Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung des Vermittlers von Kapitalanlagen. Schadensersatz bei Verlust der Beteiligung an einer Abschreibungsgesellschaft
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Haftung des Vermittlers von Kapitalanlagen für die Richtigkeit der Angaben, die er über das Anlageobjekt selbst gemacht hat oder die in von ihm versandten Werbeprospekten enthalten sind.
2. Zur Schadensberechnung bei Verlust der Beteiligung an einer sog Abschreibungsgesellschaft, wenn vor deren Zusammenbruch der Geschädigte durch Verlustzuweisungen Steuervorteile erlangt hat.
Leitsatz (redaktionell)
1. Vermittler von Kapitalanlagen haften sowohl aus Beratungsvertrag als auch im Rahmen eines vorvertraglichen Vertrauensverhältnisses für die Richtigkeit der Angaben, die sie über das Anlageobjekt selbst gemacht haben oder die in den überreichten Werbeprospekten enthalten sind, wenn sie gegenüber den Interessenten besonders vertrauenswürdig auftreten und diese erwarten durften, daß sie die Angaben selbständig geprüft und für richtig befunden haben.
2. Steuervorteile, die der Geschädigte vor dem Zusammenbruch der Abschreibungsgesellschaft durch Verlustzuweisungen erlangt hat, bleiben bei der Schadensberechnung (aufgrund der Steuerpflicht der Schadensersatzleistung) außer Betracht, der Schädiger hat den vollen Schaden zu ersetzen.
Normenkette
BGB §§ 249, 276, 676; EStG §§ 24, 34
Tatbestand
Die Beklagte zu 1 (im folgenden: „die Beklagte”), deren persönlich haftende Gesellschafterin die Beklagte zu 2 ist, befaßt sich unter anderem mit der Vermittlung steuerbegünstigter Kapitalanlagen. Im Jahre 1971 übernahm sie den Vertrieb von Kommanditanteilen der B. S. GmbH & Co Herstellungs KG (künftig: KG) mit Sitz in B.. Die KG versprach ihr dafür eine Provision von 1.350.000 DM.
Mit Schreiben vom 6. Dezember 1971, dem ein „Kurzexpose” beigefügt war, wandte sich die Beklagte an den Kläger, mit dem sie bis dahin nicht in Geschäftsverbindung gestanden hatte, und bot ihm eine Beteiligung an der KG als einer Kapitalanlage an, die allen Nachprüfungen standhalte. Als besonderen Vorteil hob sie hervor, daß die Produktion bereits 1972 beginne und der Absatz schon jetzt gesichert sei.
Auf die Zuschrift des Klägers schrieb ihm die Beklagte dann unter dem 13. Dezember 1971 ua:
„In der Anlage übersenden wir Ihnen das Expose der Firma „B.” nebst den dazugehörigen Unterlagen, die wir Ihrem eingehenden Studium empfehlen.
…
Das Objekt „B.” wurde – wie alle unsere Angebote – durch mehrere Wirtschaftsprüfer und Steuerfachleute geprüft, bevor es von uns in den Vertrieb aufgenommen wurde. Eine Beteiligung kann nachhaltig empfohlen werden. Sie beteiligen sich mit Steuergeldern in einer Branche mit hervorragenden Zukunftschancen und Wachstumschancen. Gegenüber anderen Beteiligungsangeboten ergeben sich u.E. folgende Vorteile:
1) hervorragendes, fachlich bewährtes Management,
2) Produktion und Absatz bereits für 1972 gesichert,
3) notarielle Verbürgung aller Kommanditeinlagen bis zum 31.12.1974,
4) Versicherungsschutz für alle Kommanditisten,
5) volle Finanzierung der Beteiligung aus Steuerersparnissen bei entsprechender Progression,
6) je 185% Afa auf die Einzahlungen 1971 und 1972.
Alle weiteren Daten finden Sie in dem bereits erwähnten, diesem Schreiben anliegenden Expose”.
In dem beigefügten Emissionsangebot heißt es, der Verkauf sei „sowohl über den Einzelhandel als auch über Warenhäuser und Konzerne sichergestellt”; es bestünden „bereits jetzt verbindliche Zusagen eingeführter und erfolgreicher Vertriebsorganisationen im Inland und Ausland, so daß schon in der Aufbauphase mit einer Auslastung der vorhandenen Kapazitäten zu rechnen ist”.
Nach einer fernmündlichen Unterredung mit dem Gründungsgesellschafter B. der Komplementär-GmbH trat der Kläger am 20. Dezember 1971 mit einer Kommanditeinlage von 200.000 DM der KG bei. Am 27. Dezember 1971 zahlte er 100.000 DM, am 13. März 1972 und 4. Juli 1972 jeweils 50.000 DM ein.
Die KG nahm im Mai 1972 die Fertigung auf. Die Geschäfte entwickelten sich jedoch schlecht. Insbesondere entsprachen Produktion und Absatz nicht den gesetzten Erwartungen. Die KG geriet zunehmend in Schwierigkeiten. Am 8. Juli 1975 wurde die Eröffnung des Konkursverfahrens über ihr Vermögen mangels Masse abgelehnt.
Der Kläger, der in den Jahren 1971 bis 1973 aufgrund von Verlustzuweisungen der KG insgesamt 123.101 DM an Einkommenssteuer erspart hat, verlangt von den Beklagten die Zahlung von 200.000 DM nebst Zinsen als Schadensersatz.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Kammergericht hat ihr in Höhe von 88.000 DM nebst Zinsen stattgegeben und die weitergehende Berufung des Klägers zurückgewiesen. Dagegen richten sich die – angenommenen – Revisionen beider Parteien. Der Kläger verfolgt die Klage in vollem Umfang weiter, die Beklagten erstreben die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Jede Partei beantragt, das gegnerische Rechtsmittel zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht nimmt als Rechtsgrundlage für die Inanspruchnahme der Beklagten auf Schadensersatz die Verletzung einer vertraglichen Beratungspflicht sowie Verschulden bei Vertragsverhandlungen an.
Dagegen wendet sich die Revision der Beklagten ohne Erfolg.
1. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß zwischen den Parteien vertragliche Beziehungen bestehen, die die Beratung und Erteilung von Auskünften bei Vermittlung einer Kapitalanlage zum Gegenstand haben.
a) Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine Haftung aus einem (stillschweigend abgeschlossenen) Beratungsvertrag immer dann zu bejahen, wenn Auskünfte erteilt werden, die für den Empfänger erkennbar von erheblicher Bedeutung sind und die dieser zur Grundlage wesentlicher Entschlüsse oder Maßnahmen machen will. Das gilt insbesondere dann, wenn der Auskunftsgeber für die Erteilung der Auskunft sachkundig ist oder wenn bei ihm ein eigenes wirtschaftliches Interesse im Spiel ist. Das Fehlen sonstiger vertraglicher Beziehungen schließt einen solchen haftungsbegründenden Auskunftsvertrag nicht aus; dieser kommt gerade mit der Erteilung der Auskunft zustande (BGHZ 7, 371, 374; BGH NJW 1962, 1500 Nr. 6; 1970, 1737; 1972, 678; 1972, 1200; 1973, 321, 323; Urteil vom 6. November 1974 – VIII ZR 207/72 = LM BGB § 676 Nr. 14 jeweils mit weiteren Nachweisen).
b) Diese Grundsätze sind auch auf Personen oder Unternehmen anzuwenden, die sich mit dem Vertrieb und der Vermittlung von Kapitalanlagen befassen. Sie wenden sich in aller Regel an mutmaßliche Interessenten mit ins einzelne gehenden Angaben über die von ihnen angebotenen Kapitalanlagen oder senden solche detaillierten Darstellungen in Form von Prospekten auf Anfordern den künftigen Kapitalanlegern zu. Für diese bilden die ihnen so erteilten Auskünfte die wesentliche Grundlage für ihre Entscheidung, ob sie von dem ihnen unterbreiteten Angebot Gebrauch machen wollen. Sie sind auf die Auskünfte angewiesen, da sie regelmäßig keine Möglichkeiten haben, sich die nötigen zuverlässigen Informationen selbst zu verschaffen.
Auf der anderen Seite sind die Personen oder Unternehmen, die Kapitalanlagen vertreiben oder vermitteln, aufgrund ihrer Erfahrungen in dieser Branche sachkundig oder geben zumindest vor, es zu sein. Gewöhnlich sind sie auch in der Lage, Einblick in Unterlagen zu nehmen, auf die sich die von ihnen erteilten Auskünfte gründen. Zumindest können sie davon, daß ihnen das gewährt wird oder anderweitige Nachweise erbracht werden, ihre Vertriebstätigkeit und Vermittlungstätigkeit abhängig machen. Ihr eigenes wirtschaftliches Interesse liegt darin, sich die in diesem Gewerbezweig nicht unerheblichen Provisionen zu verdienen.
Die Interessenlage erfordert es deshalb zum Schutz der Kapitalanleger, in der Erteilung von Auskünften durch Vermittler von Kapitalanlagen nicht nur einen gemäß § 676 BGB unverbindlichen Rat zu erblicken, sondern einen Vorgang, der die volle vertragliche Haftung des Auskunftgebers nach sich zieht (vgl auch BGHZ 70, 356 für den Herausgeber eines periodisch erscheinenden Börsendienstes; etwas anderes Lutter, Festschrift für Bärmann, 1975, S 605, 613/614, der insoweit § 98 HGB anwenden will).
c) So ist es auch hier.
Die Angaben, die die Beklagte in ihren Schreiben vom 6. und 13. Dezember 1971 in Verbindung mit den übersandten Prospekten über die KG gemacht hat, waren für den Kläger, der eine sichere Anlage für eine größere Geldsumme suchte, von erheblicher Bedeutung. Das war für die Beklagte auch erkennbar. Sie wollte den Kläger gerade durch die mitgeteilten Einzelheiten zu einer Beteiligung an der KG bewegen und hat eine solche Beteiligung ausdrücklich und „nachhaltig” empfohlen. Dabei hat sie sich als erfahrene und erfolgreiche Vertriebsfirma für steuerbegünstigte Kapitalanlagen bezeichnet und damit ihre Sachkunde hervorgehoben. Da mit einem Erfolg ihrer Werbetätigkeit ansehnliche Provisionszahlungen verbunden waren, hatte die Beklagte auch ein eigenes wirtschaftliches Interesse daran, daß der Kläger der KG beitrat. Bei dieser Sachlage unterliegt es keinen Bedenken, wenn das Berufungsgericht annimmt, daß zwischen den Parteien ein Beratungsvertrag und Auskunftsvertrag zustandegekommen ist.
2. Die Beklagten haften dem Kläger aber auch aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen.
Beide Anspruchsgrundlagen bestehen nebeneinander (BGH LM BGB § 676 Nr 14 und Senatsurteil vom 14. November 1968 – VII ZR 51/67 = WM 1969, 36).
a) Allerdings führte die Beklagte die Vertragsverhandlungen mit dem Kläger, aufgrund deren er der KG beitrat, nicht im eigenen Namen, sondern als Vertreter der KG. Trotzdem haftet die Beklagte. Die Verpflichtungen aus dem durch die Anbahnung von Vertragsverhandlungen eines Vertreters begründeten gesetzlichen Schuldverhältnis treffen zwar grundsätzlich den Vertretenen. Anders kann es jedoch sein, wenn der Vertreter in besonderem Maße persönliches Vertrauen in Anspruch genommen und ihm das der Verhandlungsgegner auch entgegengebracht hat. Dann muß der Vertreter selbst für die Verletzung vorvertraglicher Pflichten, gerade etwa auch einer Verpflichtung zur Aufklärung, einstehen. Den Vertreter selbst in solchen Fällen für sein Verschulden bei Vertragsverhandlungen haften zu lassen, ist deswegen gerechtfertigt, weil er über das normale Verhandlungsvertrauen hinausgegangen ist, das bei der Anbahnung von Geschäftsbeziehungen meist gegeben ist. Damit hat er dem Verhandlungspartner eine zusätzliche, von ihm persönlich ausgehende Gewähr für das Gelingen des in Aussicht genommenen Rechtsgeschäfts geboten, die für den Willensentschluß des anderen Teils bedeutsam war. Ein solches dem Vertreter persönlich entgegengebrachtes besonderes Vertrauen kann zB in dessen außergewöhnlicher Sachkunde für den Vertragsgegenstand begründet sein, aber auch in seiner besonderen persönlichen Zuverlässigkeit (BGHZ 56, 81, 83f mit Nachweisen; 63, 382; 70, 337, 341; BGH NJW 1977, 1914, Urteil vom 17. März 1976 – VIII ZR 208/74 = LM BGB § 276 (A) Nr.14 = WM 1976, 614).
b) Aus diesem Grunde hat der II. Zivilsenat ausgesprochen, daß im Regelfall die das Management bildenden Initiatoren und Gründer einer Publikums-KG für die Vollständigkeit und Richtigkeit der mit ihrem Wissen und Willen in Verkehr gebrachten Werbeprospekte haften (BGHZ 71, 284; BGH NJW 1973, 1604). Ebenso können sich Personen schadensersatzpflichtig machen, die besonderen Einfluß in der Gesellschaft ausüben und Mitverantwortung tragen (BGH Urteil vom 16. November 1978 – II ZR 94/77 = WM 1979, 141 zum Abdruck in BGHZ bestimmt). Der II. Zivilsenat hat weiter entschieden, daß eine lediglich als Handelsvertreter tätig gewordene Anlagenvermittlungsgesellschaft bei mangelnder Aufklärung eines durch Prospekt geworbenen Käufers von Anteilen eines ausländischen Immobilien-Fonds selbst aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen zur Verantwortung gezogen werden kann, wenn sie den Erwerbern gegenüber besonderes Vertrauen in Anspruch genommen hat (BGH Urteil vom 10. April 1978 – II ZR 103/76 = WM 1978, 611).
Ähnliches gilt für Personen und Unternehmen, die sich mit dem Vertrieb oder der Vermittlung von Kapitalanlagen der hier in Frage stehenden Art befassen. Der vorzitierten Rechtsprechung des II. Zivilsenats liegt der allgemeine Rechtsgedanke zugrunde, daß für die Vollständigkeit und Richtigkeit der in Verkehr gebrachten Werbeprospekte einer Publikums-KG jeder einstehen muß, der durch von ihm in Anspruch genommenes und ihm auch entgegengebrachtes Vertrauen auf den Willensentschluß des Kapitalanlegers Einfluß genommen hat. Das sind einmal diejenigen, denen die Beitrittsinteressenten typischerweise ihr Vertrauen schenken, mögen sie auch nur als Initiatoren, Gestalter oder Gründer der Gesellschaft auftreten. Dazu gehören aber auch diejenigen, die einen aus ihrer Person hergeleiteten zusätzlichen Vertrauenstatbestand geschaffen haben. Das kann gerade auf die Personen und Unternehmen zutreffen, die solche Beteiligungen vertreiben oder vermitteln, nämlich dann, wenn sie als in dieser Branche vielfältig erfahren und damit sachkundig auftreten, den Eindruck besonderer persönlicher Zuverlässigkeit erwecken und so für ihre Verhandlungspartner eine zusätzliche, wenn nicht gar die ausschlaggebende Gewähr für die Richtigkeit der in dem Werbeprospekt oder anderweit über die Kapitalanlage gemachten Angaben bieten (vgl. dazu auch Nirk, Festschrift für Fritz Hauss, 1978, S. 267, 283).
c) Einen solchen zusätzlichen Vertrauenstatbestand hat die Beklagte als Vertriebsfirma hier geschaffen, wie das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler annimmt. Sie hat sich, als sie sich an den Kläger wandte, als einen „erfahrenen und seriösen Partner” bezeichnet, der alle durch seine Hände gegangenen bedeutenden Vorhaben zur vollen Zufriedenheit seiner Kunden abgewickelt habe. Darüber hinaus hat sie mit der von ihr herausgestellten Angabe, das Objekt sei, bevor sie es in den Vertrieb aufgenommen habe, durch mehrere Wirtschaftsprüfer und Steuerfachleute geprüft worden, wie das bei allen ihren Angeboten geschehe, den Eindruck erweckt, besondere Sorgfalt walten zu lassen und damit auch besonders vertrauenswürdig zu sein. Infolgedessen mußte die empfohlene Beteiligung an der KG dem Kläger vor allem deshalb unbedenklich erscheinen, weil sie von der Beklagten angeboten wurde. Deren persönlicher Einsatz für das Objekt gab den im Werbeprospekt und ihren Briefen gemachten Angaben besonderes Gewicht. Damit sind die Voraussetzungen für die eigene Haftung der Beklagten aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen erfüllt.
II.
Das Berufungsgericht ist der Ansicht, die Beklagte habe die ihr obliegenden vertraglichen und vorvertraglichen Auskunftspflichten und Aufklärungspflichten schuldhaft verletzt.
Auch insoweit hält das Berufungsurteil den Angriffen der Revision der Beklagten stand.
1. Sowohl nach dem Auskunftsvertrag und Beratungsvertrag wie im Rahmen des durch die Anbahnung von Vertragsverhandlungen begründeten gesetzlichen Schuldverhältnisses war die Beklagte verpflichtet, die von ihr über die KG gegebenen Informationen, soweit sie für den Kläger für seinen Entschluß, der KG beizutreten, von Bedeutung sein konnten, sorgfältig und wahrheitsgemäß zu erteilen (BGH LM BGB § 676 Nr. 14). Diese Verpflichtung hat die Beklagte verletzt.
Zumindest war die Angabe in ihren Schreiben vom 6. und 13. Dezember 1971 und in dem dem Kläger übersandten Emissionsangebot falsch, der Absatz der von der KG hergestellten Erzeugnisse sei schon vom Jahr der Aufnahme der Produktion an gesichert. Dabei handelt es sich nicht etwa um eine schlagwortartige Mitteilung, die, weil zu unbestimmt gefaßt, ein Interessent für eine Kapitalanlage nicht hätte ernst nehmen dürfen. In dem Werbeprospekt über die KG heißt es vielmehr detailliert, der Verkauf sei sowohl über den Einzelhandel als auch über Warenhäuser und Konzerne sichergestellt; es bestünden bereits jetzt verbindliche Zusagen eingeführter und erfolgreicher Vertriebsorganisationen im Inland und Ausland.
Dadurch wurde der Eindruck erweckt, es seien feste Abmachungen mit Abnehmern der von der KG hergestellten Strickwaren in einem Umfang getroffen worden, daß einer von Anfang an erfolgreichen Tätigkeit des zu gründenden Unternehmens nichts im Wege stehe. Solche fundierten Absatzerwartungen sind für jeden, der eine Beteiligung an einem solchen Unternehmen erwägt, von erheblicher Bedeutung. Tatsächlich lag keine Vertriebszusage vor, mit Ausnahme eines nur allgemein gehaltenen Angebots der P. L. GmbH in M., Strickwaren der KG gegen Verkaufsprovision zu vertreiben.
2. Die Beklagte hat auch schuldhaft gehandelt.
a) Welche Anforderungen an die Sorgfaltspflicht dessen zu stellen sind, der Kapitalanlagen anbietet und dazu entsprechende Empfehlungen gibt, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Das gilt vor allem dafür, in welchem Umfang er Nachforschungen über die Verläßlichkeit der von ihm erteilten Informationen anstellen muß. Insofern ist maßgebend, wie weit im konkreten Fall das schutzwürdige Vertrauen des Informationsempfängers auf die Richtigkeit der ihm gemachten Angaben reicht. Danach richtet sich, welche Nachforschungen er redlicherweise verlangen darf. Das gilt gleichermaßen für den selbständigen Beratungsvertrag wie für die im Rahmen eines vorvertraglichen Vertrauensverhältnisses erteilten Auskünfte (BGH LM BGB § 676 Nr. 14).
Eine erhöhte Sorgfaltspflicht trifft den Anlageberater, wenn er – wie hier – in besonderem Maße persönliches Vertrauen in Anspruch genommen hat, das sich auf seine vielfältige Berufserfahrung und Sachkunde oder auf seine besondere persönliche Zuverlässigkeit gründet, so daß er eine zusätzliche Gewähr für die Richtigkeit der von ihm selbst oder in dem von ihm versandten Werbeprospekt gemachten Angaben bietet. Er muß eigene Ermittlungen anstellen und darf die Angaben Dritter nicht ungeprüft übernehmen und weitergeben. Er muß es umso mehr, wenn er sogar den Eindruck erweckt, das von ihm angebotene Objekt sei von ihm überprüft worden (vgl. etwa BGHZ 70, 356, 362 und BGH WM 1978, 611).
b) Die Beklagte hatte dem Kläger gegenüber mehrfach betont, daß sie das hier in Frage stehende Objekt erst in ihren Vertrieb aufgenommen habe, nachdem es eingehend überprüft worden sei. So verfahre sie immer. Deshalb mußte sie, wie dargelegt, ihren Verhandlungspartnern als besonders vertrauenswürdig erscheinen. Dann aber durften diese erwarten, daß sie auch die Angaben zu den Absatzerwartungen selbständig überprüft und für richtig befunden hatte. Das hat sie, wie sie einräumt, nicht getan und damit fahrlässig gehandelt.
Daß sie anderen Angaben, die ihr von den Initiatoren der KG gemacht worden waren, nachgegangen ist und gewisse Sicherheiten für die Kommanditisten durchgesetzt hat, wie die Revision geltend macht, ist unmaßgeblich. Deshalb brauchte sich das Berufungsgericht mit dem Sachvortrag der Beklagten darüber nicht zu befassen und mußte auch die dazu angetretenen Beweise nicht erheben.
3. Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht ein Mitverschulden des Klägers verneint.
Dabei kann offen bleiben, ob und inwieweit in Fällen der vorliegenden Art der Einwand des Mitverschuldens überhaupt durchgreifen kann, wenn der Empfänger eines Kapitalanlageangebots eigene Überprüfungen unterläßt, bevor er der ihm erteilten Empfehlung folgt (BGHZ 70, 356, 365 mit weiteren Nachweisen). Hier besaß der Kläger zwar als Strickwarenfabrikant in gewissem Umfang eigene Sachkunde, die ihm auch eine eigene Beurteilung ermöglicht haben könnte. Eigene Ermittlungen über die behauptete Sicherstellung des Absatzes waren von ihm aber nicht zu erwarten, nachdem die Beklagte die Beteiligung erst kurz vor Jahresende angeboten und auf alsbaldige Zeichnung gedrängt hatte, damit die Steuervorteile noch für das Jahr 1971 wahrgenommen werden könnten.
III.
1. Das Berufungsgericht stellt fest, die falschen Angaben über die Sicherung des Absatzes der von der KG erzeugten Strickwaren seien ursächlich für den Beitritt des Klägers zur KG und damit für den Verlust seiner Einlage gewesen. Hätte er gewußt, daß in Wahrheit keine verbindlichen Zusagen von Kaufhäusern, Konzernen und Vertriebsorganisationen im Inland und Ausland vorlagen, am Verkauf der Waren mitzuwirken, so wäre er der KG nicht beigetreten. Die übrigen Angaben in den ihm von der Beklagten zugeleiteten Schriftstücken hätten ihn dazu nicht bewogen.
2. Diese tatrichterliche Überzeugungsbildung ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Was die Revision der Beklagten dagegen vorbringt, greift nicht durch.
Die Würdigung des Berufungsgerichts widerspricht insbesondere nicht allgemeinen Erfahrungssätzen. So leuchtet es vor allem ein, daß sich ein Unternehmer aus der Textilbranche, wie der Kläger, der die Anfälligkeiten dieses Gewerbezweiges kennt, an einem erst zu errichtenden Fabrikationsbetrieb nur beteiligt, wenn der Absatz der Erzeugnisse durch feste Vertriebszusagen gesichert ist. Entgegen der Ansicht der Revision der Beklagten hat der Kläger in beiden Tatsacheninstanzen stets besonders auf diesen Gesichtspunkt abgestellt. Daß er auch andere Angaben über die KG für falsch gehalten hat, spielt dabei keine entscheidende Rolle.
Ebenso wenig kommt es darauf an, welche Umstände im einzelnen zum Zusammenbruch der Firma geführt haben. Da es in Wirklichkeit an den Absatzmöglichkeiten fehlte, wie sie in den dem Kläger übersandten Schriftstücken fälschlich als durch „verbindliche Zusagen eingeführter und erfolgreicher Vertriebsorganisationen im Inland und Ausland” gesichert dargestellt wurden, war das Unternehmen von Anfang an vom Scheitern bedroht. Die als besonders sicher und seriös angepriesene Beteiligung war im Gegenteil mit besonderen Risiken behaftet. Diesen Risiken wäre der Kläger entgangen, wenn er sich nicht an der später zahlungsunfähig gewordenen KG beteiligt hätte. Die falschen Angaben der Beklagten über die Absatzerwartungen sind daher für den dem Kläger durch den Verlust seiner Einlage entstandenen Schaden ursächlich geworden.
IV.
Der Kläger verlangt von den Beklagten den Schaden ersetzt, den er dadurch erlitten hat, daß er auf die Angaben der Beklagten über die KG vertraut hat. Das gilt sowohl für den aus der Verletzung des Beratungsvertrags wie für den aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen herzuleitenden Schadensersatzanspruch, die sich dem Umfang nach hier decken. Hätte die Beklagte die unrichtigen Angaben über die Sicherung des Absatzes nicht gemacht, so wäre der Kläger der KG nicht beigetreten, hätte also seine Einlage von 200.000 DM behalten. Deren Verlust haben ihm die Beklagten daher zu ersetzen. Darüber besteht zwischen den Parteien kein Streit.
Sie streiten dagegen darüber, inwieweit sich der Kläger auf diese Summe steuerliche Vorteile anrechnen lassen muß, die ihm zugeflossen sind, weil er der in Vermögensverfall geratenen Abschreibungsgesellschaft als Kommanditist angehört hat. Solche Steuervorteile hat er unstreitig in Höhe von 123.101 DM dadurch erzielt, daß er in den Jahren 1971 bis 1973 Verlustzuweisungen von insgesamt 222.499 DM erhalten hat.
1. Das Berufungsgericht rechnet dem Kläger diese Steuervorteile aus den Verlustzuweisungen nicht an, weil es sich lediglich um Buchverluste handele, denen ein entsprechender wirklicher Wertverzehr nicht gegenüber stehe. Es ist aber der Ansicht, der Verlust der Einlage des Klägers durch die Ablehnung der Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der KG im Jahre 1975 wirke sich als Minderung seines Einkommens in diesem Jahr aus. Da er die Spitze seines Einkommens mit 56% versteuern müsse, habe er somit 112.000 DM Steuern erspart, die auf den von ihm erlittenen Schaden anzurechnen seien.
2. Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Die dagegen gerichtete Revision des Klägers hat Erfolg.
a) Ob eine spätere Minderung oder Beseitigung des eingetretenen Vermögensschadens den Schadensersatzanspruch beeinflußt, ist nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung zu beurteilen. Danach sind Wegfall oder Minderung des Schadens nur insoweit zu berücksichtigen, als sie in einem adäquat-ursächlichen Zusammenhang zu dem schädigenden Ereignis stehen. Außerdem muß die Anrechnung dem Zweck des Schadensersatzes entsprechen und darf den Schädiger nicht unbillig entlasten (BGH NJW 1977, 1819; 1978, 536 Nr 3 jeweils mit weiteren Nachweisen; erst neuerdings wieder Urteil vom 19. Dezember 1978 – VI ZR 218/76 – zur Veröffentlichung bestimmt). Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gehören zu den auf den Schadensersatzanspruch eines Geschädigten anzurechnenden Vorteilen auch Steuern, die der Geschädigte infolge der Schädigung erspart hat (BGHZ 53, 132, 134; BGH NJW 1967, 1462 Nr. 2 mit weiteren Nachweisen; Urteil vom 23. Januar 1979 – VI ZR 4/77 – zur Veröffentlichung bestimmt). An solchen anrechenbaren Vorteilen fehlt es jedoch hier.
b) Das Berufungsgericht hat übersehen, daß im Jahre 1975 die Einlage des Klägers steuerrechtlich bereits verloren war. Durch die Verlustzuweisungen von insgesamt 222.499 DM in den Jahren 1971 bis 1973 hatte sein Kapitalkonto einen Stand von – 22.499 DM erreicht. Dabei ist es bis in das Jahr 1975 geblieben. Das Einkommen des Klägers konnte sich also in diesem Jahr nicht noch einmal um 200.000 DM vermindern, wodurch der Kläger Steuern erspart hätte.
Der Kläger hat im Gegenteil durch die Auflösung des negativen Kapitalkontos einen Gewinn erzielt, den er nun wieder versteuern muß (BFHE 79, 351; vgl. auch Frotscher BB 1975, 694, 696). Der dem Kläger insoweit ursprünglich zugeflossene Steuervorteil wird gleichsam wieder rückgängig gemacht. Daß das möglicherweise zu einem ermäßigten Steuersatz geschieht, darf den Beklagten nicht zugute kommen (BGHZ 53, 132, 138; BGH Urteil vom 3. Februar 1970 – VI ZR 245/67 = WM 1970, 633, 637 a.E.).
c) Es kann davon ausgegangen werden, daß dem Kläger die Steuerersparnis verbleibt, die durch die Verlustzuweisungen in Höhe seiner Kommanditeinlage von 200.000 DM bewirkt worden ist. Denn diesem Vorteil steht als Nachteil gegenüber, daß der Kläger auch die Schadensersatzleistung der Beklagten in gleicher Höhe zu versteuern hat.
aa) Die Schadensersatzleistung ist für den Kläger eine Betriebseinnahme. Darunter sind alle betrieblich veranlaßten Wertzugänge zum Betriebsvermögen zu verstehen (BFH Urteil vom 15. Dezember 1976 – I R 4/75 = BStBl II 1977, 220). Wer sich als Kommanditist an einer KG beteiligt, ist steuerrechtlich Mitunternehmer des Betriebs der KG, auch wenn er seinen Kommanditanteil nur als Vermögensanlage betrachtet (BFH Urteil vom 15. Oktober 1975 – I R 16/73 = BStBl II 1976, 188, 190). Somit sind für ihn alle Zahlungen, die er in wirtschaftlichem Zusammenhang mit seiner Beteiligung an der KG erhält, Betriebseinnahmen gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG.
Die Schadensersatzleistung der Beklagten steht in einem solchen wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Kommanditbeteiligung des Klägers. Sie ist, wenn auch nicht rechtlich, so doch wirtschaftlich durch die Aufgabe des Betriebs der KG ausgelöst worden. Damit ist sie dem gewerblichen Bereich zuzuordnen und vom Kläger als Betriebseinnahme nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG zu versteuern. Daß die Schadensersatzleistung auf einer bürgerlich-rechtlichen Schadensersatzpflicht beruht, spielt keine Rolle (BFH Urteil vom 8. Dezember 1971 – I R 80/70 = BStBl II 1972, 292, 293; BFH BStBl II 1977, 220).
Das ist auch interessengerecht. Werden – wie hier – die Verluste der KG in Höhe ihrer Zuweisung steuerlich als einkommensmindernde Betriebsverluste der Kommanditisten behandelt, so ist es folgerichtig, Schadensersatzleistungen, die in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Kommanditbeteiligung stehen, ebenfalls dem betrieblichen und nicht dem privaten, steuerneutralen Bereich des betroffenen Kommanditisten zuzurechnen.
bb) Der Kläger muß somit die Schadensersatzleistung von 200.000 DM als Einkommen versteuern. Dabei unterliegt sie nicht dem ermäßigten Steuersatz des § 34 EStG, denn sie ist keine Entschädigung gemäß § 24 Nr. 1 EStG. Steuerbegünstigt sind nach § 24 Nr 1a EStG nur Entschädigungen, die als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt werden. Das ist hier nicht der Fall. Der Kläger verlangt nicht Ersatz für entgangene Einnahmen, sondern Ersatz für die von ihm geleistete Kommanditeinlage. Er will sein verlorenes Vermögen wieder haben und erstrebt damit allein einen Ausgabenausgleich. Diesen Fall erfaßt § 24 Nr. 1a EStG gerade nicht (BFH Urteil vom 26. Oktober 1972 – I R 229/70 = BStBl II 1973, 121, 123; Herrmann/Heuer, 18. Aufl., § 24 EStG Anm. 3b). Der ermäßigte Steuersatz des § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG kommt daher für die Schadensersatzleistung der Beklagten nicht in Betracht.
cc) Im übrigen könnten sich die Beklagten auf eine sich aus den §§ 24 Nr. 1a, 34 Abs. 2 EStG für den Kläger ergebende Steuerermäßigung nicht berufen. Nach der Rechtsprechung des Senats wird ein auf den Schaden anrechenbarer Steuervorteil grundsätzlich durch die den Geschädigten hinsichtlich der Schadensersatzleistung treffende Steuerpflicht aufgewogen, ohne daß die Beträge im Einzelfall festgestellt zu werden brauchen (BGHZ 53, 132, 138). Das gilt auch hier. Von dieser Rechtsprechung abzugehen, sieht der Senat keinen Anlaß, auch wenn es sich in Fällen der vorliegenden Art um größere Summen handeln kann. Es wäre unbillig, wenn eine Steuervergünstigung, die der Staat dem Geschädigten aus einem besonderen Anlaß gewährt, ihm letztlich gar nicht zugute käme, sondern nur dazu dienen würde, den Schädiger zu entlasten. Das wäre mit dem Grundgedanken der schadensersatzrechtlichen Vorteilsausgleichung nicht vereinbar.
Nach alledem haben hier bei der Schadensberechnung sämtliche Steuervorteile, die dem Kläger durch die Verlustzuweisungen der Jahre 1971 bis 1973 zugeflossen sind, außer Betracht zu bleiben. Die Beklagten haben dem Kläger den vollen Schaden in Höhe von 200.000 DM zu ersetzen. Da es dazu weiterer Feststellungen nicht bedarf, kann der Senat hierüber nach § 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO abschließend entscheiden.
V.
Das Berufungsgericht hat dem Kläger gemäß §§ 352, 353 HGB nur 5% Zinsen zugesprochen statt der vom Kläger verlangten 3% über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank.
Insoweit bleibt die Revision des Klägers erfolglos.
Der Kläger hat nicht dargetan, daß er eine höhere Verzinsung der 200.000 DM erzielt hätte, wenn er sie nicht in die KG eingebracht hätte. Seine dahingehenden Behauptungen haben die Beklagten bestritten. Der Kläger hätte näher darlegen müssen, auf welche Weise er das Geld angelegt hätte, damit es den von ihm behaupteten höheren Zinsertrag erbracht hätte. Der Kläger hat denn auch in einem in der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht übergebenen Schriftsatz seine Zinsberechnung geändert. Dieses Vorbringen hat das Berufungsgericht jedoch mit Recht nicht mehr zugelassen, wie die Revision des Klägers auch nicht beanstandet. Dem Kläger können daher mehr als 5% Zinsen nicht zuerkannt werden.
VI.
Auf die Rechtsmittel des Klägers sind daher die Urteile der Vorinstanzen in dem aus dem Urteilsspruch ersichtlichen Umfang abzuändern. Die weitergehende Revision des Klägers und die Revision des Beklagten sind zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 2078693 |
BGHZ, 103 |
JZ 1979, 438 |