Leitsatz (amtlich)
a) Die Grundsätze zur Einlassungsobliegenheit des Fixkostenspediteurs kommen auch nach Inkrafttreten des Transportrechtsreformgesetzes am 1.7.1998 zur Anwendung.
b) Bei einem völlig ungeklärten Schadenshergang ist der Fixkostenspediteur grundsätzlich verpflichtet, detailliert zum Organisationsablauf in seinem Betrieb und zu den von ihm gegen einen Verlust von Transportgut eingerichteten Sicherheitsmaßnahmen vorzutragen. Kommt er dem nicht einmal ansatzweise nach, lässt das im Allgemeinen den Schluss darauf zu, dass der eingetretene Schaden durch Leichtfertigkeit i. S. v. § 435 HGB und in dem Bewusstsein, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde, verursacht wurdessen
c) Die Berücksichtigung eines mitwirkenden Schadensbeitrages nach § 425 Abs. 2 HGB kommt auch dann in Betracht, wenn dem Frachtführer ein qualifiziertes Verschulden i. S. v. § 435 HGB anzulasten ist.
Normenkette
HGB § 425 Abs. 2, § 435
Verfahrensgang
OLG Düsseldorf (Urteil vom 21.09.2000) |
LG Düsseldorf |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 18. Zivilsenats des OLG Düsseldorf vom 21.9.2000 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin ist Transportversicherer der E. Computersysteme in E. (im Folgenden: Versicherungsnehmerin). Sie nimmt die Beklagte, die einen Paketbeförderungsdienst betreibt, aus abgetretenem und übergegangenem Recht wegen des Verlustes von Transportgut auf Schadensersatz in Anspruch.
Die Versicherungsnehmerin kaufte von der H. Computersysteme in E. diverse Computerteile, für die ihr die Verkäuferin unter dem 11.11.1998 insgesamt 95.615 DM netto in Rechnung stellte. Gemäß dem zu der Sendung gehörenden Lieferschein sollte die Ware per Paketdienst an den Messestand der Versicherungsnehmerin auf einer Messe in K. geliefert werden. Mit der Beförderung der Ware von E. zu dem Messestand in K. beauftragte die Verkäuferin die Beklagte zu festen Kosten. Dem Beförderungsvertrag lagen die Allgemeinen Beförderungsbedingungen der Beklagten (Stand Februar 1998) zu Grunde, die Regelungen zum Haftungsumfang u. a. bei einer vom Versender unterlassenen Wertangabe enthalten. Ferner ist in Nr. 10 Abs. 5 der Beförderungsbedingungen bestimmt, dass die darin vorgesehenen Haftungsbeschränkungen nicht bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit der Beklagten, ihrer gesetzlichen Vertreter oder Erfüllungsgehilfen gelten. Nach einem Absendebeleg der Beklagten übergab die Verkäuferin einem Fahrer der Beklagten am 12.11.1998 zwei Pakete (28 und 29 kg schwer) zur Beförderung zu dem Messestand der Versicherungsnehmerin in K., wo sie jedoch nicht ankamen. Die Beklagte teilte unter dem 22.1.1999 mit, dass sie einen Zustellnachweis nicht ermitteln könne.
Die Klägerin hat behauptet, in den beiden Paketen, die dem Fahrer der Beklagten übergeben worden seien, hätten sich die ihrer Versicherungsnehmerin unter dem 11.11.1998 in Rechnung gestellten Computerteile befunden. Die Beklagte habe für den Verlust der Sendung lediglich 1.000 DM Entschädigung gezahlt. In Höhe des Restbetrages habe sie ihrer Versicherungsnehmerin, die ihre etwaigen Schadensersatz- und Regressansprüche am 1.3.1999 an sie, die Klägerin, abgetreten habe, den Schaden ersetzt.
Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte hafte angesichts ihrer gerichtsbekannt mangelhaften Organisation für den Verlust der beiden Pakete unbeschränkt.
Sie hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 94.615 DM nebst Zinsen zu zahlen.
Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Sie ist der Ansicht, die Rechtsprechung zur Einlassungsobliegenheit des Spediteurs/Frachtführers (im Weiteren: Fixkostenspediteur) könne nach dem seit 1.7.1998 geltenden Transportrecht nicht unverändert aufrechterhalten bleiben. Ihr könne auch nicht vorgeworfen werden, zu ihrer Organisation nicht genügend vorgetragen zu haben. Sie habe erstinstanzlich ausdrücklich um einen richterlichen Hinweis gebeten, falls das Gericht nähere Angaben über ihre Organisation für erforderlich halten sollte. Ein derartiger Hinweis sei ihr nicht erteilt worden. Zudem sei es rechtsmissbräuchlich, trotz unterlassener Wertangabe vollen Schadensersatz zu verlangen.
Das LG hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben.
Mit der Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Beklagte hafte für den Verlust der beiden ihr zur Beförderung anvertrauten Pakete gem. § 425 Abs. 1, § 435 HGB (in der seit dem 1.7.1998 geltenden Fassung) i. V. m. § 398 BGB und § 67 Abs. 1 VVG unbeschränkt auf Schadensersatz. Dazu hat es ausgeführt:
Die Beklagte unterliege gem. § 459 HGB der Frachtführerhaftung, da sie die Beförderung des Transportgutes zu festen Kosten übernommen habe. Die für den Messestand der Versicherungsnehmerin in K. bestimmten Pakete seien der Beklagten übergeben worden. Die Sendung sei im Gewahrsam der Beklagten verloren gegangen, da sie einen Ablieferungsnachweis nicht führen könne.
Die Beklagte hafte für den Verlust gem. § 435 HGB unbeschränkt, weil - wie das Berufungsgericht näher ausgeführt hat - davon auszugehen sei, dass der Schaden durch ein qualifiziertes Verschulden der Beklagten oder ihrer Leute verursacht worden sei. Auf die Haftungsbeschränkungen in ihren Allgemeinen Beförderungsbedingungen könne sich die Beklagte schon deshalb nicht berufen, da diese in dem hier gegebenen Fall grober Fahrlässigkeit nicht zur Anwendung kämen.
Die unterlassene Wertdeklaration ändere weder an der grundsätzlichen Einlassungsobliegenheit der Beklagten etwas noch rechtfertige sie den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs oder des Mitverschuldens. Auf Grund der Beweisaufnahme stehe fest, dass sich in den beiden abhanden gekommenen Paketen die in der Rechnung v. 11.11.1998 aufgeführten Computerteile befunden hätten.
II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision hat keinen Erfolg.
1. Ohne Rechtsverstoß hat das Berufungsgericht die Voraussetzungen einer vertraglichen Haftung der Beklagten nach § 425 HGB bejaht.
Es ist dabei zutreffend und von der Revision auch unbeanstandet davon ausgegangen, dass die Beklagte von der Versenderin als Fixkostenspediteurin i. S. d. § 459 HGB beauftragt worden ist und dass sich ihre Haftung daher grundsätzlich nach den Bestimmungen über die Haftung des Frachtführers (§§ 425 ff. HGB) und - auf Grund vertraglicher Einbeziehung - ihren Beförderungsbedingungen beurteilt, so weit diese mit den in § 449 Abs. 2 HGB enthaltenen Regelungen in Einklang stehen (vgl. dazu BGH, Urt. v. 23.1.2003 - I ZR 174/00, BGHReport 2003, 431 = MDR 2003, 639 = TranspR 2003, 119 [120]).
2. Die Revision wendet sich ohne Erfolg gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte hafte für den eingetretenen Schaden gem. § 435 HGB unbeschränkt.
Nach § 435 HGB gelten die in diesem Unterabschnitt und im Frachtvertrag vorgesehenen Haftungsbefreiungen und Haftungsbegrenzungen nicht, wenn der Schaden auf eine Handlung oder Unterlassung zurückzuführen ist, die der Frachtführer oder eine der in § 428 HGB genannten Personen vorsätzlich oder leichtfertig und in dem Bewusstsein begangen hat, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werdessen
a) Das Berufungsgericht hat angenommen, grundsätzlich sei zwar die Klägerin als Anspruchstellerin darlegungs- und beweisbelastet für ein qualifiziertes Verschulden der Beklagten. Jedoch treffe den Fixkostenspediteur zumindest dann vorab eine Einlassungspflicht hinsichtlich der seiner betrieblichen Sphäre zuzurechnenden und damit der Wahrnehmung des Auftraggebers entzogenen Umstände der generellen und konkreten Abwicklung des Beförderungsauftrags, wenn der Anspruchsteller plausible Anhaltspunkte für ein qualifiziertes Verschulden des Fixkostenspediteurs vorbringe oder - wie im Streitfall - der Schadenshergang völlig im Dunkeln liege. An dieser Verteilung der Darlegungs- und Beweislast habe sich durch das In-Kraft-Treten des neuen Transportrechts, welches im Streitfall zur Anwendung komme, nichts geändert. Der Umstand, dass § 435 HGB statt grober Fahrlässigkeit Leichtfertigkeit verlange, rechtfertige ebenfalls keine andere Beurteilung der Frage, in welchem Umfang den Fixkostenspediteur eine Einlassungspflicht treffe. Denn die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Einlassungsobliegenheit des Fixkostenspediteurs seien unabhängig vom Grad des Verschuldens, das für dessen unbeschränkte Haftung gefordert werdessen
Die Beklagte sei - so hat das Berufungsgericht weiterhin angenommen - ihrer Einlassungspflicht nicht ansatzweise nachgekommen. Dies begründe die Vermutung qualifizierten Verschuldens i. S. v. § 435 HGB. Wer als Fixkostenspediteur seine generellen und konkreten Sicherheitsmaßnahmen nicht darlege bzw. nicht darlegen könne, zeige damit regelmäßig, dass seine Sicherheitsstandards so ungenügend seien, dass sie den Vorwurf des Vorsatzes oder jedenfalls der Leichtfertigkeit rechtfertigten. Im Streitfall sei der Beklagten auch deshalb Leichtfertigkeit vorzuwerfen, weil ihr aus zahlreichen vom Berufungsgericht entschiedenen Rechtsstreitigkeiten bekannt sei, welche Sicherheitsstandards von ihr gefordert würden, und sie ihre Betriebsorganisation gleichwohl nicht entsprechend geändert habe. Damit habe die Beklagte rücksichts- und bedenkenlos die gegenüber den Vermögensinteressen ihrer Kunden gebotenen Schutzvorkehrungen unterlassen.
b) Diese Beurteilung hält den Angriffen der Revision stand.
aa) Nach der Rechtsprechung des BGH für den Bereich der ADSp- und CMR-Haftung trägt grundsätzlich der Anspruchsteller die Darlegungs- und Beweislast für ein grob fahrlässiges Verhalten des Anspruchsgegners. Die ihm obliegende Darlegungslast erfüllt er aber bereits dann, wenn sein Klagevortrag nach den Umständen des Falles ein grob fahrlässiges Verschulden mit gewisser Wahrscheinlichkeit nahe legt und allein der Fixkostenspediteur zur Aufklärung des in seinem Bereich entstandenen Schadens zumutbarerweise beitragen kann. Gleiches gilt, wenn sich die Anhaltspunkte für das Verschulden aus dem unstreitigen Sachverhalt ergeben. In diesem Fall darf sich der Anspruchsgegner zur Vermeidung prozessualer Nachteile nicht darauf beschränken, den Sachvortrag schlicht zu bestreiten. Er ist vielmehr gehalten, das Informationsdefizit des Anspruchstellers durch detaillierten Sachvortrag zum Ablauf des Betriebs und zu den ergriffenen Sicherungsmaßnahmen auszugleichen (st. Rspr.; vgl. BGH v. 3.11.1994 - I ZR 100/92, BGHZ 127, 275 [283 f.] = MDR 1995, 807; v. 4.5.1995 - I ZR 70/93, BGHZ 129, 345 [349 f.] = MDR 1996, 269; Urt. v. 25.9.1997 - I ZR 156/95, MDR 1998, 788 = TranspR 1998, 262 [263 f.] = VersR 1998, 657m. w. N.). Kommt er dem nicht nach, kann daraus je nach den Umständen des Einzelfalls der Schluss auf ein qualifiziertes Verschulden gerechtfertigt sein (vgl. BGH, Urt. v. 6.10.1994 - I ZR 179/92, MDR 1995, 1019 = TranspR 1995, 106 [110] = VersR 1995, 320m. w. N., zu § 15 Abs. 2 GüKUMT; v. 3.11.1994 - I ZR 100/92, BGHZ 127, 275 [284] = MDR 1995, 807).
Diese Darlegungs- und Beweislastgrundsätze hat der BGH auch im Bereich des internationalen Luftverkehrs hinsichtlich der verschärften Haftung des Luftfrachtführers nach Art. 25 des Warschauer Abkommens i. d. F. von Den Haag 1955 (WA 1955) anerkannt (vgl. BGH v. 21.9.2000 - I ZR 135/98, BGHZ 145, 170 [183 ff.] = BGHReport 2001, 5 = MDR 2001, 577), dessen Umschreibung qualifizierten Verschuldens in der deutschen Übersetzung in § 435 HGB übernommen worden ist (vgl. Begr. z. Gesetzentwurf d. Bundesregierung, BT-Drucks. 13/8445, 71).
bb) Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass diese Darlegungs- und Beweislastgrundsätze auch hinsichtlich der Voraussetzungen für den Wegfall der zu Gunsten des Fixkostenspediteurs bestehenden gesetzlichen oder vertraglichen Haftungsbefreiungen und Haftungsbegrenzungen gem. §§ 435, 461 Abs. 1 S. 2 HGB Anwendung finden. Danach trägt der Anspruchsteller die Beweislast dafür, dass der Fixkostenspediteur oder seine "Leute" i. S. v. § 428 HGB leichtfertig und in dem Bewusstsein gehandelt haben, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde (vgl. Begr. z. Gesetzentwurf d. Bundesregierung, BT-Drucks. 13/8445, 72). Hinsichtlich der Einlassungspflicht des Fixkostenspediteurs und der insoweit bestehenden Beweislastverteilung hat das Transportrechtsreformgesetz ebenfalls keine sachlichen Änderungen mit sich gebracht (vgl. Piper, Festgabe für Herber, S. 135, 143 f.; Koller, Transportrecht, 4. Aufl., § 435 HGB Rz. 20 f.; Gass in Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, § 435 Rz. 11; Fremuth in Fremuth/Thume, Transportrecht, § 435 HGB Rz. 20).
cc) Entgegen der Auffassung der Revision ist es für die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast - und damit auch für die Haftung des Fixkostenspediteurs auf Grund ungenügender Einlassungen zu den in seiner Sphäre liegenden Umständen - ohne Bedeutung, ob und inwieweit auf Grund des nunmehr in § 435 HGB verwendeten Verschuldensbegriffs der Leichtfertigkeit, zu der das Bewusstsein der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts hinzukommen muss, strengere Anforderungen an ein qualifiziertes Verschulden zu stellen sind als nach § 430 HGB (in der bis zum 30.6.1998 geltenden Fassung), der grobe Fahrlässigkeit vorausgesetzt hat (vgl. Piper, Festgabe für Herber, S. 144). Die Einlassungsobliegenheit des Fixkostenspediteurs sowie die Rechtsfolge der Nichterfüllung dieser Pflicht folgt bereits aus den in der Rechtsprechung des BGH und im Schrifttum anerkannten Grundsätzen der sog. sekundären Behauptungslast. Danach können dem Prozessgegner der beweisbelasteten Partei ausnahmsweise nähere Angaben über die zu seinem Wahrnehmungsbereich gehörenden Verhältnisse zuzumuten sein, wenn die primär darlegungspflichtige Partei außerhalb des darzulegenden Geschehensablaufs steht und keine Kenntnisse von den maßgeblichen Tatsachen besitzt, während der Prozessgegner nähere Angaben machen kann (vgl. BGH v. 21.9.2000 - I ZR 135/98, BGHZ 145, 170 [184] = BGHReport 2001, 5 = MDR 2001, 577 m. w. N.; Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl., Vor § 284 Rz. 34; vgl. auch Herber, TranspR 2003, 164 [165]).
dd) Auch der weitere Einwand der Revision, die Rechtsprechung zur Haftung des Fixkostenspediteurs für grobes Organisationsverschulden auf Grund ungenügender Einlassungen zu den in seiner Sphäre liegenden Umständen führe faktisch zu einer Beweislastumkehr, greift nicht durch. Denn die Einlassungsobliegenheit besteht nur dann, wenn das prozessuale Geschehen, also der Klagevortrag oder der unstreitige Sachverhalt, Anhaltspunkte für ein Organisationsverschulden bieten. Auch dann, wenn der Fixkostenspediteur seine Einlassungsobliegenheit erfüllt, bleibt der Anspruchsteller beweisbelastet dafür, dass der vorgetragene Organisationsablauf den Vorwurf qualifizierten Verschuldens i. S. v. § 435 HGB rechtfertigt (vgl. BGH v. 21.9.2000 - I ZR 135/98, BGHZ 145, 170 [184 f.] = BGHReport 2001, 5 = MDR 2001, 577).
ee) Die Revision rügt des Weiteren ohne Erfolg, das Berufungsgericht hätte die Beklagte darauf hinweisen müssen, dass sie auch in der zweiten Instanz ihrer Einlassungspflicht nicht nachgekommen sei.
(1) Nach der Rechtsprechung des BGH genügt das Gericht seiner Hinweispflicht nach § 139 Abs. 1, § 278 Abs. 3 ZPO a. F. nur dann, wenn es die Parteien auf fehlenden Sachvortrag, der von seinem materiell-rechtlichen Standpunkt aus gesehen entscheidungserheblich ist, unmissverständlich hingewiesen und der Partei die Möglichkeit eröffnet hat, ihren Sachvortrag sachdienlich zu ergänzen (vgl. BGH v. 27.10.1994 - VII ZR 217/93, BGHZ 127, 254 [260] m. w. N. = MDR 1995, 469). Diese Hinweispflicht besteht grundsätzlich auch in Prozessen, in denen die Partei durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten wird, jedenfalls dann, wenn der Rechtsanwalt die Rechtslage ersichtlich falsch beurteilt hat oder darauf vertrauen konnte, dass sein schriftsätzliches Vorbringen ausreichend sei (vgl. BGH v. 27.10.1994 - VII ZR 217/93, BGHZ 127, 254 [260] m. w. N. = MDR 1995, 469; Urt. v. 27.11.1996 - VIII ZR 311/95, NJW-RR 1997, 441; Urt. v. 7.12.2000 - I ZR 179/98, BGHReport 2001, 485 = MDR 2001, 1009 = WRP 2001, 699 [701] = NJW 2001, 2548 - Impfstoffe, m. w. N.). Etwas anderes gilt jedoch hinsichtlich solcher Anforderungen an den Sachvortrag, mit denen ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf rechnen musste (vgl. BGH, Urt. v. 26.9.1997 - V ZR 65/96, NJW-RR 1998, 16; vgl. auch BVerfG v. 17.1.1994 - 1 BvR 245/93, NJW 1994, 1274). Insbesondere besteht dann keine Hinweispflicht des Gerichts, wenn das Verhalten einer Partei den Schluss zuläßt, dass sie nicht näher vortragen kann oder will (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl., § 139 Rz. 3). So liegt der Fall hier.
(2) Die Klägerin hatte bereits in der Klageschrift auf die Senatsrechtsprechung zur Einlassungsobliegenheit des Fixkostenspediteurs hingewiesen und die Auffassung vertreten, dass sich daran durch das Transportrechtsreformgesetz nichts geändert habe. Dem hiervon abweichenden Standpunkt der Beklagten ist schon das LG in seinem Urteil entgegengetreten. Die Beklagte hätte sich daher in ihrer Berufungsbegründung nicht auf den Vortrag beschränken dürfen, sie habe im Hinblick auf die Zweifel an der schlüssigen Darlegung der Anspruchsvoraussetzungen und den fehlenden erstinstanzlichen Hinweis auf die Notwendigkeit ergänzenden Sachvortrags keinen Anlass gesehen, näher zum Organisationsablauf in ihrem Unternehmen vorzutragen. Auf Grund des vorausgegangenen Prozessverlaufs musste ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter damit rechnen, dass auch das Berufungsgericht dem abweichenden Standpunkt der Beklagten, die Rechtsprechung zur Einlassungsobliegenheit des Fixkostenspediteurs könne nicht unverändert aufrechterhalten bleiben, nicht beitritt. Das gilt im Streitfall umso mehr deshalb, weil die prozessuale Darlegungslast des Fixkostenspediteurs zu seiner Betriebsorganisation grundsätzlich nichts mit der Frage zu tun hat, welche materiell-rechtlichen Anforderungen an ein qualifiziertes Verschulden i. S. d. § 435 HGB zu stellen sind. Die Beklagte konnte sich für ihren abweichenden Standpunkt zudem nicht auf entsprechende Stimmen in der Rechtsprechung oder im Schrifttum stützen. Dass sie vor diesem Hintergrund jegliche Darlegung zu ihrer Betriebsorganisation und insbesondere zu den von ihr zum Schutz der ihr anvertrauten Güter ergriffenen Maßnahmen unterlassen hat, durfte das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei dahingehend werten, dass die Beklagte hierzu keinen Vortrag halten konnte oder wollte.
Auf die Rüge, die die Revision gegen die Hilfserwägung des Berufungsgerichts erhoben hat, wonach der Beklagten die Rechtsprechung des Berufungsgerichts zu der sie treffenden Darlegungslast unter der Geltung des neuen Transportrechts bekannt sei, kommt es mithin nicht mehr an.
ff) Entgegen der Auffassung der Revision sind an die Einlassungspflicht des Fixkostenspediteurs hinsichtlich seines betrieblichen Organisationsablaufs auch dann keine geringeren Anforderungen zu stellen, wenn es sich bei ihm um einen Paketdienst handelt, bei dem es auf Massenumschlag, Massenlagerung und Massenbeförderung ankommt und dessen Kunden eine kostengünstige Abholung und Zustellung binnen 24 Stunden erwarten. Denn nach der Rechtsprechung des Senats gelten für solche Paketdienstunternehmen keine geringeren Sorgfaltsanforderungen (vgl. BGH v. 15.11.2001 - I ZR 158/99, BGHZ 149, 337 [349 ff.] = BGHReport 2002, 633 = MDR 2002, 956; Urt. v. 13.2.2003 - I ZR 128/00, BGHReport 2003, 658 = MDR 2003, 1001 = TranspR 2003, 255 [257]).
c) Auf dieser rechtlichen Grundlage hat das Berufungsgericht die Beklagte mit Recht für verpflichtet gehalten, den von der Klägerin vorgetragenen Vorwurf eines groben Organisationsverschuldens durch konkrete Angaben zum Ablauf des Warenumschlags zu entkräften. Denn nach der unangegriffen gebliebenen Feststellung des Berufungsgerichts liegt der Schadenshergang völlig im Dunkeln. Nimmt man die Weigerung der Beklagten hinzu, auch nur ansatzweise zu den von ihr gegen den Verlust von Transportgut ergriffenen Sicherheitsvorkehrungen vorzutragen, begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht angenommen hat, der von der Klägerin vorgetragene Sachverhalt biete hinreichende Rückschlüsse auf ungenügende Sicherheitsstandards, die den Schluss auf ein qualifiziertes Verschulden der Beklagten i. S. d. § 435 HGB rechtfertigten.
aa) Wenn wie im Streitfall der Schadenshergang völlig ungeklärt ist und der Frachtführer sich weigert, auch nur ansatzweise zum Organisationsablauf in seinem Betrieb vorzutragen, ist der Schluss auf ein qualifiziertes Verschulden schon auf Grund einer generalisierenden Betrachtungsweise geboten, weil der Anspruchsteller von den näheren Umständen der Behandlung des Transportgutes im Gewahrsamsbereich des Fixkostenspediteurs keine Kenntnis hat und eine solche Kenntnis auch nicht haben kann, während jener nähere Informationen in zumutbarem Umfang unschwer erteilen könnte. Unterläßt er dies, ist nicht nur der Schluss auf das objektive Tatbestandsmerkmal der Leichtfertigkeit, sondern - entgegen der Auffassung der Revision - auch der Schluss auf das subjektive Erfordernis des Bewusstseins von der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts gerechtfertigt. Denn in einem solchen Fall ist nach der allgemeinen Lebenserfahrung regelmäßig nicht nur von einer Organisation des Betriebsablaufs auszugehen, die keinen hinreichenden Schutz der zu befördernden Güter gegen ein Abhanden kommen gewährleistet und sich in krasser Weise über die Sicherheitsinteressen des Vertragspartners hinwegsetzt (vgl. BGH, Urt. v. 12.1.1982 - VI ZR 286/80, MDR 1982, 570 = TranspR 1982, 100 [101] = VersR 1982, 369; v. 21.9.2000 - I ZR 135/98, BGHZ 145, 170 [183] = BGHReport 2001, 5 = MDR 2001, 577), sondern auch von einer sich dem Handelnden aus seinem leichtfertigen Verhalten aufdrängenden Erkenntnis, es werde mit Wahrscheinlichkeit ein Schaden entstehen (vgl. hierzu BGH v. 16.2.1979 - I ZR 97/77, BGHZ 74, 162 [168]).
bb) Dieser Annahme steht nicht entgegen, dass der Verschuldensbegriff der Leichtfertigkeit in § 435 HGB, der vom Bewusstsein der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts getragen sein muss, nicht mit dem in den bisherigen transportrechtlichen Regelungen verwendeten Begriff der groben Fahrlässigkeit gleichzusetzen ist.
Die Revision weist zwar zutreffend darauf hin, dass nicht mit jedem leichtfertigen Verhalten ein Bewusstsein der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts verbunden sein muss (vgl. BGH v. 16.2.1979 - I ZR 97/77, BGHZ 74, 162 [168]). Das ändert jedoch nichts daran, dass der Schluss auf das Bewusstsein der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts auch im Rahmen typischer Geschehensabläufe nahe liegen kann. Von einem solchen typischen Geschehensablauf, der den Schluss auf das Bewusstsein der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts zulässt, ist auszugehen, wenn - wie im Streitfall - der Fixkostenspediteur über sichernde Maßnahmen in der Organisation seines Betriebs und zum Schadenshergang keinen Vortrag hält (vgl. Herber, TranspR 2003, 164 [165 f.]).
Entgegen der Auffassung der Revision widerlegt die von ihr behauptete, im Verhältnis zu der Anzahl der bei der Beklagten umgeschlagenen Pakete äußerst geringe Verlustquote für sich allein nicht die Annahme des Bewusstseins der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts. Dem steht schon entgegen, dass die Beklagte verpflichtet ist, jeglichem Verlust des in ihre Obhut gelangten Gutes durch geeignete und ausreichende Sicherheitsvorkehrungen entgegenzuwirken. Aus der geringen Verlustquote ergeben sich im Übrigen auch keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Annahme, dass in der theoretischen oder praktischen Durchführung der Organisation der Beklagten im hier maßgeblichen Zeitraum schwer wiegende Mängel nicht vorgelegen haben (vgl. BGH, Urt. v. 25.9.1997 - I ZR 156/95, MDR 1998, 788 = TranspR 1998, 262 [264 f.] = VersR 1998, 657).
cc) Auf die Rügen der Revision gegen die Hilfserwägung des Berufungsgerichts, ein leichtfertiges und vom Bewusstsein der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts getragenes Verhalten der Beklagten sei auch deshalb anzunehmen, weil ihr aus zahlreichen von ihm entschiedenen Rechtsstreitigkeiten bekannt sei, welche Sicherheitsstandards von ihr gefordert würden, und sie diese Erfahrungen nicht zum Anlass genommen habe, ihre Betriebsorganisation zu verändern, kommt es danach nicht mehr an.
3. Im Ergebnis ohne Erfolg wendet sich die Revision auch gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin müsse sich die unterlassene Wertdeklaration bei der in Verlust geratenen Sendung nicht als Mitverschulden der Absenderin anrechnen lassen.
a) Der Senat hat zur Rechtslage vor Inkrafttreten des Transportrechtsreformgesetzes am 1.7.1998 allerdings entschieden, dass ein Paketversender in einen nach § 254 Abs. 1 BGB beachtlichen Selbstwiderspruch geraten kann, wenn er trotz Kenntnis, dass der Spediteur die Sendung bei zutreffender Wertangabe mit größerer Sorgfalt behandelt, von einer Wertdeklaration absieht. Mit seinem Verzicht auf die vom Spediteur angebotenen weiter gehenden Schutzvorkehrungen setzt der Versender das Transportgut bewusst einem erhöhten Verlustrisiko aus mit der Folge, dass ihm der eingetretene Schaden bei wertender Betrachtung gem. § 254 BGB anteilig zuzurechnen ist (vgl. BGH v. 15.11.2001 - I ZR 158/99, BGHZ 149, 337 [353] = BGHReport 2002, 633 = MDR 2002, 956; Urt. v. 13.2.2003 - I ZR 128/00, BGHReport 2003, 658 = MDR 2003, 1001 = TranspR 2003, 255 [258]). Ein anspruchsminderndes Mitverschulden kann sich gem. § 254 Abs. 2 S. 1 BGB auch daraus ergeben, dass der Geschädigte es unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste (vgl. BGH v. 15.11.2001 - I ZR 158/99, BGHZ 149, 337 [353] = BGHReport 2002, 633 = MDR 2002, 956).
b) Hieran hat sich durch das Transportrechtsreformgesetz grundsätzlich nichts geändert. Maßgeblich sind nunmehr § 425 Abs. 2 und § 461 Abs. 3 HGB. Diese Bestimmungen, die den Rechtsgedanken des § 254 BGB aufgreifen und an Art. 17 Abs. 2 und 5 CMR angelehnt sind, fassen alle Fälle mitwirkenden Verhaltens des Ersatzberechtigten in einer Vorschrift zusammen (vgl. Begr. z. Gesetzentwurf d. Bundesregierung, BT-Drucks. 13/8445, 60; Dubischar in MünchKomm/HGB, Aktualisierungsband zum Transportrecht, § 425 Rz. 4; Fremuth in Fremuth/Thume, Transportrecht, § 425 HGB Rz. 2, 63; Gass in Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, § 425 Rz. 44 f.).
Zwar wird die Auffassung vertreten, dass im Falle eines qualifizierten Verschuldens des Frachtführers i. S. d. § 435 HGB die Berücksichtigung eines mitwirkenden Schadensbeitrags nach § 425 Abs. 2 HGB ausscheide, weil dann alle Haftungsbefreiungen und -begrenzungen und somit auch diejenigen des § 425 Abs. 2 HGB entfielen (vgl. Gass in Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, § 425 Rz. 48; Koller, Transportrecht, 4. Aufl., § 425 HGB Rz. 83, Art. 29 CMR Rz. 8; vgl. auch BGH, Urt. v. 27.6.1985 - I ZR 40/83, MDR 1986, 115 = TranspR 1985, 338 [340] = VersR 1985, 1060 zu Art. 17 Abs. 5u. Art. 29 CMR). Dem kann jedoch nicht beigetreten werden. Die unbeschränkte Haftung des Frachtführers gem. § 435 HGB gründet sich ausschließlich auf Umstände aus seiner Sphäre. Die Vorschrift besagt dagegen nichts über eine Mithaftung des Versenders oder Empfängers aufgrund von schadensursächlichen Umständen aus deren Bereich.
Im vorliegenden Fall kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass die unterlassene Wertdeklaration den Schaden tatsächlich mit verursacht hat (vgl. dazu BGH v. 15.11.2001 - I ZR 158/99, BGHZ 149, 337 [355] = BGHReport 2002, 633 = MDR 2002, 956; Urt. v. 8.5.2003 - I ZR 234/02, Umdr. S. 6 f.). Voraussetzung hierfür wäre, dass die Beklagte bei richtiger Wertangabe ihre Sorgfaltspflichten besser erfüllt hätte und es dann zumindest zu einer Verringerung des Verlustrisikos gekommen wäre (vgl. BGH, Urt. v. 8.5.2003 - I ZR 234/02, Umdr. S. 7). Dazu lässt sich den Feststellungen im Berufungsurteil nichts entnehmen. Die Revision macht nicht geltend, dass das Berufungsgericht einen entsprechenden Sachvortrag der Beklagten in den Tatsacheninstanzen verfahrensfehlerhaft übergangen hat.
III. Danach war die Revision mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Fundstellen