Entscheidungsstichwort (Thema)
Verjährung eines Anspruchs gegen Steuerberater wegen fehlerhaften Entwurfs der Abtretung von Steuererstattungsansprüchen
Leitsatz (amtlich)
1. Die Verjährungsvorschrift des § 68 StBerG findet auch dann Anwendung, wenn der steuerliche Berater von seinem Mandanten damit beauftragt war, eine Abtretung von Steuererstattungsansprüchen zu entwerfen und beim Finanzamt einzureichen, und wenn er wegen eines bei der Erledigung dieses Auftrags unterlaufenen Fehlers auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird.
2. Zur Frage, wann in diesem Fall der Lauf der Verjährungsfrist beginnt.
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Verjährung des Anspruchs nach § 68 StBerG beginnt mit der Entstehung des Anspruchs (im Streitfall der Zeitpunkt, in dem infolge Konkurseröffnung die von den Beteiligten gewollte Übertragung der Steuererstattungsansprüche gescheitert ist); eine Kenntnis des Berechtigten von den anspruchsbegründenden Tatsachen ist nicht erforderlich (Abgrenzung zu BGH, 22.02.1979, VII ZR 256/77).
2. Der Verjährungseinrede kann der Gegeneinwand der Arglist oder der unzulässigen Rechtsausübung entgegengesetzt werden, wenn der Schuldner den Gläubiger durch sein Verhalten von der rechtzeitigen Erhebung der Klage abgehalten hat. Dabei ist es nicht erforderlich, daß dem Gläubiger die Wahrung der Verjährungsfrist unmöglich gemacht worden ist; es genügt vielmehr bereits ein Verhalten, das bei dem Gläubiger das Vertrauen wecken konnte und geweckt hat, daß der Schuldner den Anspruch nur mit materiellen Einwendungen bekämpfen werde.
Normenkette
StBerG §§ 68, 1
Verfahrensgang
OLG Hamm (Urteil vom 19.03.1980; Aktenzeichen 25 U 152/79) |
LG Bielefeld (Urteil vom 01.06.1979; Aktenzeichen 12 O 66/79) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 25. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 19. März 1980 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Der Kläger gab am 14. Dezember 1972 der Firma G GmbH, die sich in finanziellen Schwierigkeiten befand, ein Gefälligkeitsakzept über 50.000,- DM. Der Wechsel wurde am 14. März 1973 prolongiert. Die Beteiligten vereinbarten an diesem Tage, daß die Firma G GmbH dem Kläger Steuererstattungsansprüche zur Sicherheit abtreten solle. Die Beklagte, die damals sowohl für den Kläger als auch für die Firma G GmbH als Steuerberater tätig war, übernahm es, eine schriftliche Abtretungserklärung zu entwerfen und sie an das Finanzamt weiterzuleiten. Die Erklärung wurde am 14. März 1973 (so der Kläger) oder einige Zeit später (so die Beklagte) von den Beteiligten unterzeichnet. Über das Vermögen der Firma G GmbH wurde am 7. Mai 1973 das Konkursverfahren eröffnet. Mit einem am 8. Mai 1973 eingegangenen Schreiben vom 7. Mai 1973 übersandte die Beklagte dem Finanzamt Minden die Abtretungserklärung vom 14. März 1973.
Das Finanzamt erkannte in der Folgezeit Steuererstattungsansprüche der Firma G GmbH in Höhe von 41.385,24 DM an und überwies diesen Betrag auf ein Sonderkonto bei der C Bank in M. Der Konkursverwalter der Firma G GmbH focht die Abtretung der Steuererstattungsansprüche nach §§ 30, 31 KO an und verlangte von dem Kläger Rückabtretung. Hierüber führte der Konkursverwalter gegen den Kläger den Rechtsstreit 7 0 208/74 LG Bielefeld = 23 U 12/75 OLG Hamm = VIII ZR 26/76 BGH, in dem durch Urteil des Bundesgerichtshofs vom 30. November 1977 rechtskräftig festgestellt wurde, daß dem Kläger Rechte an den auf dem Sonderkonto eingezahlten Steuererstattungsbeträgen in Höhe von 41.385,24 DM nicht zustanden; die Abtretung der Steuererstattungsansprüche war nach § 159 a.F. AO unwirksam, weil sie der Finanzbehörde erst nach Eröffnung des Konkursverfahrens angezeigt worden war.
Mit der vorliegenden Klage verlangt der Kläger als Schadensersatz 41.385,24 DM für den entgangenen Steuererstattungsanspruch, 13.384,88 DM Zinsen, die er für ein Darlehen über 50.000,– DM aufgewendet haben will, sowie 30.893,21 DM Kosten des Prozesses mit dem Konkursverwalter der Firma G GmbH, insgesamt 85 663,33 DM.
Die Beklagte leugnet ein Verschulden und erhebt die Einrede der Verjährung.
Die Vorinstanzen haben den Klageanspruch als verjährt angesehen und die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Klageanspruch weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht nimmt zutreffend an, daß die Schadensersatzforderung des Klägers am 7. Mai 1976 verjährt ist (§ 68 StBerG).
1. Der Kläger hat bezweifelt, ob die Vorschriften des Steuerberatungsgesetzes hier überhaupt Anwendung finden. Er hat geltend gemacht, die von der Beklagten übernommene Aufgabe, eine wirksame Abtretung der Erstattungsansprüche von der Firma G GmbH auf den Kläger herbeizuführen, sei keine eigentliche Tätigkeit, die zum Berufsbild eines Steuerberaters gehöre. Sie habe sich lediglich aus der Tatsache ergeben, daß beide Beteiligten der Beklagten vertrauten, vor der sie auch ihre wirtschaftlichen Verhältnisse nicht geheim zu halten brauchten. Es spreche viel dafür, daß sich § 68 StBerG nur auf solche Schadensersatzansprüche beziehe, die sich aus der steuerberatenden Tätigkeit im engeren Sinne ergeben. Diese Bedenken sind unbegründet. Nach § 1 StBerG ist dieses Gesetz – und demnach auch dessen § 68 – anzuwenden unter anderem in Angelegenheiten, die die durch Bundesrecht geregelten Steuern betreffen, soweit diese durch Bundesfinanzbehörden oder durch Landesfinanzbehörden verwaltet werden, ferner in Angelegenheiten, die Realsteuern betreffen. Die Abtretungserklärung bezog sich auf Erstattungsansprüche wegen überzahlter Körperschafts- und Umsatzsteuern sowie aus überzahlter Ergänzungsabgabe zur Körperschaftssteuer; diese Steuern sind durch Bundesrecht geregelt und werden von Landesfinanzbehörden verwaltet; abgetreten waren ferner die Ansprüche auf Erstattung von Gewerbesteuern; diese Steuerart gehört zu den Realsteuern. Daß der Kläger nicht Steuerschuldner war, steht der Anwendung des § 68 StBerG nicht entgegen.
2. Die Verjährung des Anspruchs nach § 68 StBerG beginnt mit der Entstehung des Anspruchs; eine Kenntnis des Berechtigten von den anspruchsbegründenden Tatsachen ist nicht erforderlich (BGHZ 73, 363, 365). Das Berufungsgericht nimmt mit Recht an, daß der Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte mit der Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der Firma G GmbH entstanden ist. Bereits in diesem Zeitpunkt war die von den Beteiligten gewollte Übertragung der Steuererstattungsansprüche der Firma G GmbH auf den Kläger gescheitert; denn die zur Vollendung der Abtretung erforderliche Anzeige konnte in diesem Zeitpunkt nicht mehr mit Wirksamkeit gegenüber der Konkursmasse vorgenommen werden (§ 159 a.F. AO i.V. mit § 15 KO).
Die Revision möchte demgegenüber die vom VII. Zivilsenat in BGHZ 73, 363 aufgestellten Grundsätze entsprechend anwenden und die Verjährung erst in dem Zeitpunkt beginnen lassen, in dem der Bundesgerichtshof den Rechtsstreit zwischen dem Konkursverwalter und dem Kläger endgültig entschied. Dem kann der Senat nicht folgen. Zwischen der in BGHZ 73, 363 behandelten und der hier vorliegenden Fallgestaltung besteht ein wesentlicher Unterschied: Hat das Finanzamt trotz des vom Steuerberater begangenen Fehlers (in BGHZ 73, 363: der nicht ordnungsgemäßen Buchführung) die Steuern so festgesetzt, wie sie auch bei richtiger Sachbehandlung (in BGHZ 73, 363: bei ordnungsgemäßer Buchführung) durch den steuerlichen Berater festzusetzen gewesen wären, so ist dem Steuerpflichtigen zunächst kein Schaden entstanden und daher auch kein Schadensersatzanspruch erwachsen. Dies ist vielmehr erst dann der Fall, wenn das Finanzamt – etwa bei einer Betriebsprüfung – den Steuerfall (erneut) aufgreift. Hier war aber der Schaden bereits dadurch entstanden, daß der beabsichtigte Rechtsübergang nicht stattgefunden hatte; diese Rechtsfolge ist vom Bundesgerichtshof lediglich festgestellt, nicht aber begründet worden.
II.
Dennoch kann die Klage nicht mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung abgewiesen werden. Der Verjährungseinrede kann der Gegeneinwand der Arglist oder der unzulässigen Rechtsausübung entgegengesetzt werden, wenn der Schuldner den Gläubiger durch sein Verhalten von der rechtzeitigen Erhebung der Klage abgehalten hat. Dabei ist es nicht erforderlich, daß dem Gläubiger die Wahrung der Verjährungsfrist unmöglich gemacht worden ist; es genügt vielmehr bereits ein Verhalten, das bei dem Gläubiger das Vertrauen wecken konnte und geweckt hat, daß der Schuldner den Anspruch nur mit materiellen Einwendungen bekämpfen werde (BGH Urteil vom 5. März 1981 – IVa ZR 196/80 – NJW 1981, 2243 = MDR 1981, 737 = VersR 1981, 471 m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Beklagte hat mit Schreiben vom 27. Januar 1976 sich beim Kläger für die Überlassung des oberlandesgerichtlichen Urteils im Vorprozeß bedankt. Sie hat mitgeteilt, daß sie eine Ablichtung ihrem Haftpflichtversicherer zur Prüfung weiterleiten werde. Schließlich hat sie den Kläger gebeten, seinen Schadensersatzanspruch zu konkretisieren (Bl. 78 d.A.). Der Kläger hat darauf am 12. Februar 1976 der Beklagten mehrere Unterlagen, darunter eine Aufstellung über die bisher entstandenen Prozeßkosten und Zinsen übersandt (Bl. 75 ff d.A.). Am selben Tage unterrichtete die Beklagte den Kläger davon, daß der Haftpflichtversicherer den Eingang des oberlandesgerichtlichen Urteils bestätigt habe; er verlange jedoch nunmehr auch die Vorlage des landgerichtlichen Urteils. Ferner mahnte die Beklagte die „dem Versicherer bereits avisierte detaillierte schriftliche Geltendmachung eines Schadens” an. Schließlich kündigte sie dem Kläger an, daß sich der Haftpflichtversicherer ggfs. mit ihm unmittelbar in Verbindung setzen werde. Damit waren Regulierungsverhandlungen zwischen den Parteien eingeleitet worden. Der Kläger konnte darauf vertrauen, daß der hinter der Beklagten stehende Haftpflichtversicherer die von ihm bereits übermittelte Schadensberechnung sachlich prüfen und etwaige Zweifelsfragen durch eine unmittelbare Rückfrage klären werde. Er durfte mit der Klageerhebung solange zuwarten, bis die Beklagte (bzw. ihr Haftpflichtversicherer) den Anspruch ablehnte oder auf andere Weise die Verhandlungen für gescheitert erklärte (BGH Urteil vom 12. Oktober 1955 – VI ZR 122/54 – NJW 1955, 1834; vom 14. Oktober 1958 – VI ZR 183/57 – NJW 1959, 96; vom 1. Februar 1977 – VI ZR 43/75 – VersR 1977, 617, 619). Dies gilt umso mehr, als die Beklagte auch nach dem Ablauf der Verjährungsfrist um weitere Aufklärung des Sachverhalts gebeten hat. Sie hat mit Schreiben vom 8. Mai 1976 (Bl. 72 d.A.) an die Übersendung des landgerichtlichen Urteils erinnert. Der Kläger hat daraufhin am 14. Mai dieses Urteil von seinem Anwalt angefordert und mit einem Schreiben vom gleichen Tage die Beklagte hiervon unterrichtet, Bl. 73, 74 d.A.. Am 24. Mai 1976 hat sie von dem Kläger eine „detaillierte schriftliche Erläuterung des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs” und eine „Substantiierung” seines „Ersatzanspruchs” verlangt. Sie hat ferner das landgerichtliche Urteil und eine Abschrift des Revisionsantrages angefordert und sie hat schließlich den Kläger ausdrücklich ihrer Hilfe für den Fall versichert, daß von ihrer Seite etwas zur Sache beigetragen werden könne. Daß nach diesem Zeitpunkt der Schadensersatzanspruch abgelehnt oder die Verhandlungen für gescheitert erklärt worden wären, wird von keiner Seite behauptet. Die Erhebung der Verjährungseinrede verstößt unter diesen Umständen gegen Treu und Glauben.
Das angefochtene Urteil muß daher aufgehoben und der Rechtsstreit zur sachlichen Prüfung des geltend gemachten Anspruchs an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.
Entgegen der im Berufungsurteil (Seite 6 Absatz 2 Satz 2) geäußerten Ansicht hängt die Entscheidung des Rechtsstreits nicht davon ab, „ob der Beklagten bekannt war oder bekannt sein mußte, daß wegen des bevorstehenden Vermögensverfalls der Firma G GmbH Eile geboten war”. Aus dem Zweck des Auftrags ergab sich, daß die Beklagte dem Kläger die von ihm gewünschte Sicherheit so schnell wie möglich verschaffen mußte; jede vermeidbare wesentliche Verzögerung war daher schuldhaft.
Fundstellen
Haufe-Index 2027363 |
NJW 1982, 1289 |
ZIP 1982, 318 |