Leitsatz (amtlich)
Ein mit einer Kommanditgesellschaft abgeschlossener, aber fehlerhafter Anstellungsvertrag als Geschäftsführer ist für die Dauer der Beschäftigung des Betroffenen so zu behandeln, als wäre der Vertrag wirksam.
Normenkette
HGB § 114 Abs. 1, § 161 Abs. 2, § 164
Verfahrensgang
OLG Celle (Urteil vom 21.07.1993) |
LG Hannover (Urteil vom 14.01.1992) |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 21. Juli 1993 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als seine Berufung gegen das Urteil der 14. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 14. Januar 1992 wegen der den Betrag von 6.939,47 DM übersteigenden Verurteilung zurückgewiesen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger verlangt als Konkursverwalter der A. GmbH & Co.-Produktions KG die Rückzahlung eines Darlehens, das die Gemeinschuldnerin dem Beklagten gewährt hat. Der Beklagte, der bis 30. September 1990 als Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin tätig war, hat mit Gegenforderungen aufgerechnet, vor allem mit Gehalts- und Tantiemeansprüchen.
Das Landgericht hat der Klage überwiegend stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Beklagte die Aufrechnung weiter, soweit er zur Zahlung eines höheren Betrages als 6.939,47 DM verurteilt worden ist.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt im Umfang des Rechtsmittels zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Das Berufungsgericht geht davon aus, daß der Gemeinschuldnerin gegen den Beklagten noch eine Darlehensrückzahlungsforderung von 70.413,20 DM zusteht und den vom Beklagten zur Aufrechnung gestellten Schadensersatzansprüchen § 55 Abs. 1 Satz 2 KO entgegensteht. Dies nimmt die Revision hin. Sie verfolgt die Aufrechnung jedoch weiter, soweit sich diese auf – streitige – Tantiemeansprüche für die Jahre 1988 und 1989 in Höhe von 63.473,73 DM bezieht. Damit hat die Revision Erfolg.
II. Das Berufungsgericht vertritt die Auffassung, dem Beklagten stünden Tantiemeansprüche schon deshalb nicht zu, weil der Anstellungsvertrag vom 23. Dezember 1987 nicht wirksam zustande gekommen sei. Die hiergegen erhobenen Rügen der Revision haben Erfolg.
1. Dem Berufungsgericht ist allerdings darin zuzustimmen, daß der Anstellungsvertrag gegen § 181 BGB verstieß.
Die Geschäftsführung der A. GmbH & Co. KG oblag ihrer persönlich haftenden Gesellschafterin (§§ 161 Abs. 2, 114 Abs. 1, 164 HGB), der A.-V.-GmbH, welche durch ihren Geschäftsführer, den Beklagten, handelte (§§ 6, 35 Abs. 1 GmbHG). Der Gesellschaftsvertrag der KG sieht eine Befreiung von dem Verbot des Selbstkontrahierens nicht vor. Der Anstellungsvertrag vom 23. Dezember 1987 wurde trotzdem zwischen der KG, vertreten durch die persönlich haftende Gesellschafterin, für die der Beklagte handelte, auf der einen Seite und dem Beklagten auf der anderen Seite geschlossen. Dies verstieß gegen § 181 BGB (vgl. auch Sen.Urt. v. 1. Dezember 1969 – II ZR 224/67, WM 1970, 249, 251).
Allerdings befreite § 1 des Anstellungsvertrages den Beklagten von dem Verbot des Selbstkontrahierens. Hierin liegt jedoch eine Änderung des Gesellschaftsvertrages der KG. Einer solchen Änderung des Gesellschaftsvertrages haben die Gesellschafter der KG nicht zugestimmt.
2. Es kann offenbleiben, ob daraus folgt, daß der gesamte Vertrag nichtig ist, oder ob der Anstellungsvertrag auch ohne die umfassende Befreiung von § 181 BGB geschlossen worden wäre und die Gesellschafter der KG einer einmaligen Durchbrechung des Verbots des Selbstkontrahierens im Wege eines ad-hoc-Beschlusses zugestimmt haben. Die Revision hat schon aus einem anderen Grunde Erfolg.
Im Recht der GmbH ist die Figur des „faktischen Geschäftsführers” anerkannt. Ist der Anstellungsvertrag mit einem Mangel behaftet, ist er insbesondere unwirksam, so ist für die Rechtsfolgen danach zu unterscheiden, ob der Geschäftsführer seine Tätigkeit bereits aufgenommen hat oder nicht. Vor der Aufnahme der Dienstgeschäfte kann sich jede Seite jederzeit auf den Vertragsmangel berufen. Hat der Geschäftsführer seine Tätigkeit aber auf der Grundlage des geltungslosen Anstellungsvertrages aufgenommen und geschah dies mit Wissen des für den Vertragsabschluß zuständigen Gesellschaftsorgans oder auch nur eines Organmitglieds (vgl. BGHZ 41, 282, 287 – betr. unwirksamen Anstellungsvertrag eines Vorstandsmitglieds einer AG), ist diese Vereinbarung für die Dauer der Geschäftsführertätigkeit so zu behandeln, als wäre sie mit allen gegenseitigen Rechten und Pflichten wirksam (vgl. BGHZ 41, 282, 287 f.; 65, 190, 194; Sen.Urt. v. 8. März 1973 – II ZR 134/71, WM 1973, 506; Scholz/Schneider, GmbHG, 8. Aufl. § 35 Rdn. 248 m.w.N.). Denn eine Rückabwicklung nach Bereicherungsrecht wäre nicht nur schwierig, sondern würde auch und vor allem den Geschäftsführer, der seinem Amt entsprechend gearbeitet hat, schwer beeinträchtigen. Ihm stehen deshalb für die Dauer seiner Beschäftigung Bezüge in der versprochenen und nicht bloß in angemessener Höhe zu (BGHZ 41, 282, 289 f.; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 13. Aufl. § 6 Anh. Rdn. 68; Baums, Der Geschäftsleitervertrag, 1987, S. 195 ff.). Diese Grundsätze finden angesichts der gleichen Interessenlage auch dann Anwendung, wenn der Geschäftsführer der persönlich haftenden GmbH auch mit der KG einen Anstellungsvertrag schließt. Auch der Kommanditgesellschaft obliegt gegenüber demjenigen, den sie ohne oder ohne wirksamen Anstellungsvertrag beschäftigt, eine Fürsorgepflicht, und diese Pflicht verbietet es, den Ausgleich über die für die ungerechtfertigte Bereicherung maßgebenden Vorschriften zu suchen.
III. Damit die erforderlichen weiteren Feststellungen getroffen werden können, wird die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Unterschriften
Boujong, Dr. Hesselberger, Dr. Henze, Stodolkowitz, Dr. Greger
Fundstellen
Haufe-Index 714208 |
BB 1995, 536 |
NJW 1995, 1158 |
BGHR |
Nachschlagewerk BGH |
ZIP 1995, 377 |
GmbHR 1995, 306 |