Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerrückerstattung bei Insolvenzanfechtung
Leitsatz (amtlich)
a) Der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz nach § 133 Abs. 1 S. 1 InsO setzt kein unlauteres Zusammenwirken von Schuldner und Gläubiger voraus.
b) Von einem Gläubiger, der Umstände kennt, die zwingend auf eine mindestens drohende Zahlungsunfähigkeit schließen lassen, ist zu vermuten, dass er auch die drohende Zahlungsunfähigkeit selbst kennt.
Normenkette
InsO § 133 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
Nachgehend
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 3. Zivilsenats des OLG Stuttgart v. 13.11.2002 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger verlangt als Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der F. GmbH (nachfolgend: Schuldnerin) im Wege der Insolvenzanfechtung Rückgewähr von Steuerzahlungen, welche die Schuldnerin in der Zeit v. 25.4.bis 7.11.2000 an das Finanzamt L. erbracht hat.
Am 18.4.2000 trafen die Schuldnerin und das Finanzamt L. eine Ratenzahlungsvereinbarung über rückständige Steuern der Schuldnerin. Danach verpflichtete sich diese, auf die rückständigen Steuern 50.000 DM sofort und Raten i. H. v. 12.500 DM in den Monaten Mai, Juni und Juli und den Restbetrag im August 2000 zu erbringen. In Erfüllung dieser Vereinbarung zahlte die Schuldnerin an das Finanzamt am 25.4.2000 50.000 DM und am 20.5.2000 12.500 DM. Nachdem weitere Zahlungen ausblieben, erließ das Finanzamt am 1.8.2000 gegen die Schuldnerin eine Pfändungsverfügung. Daraufhin bat ein von der Schuldnerin beauftragter Rechtsanwalt um Vollstreckungsaufschub u. a. mit dem Hinweis auf eine am 7.8.2000 von der Schuldnerin erbrachte Vorauszahlung auf Umsatz- und Lohnsteuer i. H. v. 44.023,81 DM. Diesen Vollstreckungsaufschub gewährte das Finanzamt am 9.8.2000 unter der Bedingung, dass ab 15.9.2000 monatlich 7.000 DM zur Tilgung der Steuerschulden der Schuldnerin und 3.000 DM zur Tilgung einer persönlichen Steuerschuld des Geschäftsführers der Schuldnerin gezahlt würden; gegen diesen hatte das Finanzamt L. im Dezember 1999 eine Pfändungsverfügung wegen von diesem persönlich geschuldeter rückständiger Steuern i. H. v. 66.837,30 DM erlassen. Daraufhin bezahlte die Schuldnerin am 15.9.2000 10.000 DM und am 7.11.2000 7.000 DM an das Finanzamt.
Auf Antrag einer Allgemeinen Ortskrankenkasse v. 18.12.2000 wurde durch Beschl. v. 1.3.2001 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.
Mit der Klage hat er wegen der vorgenannten und weiterer Zahlungen an das Finanzamt zunächst 152.933,93 DM verlangt. In der Berufungsinstanz hat er die Klage auf den Betrag von 61.622,85 EUR (= 120.523,81 DM) beschränkt.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung hatte nur wegen der Zahlung v. 7.11.2000 Erfolg. Mit der - zugelassenen - Revision verfolgt der Kläger seinen Berufungsantrag wegen der früheren Zahlungen weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers führt zur Zurückverweisung der Sache.
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
Eine Anfechtung gem. § 133 InsO wegen der Zahlungen, die außerhalb des Dreimonatszeitraums des § 131 Abs. 1 Nr. 2 und 3 InsO vorgenommen worden seien, scheide aus, da es dem Kläger nicht gelungen sei, den Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin darzulegen. Der Kläger könne sich nicht darauf berufen, dass sich diese Zahlungen als inkongruente Deckungshandlungen darstellten, weil sie zur Abwendung einer drohenden Zwangsvollstreckung erbracht worden seien. Eine inkongruente Deckung komme vielmehr nur dann in Betracht, wenn die zur Abwendung der Zwangsvollstreckung geleisteten Zahlungen innerhalb des Dreimonatszeitraums des § 131 Abs. 1 Nr. 2 und 3 InsO erfolgt seien. Bis auf die Zahlung v. 7.11.2000 seien alle anderen Zahlungen außerhalb dieses Zeitraums erbracht worden, so dass sie als kongruente Deckungshandlungen anzusehen seien. Bei solchen Handlungen komme eine Anfechtung gem. § 133 InsO nur in Betracht, wenn ein unlauteres Handeln vorliege. Dazu habe der Kläger aber nichts vorgetragen, sodass die Anfechtung nur bezüglich der Zahlung v. 7.11.2000 gem. § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO erfolgreich sei.
II.
Diese Erwägungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Der Kläger hat die Voraussetzung der Vorsatzanfechtung gem. § 133 Abs. 1 InsO schlüssig dargelegt. Soweit das beklagte Land sich dagegen rechtserheblich verteidigt, sind tatrichterliche Feststellungen erforderlich.
1. a) Voraussetzung der Anfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO ist, dass der Schuldner die Rechtshandlung mit Benachteiligungsvorsatz vorgenommen hat. Die Beweislast für den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners liegt ebenso wie für die übrigen Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 S. 1 InsO beim Insolvenzverwalter (Kreft in HK-InsO, 2. Aufl,. § 133 Rz. 12; Kirchhof in MünchKomm/InsO, § 133 Rz. 22). Der Tatrichter hat sich seine Überzeugung nach § 286 ZPO zu bilden und dabei das entscheidungserhebliche Parteivorbringen, das Ergebnis einer Beweisaufnahme und Erfahrungssätze zu berücksichtigen (BGH v. 11.11.1993 - IX ZR 257/92, BGHZ 124, 76 [82] = MDR 1994, 468; v. 23.11.1995 - IX ZR 18/95, BGHZ 131, 189 [195, 196] = MDR 1996, 271). Zur Feststellung eines Benachteiligungsvorsatzes hat die Rechtsprechung im Laufe der Zeit bestimmte aus der Lebenserfahrung abgeleitete Grundsätze entwickelt. Hat der Schuldner eine inkongruente Deckung vorgenommen, auf die der Begünstigte keinen Rechtsanspruch hatte, so kann darin regelmäßig ein (starkes) Beweisanzeichen für einen Benachteiligungsvorsatz liegen (BGH, Urt. v. 15.12.1990 - IX ZR 149/88, MDR 1990, 915 = ZIP 1990, 459 [460]; Urt. v. 26.7.1997 - IX ZR 203/96, MDR 1997, 959 = ZIP 1997, 1509 [1510]).
b) Hier hat das Berufungsgericht zwar rechtlich zutreffend die noch im Streit befindlichen Zahlungen der Schuldnerin nicht als inkongruente Deckungsgeschäfte gewertet. Diese Zahlungen, die sämtlich vor dem Dreimonatszeitraum des § 131 Abs. 1 Nr. 2 und 3 InsO erfolgten, können selbst dann nicht als inkongruent angesehen werden, wenn sie zur Abwendung von drohenden Zwangsvollstreckungsmaßnahmen geleistet werden. Der Senat hat - in Übereinstimmung mit der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts - entschieden, dass eine Leistung, die der Schuldner dem Gläubiger auf eine fällige Forderung früher als drei Monate vor dem Eröffnungsantrag gewährt, nicht bereits deshalb eine inkongruente Deckung darstellt, weil sie zur Vermeidung einer unmittelbar bevorstehenden Zwangsvollstreckung erfolgt (BGH, Urt. v. 27.5.2003 - IX ZR 169/02, z.V.b. in BGHZ; Urt. v. 17.7.2003 - IX ZR 215/02, z.V.b.).
c) Unzutreffend ist hingegen die Auffassung des Berufungsgerichts, dass es dem Kläger nicht gelungen sei, den Benachteiligungsvorsatz auf anderem Wege darzulegen. Insoweit genügt auch bei einer kongruenten Deckung bedingter Vorsatz (BGH, Urt. v. 27.5.2003 - IX ZR 169/02, z.V.b. in BGHZ).
aa) Nicht zu beanstanden ist zwar der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, dass bei einem kongruenten Deckungsgeschäft, bei dem der Schuldner dem Gläubiger nur das gewährt, worauf dieser ein Anspruch hatte, erhöhte Anforderungen an die Darlegung und den Beweis des Benachteiligungsvorsatzes zu stellen sind.
Dieser besteht, wenn der Schuldner mit kongruenten Zahlungen wenigstens mittelbar auch die Begünstigung des Gläubigers bezweckt. Dies liegt insbesondere dann nahe, wenn der Schuldner mit der Befriedigung gerade dieses Gläubigers Vorteile für sich erlangen oder Nachteile von sich abwenden will. Einem Schuldner, der weiß, dass er nicht alle seine Gläubiger befriedigen kann und der Forderungen eines einzelnen Gläubigers vorwiegend deshalb erfüllt, um diesen von der Stellung eines Insolvenzantrages abzuhalten, kommt es nicht in erster Linie auf die Erfüllung seiner gesetzlichen oder vertraglichen Pflichten, sondern auf die Bevorzugung dieses einzelnen Gläubigers an; damit nimmt er die Benachteiligung der Gläubiger im Allgemeinen in Kauf (vgl. BGH, Urt. v. 27.5.2003 - IX ZR 169/02, z.V.b. in BGHZ).
Das Berufungsgericht hat im Anschluss an ältere Rechtsprechung auch des erk. Senates (vgl. BGH BGHZ 12, 232 [238]; v. 21.1.1993 - IX ZR 275/91, BGHZ 121, 179 [185] = MDR, 1993, 526 m. w. N.) angenommen, dass bei kongruenten Deckungsgeschäften der Vorsatz nur dann bejaht werden könne, wenn ein unlauteres Zusammenwirken zwischen Schuldner und Gläubiger vorliege. Diese Abgrenzungsregel geht auf die Fassung des § 31 KO zurück, der seinem Wortlaut nach eine Benachteiligungsabsicht voraussetzte. Für § 133 InsO, der ausdrücklich einen Benachteiligungsvorsatz ausreichen lässt, greift sie insoweit zu kurz, als ein unlauteres Zusammenwirken zwischen Gläubiger und Schuldner nicht der einzige Fall ist, in dem der Schuldner die Benachteiligung der anderen Gläubiger billigt. Die tatsächliche Vermutung, dass es dem Schuldner vorrangig auf die Erfüllung seiner Zahlungspflicht ankommt, kann auch durch andere Umstände erschüttert werden, deren Unlauterkeit zweifelhaft sein mag, etwa einen zwar gesetzmäßigen, aber massiven Druck des sodann begünstigten Gläubigers. Soweit der angeführten Rechtsprechung eine weiter gehende Einschränkung entnommen werden könnte, gibt der Senat sie jedenfalls für den Anwendungsbereich des § 133 InsO auf.
bb) Danach erschöpft die gegenteilige Sichtweise des Berufungsgerichts den entscheidungserheblichen Vortrag des Klägers nicht (§ 286 ZPO). Dieser hat unter Beweisantritt vorgetragen, dass der Geschäftsführer der Schuldnerin am 12.4.2000 und am 18.4.2000 den Beamten des beklagten Landes gegenüber erklärt habe, er sei "illiquide" bzw. "zahlungsunfähig". Der Mitarbeiter des beklagten Landes, K. , habe dem Geschäftsführer der Schuldnerin bei einem weiteren Gespräch am 18.4.2000 erklärt, dass er, wenn die Schuldnerin nicht bis Montag der kommenden Woche 50.000 DM zahle, die "Bude dicht" mache; käme das Geld nicht, würden die 36 Mitarbeiter zumindest ein "geregeltes Einkommen über das Arbeitslosengeld" beziehen können.
Aus diesem Vortrag lässt sich ein starkes Beweisanzeichen für einen Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin bei den Zahlungen ab 25.4.2000 entnehmen. Die Erklärung, nicht zahlen zu können, bedeutet eine Zahlungseinstellung (vgl. BGH, Urt. v. 1.3.1984 - IX ZR 34/83, MDR 1984, 934 = ZIP 1984, 809 [810, 811]; RG SeuffA 38 [1882] Nr. 88; OLG Dresden SeuffA 37 [1881] Nr. 178; Jaeger/Henckel, § 30 Rz. 14, 17) und indiziert damit eine Zahlungsunfähigkeit (§ 17 Abs. 2 InsO). Daran ändert es hier nichts, dass der Geschäftsführer der Schuldnerin diese Erklärung als Drittschuldner abgegeben hat. Denn er leugnete nicht, dass die Schuldnerin auf Grund der Pfändungsverfügung des beklagten Landes v. 22.12.1999 zu weitaus höheren Zahlungen verpflichtet war. Die Vermutung, dass die Schuldnerin zahlungsunfähig war, wird auch nicht dadurch ausgeräumt, dass sie nachträglich noch die hier angefochtenen Zahlungen an das beklagte Land leistete. Der Zahlungsunfähigkeit steht es nicht entgegen, dass der Schuldner noch einzelne - sogar beträchtliche - Zahlungen leistet, sofern die unerfüllt gebliebenen Verbindlichkeiten nicht unwesentlich sind (BGH, Urt. v. 31.3.1982 - 2 StR 744/81, MDR 1982, 686 = NJW 1982, 1952 [1954]; Urt. v. 10.1.1985 - IX ZR 4/84, MDR 1985, 932 = NJW 1985, 1785; Urt. v. 25.9.1997 - IX ZR 231/96, MDR 1997, 1139 = NJW 1998, 607 [608]). Ein Schuldner, der in Kenntnis seiner Zahlungsunfähigkeit im Allgemeinen noch einzelne Gläubiger befriedigt, rechnet zwangsläufig mit der dadurch eintretenden Benachteiligung der anderen Gläubiger, für die damit weniger übrig bleibt. Er nimmt dies jedenfalls dann billigend in Kauf, wenn er damit den begünstigten Gläubiger von der Stellung eines Insolvenzantrages abhalten will (vgl. BGH, Urt. v. 27.5.2003 - IX ZR 169/02, unter II. 3c z.V.b. in BGHZ) der Entscheidungsgründe).
2. Weiterhin setzt die Vorsatzanfechtung gem. § 133 Abs. 1 InsO voraus, dass "der andere Teil", d. h. der Anfechtungsgegner, zurzeit der Handlung (§ 140 InsO) den Vorsatz des Schuldners kannte. Der Antragsgegner muss mithin gewusst haben, dass die Rechtshandlung des Schuldners dessen Gläubiger benachteiligt und dass der Schuldner dies auch wollte. Nach § 133 Abs. 1 S. 2 InsO wird die Kenntnis des anderen Teils vermutet, wenn er wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners i. S. d. § 18 Abs. 2 InsO drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte. Das Wissen des Antragsgegners von der drohenden Zahlungsunfähigkeit und der Gläubigerbenachteiligung hat der Insolvenzverwalter zu beweisen (vgl. Gerhardt/Kreft, Aktuelle Probleme der Insolvenzanfechtung, 8. Aufl., Rz. 425).
Auch hierzu hat der Kläger schlüssig vorgetragen. Aus der von ihm behaupteten Mitteilung des Geschäftsführers der Schuldnerin über deren Zahlungsunfähigkeit an die Mitarbeiter des beklagten Landes am 12.4.und 18.4.2000 sowie der behaupteten Drohung des Zeugen K. , die Bude dicht machen zu wollen, ergibt sich, dass dieser die Mitteilung über die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin genutzt hat, die Schuldnerin unter Druck zu setzen, um mit deren Einverständnis eine bevorzugte Befriedigung des beklagten Landes vor allen anderen Gläubigern zu erreichen.
III.
Das angefochtene Urteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis zutreffend (§ 561 ZPO). Soweit das beklagte Land der Ansicht ist, es könne bezüglich der Zahlung v. 25.4.2000i. H. v. 40.000 DM keine Gläubigerbenachteiligung vorliegen, weil dieser Betrag unstreitig aus Privatvermögen erbracht worden sei, kann sie damit nicht durchdringen. Das Geld ist - soweit dargetan - zunächst in das Vermögen der GmbH gelangt. Die Voraussetzungen einer Treuhand zu Gunsten der Geldgeber sind nicht vorgetragen (vgl. BGH, Urt. v. 7.2.2002 - IX ZR 115/99, BGHReport 2002, 524 = MDR 2002, 844 = ZIP 2002, 489 [490]; Urt. v. 27.5.2003 - IX ZR 169/02, unter II. 3c z.V.b. in BGHZ).
Das Urteil ist daher aufzuheben (§ 562 ZPO). Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO), da sie nicht zur Entscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Das beklagte Land ist dem schlüssigen, mit Beweisantritten versehenen Vorbringen des Klägers in rechtserheblicher Weise entgegengetreten, so dass die entsprechenden Feststellungen durch das Berufungsgericht nachgeholt werden müssen.
IV.
Sollte der Kläger seine Behauptungen über den Inhalt der Gespräche im April 2000 nicht beweisen können, wird das Berufungsgericht Folgendes zu bedenken haben:
1. Wie bereits dargestellt [s. unter II. 1. c) bb)], ist es ein starkes Beweiszeichen für einen Benachteiligungsvorsatz, wenn ein Schuldner zur Vermeidung einer unmittelbar bevorstehenden Zwangsmaßnahme an einen einzelnen Gläubiger leistet, obwohl er auf Grund seiner Zahlungsunfähigkeit weiß, dass er nicht mehr alle seine Gläubiger befriedigen kann und infolge der Zahlung an einen einzelnen Gläubiger andere Gläubiger benachteiligt werden.
Unstreitig hat das beklagte Land am 1.8.2000 eine Pfändungsverfügung erlassen, die nach der unter Beweis gestellten Darlegung des Klägers Auslöser für die Zahlung v. 7.8.2000 über 44.023,81 DM war, mit welcher ein Vollstreckungsaufschub erreicht werden sollte. Des Weiteren hat der Kläger zur Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin unter Beifügung von Geschäftsunterlagen und anderen Dokumenten umfänglich und detailliert mit entsprechenden Beweisantritten vorgetragen. Der Kläger wird allerdings die zu dieser Zeit fälligen und offen stehenden Gesamtverbindlichkeiten noch darlegen müssen. Summen- und Saldenlisten reichen nicht.
2. Bei der Prüfung der Kenntnis des beklagten Landes vom Benachteiligungsvorsatz wird das Berufungsgericht in seine Erwägungen insbesondere die in § 133 Abs. 1 S. 2 InsO festgelegte Vermutungswirkung für die Kenntnis des "anderen Teils" einzubeziehen haben. Dabei wird es folgende unstreitige Tatsachen zur wirtschaftlichen Lage, von denen das beklagte Land Kenntnis hatte, berücksichtigen müssen:
Die Gesamtsteuerschuld der Schuldnerin und ihres Geschäftsführers betrug am 9.8.2000 - trotz der am 7.8.2000 gezahlten 44.023,81 DM - noch 116.283,29 DM (Anlage K 12 zur Klageschrift). Aus dem Schreiben des Finanzamts v. 29.5.2000 (Anlage K 26 zum Schriftsatz des Klägers v. 8.11.2001) geht hervor, dass vor der Zahlung v. 25.4.2000 erneut die für Februar 2000 angemeldeten Umsatzsteuerbeträge und die für April 2000 abzuführende Lohnsteuer nicht entrichtet worden waren. Außerdem hatte die Schuldnerin die aus der Stundungsvereinbarung v. 18.4.2000 zu zahlenden monatlichen Raten für Juni und Juli i. H. v. jeweils 12.500 DM nicht erbracht. Schließlich waren zwei von der Schuldnerin am 5.6.2000 ausgestellte Schecks, mit denen sie laufende Steuern (Lohnsteuer 4/2000 und Umsatzsteuer 2/2000) i. H. v. insgesamt 17.793,66 DM bezahlen wollte, mangels Deckung nicht eingelöst worden.
Das Berufungsgericht wird im Rahmen des § 286 ZPO tatrichterlich zu würdigen haben, ob diese Umstände unter Berücksichtigung der jüngeren Rechtsprechung des Senats (vgl. BGH, Urt. v. 27.5.2003 - IX ZR 169/02, unter II. 4 der Entscheidungsgründe z.V.b. in BGHZ) ausreichen, um eine Kenntnis des "anderen Teils" i. S. d. § 133 Abs. 1 InsO annehmen zu können. Das beklagte Land musste - entgegen seinem Einwand - damit rechnen, dass jedenfalls Arbeitnehmer und somit Sozialversicherungsträger als weitere Gläubiger vorhanden waren.
c) Bei seiner tatrichterlichen Würdigung wird das Berufungsgericht ggf. auch zu beachten haben, dass es genügen kann, wenn der Insolvenzverwalter die Kenntnis des Anfechtungsgegners von Umständen beweist, die zwingend auf eine drohende Zahlungsunfähigkeit hinweisen. Zwar stellt § 133 Abs. 1 InsO - anders als §§ 130 Abs. 2, 132 Abs. 3 und 131 Abs. 2 S. 1 InsO - keine entsprechende Rechtsvermutung auf. Das hindert jedoch nicht, im Rahmen von § 286 ZPO insoweit von einer (allerdings widerleglichen) tatsächlichen Vermutung auszugehen (vgl. Gerhardt/Kreft, Aktuelle Probleme der Insolvenzanfechtung, 8. Aufl., Rz. 426m. w. N.; zur Anwendung des § 130 Abs. 2 InsO bei der Finanzverwaltung vgl. BGH, Urt. v. 9.1.2003 - IX ZR 175/02, MDR 2003, 473 = BGHReport 2003, 460 = WM 2003, 400 [402]; vgl. für § 30 Nr. 1 Fall 2 KO Urt. v. 10.7.2003 - IX ZR 89/02z.V.b.). Von einem Gläubiger, der Umstände kennt, die zwingend auf eine mindestens drohende Zahlungsunfähigkeit schließen lassen, ist deshalb zu vermuten, dass er auch die drohende Zahlungsunfähigkeit selbst kennt.
d) Soweit das beklagte Land meint, seine Mitarbeiter hätten im Hinblick auf § 258 AO aus den vorstehend dargestellten unstreitigen Tatsachen nicht die entsprechenden Schlüsse gezogen, kann es hiermit keinen Erfolg haben. Wenn der zuständige Finanzbeamte die unter c) dargestellte Kenntnis hat, wird die Anfechtung nicht dadurch ausgeschlossen, dass er nach § 258 AO Stundung oder Vollstreckungsaufschub gewähren wollte.
Fundstellen
Haufe-Index 978312 |
BFH/NV Beilage 2004, 181 |
DB 2003, 2488 |
DStR 2004, 47 |
DStZ 2003, 784 |
NJW 2003, 3560 |
BGHR 2003, 1373 |
EWiR 2004, 25 |
KTS 2004, 69 |
StuB 2004, 144 |
WM 2003, 1923 |
WuB 2004, 75 |
ZIP 2003, 1799 |
InVo 2004, 97 |
MDR 2004, 174 |
NZI 2003, 597 |
VuR 2003, 432 |
ZInsO 2003, 850 |
BFH/NV-Beilage 2004, 181 |
FB 2004, 92 |
LMK 2004, 37 |