Leitsatz (amtlich)
Führt die Gesellschaft einen von ihrem Gesellschafter besicherten Kontokorrentkredit zurück, indem der vorläufige Insolvenzverwalter Einziehungsaufträge und Abbuchungsermächtigungen widerruft, kann die dadurch bedingte Befreiung von der Sicherung gegenüber dem Gesellschafter angefochten werden.
Die Begleichung einer nach Verfahrenseröffnung als Insolvenzforderung zu qualifizierenden Verbindlichkeit durch einen vorläufigen Insolvenzverwalter, auf den die Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners übergegangen ist, unterliegt grundsätzlich der Insolvenzanfechtung.
Es spricht ein Anscheinsbeweis dafür, dass in dem eröffneten Verfahren die Insolvenzmasse nicht ausreicht, um alle Gläubigeransprüche zu befriedigen.
Wer für ein der Gesellschaft gewährtes Darlehen eine Sicherung übernimmt und später Gesellschafter wird, unterliegt der Insolvenzanfechtung nach § 135 Abs. 2 InsO.
Normenkette
InsO § 129 Abs. 1, § 135 Abs. 2
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 5. Zivilsenats des OLG München vom 2.7.2013 aufgehoben.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 31. Zivilkammer des LG München I vom 15.11.2012 wird zurückgewiesen.
Der Beklagten fallen die Kosten der Rechtsmittelverfahren zur Last.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Der Kläger ist Verwalter in dem auf den Eigenantrag vom 30.6.2009 über das Vermögen der Sch. Verwaltungs GmbH (nachfolgend: Schuldnerin) am 1.9.2009 eröffneten Insolvenzverfahren. Unmittelbar nach Antragseingang wurde er von dem Insolvenzgericht durch Beschluss vom 30.6.2009 zum vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt bestellt und ermächtigt, über Konten der Schuldnerin zu verfügen.
Rz. 2
Alleingesellschafter und Geschäftsführer der Schuldnerin war der am 30.12.2008 verstorbene H. Sch., in dessen Rechtsstellung die Beklagte als seine Ehefrau und Alleinerbin auch hinsichtlich seiner gesellschaftsrechtlichen Funktionen eingerückt ist. Zur Sicherung eines von der Schuldnerin bei der S. M. (fortan: S.) unterhaltenen Kontokorrentkontos hatte H. Sch. eine unbeschränkte Bürgschaft übernommen und die Beklagte eine Grundschuld über 1,8 Mio. DM bestellt.
Rz. 3
Der Debetsaldo des bei der S. geführten Kontokorrentkontos der Schuldnerin belief sich am 30.12.2008 auf 764.140,31 EUR und am 2.1.2009 auf 772.758,28 EUR. Infolge verschiedener Zahlungen der Beklagten ermäßigte er sich bis zum 30.6.2009 auf 127.557,37 EUR. Da der Kläger unmittelbar nach seiner Bestellung zum vorläufigen Verwalter gegenüber der S. alle Einziehungs- und Abbuchungsaufträge sowie Abbuchungsermächtigungen widerrief und die Zustimmung für alle noch zu genehmigenden Lastschriften im Einziehungsermächtigungsverfahren verweigerte, wurde der Debetsaldo vollumfänglich zurückgeführt und ein Guthaben i.H.v. 176.680,74 EUR zugunsten der Masse ausgekehrt.
Rz. 4
Der Kläger nimmt die Beklagte im Wege der Insolvenzanfechtung auf Zahlung von 122.928,82 EUR in Anspruch. Nach Stattgabe durch das LG hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen. Mit der von dem Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Entscheidungsgründe
Rz. 5
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Wiederherstellung des Urteils des LG.
I.
Rz. 6
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, eine Gläubigerbenachteiligung sei gegeben, weil die vorhandene Masse nicht ausreiche, um die Forderungen aller Gläubiger zu erfüllen. Innerhalb der Jahresfrist des § 135 Abs. 2, Abs. 1 Nr. 2 InsO sei von dem höchsten Debetsaldo auszugehen, der statt 772.758,28 EUR infolge von Berichtigungen der S. lediglich 764.140,31 EUR betragen habe. Die Anfechtung greife jedoch nicht durch, weil es an einer Rechtshandlung der Schuldnerin mangele. Rechtshandlungen des vorläufigen Insolvenzverwalters könnten angefochten werden, wenn er im Namen des Schuldners mit entsprechender Vollmacht auftrete. So liege es hier nicht. Zwar sei der Kläger zum schwachen vorläufigen Verwalter bestellt worden, wobei Verfügungen der Schuldnerin seiner Zustimmung bedurft hätten. Die dem Kläger erteilte Ermächtigung, über Konten der Schuldnerin zu verfügen, gehe jedoch über einen Zustimmungsvorbehalt hinaus und verschaffe ihm die Rechtsstellung eines starken vorläufigen Verwalters. Handle ein vorläufiger Verwalter ausschließlich aufgrund einer gerichtlichen Ermächtigung, so könne dieses Handeln dem Schuldner nicht zugerechnet werden.
II.
Rz. 7
Diese Ausführungen halten im entscheidenden Punkt rechtlicher Prüfung nicht stand. Die Klageforderung findet ihre Grundlage in §§ 143 Abs. 3 Satz 1, 135 Abs. 2 InsO. Anfechtbar ist gem. § 135 Abs. 2 InsO eine Rechtshandlung, mit der eine Gesellschaft einem Dritten für eine Forderung auf Rückgewähr eines Darlehens im letzten Jahr vor dem Eröffnungsantrag oder nach diesem Antrag Befriedigung gewährt hat, wenn der Gesellschafter für die Forderung eine Sicherheit gestellt hatte oder als Bürge haftete. Der Gesellschafter hat dann die dem Dritten gewährte Leistung gem. § 143 Abs. 3 Satz 1 InsO zur Insolvenzmasse zu erstatten. Die Voraussetzungen der angeführten Vorschriften sind im Streitfall erfüllt.
Rz. 8
1. Die Tilgung des zugunsten der S. von der Beklagten als Gesellschafterin gesicherten Darlehens erfolgte entgegen der Würdigung des Berufungsgerichts auf der Grundlage einer Rechtshandlung der Schuldnerin.
Rz. 9
a) Die Vorschrift des § 135 Abs. 2 InsO setzt als Rechtshandlung der Gesellschaft eine Darlehensrückführung voraus, durch die eine Sicherheit des Gesellschafters frei wird. Der Begriff der Rechtshandlung ist weit auszulegen. Rechtshandlung ist jedes von einem Willen getragene Handeln vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens, das eine rechtliche Wirkung auslöst (BGH, Urt. v. 4.7.2013 - IX ZR 229/12, BGHZ 198, 77 Rz. 15). Die Rückführung eines Kontokorrentkredits beruht stets auch auf einer Rechtshandlung des Schuldners, weil etwaige Zahlungen nur nach Maßgabe der zwischen ihm und seinem Kreditinstitut getroffenen Kontokorrentabrede Tilgungswirkung entfalten. Mit Rücksicht auf die Kontokorrentabrede liegt selbst einer von dem Gesellschafter aus Eigenmitteln bewirkten Darlehensrückzahlung - wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils erkannt hat - eine Rechtshandlung der GmbH als Schuldnerin zugrunde (BGH, a.a.O., Rz. 16). Nicht anders verhält es sich, wenn die Darlehensrückführung - wie im Streitfall - auch durch Kontoverfügungen des vorläufigen Verwalters veranlasst wurde, gleich ob er nur mitbestimmend (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 InsO) tätig oder mit voller Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis ausgestattetet (§§ 22 Abs. 1 Satz 1, 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 1 InsO) ist. Auch hier vollzieht sich die Darlehensrückführung ungeachtet der von dem Kläger als vorläufigem Verwalter gegenüber der S. abgegebenen Widerrufserklärungen auf dem Boden der von der Schuldnerin mit der S. geschlossenen Kontokorrentvereinbarung.
Rz. 10
b) Selbst wenn man mit dem Berufungsgericht eine Darlehensrückführung allein durch die von dem Kläger als vorläufigem Insolvenzverwalter getroffenen Kontoverfügungen zugrunde legt, wären anfechtbare Rechtshandlungen der Schuldnerin gegeben.
Rz. 11
aa) Rechtshandlungen des späteren Insolvenzschuldners, denen der vorläufige Insolvenzverwalter zugestimmt hat, oder des vorläufigen Insolvenzverwalters, der namens und in Vollmacht des späteren Insolvenzschuldners gehandelt hat, können jedenfalls dann, wenn kein allgemeines Verfügungsverbot angeordnet war, nach den Vorschriften der §§ 129 ff. InsO angefochten werden (BGH, Urt. v. 13.3.2003 - IX ZR 64/02, BGHZ 154, 190, 194; v. 9.12.2004 - IX ZR 108/04, BGHZ 161, 315, 318; v. 30.9.2010 - IX ZR 177/07, WM 2010, 2167 Rz. 10; v. 21.10.2010 - IX ZR 240/09, ZInsO 2010, 2293 Rz. 11; v. 10.1.2013 - IX ZR 161/11, ZInsO 2013, 551 Rz. 16). Sofern dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt wurde (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 1 InsO), entspricht die Rechtsstellung des vorläufigen Verwalters wegen der auf ihn übergegangenen allgemeinen Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis (§ 22 Abs. 1 Satz 1 InsO) der eines endgültigen Insolvenzverwalters. Rechtshandlungen dieses Verwalters sind unanfechtbar, soweit er als Organ der Insolvenzmasse Masseverbindlichkeiten (§ 55 Abs. 2 Satz 1 InsO) begründet, besichert oder tilgt. Im Interesse des schutzwürdigen Vertrauens des Rechtsverkehrs darf die Begründung von Masseschulden nicht anfechtungsrechtlich rückabgewickelt werden (MünchKomm/InsO/Kayser, 3. Aufl., § 129 Rz. 44 m.w.N.; HK-InsO/Kreft, 6. Aufl., § 129 Rz. 32; Jaeger/Gerhardt, InsO, § 22 Rz. 226). Diese Beurteilung gilt auch für Rechtshandlungen eines vorläufigen Verwalters, der - wie hier - ohne Übertragung der allgemeinen Verfügungsbefugnis kraft Einzelermächtigung (vgl. BGH, Urt. v. 18.7.2002 - IX ZR 195/01, BGHZ 151, 353, 365 ff.) wirksam Masseverbindlichkeiten begründen darf (HK-InsO/Kreft, a.a.O.; noch offen gelassen in BGH, Urt. v. 9.12.2004, a.a.O.).
Rz. 12
bb) Keinen aus Erwägungen des Vertrauensschutzes hergeleiteten Bedenken unterliegt dagegen die Anfechtbarkeit, wenn der mit einer allgemeinen Verfügungsbefugnis oder einer Einzelermächtigung versehene vorläufige Verwalter Altverbindlichkeiten der künftigen Masse erfüllt oder besichert, die nach Verfahrenseröffnung als Insolvenzforderungen (§ 38 InsO) zu bewerten wären. Führt seine Mitwirkung an Schuldnerhandlungen nicht zu einer Masseschuld, ist die Stellung des vorläufigen Verwalters der eines endgültigen Verwalters nicht derart angenähert, dass eine Anfechtung seiner Rechtshandlungen von vornherein ausscheidet (vgl. BGH, Urt. v. 9.12.2004, a.a.O.). Tilgt oder besichert der voll verfügungsbefugte vorläufige Verwalter Altforderungen der künftigen Masse, unterliegen diese Rechtshandlungen grundsätzlich der Anfechtung (OLG Dresden, ZInsO 2005, 1221 f.; AG Bielefeld, DZWIR 2005, 167 f.; AG Hamburg-St. Georg, DZWIR 2005, 392, 393; Kirchhof, ZInsO 2000, 297, 298 f.; Röpke/Rothe, NZI 2004, 430, 432; MünchKomm/InsO/Kayser, a.a.O.; FK-InsO/Dauernheim, 7. Aufl., § 129 Rz. 30; HmbKomm-InsO/Rogge/Leptien, 4. Aufl., § 129 Rz. 21; im Ergebnis ebenfalls HK-InsO/Kreft, 6. Aufl., § 129 Rz. 32; Gehrlein in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, § 129 Rz. 61; a.A. Jaeger/Gerhardt, InsO, § 22 Rz. 228 f.; Bork, Einführung in das Insolvenzrecht, 6. Aufl., Rz. 208; Gottwald/Huber, Insolvenzrechts-Handbuch, 4. Aufl., § 46 Rz. 32). Wie bei Rechtshandlungen eines mitbestimmenden vorläufigen Insolvenzverwalters scheidet eine Anfechtung nur aus, wenn - wofür im Streitfall kein Anhaltspunkt ersichtlich ist - der Leistungsempfänger auf die Rechtsbeständigkeit des Verhaltens des vorläufigen Verwalters tatsächlich vertraut hat und dieses Vertrauen schutzwürdig ist (BGH, Urt. v. 9.12.2004 - IX ZR 108/04, BGHZ 161, 315, 320; v. 15.12.2005 - IX ZR 156/04, BGHZ 165, 283, 286; v. 10.1.2013 - IX ZR 161/11, ZInsO 2013, 551 Rz. 16).
Rz. 13
2. Gegenstand der Anfechtung nach § 135 Abs. 2 InsO ist die Befreiung des Gesellschafters von der von ihm für ein Drittdarlehen übernommenen Sicherung (BGH, Urt. v. 1.12.2011 - IX ZR 11/11, BGHZ 192, 9 Rz. 7). Infolge der Darlehensbegleichung durch die Schuldnerin wurde die Beklagte als Sicherungsgeberin sowohl von der Bürgschaftsverpflichtung (§ 765 BGB) als auch der Grundschuldbelastung (§ 1191 BGB) befreit (§ 135 Abs. 2 InsO).
Rz. 14
Die von dem Ehemann zugunsten der S. erteilte umfassende Bürgschaft war wirksam, weil er - wie auch die Beklagte als seine Rechtsnachfolgerin im Amt des Geschäftsführers - Art und Höhe der Verbindlichkeiten seiner Gesellschaft beeinflussen konnte (vgl. BGH, Urt. v. 16.12.1999 - IX ZR 36/98, NJW 2000, 1179, 1181 f.). Die von der Beklagten übernommene Grundschuld unterliegt ebenfalls keinen Gültigkeitsbedenken. Neben der in § 135 Abs. 2 InsO ausdrücklich erwähnten Bürgschaft werden vom Wortlaut der Vorschrift alle Sicherheiten im weitesten Sinne (vgl. BGH, Urt. v. 12.12.1988 - II ZR 378/87, NJW 1989, 1733, 1734), mithin auch eine Grundschuld als Sachsicherheit (Preuß in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2013, § 135 Rz. 33), erfasst (vgl. BGH, Urt. v. 4.12.1995 - II ZR 281/94, NJW 1996, 720, wo ebenfalls Bürgschaft und Grundschuld erbracht wurden).
Rz. 15
Die Grundschuld hat nicht deshalb als Gesellschaftersicherheit unberücksichtigt zu bleiben, weil sie von der Beklagten bestellt wurde, bevor sie in die Gesellschafterstellung eingerückt ist. Die Anfechtung von Gesellschafterhilfen setzt lediglich voraus, dass ein Gesellschafter innerhalb der jeweiligen Anfechtungsfristen eine Sicherung (§ 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO) oder eine Befriedigung (§ 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO) für ein Darlehen oder - wie hier - eine Befreiung von einer für ein Gesellschaftsdarlehen übernommenen Sicherung (§ 135 Abs. 2 InsO) erlangt hat. Da es im Unterschied zum Eigenkapitalersatzrecht nicht mehr auf eine innerhalb der Anfechtungsfrist getroffene Finanzierungsentscheidung ankommt, unterliegt nach einhelliger Auffassung auch ein Darlehens- oder Sicherungsgeber als Gesellschafter nach Maßgabe des § 135 InsO der Anfechtung, wenn er seine Beteiligung erst nach Gewährung der Finanzierungshilfe erworben hat (Altmeppen, NJW 2008, 3601, 3603; Gehrlein, BB 2008, 846, 850; Dahl/Schmitz, NZG 2009, 325, 326; HmbKomm-InsO/Lüdtke, a.a.O., § 39 Rz. 33; HmbKomm-InsO/Schröder, a.a.O., § 135 Rz. 14; Uhlenbruck/Hirte, InsO, 13. Aufl., § 39 Rz. 45; Pape/Uhländer/Schluck-Amend, InsO, § 135 Rz. 13; Graf-Schlicker/Neußner, InsO, 3. Aufl., § 39 Rz. 24; Preuß in Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 39 Rz. 64; Ahrens in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, 2. Aufl., § 39 Rz. 32; Schmidt/Herchen, InsO, 18. Aufl., § 39 Rz. 38; MünchKomm/InsO/Gehrlein, 3. Aufl., § 135 Rz. 22; Kirchhof, AnfG, 2012, § 6 Rz. 20; Gottwald/Haas/Hossfeld, Insolvenzrechts-Handbuch, 4. Aufl., § 92 Rz. 371; Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbHG, 20. Aufl., § 30 Anh Rz. 31; Scholz/Schmidt, GmbHG, 10. Aufl., Nachtrag MoMiG §§ 32a/b a.F. Rz. 21; Saenger/Inhester/Kolmann, GmbHG, 2. Aufl., Anh § 30 Rz. 74).
Rz. 16
Die Darlehenstilgung durch die Schuldnerin hat bewirkt, dass die Beklagte von beiden Sicherungen frei geworden ist. Die Erfüllung der gesicherten Hauptforderung führt nach Maßgabe des Akzessorietätsgrundsatzes (§ 767 Abs. 1 Satz 1 BGB) zum Erlöschen der Bürgschaft (BGH, Urt. v. 22.10.1975 - VIII ZR 80/74, WM 1975, 1235, 1236) und begründet außerdem einen schuldrechtlichen Anspruch auf Rückgewähr der Grundschuld (BGH, Urt. v. 9.2.1989 - IX ZR 145/87, BGHZ 106, 375, 378).
Rz. 17
3. Die Erfüllung des Darlehens der S. aus eigenen Mitteln der Schuldnerin, die zwischen Antragstellung und Verfahrenseröffnung und mithin innerhalb der Anfechtungsfrist des § 135 Abs. 2, Abs. 1 Nr. 2 InsO erfolgt ist, hat wegen der damit verbundenen Befreiung der Beklagten von ihren Sicherungen eine Gläubigerbenachteiligung ausgelöst.
Rz. 18
a) In der Insolvenz der Schuldnerin wäre die S. gem. § 44a InsO gehalten gewesen, sich vorrangig aus der von der Beklagten gestellten Sicherung zu befriedigen (BGH, Urt. v. 1.12.2011 - IX ZR 11/11, BGHZ 192, 9 Rz. 9 f.). Vor Verfahrenseröffnung war die Beklagte verpflichtet, die Schuldnerin von einer Inanspruchnahme durch die S. als Darlehensgeberin freizustellen (vgl. Kirchhof, AnfG, 2012, § 6a Rz. 12; BGH, Urt. v. 20.7.2009 - II ZR 36/08, WM 2009, 1798 Rz. 16 m.w.N.). In diesem Fall hätte ihre Regressforderung im Rang nach den Insolvenzforderungen (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO) gestanden (BGH, Urt. v. 1.12.2011, a.a.O., Rz. 10). Tilgt entgegen diesen Grundsätzen die Gesellschaft das Drittdarlehen, unterwirft § 135 Abs. 2 InsO die damit verbundene Befreiung des Gesellschafters von seiner Sicherung der Anfechtung (BGH, Urt. v. 1.12.2011, a.a.O., Rz. 7). Der Regelung des § 135 Abs. 2 InsO liegt der Rechtsgedanke zugrunde, dass es wirtschaftlich einer Darlehensgabe des Gesellschafters an seine Gesellschaft (§ 135 Abs. 1 InsO) entspricht, wenn er einem Dritten für einen der Gesellschaft überlassenen Kredit eine Sicherung gewährt (Preuß in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2013, § 135 Rz. 30 f.). Aus dieser Erwägung wird eine Gesellschaftersicherung anfechtungsrechtlich wie Vermögen der Gesellschaft behandelt und die Befreiung des Gesellschafters von seiner Sicherung der Rückführung eines Gesellschafterdarlehens gleichgestellt (Schmidt, InsO, 18. Aufl., § 135 Rz. 24; Ede, ZInsO 2012, 853, 855; vgl. BGH, Urt. v. 14.10.1985 - II ZR 280/84, NJW 1986, 429, 430). Deswegen liegt in der auf Kosten der Gesellschaft erlangten Befreiung des Gesellschafters von seiner Sicherung eine Gläubigerbenachteiligung (BGH, Urt. v. 1.12.2011, a.a.O., Rz. 20).
Rz. 19
b) Ohne Erfolg macht die Revisionserwiderung geltend, eine Gläubigerbenachteiligung sei nicht gegeben, weil nach dem Inhalt ihres durch Zeugenbeweis unterlegten, von dem Berufungsgericht verfahrensfehlerhaft übergangenen Vorbringens sämtliche Inhaber bestrittener Forderungen darauf verzichtet hätten, eine Feststellungsklage zu erheben. Diese Darlegung ist nicht geeignet, den hier eingreifenden Anscheinsbeweis einer unzureichenden Insolvenzmasse zu entkräften.
Rz. 20
aa) Ausnahmsweise kommt es nicht zu einer Gläubigerbenachteiligung, wenn die Masse ohne die Anfechtung ausreicht, um alle Gläubiger zu befriedigen. Dies erfordert grundsätzlich auch die Deckung solcher Forderungen, gegen die ein Widerspruch erhoben worden ist, weil jener durch eine Feststellungsklage (§ 179 InsO) beseitigt werden kann (BGH, Urt. v. 19.9.1988 - II ZR 255/87, BGHZ 105, 168, 187 f.; MünchKomm/InsO/Kayser, 3. Aufl., § 129 Rz. 107; HK-InsO/Kreft, 6. Aufl., § 129 Rz. 62; Uhlenbruck/Hirte, InsO, 13. Aufl., § 129 Rz. 91; Gehrlein in Gehrlein/Ahrens/Ringstmeier, InsO, 2. Aufl., § 129 Rz. 112). Grundsätzlich spricht freilich nach der Lebenserfahrung ein Anscheinsbeweis dafür, dass in dem eröffneten Verfahren die Insolvenzmasse nicht ausreicht, um alle Gläubigeransprüche zu befriedigen (BGH, Urt. v. 13.3.1997 - IX ZR 93/96, ZIP 1997, 853, 854; v. 22.3.2001 - IX ZR 407/98, WM 2001, 1038, 1041; v. 7.2.2002 - IX ZR 115/99, WM 2002, 561, 563; MünchKomm/InsO/Kayser, a.a.O., § 129 Rz. 107; Uhlenbruck/Hirte, a.a.O., § 129 Rz. 131; HK-InsO/Kreft, a.a.O., § 129 Rz. 64; Gehrlein in Gehrlein/Ahrens/Ringstmeier, a.a.O., § 129 Rz. 120). Zur Entkräftung des Anscheinsbeweises muss sich der Anfechtungsgegner eingehend mit allen zum Vermögen des Schuldners gehörenden Posten befassen und aufzeigen, dass es heute noch ausreicht, um alle zu berücksichtigenden Gläubigerforderungen zu tilgen (BGH, Urt. v. 13.3.1997, a.a.O., S. 854 f.).
Rz. 21
bb) Diesen Anforderungen hat die Beklagte mit dem Vorbringen, dass sämtliche Gläubiger bestrittener Forderungen von der Erhebung einer Feststellungsklage Abstand nähmen, nicht genügt. Unter dieser Voraussetzung würde eine Gläubigerbenachteiligung nur ausscheiden, wenn die Masse zur Befriedigung der übrigen Forderungen tatsächlich ausreichte. Dies kann dem Vortrag der Beklagten jedoch nicht entnommen werden. Es fehlt an einer substantiierten Darlegung, dass die Masse zumindest die festgestellten Forderungen abdeckt. Die Beklagte hat in der Berufungsbegründung ausgeführt, es sei eine Quote von 80 bis 90 v.H. zu erwarten. In einem weiteren Schriftsatz hat sie den Standpunkt eingenommen, mangels Erhebung von Feststellungsklagen sei unter Berücksichtigung der aktuell vorhandenen Insolvenzmasse zu prüfen, ob die Gläubiger unter Einschluss der Verfahrenskosten zu 100 v.H. abgefunden werden könnten. Angesichts ihres Hinweises auf die Notwendigkeit einer Prüfung war die Beklagte selbst nicht davon überzeugt, dass ein vollständiger Schuldendeckungsgrad erreicht ist. Darum bildet die Annahme, dass die Masse zur Deckung der zu berücksichtigenden Gläubigerforderungen ausreicht, reine Spekulation. Das kursorische Vorbringen lässt eine eingehende Befassung mit allen zu dem Vermögen des Schuldners gehörenden Posten bereits im Ansatz vermissen. Bei dieser Sachlage ist der zum Nachteil der Beklagten ausschlagende Anscheinsbeweis nicht entkräftet.
Rz. 22
4. Als Rechtsfolge hat der von seiner Sicherung entbundene Gesellschafter gem. § 143 Abs. 3 Satz 1 InsO die von der Gesellschaft dem Darlehensgeber gewährte Leistung zur Insolvenzmasse zu erstatten. Danach bemisst sich die Klageforderung auf 122.928,82 EUR.
Rz. 23
a) Der Höchstbetrag des von der Schuldnerin im letzten Jahr vor der Insolvenzeröffnung in Anspruch genommenen Kontokorrentkredits bildet den Ausgangspunkt für die Berechnung des gegen die Beklagte gerichteten Erstattungsanspruchs. Soweit dieser Betrag aus Mitteln der Schuldnerin zurückgezahlt wurde, greift der Anfechtungsanspruch aus §§ 143 Abs. 3 Satz 1, 135 Abs. 2 InsO gegen die Beklagte als Sicherungsgeberin durch (vgl. OLG Celle, ZInsO 2000, 617, 619 a.E.).
Rz. 24
b) Zwar hat das OLG den höchsten Debetsaldo des Kontokorrentkontos der Schuldnerin abweichend von dem LG anstelle von 772.758,28 EUR lediglich mit 764.140,31 EUR veranschlagt, weil der Kontostand vom 2.1.2009 später durch Berichtigung reduziert worden war. Gleichwohl hat es festgestellt, dass sich der Debetsaldo am 30.6.2009 jedenfalls auf 127.557,37 EUR belaufen hat. Da dieser Debetsaldo nachfolgend von der Schuldnerin ausgeglichen wurde, ist die Klageforderung i.H.v. 122.928,82 EUR auch auf der Grundlage der Berechnung des Berufungsgerichts begründet. Für eine Haftungsbeschränkung nach § 143 Abs. 3 Satz 2 InsO ist kein Raum, weil die Beklagte zum einen aus einer unbegrenzten Bürgschaft einzustehen hat und zum anderen der Wert der außerdem gewährten Realsicherheit die gesicherte Forderung übersteigt.
Rz. 25
5. Schließlich entlastet es die Beklagte nicht, wenn infolge der Rückführung des Darlehens gem. § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO auch ein Anfechtungsanspruch gegen die S. bestehen sollte. Der Kläger hat die Wahl, welchen von mehreren Leistungsempfängern er in Anspruch nimmt (BGH, Urt. v. 19.1.2012 - IX ZR 2/11, BGHZ 192, 221 Rz. 33).
III.
Rz. 26
Das angefochtene Urteil ist, weil sich die Revision als begründet erweist, gem. § 562 Abs. 1 ZPO aufzuheben. Da die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zu Endentscheidung reif ist, kann der Senat gem. § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst entscheiden.
Fundstellen
Haufe-Index 6622933 |
BGHZ 2014, 210 |
BB 2014, 1295 |
BB 2014, 641 |
DB 2014, 651 |
DStR 2014, 12 |
DStR 2014, 1558 |