Entscheidungsstichwort (Thema)
Insolvenzzweckwidrigkeit. Zahlung an einen nachrangigen Grundpfandgläubiger, dessen Recht in der Zwangsvollstreckung offensichtlich wertlos wäre. Bedingung für Löschungsbewilligung. Einverständnis eines vorrangigen Grundpfandgläubigers
Leitsatz (amtlich)
Zahlt der Insolvenzverwalter aus dem Erlös des Verkaufs eines zur Masse gehörenden Grundstücks einen Betrag an einen nachrangigen Grundpfandgläubiger, dessen Recht in der Zwangsvollstreckung offensichtlich wertlos wäre, um dessen Bedingung für die Löschungsbewilligung zu erfüllen, ist weder eine entsprechende Vereinbarung noch die Zahlung selbst insolvenzzweckwidrig, wenn der Betrag ausschließlich zu Lasten eines damit einverstandenen vorrangigen Grundpfandgläubigers geht (Abgrenzung zu BGH ZIP 2008, 884).
Normenkette
InsO §§ 1, 50, 87
Verfahrensgang
OLG Oldenburg (Oldenburg) (Urteil vom 13.03.2013; Aktenzeichen 4 U 14/12) |
LG Osnabrück (Entscheidung vom 23.12.2011; Aktenzeichen 8 O 2425/11) |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des OLG Oldenburg vom 13.3.2013 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Der Kläger verlangt von der Beklagten Rückzahlung von 31.196,43 EUR, die er zur Ablösung einer Restkaufpreishypothek an diese gezahlt hat. Er ist Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen des S. (nachfolgend: Schuldner). Dieser hatte am 10.10.2007 von der Beklagten zum Kaufpreis von 1.275.000 EUR ein Grundstück mit Hotelbetrieb erworben. Die Immobilie war mit einer erstrangigen brieflosen Grundschuld der Volksbank (künftig: Volksbank) über 1.295.000 EUR und einer zweitrangigen Restkaufpreishypothek über 300.000 EUR zugunsten der Beklagten belastet. Die Eigentumsumschreibung war nach Zahlung von 975.000 EUR erfolgt. Auf den danach noch offenen Kaufpreis von 300.000 EUR hatte der Insolvenzschuldner weitere 17.000 EUR erbracht.
Rz. 2
Der Kläger verkaufte das Grundstück mit notariellem Vertrag vom 1.6.2011 freihändig zu einem Preis von 603.000 EUR. Der Kaufpreis reichte nicht aus, um die mit der erstrangigen Grundschuld besicherte Forderung zu befriedigen, die am 16.7.2010 mit 1.342.917,53 EUR valutierte.
Rz. 3
In § 3 Nr. 3 des Kaufvertrages hatte sich der Kläger verpflichtet, die absonderungsberechtigten Gläubiger und sonstigen Grundschuldgläubiger abzulösen. Nachdem sich die Beklagte dem Kläger gegenüber geweigert hatte, die Löschungsbewilligung für ihr Grundpfandrecht zu erteilen, einigte sie sich mit der Volksbank über die Ausgestaltung der Treuhandaufträge für die Löschungsbewilligungen dergestalt, dass ein Kaufpreisanteil von 31.196,43 EUR an sie fließen konnte, den die Volksbank entsprechend weniger erhielt. Der Kläger, an den der Kaufpreis vertragsgemäß insgesamt zu entrichten war, zahlte diesen Betrag an die Beklagte unter dem Vorbehalt der Rückforderung.
Rz. 4
Das LG hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das OLG die Klage abgewiesen und die Revision zugelassen. Mit dieser verfolgt der Kläger sein Klagebegehren in vollem Umfang weiter.
Entscheidungsgründe
Rz. 5
Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
Rz. 6
Das Berufungsgericht hat gemeint, dem Kläger stehe kein Anspruch auf Rückzahlung zu, insb. nicht aus ungerechtfertigter Bereicherung gem. § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB (Leistungskondiktion). Die Beklagte habe das Geld nicht ohne Rechtsgrund erlangt. Rechtsgrund sei der zwischen dem Schuldner und der Beklagten geschlossene Kaufvertrag, aus dem noch ein Kaufpreisanspruch von 283.000 EUR offen sei. Hierauf habe der Kläger bezahlt.
Rz. 7
Die Verfügung des Klägers über die Auszahlung des Geldes sei nicht nichtig. Insbesondere sei sie nicht insolvenzzweckwidrig. Dies sei nur anzunehmen, wenn die Verfügung dem Insolvenzzweck der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung offenbar zuwider laufe. Die Insolvenzgläubiger sollten nur erhalten, was ihnen nach der Quote zustehe. Darüber hinausgehende Zahlungen seien, wie im vorliegenden Fall, nur gerechtfertigt, wenn sie z.B. auf einem Anspruch auf abgesonderte Befriedigung beruhten.
Rz. 8
Die Beklagte habe einen Anspruch auf abgesonderte Befriedigung gehabt. Der hypothekarisch gesicherte Restkaufpreisanspruch sei in Höhe des gezahlten Betrages werthaltig gewesen. Die Werthaltigkeit ergebe sich aus der Vereinbarung zwischen der Volksbank und der Beklagten. Die Volksbank habe auf die Auszahlung des in Rede stehenden Betrages verzichtet und so der nachrangigen hypothekarisch gesicherten Forderung zur Werthaltigkeit verholfen.
Rz. 9
Die Vereinbarung zwischen Volksbank und Beklagter sei auch im Verhältnis zum Kläger wirksam, weil sie keine Regelung zu Lasten der Masse enthalte, sondern neutral sei. Der Kaufpreisanteil wäre der Masse ohnehin nicht zugeflossen. Hätte die Volksbank nicht zugunsten der Beklagten verzichtet, habe der Kaufpreis an die Volksbank ausbezahlt werden müssen. Hinsichtlich der dadurch offen gebliebenen Forderung der Volksbank liege in Höhe des an die Beklagte ausgezahlten Betrages lediglich ein Gläubigeraustausch vor.
II.
Rz. 10
Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung stand.
Rz. 11
Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Bereicherungsanspruch wegen einer Leistung ohne rechtlichen Grund gem. § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB zu.
Rz. 12
1. Die Beklagte hat infolge einer Verfügungshandlung des Klägers den Betrag von 31.196,43 EUR erhalten und kann darüber verfügen. Dies stellt eine Leistung i.S.d. § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB dar, auch wenn die Verfügungshandlung des Klägers selbst nichtig sein sollte (vgl. BGH, Urt. v. 15.5.1990 - VI ZR 162/89, NJW-RR 1990, 1521, 1522; Palandt/Sprau, BGB, 73. Aufl., § 812 Rz. 15).
Rz. 13
2. Der Leistung fehlt jedoch nicht der rechtliche Grund.
Rz. 14
a) Nach gefestigter Rechtsprechung des BGH sind Rechtshandlungen des Insolvenzverwalters unwirksam, welche dem Insolvenzzweck der gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger (vgl. § 1 Satz 1 InsO) klar und eindeutig, also offensichtlich zuwiderlaufen (BGH, Urt. v. 25.4.2002 - IX ZR 313/99, BGHZ 150, 353, 360 f.; Beschl. v. 20.3.2008 - IX ZR 68/06, ZIP 2008, 884 Rz. 4; jeweils m.w.N.). Wirksam sind dagegen Verfügungen des Insolvenzverwalters, die nur unzweckmäßig oder sogar unrichtig sind (BGH, Urt. v. 25.4.2002, a.a.O., m.w.N.; Beschluss vom 20.3.2008, a.a.O., m.w.N.).
Rz. 15
b) Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen kann hier eine Insolvenzzweckwidrigkeit nicht angenommen werden. Die Zahlung an die Beklagte erfolgte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts auf den Kaufvertrag, aus dem noch eine Restkaufpreisforderung von 283.000 EUR offen stand, die im Insolvenzverfahren lediglich eine Insolvenzforderung darstellte. Insolvenzforderungen können im Insolvenzverfahren nur in Höhe der Quote erfüllt werden. Weitergehende Zahlungen auf Insolvenzforderungen aus der Masse sind offensichtlich insolvenzzweckwidrig, sofern sie nicht anderweitig gerechtfertigt sind, etwa aus einem Anspruch auf abgesonderte Befriedigung.
Rz. 16
aa) Der Beklagten stand zwar ein Absonderungsrecht zur Seite. Dieses war jedoch aus sich heraus unstreitig nicht werthaltig. Der vom Kläger erzielte Kaufpreis von 603.000 EUR reichte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts bereits bei weitem nicht aus, die mit mehr als 1 Mio. EUR valutierende, mit der erstrangigen Grundschuld gesicherte Forderung zu befriedigen.
Rz. 17
Die von der Beklagten gegenüber dem Kläger erklärte Weigerung, die Löschung der Kaufpreissicherungshypothek zu bewilligen, diente ausschließlich der (teilweisen) Durchsetzung der schuldrechtlichen Kaufpreisforderung ohne die Beschränkungen der Insolvenzordnung.
Rz. 18
bb) Mit der sodann gefundenen Lösung war jedoch für die Masse kein Nachteil verbunden, weil der zu zahlende Betrag wirtschaftlich ausschließlich zu Lasten der erstrangigen Grundschuldgläubigerin ging und die Masse hierdurch nicht beeinträchtigt wurde, auch wenn die Zahlungsabwicklung gem. § 3 Nr. 3 des Kaufvertrages über den Kläger erfolgte.
Rz. 19
Ein Vorteil für die Gesamtheit der Insolvenzgläubiger war mit der durch die Löschung der Hypothek der Beklagten möglich gewordenen Durchführung des freihändigen Verkaufs des Betriebsgrundstücks insoweit nicht verbunden, als ein durch den freihändigen Verkauf erzielter höherer Erlös wegen der wertausschöpfenden Belastung durch die erstrangige Sicherheit nicht zu einem Massezuwachs führte (vgl. BGH, Beschl. v. 20.3.2008, a.a.O., Rz. 6).
Rz. 20
Sowohl in dem hier vorliegenden Rechtsstreit wie in jenem vom Senat am 20.3.2008 entschiedenen Fall lehnte der Inhaber des nachrangigen Grundpfandrechts, das im Falle der Zwangsvollstreckung in das Grundstück wertlos gewesen wäre, die Bewilligung der Löschung zunächst ab und bewilligte sodann die Löschung nur gegen Zahlung eines bestimmten Betrages. In jenem am 20.3.2008 entschiedenen Fall war der Ablösebetrag auf der Grundlage einer entsprechenden Vereinbarung zwischen Insolvenzverwalter und Grundpfandgläubiger aus der Masse bezahlt worden. Diese schuldrechtliche Vereinbarung war wegen offensichtlicher Insolvenzzweckwidrigkeit nichtig.
Rz. 21
Eine Vereinbarung zwischen Kläger und Beklagter hat das Berufungsgericht vorliegend nicht ausdrücklich festgestellt. Der Kläger hat hier aber ebenfalls gezahlt, um die von der Beklagten zur Löschung des Grundpfandrechts gestellte Bedingung zu erfüllen. Diese war entsprechend dem Vorschlag des Klägers so (um-)formuliert worden, dass von der Löschungsbewilligung Gebrauch gemacht werden konnte, wenn "der Insolvenzverwalter bestätigt, dass aus dem Kaufpreis ein Anteil i.H.v. 31.196,43 EUR" an die Beklagte geleistet wird. Spätestens mit der Zahlung hat der Kläger diese Bedingung der Beklagten erfüllt und ihr Angebot auf Abschluss einer entsprechenden Vereinbarung angenommen.
Rz. 22
Diese ist jedoch ebenso wie die Zahlungsverfügung nicht wegen offensichtlicher Insolvenzzweckwidrigkeit nichtig. Durch die Vereinbarung und die Zahlung wird, wie das Berufungsgericht zutreffend festgestellt hat, die gleichmäßige Befriedigung der Insolvenzgläubiger in keiner Weise beeinträchtigt. Die durchgeführte Handhabung wurde allein dadurch ermöglicht und bewirkt, dass die Volksbank ihrerseits auf einen entsprechenden Anteil am Erlös verzichtete.
Rz. 23
cc) Der Senat hat in der Entscheidung vom 20.3.2008 offen gelassen, ob eine Vereinbarung, in welcher der Insolvenzverwalter sich zu einer Zahlung als Gegenleistung für die Löschung eines nachrangigen und im Falle der Zwangsversteigerung voraussichtlich wertlosen Grundpfandrechts verpflichtet, schlechthin als insolvenzzweckwidrig zu qualifizieren und deshalb unwirksam ist, oder ob es auf das Verhältnis der Höhe der Zahlung und den durch die freihändige Veräußerung erzielten Massezuwachs ankommt. Die Frage kann auch hier offen bleiben. Der Kläger hat sich gegenüber der Beklagten zu keinem Zeitpunkt verpflichtet, eine Gegenleistung aus der Masse zu erbringen. Er hätte im Verhältnis zu der Beklagten ohne Weiteres davon absehen können, den Ablösebetrag zu zahlen. Außerdem liegt auch tatsächlich - anders als im Fall vom 20.3.2008 (vgl. Ganter in MünchKomm/InsO, 3. Aufl., Vor §§ 49 bis 52 Rz. 99e; Tetzlaff, ZInsO 2012, 726, 727) wirtschaftlich keine Zahlung aus der Masse vor.
Rz. 24
dd) Die Besonderheit des Falles liegt, wie die Revision zutreffend sieht, in dem Umstand, dass die Insolvenzmasse durch die Zahlung der "Lästigkeitsprämie" weder einen Vorteil noch einen Nachteil hatte. Dass die Zahlung wirtschaftlich aus der Masse erfolgt, ist aber der wesentliche Gesichtspunkt für die Insolvenzzweckwidrigkeit einer entsprechenden Verpflichtung oder Verfügung des Insolvenzverwalters. Wird demgegenüber der Bestand der Masse nicht beeinträchtigt, kann die Zahlung auf die gleichmäßige Befriedigung der Gläubiger keinen Einfluss haben. Dass in der Folge der erstrangige Grundschuldgläubiger eine entsprechend höhere Insolvenzforderung hat, ist unerheblich, weil sich die Insolvenzforderung des nachrangigen Grundpfandgläubigers entsprechend reduziert, die Quote also unverändert bleibt. In einem solchen Fall hat die Masse zudem regelmäßig - wie auch hier i.H.v. 20.100 EUR - den Vorteil, dass bei freihändigem Verkauf aufgrund einer entsprechenden Vereinbarung ein Kostenbeitrag der Grundpfandgläubiger an die Masse fließt, der - nach Erledigung der Kosten des Insolvenzverfahrens - den Gläubigern zugute kommt.
Rz. 25
3. Die weiteren Angriffe der Revision greifen ebenfalls nicht durch.
Rz. 26
Soweit das Berufungsgericht aus dem Schreiben der Volksbank vom 3.2.2011 auf eine Vereinbarung zwischen der Volksbank und der Beklagten geschlossen hat, hält sich dies im Rahmen tatrichterlicher Beweiswürdigung und liegt nahe. Die rechtliche Würdigung eines Sachverhalts ist nicht an eine Zeugenaussage gebunden. Dass die Volksbank selbst an die Beklagte zahlen wollte, nimmt das Berufungsgericht nicht an. Die Volksbank hat allein zugunsten der Beklagten auf die Auszahlung des streitigen Betrages verzichtet. Der Masse wollte sie diesen Betrag nicht zukommen lassen.
Fundstellen
Haufe-Index 6755804 |
DB 2014, 1365 |
DB 2014, 6 |
DStR 2015, 12 |