Leitsatz (amtlich)
a) Verbürgt sich ein Gesellschafter, der weder die Mehrheit der Kapitalanteile noch Geschäftsführungsbefugnis besitzt, formularmäßig umfassend für die Verbindlichkeiten aus der Geschäftsbeziehung zwischen dem Gläubiger und der Gesellschaft, beschränkt sich die Haftung auf die Kredite, die den Anlaß für den Bürgschaftsvertrag bildeten, sofern nicht gesellschaftsvertraglich sichergestellt ist, daß neue Verbindlichkeiten nicht ohne die Zustimmung des Bürgen begründet werden dürfen.
b) Ist die Haftung des Bürgen auf den Anlaßkredit beschränkt, hat er nicht für Forderungen einzustehen, die während einer nachträglich vereinbarten Verlängerungszeit des Kredits entstanden sind.
c) Haben Gläubiger und Hauptschuldner den Anlaßkredit auf eine Laufzeit von höchstens einem Jahr in der Absicht begrenzt, diese Rechtsbeziehung anschließend durch gleichartige jeweils hintereinander geschaltete Verträge fortzusetzen, umfaßt die auf den Anlaß beschränkte Haftung des Bürgen den sog. Prolongationskredit, sofern die Vertragsgestaltung für ihn ersichtlich war oder er die Haftung übernommen hat, ohne sich um den Gegenstand der Hauptschuld zu kümmern.
Normenkette
AGBG § 9; BGB § 765
Verfahrensgang
OLG Koblenz (Aktenzeichen 4 U 999/97) |
LG Mainz (Aktenzeichen 2 O 359/96) |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 9. Juni 1998 aufgehoben.
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom 10. Juni 1997 im Kostenpunkt aufgehoben und teilweise geändert:
Die Klage wird abgewiesen, soweit sie den Betrag von 77.967,42 DM zuzüglich Zinsen seit dem 7. Juli 1995 übersteigt.
Im übrigen wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die klagende Bank gewährte der KB I. mbH einen Barkredit von 10.000 DM und einen Effektenlombardkredit von 60.000 DM jeweils bis zum 30. Juni 1991. Zuvor hatte sie mit Schreiben vom 5. November 1990 das Zustandekommen der Verträge von Bürgschaften der Gesellschafter der GmbH abhängig gemacht. Durch formularmäßige Erklärung vom 12. November 1990 übernahm der Beklagte die unbeschränkte selbstschuldnerische Bürgschaft für alle bestehenden und künftigen Ansprüche der Klägerin aus der Geschäftsverbindung mit der Hauptschuldnerin. An diesem Tage stand das Konto, auf dem der Barkredit gewährt wurde, mit 17.967,42 DM im Soll.
Der Beklagte und ein Herr K. hielten die Geschäftsanteile der Gesellschaft zu je 50 %. K. war außerdem zum alleinigen Geschäftsführer bestellt. Für Kreditaufnahmen von mehr als 25.000 DM benötigte er nach dem Gesellschaftsvertrag die Zustimmung der Gesellschafter.
Mit Schreiben vom 31. Juli 1991 bestätigte die Klägerin dem Geschäftsführer, daß Kredite in dem bisherigen Umfang bis 30. Juni 1992 gewährt würden und außerdem bis 30. Oktober 1991 ein Zusatzkredit von 10.000 DM zur Verfügung gestellt werde. Am 7. Oktober 1992 kündigte die Klägerin die Verträge, die zu diesem Zeitpunkt insgesamt einen Schuldsaldo von über 124.000 DM auswiesen. Die Hauptschuldnerin hat die Forderung nur teilweise getilgt.
Die Klägerin hat den Beklagten deshalb in Höhe von 94.519,93 DM zuzüglich Zinsen seit dem 7. Juli 1995 aus der Bürgschaft in Anspruch genommen. Die Klage hatte in den Vorinstanzen Erfolg. Mit der Revision verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Klageabweisung, soweit die Klage mehr als 70.000 DM zuzüglich Zinsen umfaßt, und im übrigen zur Zurückverweisung an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht meint, die Bürgschaft sei uneingeschränkt wirksam. Der Beklagte werde als Gesellschafter der Hauptschuldnerin durch die eingegangene Verpflichtung nicht unbillig benachteiligt; denn der Geschäftsführer sei ihm jederzeit rechenschaftspflichtig. Da dessen Befugnisse bei Kreditaufnahmen im Innenverhältnis begrenzt worden seien, habe der Beklagte mit der Bürgschaft kein unübersehbares Risiko auf sich genommen.
Gegen diese Auffassung wendet sich die Revision zu Recht. Die formularmäßig vereinbarte Globalhaftung des Beklagten ist nicht wirksam geworden; sie benachteiligt ihn entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen (§ 9 AGBG).
1. Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung des Senats verstoßen Formularklauseln, die dem Bürgen eine globale Haftung für gegenwärtige und zukünftige Forderungen aus der Geschäftsverbindung des Gläubigers mit dem Hauptschuldner auferlegen, im allgemeinen gegen § 9 AGBG, weil der Bürge in der Regel keinen Einfluß darauf nehmen kann, in welchem Umfang der Hauptschuldner Verbindlichkeiten begründet. Vermag der Bürge nachträgliche Vertragserweiterungen oder die Entstehung neuer Verbindlichkeiten nicht zu verhindern, wird durch die Ausdehnung der Haftung auf alle gegenwärtigen und zukünftigen Forderungen des Gläubigers das aus § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB folgende Verbot der Fremddisposition im wirtschaftlichen Ergebnis umgangen. Die Klausel schränkt damit die Rechte des Bürgen in einer den Vertragszweck gefährdenden Weise ein (BGHZ 130, 19, 32 f; 132, 6, 8 f; BGH, Urt. v. 2. Juli 1998 - IX ZR 255/97, NJW 1998, 2815, 2816; ebenso der XI. Zivilsenat: Urt. v. 7. November 1995 - XI ZR 235/94, NJW 1996, 249). Wer dagegen aufgrund seiner Stellung als Allein- oder Mehrheitsgesellschafter oder Geschäftsführer der Hauptschuldnerin den Umfang der Kreditaufnahme bestimmen kann, wird durch eine solche Formularbestimmung in seinen schutzwürdigen Belangen nicht unbillig beeinträchtigt (BGHZ 130, 19, 30; 132, 6, 9; BGH, Beschl. v. 24. September 1996 - IX ZR 316/95, NJW 1996, 3205; Urt. v. 10. November 1998 - XI ZR 347/97, ZIP 1998, 2145).
Entgegen der Meinung des Berufungsgerichts ergibt sich aus dem Senatsurteil vom 18. Dezember 1997 (BGHZ 137, 329, 336) nichts anderes. Die Entscheidung besagt lediglich, daß es generell mit den guten Sitten vereinbar ist, Bürgschaften von Gesellschaftern für die Schulden der Gesellschaft zu verlangen. Sie behandelt nicht die Frage, unter welchen Voraussetzungen Formularklauseln, die eine Globalhaftung des Bürgen vorsehen, mit den Vorschriften der §§ 3, 9 AGBG vereinbar sind.
2. Ein Gesellschafter ohne Geschäftsführungsbefugnis hat grundsätzlich ohne weiteres die Möglichkeit zu bestimmen, in welchem Umfang die Hauptschuldnerin Kredite aufnimmt, wenn ihm die Mehrheit der Geschäftsanteile gehört.
a) Ist seine Beteiligung geringer, richtet es sich nach dem Inhalt des Gesellschaftsvertrages, welche Einflußmöglichkeiten er in dieser Frage besitzt. Selbst der Gesellschafter, der zwar die Hälfte der Anteile hält, jedoch von der Geschäftsführung ausgeschlossen ist, kann schon im Innenverhältnis rechtlich nicht ausreichend dagegen gesichert sein, daß die bestehenden Kreditverbindlichkeiten ohne oder gegen seinen Willen erweitert werden. Das zeigt gerade der Inhalt des vom Beklagten geschlossenen Gesellschaftsvertrages. Der andere zu 50 % beteiligte Gesellschafter darf als Alleingeschäftsführer nach § 10 Nr. 3 Buchst. f des Gesellschaftsvertrages ohne Zustimmung der Gesellschafter neue Darlehen bis zum Betrag von 25.000 DM aufnehmen. Dies kann gegebenenfalls auch mehrfach geschehen. Die formularmäßige weite Zweckerklärung der vom Beklagten übernommenen Bürgschaft ermöglichte es danach, daß sich seine Verpflichtungen im Laufe der Zeit in einer Weise erhöhen, die er bei Vertragsschluß nicht zu übersehen und später nicht zu steuern vermochte.
b) Solche Rechtsfolgen sollen nach der Rechtsprechung des Senats zur bürgschaftsrechtlichen Globalklausel ausgeschlossen sein. Die für Mehrheitsgesellschafter und Geschäftsführer geltende Ausnahmeregelung ist daher zum Schutz des Bürgen vor einer nicht von ihm steuerbaren Entwicklung des Umfangs seiner Haftung sowie im Interesse der Rechtsklarheit in ihrem Anwendungsbereich eng zu begrenzen. Zwar haftet nach den insolvenzrechtlichen Anfechtungsvorschriften ein zu mehr als einem Viertel beteiligter Gesellschafter verschärft (vgl. § 138 Abs. 2 Nr. 1 InsO; dazu BGHZ 129, 236, 244; 131, 189, 192 f). Die Einflußmöglichkeiten, die er aufgrund seiner Sperrminorität besitzt, sowie die ihm als Gesellschafter allgemein zustehenden Informationsrechte schützen ihn jedoch nicht davor, daß sich eine globale Bürgschaft später auf Forderungen erstreckt, die ohne oder gegen seinen Willen begründet wurden. Eine nach Erweiterung der Hauptschuld erklärte Kündigung macht die Haftung für die bis dahin entstandene Gesamtverbindlichkeit nicht mehr rückgängig. Daher können sich Gesellschafter, denen nicht die Mehrheit der Geschäftsanteile gehört, nur dann umfassend in formularmäßiger Form wirksam verbürgen, wenn gesellschaftsrechtlich sichergestellt ist, daß Erweiterungen von Verbindlichkeiten der Gesellschaft gegenüber dem Gläubiger nicht ohne ihre Mitwirkung erfolgen dürfen. Berechtigte Belange der kreditgebenden Gläubiger werden dadurch nicht verletzt; denn ihnen ist es in solchen Fällen zumutbar, sich rechtzeitig über die Rechtsstellung des Bürgen nach dem Gesellschaftsvertrag Klarheit zu verschaffen.
3. Der Beklagte ist infolgedessen nicht einem Mehrheitsgesellschafter gleichzustellen. Seine Haftung beschränkt sich auf die Forderungen, die den Anlaß zur Bürgschaft gaben (vgl. Senatsurt. v. 2. Juli 1998 - IX ZR 255/97, NJW 1998, 2815, 2816 m.w.N.).
II.
Das angefochtene Urteil beruht daher auf einem Rechtsfehler; es erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig.
1. Den Anlaß für die Erteilung der Bürgschaft bildeten der Barkredit von 10.000 DM sowie der Effektenlombardkredit von 60.000 DM. Die Klägerin hat mit Schreiben vom 5. November 1990 die Inanspruchnahme dieser Darlehen unter anderem von der Bürgschaft des Beklagten abhängig gemacht, welche daraufhin am 12. November 1990 erklärt wurde. Die Klägerin hat nicht behauptet, daß dem Beklagten gegenüber das Verlangen nach Übernahme der Haftung anders begründet worden sei. Hat sich der Bürge in dieser Hinsicht keine Gedanken gemacht, war ihm also nicht bekannt, welche konkreten Forderungen des Gläubigers im Zusammenhang mit dem Bürgschaftsvertrag gegen den Hauptschuldner entstanden, ist der Anlaß objektiv nach dem damaligen Sicherungsbedürfnis zu bestimmen (BGHZ 130, 19, 33 f; 132, 6, 9). Die Haftung des Beklagten erfaßt daher in jedem Fall die beiden im Schreiben der Klägerin vom 5. November 1990 bezeichneten Kredite. Bei Abschluß des Bürgschaftsvertrages wies das Konto, auf dem der Barkredit von 10.000 DM gewährt wurde, einen Sollstand von 17.967,42 DM auf. Ob deshalb eine über den Betrag von 10.000 DM hinausgehende weitere Forderung von 7.967,42 DM ebenfalls Anlaß für die Verbürgung des Beklagten war, wird das Berufungsgericht noch aufzuklären haben. Dagegen ist das im Jahre 1991 zusätzlich vereinbarte Darlehen von 10.000 DM nicht von der Bürgschaft des Beklagten gedeckt.
2. Die Laufzeit der zunächst gewährten Darlehen war bis zum 30. Juni 1991 begrenzt. Mit Schreiben vom 31. Juli 1991 hat die Klägerin der Hauptschuldnerin bestätigt, daß ihr zwei Kredite in dem vorbezeichneten Umfang bis zum 30. Juni 1992 zur Verfügung stehen. Ob der Beklagte dafür einzustehen hat, läßt sich nach dem für die revisionsrechtliche Beurteilung maßgeblichen Sach- und Streitstand nicht abschließend beurteilen.
a) Sollten durch die im Juli 1991 vom Hauptschuldner mit dem Gläubiger getroffenen Abreden die ursprünglichen Verträge fortgesetzt, also lediglich in ihrer Laufzeit verlängert werden, sind die Rechtsfolgen eines solchen Rechtsgeschäfts ebenfalls für den Bürgen unverbindlich. Dem kann nicht entgegengehalten werden, eine Vertragsverlängerung liege häufig im Interesse des Sicherungsgebers, der anderenfalls mit seiner alsbaldigen Inanspruchnahme durch den Kreditgläubiger rechnen müsse. Die Vertragsverlängerung bringt für den Bürgen nicht ohne weiteres einen wirtschaftlichen Vorteil. Sie kann vielmehr im Einzelfall dessen Risiko dadurch wesentlich erhöhen, daß die bei Ablauf der ursprünglich vereinbarten Vertragsausdauer aus §§ 774 Abs. 1, 769 BGB zur Verfügung stehenden Regreßmöglichkeiten später wesentlich an Wert verlieren. Der Bürge, der keine Zeitbürgschaft vereinbart hat, kann solche mit der Laufzeit der gesicherten Hauptschuld verbundenen Nachteile in der Regel nicht vermeiden. Daher ist es gerechtfertigt, daß er ohne eine entsprechend konkretisierte Ergänzung seiner Willenserklärung nicht für Verbindlichkeiten einzustehen hat, die erst während der Verlängerung des Kreditvertrages entstanden sind. Das betrifft alle Forderungen, durch die sich der am ursprünglich vereinbarten Schlußtag begründete Anspruch aus der Hauptschuld später erhöht hat, also insbesondere die vertraglichen Zinsen, und gewinnt Bedeutung, wenn der von der Bürgschaft gedeckte Kredit zum Zeitpunkt des zunächst vereinbarten Vertragsendes nicht voll valutiert war. In diesem Falle kommt es somit darauf an, welche Forderungen der Klägerin gegen die Gesellschaft aus dem Anlaßkredit am 30. Juni 1991 begründet waren und in welcher Höhe diese Ansprüche jetzt noch fortbestehen.
b) Die Verpflichtung des Bürgen beschränkt sich grundsätzlich auf den Anlaßkredit mit dem Inhalt, den er zu dem Zeitpunkt hatte, als die Haftung übernommen wurde. Da die Verbindlichkeiten des Bürgen nicht durch ein zeitlich nachfolgendes Rechtsgeschäft zwischen Gläubiger und Bürgen erweitert werden können (§ 767 Abs. 1 Satz 3 BGB), werden die im Jahre 1991 ausgereichten Kredite, die dem Umfang nach mit den im Jahre 1990 vereinbarten übereinstimmen, nicht durch die Bürgschaft des Beklagten gesichert, sofern es sich dabei um neue, selbständige Verträge handelt, die zugleich die Forderungen aus den im Jahre 1990 gewährten Darlehen zum Erlöschen brachten. Wurden also neue Verbindlichkeiten begründet, die bei Erteilung der Bürgschaft noch nicht bestanden und damals auch nicht als zukünftige Rechtsgeschäfte in die Verhandlungen einbezogen worden waren, welche der Kreditgewährung vorausgingen, haftet der Bürge nicht schon deshalb, weil die neuen Vereinbarungen inhaltlich mit den Erstverträgen, abgesehen von der Laufzeit, identisch sind.
c) Häufig vereinbaren Gläubiger und Hauptschuldner allerdings nur deshalb eine Laufzeit des Darlehens bis zu einem Jahr, weil nach den vom Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen zu § 10 KWG erlassenen Grundsätzen bei der Bemessung, in welchem Umfang die Kreditinstitute haftendes Eigenkapital haben müssen, Kreditzusagen mit einer Bindungszeit von nicht mehr als einem Jahr unberücksichtigt bleiben (vgl. dazu R. Fischer in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch § 129 Rdnr. 28 ff) und entsprechende Darlehen deshalb besonders zinsgünstig gewährt werden können. Dabei sind die Vertragsparteien sich von vorneherein einig, den Vertrag in Zukunft mehrfach um dieselbe Zeit zu verlängern, also mehrere hintereinander geschaltete Jahresverträge abzuschließen. Zwar begründen auch dann spätere Kreditverträge aus der Sicht bei Erteilung der Bürgschaft lediglich zukünftige Forderungen. Deren Inhalt ist in diesem Falle jedoch nach Grund und Umfang von vorneherein genau abgesteckt und das Bürgenrisiko damit gegenständlich eindeutig beschrieben. Unter solchen Voraussetzungen können zukünftige Ansprüche wirksam formularmäßig verbürgt werden (vgl. Senatsurt. v. 13. Juni 1996 - IX ZR 229/95, WM 1996, 1391, 1392).
War für den Bürgen aus den vorausgegangenen Verhandlungen oder den ihm zugänglich gemachten Unterlagen ersichtlich, daß Gläubiger und Hauptschuldner eine in der beschriebenen Weise gestaltete sogenannte Prolongation des nur auf ein Jahr geschlossenen Vertrages vorgesehen hatten, erstreckt sich die Verpflichtung des Bürgen auch auf die in der Form neuer Jahresverträge entstehenden zukünftigen Forderungen. Ist der Anlaß der Verbürgung rein objektiv zu bestimmen, weil der Bürge die Haftung übernommen hat, ohne sich um den Gegenstand der Hauptschuld zu kümmern (vgl. BGHZ 130, 19, 33 f; 132, 6, 9), umfaßt seine Verpflichtung auch den sog. Prolongationskredit, sofern Gläubiger und Hauptschuldner schon bei Erteilung der Bürgschaft eine solche Gestaltung ihrer Rechtsbeziehungen gewollt hatten.
3. Da die Parteien in den Vorinstanzen nicht erkannt haben, wie im Streitfall der Anlaß der Verbürgung zu bestimmen ist und welche Tatsachen dafür wesentlich sind, müssen sie noch Gelegenheit erhalten, dazu ergänzend vorzutragen.
III.
1. Die Klage ist daher in Abänderung der ergangenen Urteile abzuweisen, soweit sie über den Betrag von 77.967,42 DM zuzüglich Zinsen seit dem 7. Juli 1995 hinausgeht. Im übrigen ist die Sache an das Berufungsgericht zur Prüfung, ob der geltend gemachte Anspruch von der Bürgschaft gedeckt ist, zurückzuverweisen.
2. Sollte das Berufungsgericht danach wiederum einen Anspruch der Klägerin bejahen, scheitert die Inanspruchnahme des Beklagten nicht daran, daß die Klägerin den Kredit erst am 7. Oktober 1992 gekündigt hat, obwohl der Kurswert des der Klägerin von der Hauptschuldnerin zur Verfügung gestellten Wertpapierdepots, das nach den getroffenen Vereinbarungen den Wert des Effektenlombardkredits in vollem Umfang decken sollte, am 7. November 1991 lediglich noch 21.000 DM betrug.
a) Die Klägerin hat die Hauptschuldnerin aufgefordert, die Unterdeckung zu beseitigen. Dadurch, daß sie die Nichterfüllung dieser Verpflichtung mehrere Monate lang hingenommen hat, hat die Klägerin nicht bereits eine Sicherheit im Sinne des § 776 BGB aufgegeben. Die Voraussetzungen dieser Norm sind erst dann erfüllt, wenn der Gläubiger auf eine Verwertungsmöglichkeit verzichtet oder jedenfalls bewußt deren wirtschaftlichen Wert beseitigt (vgl. Palandt/Sprau, BGB 58. Aufl. § 776 Rdnr. 3; OLG Köln NJW 1990, 3214).
b) Zwar kann der Gläubiger, der es schuldhaft versäumt hat, dem Hauptschuldner gegenüber die Maßnahmen zu ergreifen, die ohne den Bürgschaftsvertrag zur Wahrung der eigenen Interessen geboten gewesen wären, nach Treu und Glauben gehindert sein, den Bürgen in Anspruch zu nehmen (BGH, Urt. v. 30. März 1995 - IX ZR 98/94, WM 1995, 900, 903). Ob das Verhalten der Klägerin hier einen solchen Vorwurf rechtfertigt, kann dahingestellt bleiben; denn dem Bürgen steht nur dann ein entsprechender Einwand gegen seine Inanspruchnahme zu, wenn der Gläubiger bei sachgerechtem Vorgehen gegen den Hauptschuldner den noch offenen Hauptanspruch zumindest teilweise hätte realisieren können. Der Beklagte hat nicht vorgetragen, daß die Klägerin mit geeigneten Maßnahmen eine Wiederauffüllung des Depots erreicht oder durch eine früher ausgesprochene Kündigung ihre Forderung gegen die Gesellschaft in weitergehendem Umfang durchgesetzt hätte.
Unterschriften
Paulusch, RiBGH Kirchhof ist beurlaubt und verhindert zu unterschreiben. Paulusch, Fischer, RiBGH Dr. Zugehör ist beurlaubt und verhindert zu unterschreiben. Paulusch, RiBGH Dr. Ganter ist beurlaubt und verhindert zu unterschreiben. Paulusch
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 15.07.1999 durch Bürk Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 539292 |
BGHZ |
BGHZ, 213 |
BB 1999, 1994 |
DB 1999, 1895 |
NJW 1999, 3195 |
NWB 1999, 3574 |
EBE/BGH 1999, 284 |
GmbH-StB 1999, 279 |
NJW-RR 1999, 1568 |
EWiR 1999, 1001 |
KTS 1999, 513 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 1999, 1761 |
WuB 2000, 211 |
ZAP 1999, 909 |
ZIP 1999, 1480 |
DNotZ 2000, 273 |
JZ 2000, 464 |
MDR 1999, 1337 |
GmbHR 1999, 975 |
ZBB 1999, 309 |