liquidator. Die Kaufpreisansprüche wurden von der N. nicht erfüllt, da ihr nach ihrer Auffassung umfangreiche Schadensersatzansprüche gegen die Klägerin und die D. Bank zustanden.
Ebenfalls im Jahre 1975 wurde über das Vermögen der Gießtechnik KG das Konkursverfahren eröffnet, nachdem zuvor das Finanzamt S. mit inzwischen bestandskräftigem Bescheid vom 10. März 1975 die Rückzahlung von Investitionszulagen nach § 1 Abs. 1 des Investitionszulagengesetzes 1969 gefordert hatte. Das Konkursverfahren wurde in der Folge mangels Masse eingestellt. Unter dem 12. März 1976 erließ das Finanzamt gegen J. einen Haftungsbescheid über 903.202,95 DM. J. wurde in Anspruch genommen, weil er als kaufmännischer Geschäftsführer der Gießtechnik die Anträge auf Gewährung der Investitionszulagen unterschrieben und dabei erklärt habe, daß der Gewinn der Gießtechnik KG aufgrund ordnungsmäßiger Buchführung ermittelt sei; J. habe seine Erklärungspflicht schuldhaft verletzt, da er gewußt habe oder habe wissen müssen, daß die Buchführung nicht ordnungsgemäß war.
Der Haftungsbescheid ist nicht bestandskräftig. Unter dem 11. Oktober 1976 lehnte das Schleswig-Holsteinische Finanzgericht in Kiel einen Antrag des J., die Vollziehung des Haftungsbescheids auszusetzen, zum überwiegenden Teil ab.
Am 20. Januar 1977 pfändete das Finanzamt wegen eines Betrages von 779.304,74 DM die Gehaltsansprüche des J. gegen die IBN.
Mit Schreiben vom 24. Januar 1977 teilte J. dem Finanzamt mit, daß die Klägerin und die D. bank ihre Auflösung beschlossen hätten und er zum Handelsregister als Alleinliquidator eingetragen sei. Die Schiffe der Gesellschaften seien verkauft; vom Verkaufserlös seien der N. verblieben:
„F. Bank (Klägerin) |
622.482,47 DM |
D. Bank |
447.811,05 DM”. |
Weiter führte er aus, daß die Steuerberatungsgesellschaft in ihrem Prüfungsbericht für das Geschäftsjahr 1975 diese Beträge der N. unter Verbindlichkeiten mit folgendem Vermerk versehen habe:
„Die nach Verkauf der Schiffe verbliebenen Guthaben der Fischfanggesellschaften sind deswegen nicht an die Gläubigerinnen ausgezahlt worden, weil die Staatliche Kreditanstalt diesen Teil der Erlöse zur Sicherstellung des Kapitaldienstes der Fischereifabrikschiffe „Ka” und „Hi” zurückbehalten hat.
Die Beträge sind in der bei der Br Landesbank gekauften Kassenobligation von DM 1,3 Mio. angelegt. Die N. vertritt die Auffassung, daß der D. Bank KG bzw. der F. Bank KG diese Beträge gar nicht zustehen, sondern der N. als Schadensersatz für die vorzeitige Beendigung des Charterverhältnisses verbleiben müssen. Die N. ist durch das vorzeitige Ausscheiden der beiden Schiffe aus dem Charterverhältnis benachteiligt …
Bis zur endgültigen Klärung dieser Frage soll dieser Posten als Verbindlichkeit ausgewiesen werden. Für mögliche Zinsansprüche der Eigentümergesellschaft wurden Rückstellungen gebildet.”
In der Folge legte J. die Gesellschaftsverhältnisse weiter dar und schloß wie folgt:
„Dieses vorausgeschickt, stelle ich Ihnen hiermit in meiner Eigenschaft als Liquidator der vorgenannten Gesellschaften über die an Sie erfolgte Abtretung der oben genannten Forderungen nebst Zinsen diese öffentlich beglaubigte Urkunde aus.”
J. ließ seine Unterschrift unter das Schreiben öffentlich beglaubigen und übergab es am 26. Januar 1977 dem Finanzamt. Das Finanzamt hielt die Sicherheit nicht für ausreichend, gewährte J. aber bis zum 20. Februar 1977 Frist zur Beschaffung der für erforderlich gehaltenen weiteren Sicherheiten. Unter dem 26. Januar 1977 schrieb J. an die N. zu Händen deren Vorstands O.:
„Das Finanzamt St hat mein Gehalt gepfändet (s. Anlage) und gleichzeitig angekündigt, daß es die Zwangsversteigerung meines Hauses betreiben und meine Ansprüche aus meiner Lebensversicherung pfänden würde.
Ich habe daraufhin die beiliegende Abtretung von Ansprüchen der F. KG und der D.-bank KG gegen die N. vorgenommen.
Gestern habe ich beim Finanzamt St bei einer Besprechung erreichen können, daß die Vollstreckung gegen mich einen Monat ausgesetzt wird und ich eine Bankbürgschaft der N. für den geforderten Betrag bis zur Entscheidung des BfH über meinen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung beibringen soll.
Wenn diese Bankbürgschaft nicht eingeht, wird nach einem Monat die Vollziehung gegen mich erfolgen. Ich erhalte dann aber die Vollmacht des Finanzamts, gegen die N. aus der Abtretung zu klagen.
Die Situation ist sehr bedrückend, besonders auch meine Frau hat es hart getroffen. Sie sagten heute am Telephon, daß Sie mir helfen und keine Einwendungen gegen die Forderungen der D. Bank KG und der F. Bank KG an die N. geltend machen würden. Dann wäre ich gerettet. …”
Unter dem 1. Februar 1977 schrieb die IBN-KG an das Finanzamt:
„Wir erkennen die Abtretungserklärung des Herrn J. vom 24. Januar 1977 an und genehmigen sie.”
Das Schreiben auf einem Briefbogen der KG war gezeichnet mit der Firma der Gesellschaft und der handschriftlichen Unterschrift des J.
Am 10. Februar 1977 trafen die N., die Klägerin und die D. Bank i.L. folgende Vereinbarung:
§ 1
1) Die D. Bank macht gegen die N. eine Forderung in Höhe von DM 447.811,05 nebst Zinsen geltend, die ihr angeblich noch als Restkaufpreisanspruch aus dem Verkauf des FMS „Do” zusteht.
2) Die F. Bank macht gegen die N. eine Forderung in Höhe von 622.482,47 nebst Zinsen geltend, die ihr angeblich noch als Restkaufpreisanspruch aus dem Verkauf des FMS „F./M.” zusteht.
3) Die N. bestreitet, daß die Forderungen den Fischfanggesellschaften zustehen. Vielmehr stünden diese Beträge entsprechend einer am 26. März 1970 als Protokollnotiz getroffenen Vereinbarung, sowie eines Abtretungsvertrages mit einem Bankenkonsortium vom August/September 1970 nebst Ergänzungsvertrag vom Januar/Mai 1971 – alle Vereinbarungen sind auch von den Parteien unterzeichnet worden – der N. zu.
4) Zur Vermeidung einer prozessualen Auseinandersetzung schließen die Parteien den folgenden Vergleich, mit der ausdrücklichen Vereinbarung, daß mit Erfüllung der Vergleichsforderungen die gegenseitigen oder einseitigen Ansprüche aus den vorbezeichneten Rechtsbeziehungen befriedigt sind.
§ 2
1) Die N. zahlt umgehend an die D. Bank DM 289.652,37 auf ein von der D.-bank anzugebendes Konto.
2) Die N. zahlt umgehend an F. Bank DM 489.652,37 auf ein von der F. Bank anzugebendes Konto.
3) Den Parteien ist bekannt, daß die unter § 1, Nr. 1 und 2 dieses Vertrages näher bezeichneten angeblichen Forderungen an das Finanzamt St, Bad O., zugunsten des Landes Schleswig-Holstein abgetreten worden sind.
Voraussetzung für die Rechtswirksamkeit dieses Vergleiches ist daher der Nachweis der D. Bank und der F. Bank, daß sie jeweils Inhaber der vorbezeichneten Forderungen sind.
Der Nachweis ist durch eine entsprechende Erklärung des Finanzamtes in Vertretung des Landes Schleswig-Holstein zu führen. …
Die Vereinbarung ist für die Klägerin und die D. Bank durch J. unterzeichnet; für die N. unterzeichnete ihr Vorstand O.
In der Folge bestätigte das Finanzamt mit nicht datierter Erklärung, daß ihm die Liquidationsgesellschaften ihre Forderungen gegen die N. abgetreten hätten; es habe zur Kenntnis genommen, daß die Liquidationsgesellschaften unter dem 10. Februar 1977 mit der N. einen Vergleich geschlossen hätten; es bestätige als Abtretungsgläubiger, daß die Liquidationsgesellschaften zum Abschluß des Vergleichs berechtigt gewesen seien; die an das Finanzamt abgetretenen Forderungen seien daher bei Erfüllung des Vergleichs erloschen.
Die N. überwies die vereinbarten Beträge, die zusammen genau die im Pfändungsbeschluß vom 20. Januar 1977 genannte Summe von 779.304,74 DM ausmachen, an das Finanzamt.
Im Oktober 1977 schied J. aus der Geschäftsführung der IBN aus; seit „Mitte” 1978 ist er auch als Liquidator der Klägerin und der D. Bank abgelöst.
Unter dem 20. April 1979 beschloß die neue Liquidatorin der Klägerin, die zugleich Liquidatorin der D. Bank und Geschäftsführerin der IBN und der FFG ist, die „im Februar 1977 vorgenommenen Abtretungen unserer Ansprüche gegen die Norddeutsche Hochseefischerei AG an das Finanzamt St nicht zu genehmigen.”
Die Klägerin begehrt mit der Klage Rückzahlung des von der N. an das Finanzamt bezahlten Betrags von 489.652,37 DM an sich. Die Abtretung vom 26. Januar 1977 habe der frühere Liquidator J. unter erkennbarem Mißbrauch seiner Vertretungsmacht vorgenommen. Die Abtretung sei daher unwirksam. Es stelle zugleich eine Amtspflichtverletzung dar, daß sich das Finanzamt auf dieses liquidationswidrige Geschäft eingelassen habe.
Das beklagte Land hat um Klagabweisung gebeten. Es hat die Ansicht vertreten, die Abtretung sei nicht liquidationswidrig gewesen. J. habe am 26. Januar 1977 dem Finanzamt gegenüber erklärt, ihm stünden arbeitsrechtliche Ansprüche gegen die IBN-KG auf Freistellung von der persönlichen Haftung für die Steuerschuld zu. Im übrigen hätten die Gesellschafter der Klägerin die Abtretung gebilligt.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Klage abgewiesen, soweit sie auf Amtspflichtverletzung gestützt ist; soweit sie auf „einen bereicherungsrechtlichen oder sonstigen Rückerstattungsanspruch” gestützt ist, hat es den ordentlichen Rechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit insoweit an das Finanzgericht in Kiel verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
I.
1. Das Berufungsgericht hat die Zulässigkeit des ordentlichen Rechtswegs verneint, soweit die Klageforderung „auf einen etwaigen Bereicherungs- oder öffentlichrechtlichen Rückerstattungsanspruch” gestützt werde. Für die Entscheidung über die genannten Anspruchsgrundlagen seien „gemäß § 33 FGO” die Finanzgerichte zuständig, weil der mit der Klage begehrte Betrag als Sicherheit nach § 69 FGO geleistet worden sei.
Wie die Revision zutreffend ausführt, kann die Klägerin die Entscheidung des Berufungsgerichts über die Zulässigkeit des Rechtswegs anfechten, da sie ihren Verweisungsantrag (§ 17 GVG) nur hilfsweise gestellt hat (BGHZ 38, 289, 290; Kissel GVG § 17 Rn. 37 m. w.Nachw. aus der Rspr. des Bundesgerichtshofs).
2. Das Verfahren des Berufungsgerichts begegnet in doppelter Hinsicht durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
a) Das Berufungsgericht hat zutreffend den ordentlichen Rechtsweg als eröffnet angesehen, soweit die Klägerin ihre Ansprüche auf eine angebliche Amtspflichtverletzung der Beamten des Finanzamts gestützt hat. Eine Amtspflichtverletzung hat die Klägerin (u.a.) darin erblickt, daß das Finanzamt an der erkennbar liquidationswidrigen Abtretung der Forderungen der Klägerin mitgewirkt habe. Ihre in erster Linie auf ungerechtfertigte Bereicherung gestützten Ansprüche hat die Klägerin aber mit derselben Erwägung begründet, daß die Abtretung nämlich erkennbar liquidationswidrig und daher unwirksam gewesen sei, weshalb ihr Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung (§§ 812 ff. BGB) zuständen. Bei dieser Sachlage stünden etwaige Bereicherungs- und Amtshaftungsansprüche zueinander in Anspruchskonkurrenz. Unter diesen Umständen war eine Teilverweisung der angeblich vor die Finanzgerichte gehörenden Ansprüche nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (zuletzt Senatsurteil BGHZ 85, 121, 127) unzulässig.
b) Die vom Berufungsgericht ausgesprochene Teilverweisung ist aber auch deshalb rechtsfehlerhaft, weil der in erster Linie geltend gemachte Bereicherungs- oder Rückerstattungsanspruch vor die ordentlichen Gerichte gehört.
Maßgebend für den Rechtsweg ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Rechtsnatur des erhobenen Anspruchs, wie sie sich aus dem tatsächlichen Vorbringen der klagenden Partei ergibt (Senatsurteil BGHZ 72, 56, 57 m.w.Nachw.). Ein Rückforderungsanspruch ist im selben Rechtsweg zu verfolgen wie der Leistungsanspruch, dessen „Kehrseite” er bildet (Senatsurteil aaO; BGHZ 71, 180, 182 m.w.Nachw.; vgl. auch BVerwG NJW 1980, 2538). Das hat zur Folge, daß, wenn das Leistungsverhältnis als privatrechtlich zu qualifizieren ist, das Rückabwicklungsverhältnis rechtlich ebenso beurteilt werden muß und für daraus abgeleitete Ansprüche die ordentlichen Gerichte zuständig sind.
Im Streitfall haben sich die Parteien bei ihren Abmachungen privatrechtlicher Rechtsformen bedient. Zwar wurden die Sicherungsvereinbarung vom 24./26. Januar 1977 und die damit in Zusammenhang stehenden Abreden der Parteien getroffen, um eine zwangsweise Beitreibung der öffentlich-rechtlichen Steuerverbindlichkeiten des J. zu vermeiden. Das führt jedoch nicht dazu, die Abmachungen dem öffentlichen Recht zuzuordnen. Eine Behörde kann privatrechtliche Vereinbarungen auch zu dem Zweck schließen, daß sich öffentlich-rechtliche Zwangsmaßnahmen erübrigen (BFH BStBl. 1979 II 442, 444). Hier sind die Vereinbarungen der Parteien dadurch gekennzeichnet, daß die Beteiligten „für einen öffentlich-rechtlichen Anspruch private Rechte und Pflichten geschaffen” haben (vgl. Stein/Jonas/Schumann ZPO 20. Aufl. Einl. Rn. 347), indem für eine Steuerverbindlichkeit des J. zivilrechtliche Ansprüche der Klägerin gegen die N. an das beklagte Land abgetreten wurden. Derartige Rechtsgeschäfte sind in der Rechtsprechung wiederholt als privatrechtlich angesehen worden (RG JW 1930, 2298, 2299: Sicherungsübereignung für eigene Steuerschuld; BFH aaO: Abtretung einer Hypothekenforderung für eigene Steuerschuld). Diese Beurteilung ist jedenfalls dann geboten, wenn der Teil, der dem Steuerfiskus gegenüber Verpflichtungen eingeht oder ihm Rechte überträgt (hier: die Klägerin), nicht Steuerschuldner und am Steuerrechtsverhältnis nicht beteiligt ist (RGZ 129, 95, 97; Hypothek für Steuerschuld eines Dritten; BFH BStBl. 1974 II 557, 558: Steuerbürgschaft; Tipke/Kruse AO 10. Aufl. § 33 FGO Rn. 3; Kissel GVG, 1981, § 13 Rn. 141). Da die Klägerin keine ihr nach den Steuergesetzen obliegende Verpflichtung erfüllt hat, kann ihr auch kein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch zustehen (BFH BStBl. 1974 II 557, 558). Die hier vorgenommene Einordnung der Parteiabmachungen als privatrechtlich entspricht auch der Wertung des § 192 AO; danach kann nur nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts in Anspruch genommen werden, wer sich aufgrund eines Vertrages verpflichtet hat, für die Steuer eines anderen einzustehen.
Der hier vertretenen Auffassung steht das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 9. Dezember 1966 – V ZR 13/64 = NJW 1967, 563 nicht entgegen: In jenem Fall lagen die Dinge schon deshalb anders, weil sich die Klage auf Löschung eines im Grundbuch eingetragenen Pfändungsvermerks betreffend eine Grundschuld unmittelbar gegen eine hoheitsrechtliche Maßnahme des Steuerfiskus richtete. Dort war die Eintragung in das Grundbuch Wirksamkeitserfordernis der nach den Vorschriften der Abgabenordnung erfolgten Pfändung für eine Steuerschuld.
II.
Hiernach kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben, soweit das Berufungsgericht den Rechtsstreit wegen bereicherungsrechtlicher und sonstiger Rückerstattungsansprüche an das zuständige Finanzgericht verwiesen hat. Es ist insoweit aufzuheben und die Sache zur materiellrechtlichen Prüfung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dem erkennenden Senat ist insoweit eine abschließende Entscheidung verwehrt, da das Berufungsgericht – von seinem Standpunkt aus folgerichtig – die für die Beurteilung erforderlichen tatsächlichen Feststellungen nicht getroffen hat.
Für die erneute Verhandlung und Entscheidung wird auf folgendes hingewiesen:
1. Als Anspruchsgrundlage für die in erster Linie erstrebte bereicherungsrechtliche Rückabwicklung kommt nach dem bisherigen Sachstand die Vorschrift des § 816 Abs. 2 BGB in Betracht. Entgegen der Auffassung, die das beklagte Land in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vertreten hat, ist nicht davon auszugehen, daß die N. ausschließlich im Auftrage des J. auf dessen Steuerverbindlichkeit Zahlungen an das Finanzamt S. geleistet hat und deshalb allenfalls Bereicherungsansprüche des J. aus § 812 BGB bestehen könnten. Vielmehr ist im Hinblick auf die Vereinbarungen der Parteien, insbesondere auch die Bestätigung des Finanzamts, anzunehmen, daß die N. die in der Abmachung vom 10. Februar 1977 festgelegten Beträge allein wegen der Abtretung der gegen sie gerichteten Ansprüche durch die Klägerin an das Finanzamt überwiesen hat. Daher wäre der Klage nach § 816 Abs. 2 BGB stattzugeben, wenn mit der Zahlung an das beklagte Land als Nichtberechtigten eine Leistung bewirkt worden wäre, die dem Berechtigten, nämlich der Klägerin, gegenüber wirksam ist.
2. Das beklagte Land hätte die Zahlungen als Nichtberechtigter erhalten, wenn die Abtretung der Ansprüche der Klägerin gegen die N. an das Finanzamt unwirksam wäre. Das macht die Klägerin geltend und trägt dazu vor, J. habe seine Vertretungsmacht als Liquidator erkennbar überschritten.
a) Die Abtretung war nicht schon dann für die Klägerin unverbindlich, wenn sie objektiv nicht Liquidationszwecken diente und ihre Vornahme damit von der Vertretungsmacht des Liquidators J. nicht mehr gedeckt war. Vielmehr muß in solchen Fällen das Schutzbedürfnis des redlichen Geschäftsverkehrs berücksichtigt werden. Die Klägerin wäre an eine liquidationsfremde Abtretung nur dann nicht gebunden, wenn das beklagte Land wußte oder hätte wissen müssen, daß sich das Rechtsgeschäft nicht mehr im Rahmen der Liquidation hielt (BGH, Urteil vom 26. Jan. 1959 – II ZR 174/57 = LM § 149 HGB Nr. 2 = WM 1959, 323, 324; A. Hueck, Das Recht der OHG, 4. Aufl. S. 497; Baumbach/Duden/Hopt HGB 25. Aufl. § 149 Anm. 3 A). Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen dieser Voraussetzungen trifft die Klägerin (BGH aaO; A. Hueck aaO).
Das Berufungsgericht hat – von seinem Ansatz her konsequent – offengelassen, ob die Abtretung vom 24./26. Januar 1977 liquidationsfremd war oder nicht. Diese Würdigung wird nunmehr nachzuholen sein. In diesem Zusammenhang wird das Berufungsgericht auch auf die Behauptung des beklagten Landes eingehen müssen, in dem Jahresabschluß der Klägerin zum 31. Dezember 1977 sei die Zahlung der N. an das Finanzamt S. wahrheitsgemäß als „zugunsten der IBN-KG” erfolgt ausgewiesen. Ferner wird sich das Berufungsgericht mit folgendem Vorbringen des beklagten Landes auseinanderzusetzen haben: Die Zession sei nicht liquidationswidrig gewesen, weil sie darauf beruhe, daß J. unbezahlter Geschäftsführer der Gießtechnik gewesen und innerhalb des Unternehmensverbunds einen Anspruch gegen die IBN-KG auf Freistellung von seiner Steuerverbindlichkeit gehabt habe; die IBN-KG sei – von kleineren Steuerforderungen abgesehen – die alleinige Liquidationsgläubigerin der Klägerin (und der D. Bank) gewesen und ihre Forderungen gegen diese hätten die abgetretenen Forderungen weit überstiegen.
b) Wenn die Abtretung liquidationsfremd gewesen wäre, könnte dieser Mangel durch die Genehmigung aller Gesellschafter der Klägerin geheilt worden sein (Schilling, Großkommentar zum HGB, 3. Aufl. § 149 Rn. 37 a; Baumbach/Duden/Hopt aaO unter Hinweis auf KG HRR 1926 Nr. 2354; vgl. ferner A. Hueck aaO S. 498, der auch die Genehmigung der weiteren Liquidationsbeteiligten für erforderlich hält; solche waren aber hier über den Kreis der Gesellschafter hinaus nicht vorhanden). Nach dem Vortrag des beklagten Landes ist die von J. vorgenommene Zession von der Gesellschafterversammlung der Klägerin gebilligt worden.
Soweit es auf die Frage eines Selbstkontrahierens des J. ankommt (vgl. BGHZ 58, 115; die in BGHZ 56, 97 und 75, 358, 362 behandelten Fallgestaltungen liegen hier nicht vor), ist zu beachten, daß er jeweils von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit war. Auch wenn damit dem J. Insichgeschäfte grundsätzlich gestattet waren, kann sein rechtsgeschäftliches Handeln im Einzelfall rechtsmißbräuchlich gewesen sein oder gegen § 138 BGB verstoßen haben und daher unwirksam sein (vgl. BGB-RGRK 12. Aufl. § 181 Rn. 16 a.E.).
c) Falls die Zession nach den vorstehenden Grundsätzen objektiv liquidationsfremd war und auch nicht wirksam genehmigt wurde, wird die Frage entscheidungserheblich, ob das beklagte Land hätte wissen müssen (eine positive Kenntnis ist nach dem derzeitigen Sachstand nicht ersichtlich), daß die Abtretung nicht mehr durch die Vertretungsmacht des alleinigen Liquidators J. gedeckt war. Das beklagte Land hätte mit der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt prüfen müssen, ob das konkrete Geschäft (hier: die Abtretung vom 24./26. Januar 1977) in den Rahmen der Liquidation gerade der Klägerin fiel. Dabei richtet sich der Umfang der Prüfungspflicht nach der Art des vorgenommenen Rechtsgeschäfts (A.Hueck aaO S. 497). Dem beklagten Land hätten sich nach den gesamten Umständen Bedenken gegen die Rechtsgültigkeit der von J. vorgenommenen Zession aufdrängen müssen. J. trat als Liquidator hohe Zahlungsansprüche einer im Auflösungsstadium befindlichen Gesellschaft ab, um damit eigene Steuerverbindlichkeiten abzudecken. Zudem war die Steuerverbindlichkeit des J. nicht im Zusammenhang mit seiner Geschäftsführertätigkeit für die Klägerin, die Zedentin, sondern für eine andere (wenn auch zum Unternehmensverbund gehörende) Gesellschaft, nämlich die Gießtechnik, entstanden. Das Berufungsgericht wird aufgrund des Vortrags des beklagten Landes zu prüfen haben, ob die Indizwirkung dieser für eine Liquidationswidrigkeit der Abtretung sprechenden Tatsachen durch andere Umstände abgeschwächt oder entkräftet wurde. Dabei kann u.a. auch eine Rolle spielen, welche Auffassung sich das beklagte Land in der Frage, ob J. ein Freistellungsanspruch gegen die IBN-KG zustünde, vernünftigerweise bilden durfte.
3. Im Falle der Unwirksamkeit der Abtretung wäre die Zahlung der N. an das Finanzamt der Berechtigten (der Klägerin) gegenüber wirksam im Sinne des § 816 Abs. 2 BGB, wenn die Voraussetzungen des § 409 Abs. 1 Satz 1 BGB vorlägen (BGB-RGRK aaO § 816 Rn. 24). Die N. könnte sich allerdings nicht auf diese Vorschrift berufen, wenn sie den Tatbestand des § 826 BGB verwirklicht hätte (RGZ 126, 183, 185 f.; BGH, Urteil vom 6. April 1956 – I ZR 159/54 = BB 1956, 639 = WM 1956, 989, 991; BGB-RGRK aaO § 409 Rn. 5). Im Zweifel läge zumindest in der Erhebung der vorliegenden Klage durch die Klägerin eine Genehmigung der Leistung der N. an das beklagte Land (BGH, Urteil vom 6. April 1972 – VII ZR 118/70 = NJW 1972, 1197, 1199 m.w.Nachw.; BGH, Urteil vom 25. Januar 1955 – I ZR 75/53 = LM § 816 BGB Nr. 6).
4. Wenn der Klägerin ein Bereicherungsanspruch gegen das beklagte Land zustünde, würde er nach den bisher getroffenen Feststellungen nicht an der Einrede der Arglist scheitern, wie das Berufungsgericht das für etwaige Amtshaftungsansprüche annehmen will. Die in jenem Zusammenhang vom Berufungsgericht angestellten Erwägungen stehen mit den Wertungen des Gesellschaftsrechts, insbesondere denen des § 149 HGB, nicht in Einklang. Dritte, die mit einem Liquidator Rechtsgeschäfte abschließen, werden durch die oben zu 2 a) wiedergegebene Rechtsprechung in ihrem Vertrauen auf die Befugnisse des Liquidators hinreichend geschützt. Andererseits darf aber auch der Schutz der Gesellschafter der in Liquidation befindlichen Gesellschaft nicht vernachlässigt werden. Dem trägt das Gesetz besonders Rechnung (vgl. § 149 Satz 2 HGB: „innerhalb ihres Geschäftskreises”). Die Schranken des § 149 HGB dürfen nicht durch undifferenzierte Arglisterwägungen zum Nachteil der Gesellschafter überspielt werden.
Auch der hier in der Person des J. gegebene personelle Verbund zwischen verschiedenen beteiligungsmäßig verflochtenen Gesellschaften rechtfertigt allein nicht den Vorwurf des Verstoßes gegen Treu und Glauben. Durch Einsicht in das Handelsregister ließen sich die verschiedenen Organstellungen des J. für das beklagte Land klären. Probleme des § 181 BGB sind auch sonst im Rechtsleben zu bewältigen. Das beklagte Land verfügte über juristisch geschulte Beamte, die die Rechtsfragen der Vertretung usw. hätten prüfen können. Auch im Zusammenhang mit dem Arglisteinwand hätte das Berufungsgericht im übrigen die Frage eines Freistellungsanspruchs des J. erörtern müssen.
III.
Auch die Abweisung von Amtshaftungsansprüchen (§ 839 BGB, Art. 34 GG) der Klägerin gegen das beklagte Land ist von Rechtsirrtum beeinflußt.
1. Das Berufungsgericht unterstellt eine fahrlässige Amtspflichtverletzung der Beamten des beklagten Landes. Aus den obigen Ausführungen zur Rechtswegfrage (unter I 2 b) ergibt sich jedoch, daß sich die Parteien bei der Zession und den damit zusammenhängenden Vereinbarungen auf die Ebene des privatrechtlichen Rechtsverkehrs begeben haben. Das beklagte Land hat im Verhältnis zur Klägerin, die – wie ausgeführt – nicht Schuldnerin der hier interessierenden Steuerverbindlichkeit war, grundsätzlich nicht in Ausübung eines öffentlichen Amtes gehandelt. Eine andere Beurteilung wäre nur gerechtfertigt, wenn die Beamten des Finanzamts bei der Verfolgung der Steueransprüche gegen J. unter Mißbrauch ihres Amtes (vgl. dazu BGB-RGRK aaO § 839 Rn. 165 m.w.Nachw.) in den Rechtskreis der am Steuerrechtsverhältnis unbeteiligten Klägerin übergegriffen und ihr dadurch Schaden zugefügt hätten. Hierzu fehlt es bisher an tatrichterlichen Feststellungen.
2. Das Berufungsgericht nimmt an, daß Amtshaftungsansprüche schon nach der Subsidiaritätsklausel des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB entfielen, weil die Klägerin von der N. nach § 826 BGB Schadensersatz verlangen könne oder habe fordern können. Die dagegen gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg.
Das Berufungsurteil läßt die für das Sittenwidrigkeitsurteil erforderliche Würdigung des Gesamtbildes aller Umstände des Einzelfalles einschließlich der subjektiven Verhaltensseite, insbesondere der Einstellung des Schädigers (Gesinnung, Beweggrund), vermissen (BGB-RGRK aaO § 826 Rn. 24 m.w.Nachw.). Das Berufungsgericht hat sich auch in diesem Zusammenhang nicht damit auseinandergesetzt, daß in dem Jahresabschluß der Klägerin per 31. Dezember 1977 die Zahlung der N. als eine Leistung „zugunsten der IBN-KG” ausgewiesen war. Wenn dem Vorgänge zugrunde lagen, die O. als Vorstand der N. bekannt waren, kann das für dessen subjektive Einstellung von Bedeutung sein. Das Berufungsgericht ist auch nicht auf die Frage eingegangen, inwiefern O. erlaubtermaßen Rechte und Interessen der N. wahrgenommen hat; immerhin sind durch den Vertrag vom 10. Februar 1977 die Verbindlichkeiten der N. gegenüber der Klägerin reduziert worden (zur Verfolgung eigener Interessen auf Kosten anderer vgl. BGB-RGRK aaO § 826 Rn. 25 m.w.Nachw.). Diese Frage kann außer für das Sittenwidrigkeitsurteil auch für den Schädigungsvorsatz des O. Bedeutung erlangen.
Im Rahmen des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB hätte sich das Berufungsgericht ferner mit der Frage befassen müssen, ob es der Klägerin zuzumuten war, die N. in Anspruch zu nehmen. Ob die N. der Klägerin nach § 826 BGB haftet, läßt sich nach den obigen Erwägungen, insbesondere zur subjektiven Seite, nur schwer beurteilen; die Klägerin wäre in einem Prozeß erheblichen Beweisschwierigkeiten ausgesetzt. Auf weitläufige und im Ergebnis unsichere Wege des Vorgehens gegen Dritte braucht sich aber der Geschädigte nicht verweisen zu lassen (BGB-RGRK aaO § 839 Rn. 504 m.w.Nachw.).
Hiernach unterliegt das Berufungsurteil auch insoweit der Aufhebung, als es Amtshaftungsansprüche der Klägerin verneint hat. Auch insoweit ist die Sache zur erneuten tatrichterlichen Würdigung unter den aufgezeigten rechtlichen Gesichtspunkten an die Vorinstanz zurückzuverweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 649985 |
ZIP 1984, 312 |