Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwaltshaftung: Schadensursächlichkeit einer Anwaltspflichtverletzung bei möglicher Ermessensentscheidung des Finanzamts. Billigkeitserlaß der Steuerschuld eines Nichtunternehmers aus unberechtigtem Umsatzsteuerausweis
Leitsatz (amtlich)
1. Hängt die Schadensursächlichkeit einer anwaltlichen Pflichtverletzung von einer behördlichen Ermessensentscheidung ab, so ist ausnahmsweise darauf abzustellen, wie die Verwaltungsbehörde richtigerweise hätte entscheiden müssen, wenn die zu beurteilende Fallgestaltung bei pflichtgemäßer Ermessensausübung nur eine einzige Beurteilung zuließ.
2. Eine aus § 14 Abs. 3 UStG folgende Steuerschuld ist aus Billigkeitsgründen jedenfalls dann zu erlassen, wenn die von einem Nichtunternehmer abgerechnete Leistung tatsächlich genau so ausgeführt und versteuert worden ist, wenn zusätzlich vom Leistungsempfänger abgezogene Vorsteuern in vollem Umfang in die Steuerkasse erstattet worden sind, und wenn der Leistende weiter nachweist, daß er in entschuldbarem Irrtum über seine Unternehmereigenschaft gehandelt hat.
Leitsatz (redaktionell)
Wendet sich der (frühere) Mandant wegen eines Steuerscheids an den Rechtsanwalt der die Steuererklärung erstellt hat, so ist dieser aufgrund des nachvertraglichen Sorgfaltsverhältnisses gemäß § 242 BGB verpflichtet, dem – früheren – Mandanten die Ablehnung der Weiterbearbeitung unverzüglich mitzuteilen. Ist die Angelegenheit, wie bei Einsprüchen gegen Steuerbescheide, offensichtlich fristgebunden, so hat der Rechtsanwalt möglichst so beschleunigt zu antworten, daß die laufende Frist nicht in vermeidbarer Weise versäumt wird, und hierbei auf den drohenden Fristablauf hinzuweisen.
Normenkette
BGB § 249 S. 1, § 675; UStG 1991 § 14 Abs. 3 S. 2 Alt. 1; AO § 227; UStR 1985 Abschn. 190 Abs. 3; EWGRL 388/77 Art. 20 Abs. 1 Buchst. a
Verfahrensgang
OLG Karlsruhe (Urteil vom 10.11.1994; Aktenzeichen 11 U 87/93) |
LG Karlsruhe (Urteil vom 19.11.1993; Aktenzeichen 2 O 267/93) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 10. November 1994 aufgehoben und insgesamt wie folgt neu gefaßt:
Auf die Berufung des Klägers wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das Urteil der II. Zivilkammer des Landgerichts Karlsruhe vom 19. November 1993 abgeändert, soweit zum Nachteil des Klägers erkannt worden ist.
Der Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger 72.055,90 DM nebst Zinsen in folgender Höhe zu zahlen: Von 9.646 DM 18,5 % für die Zeit vom 9. bis 15. Februar 1993, 7,25 % vom 16. Februar bis 15. März 1993, 7 % vom 16. März bis 15. April 1993, 6,75 % vom 16. April bis 15. Mai 1993, 6,625 % vom 16. Mai bis 15. Juni 1993, 6,5 % vom 16. Juni bis 15. Juli 1993 und 6,25 % seit 16. Juli 1993, sowie 12,25 % von 62.409,90 DM seit 15. April 1994.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des ersten Rechtszuges fallen dem Beklagten zur Last. Die Kosten des zweiten und dritten Rechtszuges tragen der Kläger zu 1/9 und der Beklagte zu 8/9.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger war als umsatzsteuerpflichtiger Unternehmer im Verkehrsgewerbe beim zuständigen Finanzamt gemeldet. Er beschäftigte einen eigenen Steuerberater. Mit Schreiben vom 30. November 1987 teilte der Kläger dem Finanzamt unter anderem mit:
„Aus gesundheitlichen Gründen wurden 1987 keine Umsätze getätigt. Das wird sich auch in absehbarer Zeit nicht ändern. Sollten Umsätze getätigt werden, komme ich unaufgefordert auf Sie zu. Bis dahin wollen Sie bitte auf Null-Meldungen verzichten …”.
Im Frühjahr 1988 erwarb der Kläger im Wege der Erbauseinandersetzung den Betriebsteil Güterfernverkehr der E. S. GmbH & Co. KG (nachfolgend: KG). Die Übertragung wurde als Kauf zum Preise von 428.900 DM abgewickelt; davon sollten dem Kläger 360.000 DM als Erbteilsausgleich zustehen, während er zur Tilgung des Restbetrages seinerseits einen entsprechenden Teil (78.546 DM einschließlich Mehrwertsteuer) aus seinem Veräußerungserlös an die KG abtrat. Zeitgleich hatte der Kläger nämlich durch Vertrag vom 21. April 1988 den Betriebsteil an die R. M. Transport GmbH (im folgenden: GmbH) für 428.600 DM zuzüglich Mehrwertsteuer verkauft und übertragen. Der Kaufpreis wurde bezahlt. Den an ihn vereinbarungsgemäß zur Auszahlung gelangten Teilkaufpreis von 360.000 DM zuzüglich 50.400 DM Mehrwertsteuer gab der Kläger 1988 in einer Umsatzsteuervoranmeldung dem Finanzamt an; auch bezahlte er die Mehrwertsteuer.
Der Beklagte, ein Fachanwalt für Steuerrecht, betreute die KG. Im Jahre 1991 fertigte er für den Kläger die Umsatzsteuererklärungen 1988 und übernahm die Zahlen aus der Voranmeldung. Das Finanzamt erteilte sodann eine Abrechnung zur Umsatzsteuer 1988 mit einer Schuld von 50.400 DM und einer Zahlung in gleicher Höhe.
Mit Datum vom 13. April 1992 erließ das Finanzamt – gerichtet unmittelbar an den Kläger – einen geänderten Bescheid, in dem es eine Umsatzsteuerschuld von 60.046 DM – als „unberechtigt ausgewiesene Steuerbeträge” – festsetzte, wovon unter Anrechnung des bereits gezahlten Betrages eine Reststeuerschuld von 9.646 DM verblieb. Mit Brief vom 16. April 1992 übersandte der Kläger dem Beklagten eine Kopie des Bescheids, teilte mit, er könne mit der Angelegenheit nichts anfangen, und bat um Auskunft, was geschehen solle. Etwa zwei Wochen später erinnerte der Kläger den Beklagten fernmündlich an die Angelegenheit. Erstmals mit Datum vom 26. Mai 1992 antwortete der Beklagte, auch ihm sei der Bescheid „nicht recht verständlich”, der Kläger solle sich unmittelbar beim Finanzamt um Aufklärung bemühen.
Aufgrund des Bescheides wurden beim Kläger – einschließlich Kosten und Gebühren – 10.613 DM beigetrieben. Als der Kläger durch einen anderen Steuerberater unter Darlegung des Sachverhalts mit Schreiben vom 9. September 1992 um Aufhebung des Steuerbescheids bat, lehnte das Finanzamt diese unter Hinweis auf die Bestandskraft ab.
Von der GmbH forderte das Finanzamt die von dieser abgezogene Vorsteuer mit der Begründung nach, dem Kläger fehle die Unternehmereigenschaft. Die GmbH entrichtete die Steuern und erwirkte gegen den Kläger ein rechtskräftiges Urteil auf Zahlung von 60.046 DM nebst Zinsen. In diesem Rechtsstreit hatte der Kläger dem Beklagten den Streit verkündet. Der Kläger hat die Urteilssumme nebst Kosten und Zinsen an die GmbH bezahlt.
Mit der Klage verlangt der Kläger Ersatz der von ihm an die GmbH bezahlten und vom Finanzamt beigetriebenen Beträge. Seine auf Zahlung von – zuletzt – 81.701,90 DM nebst Zinsen gerichtete Klage hatte in der ersten Instanz teilweise Erfolg, während das Oberlandesgericht sie mit der Begründung abgewiesen hat, das fehlerhafte Verhalten des Beklagten habe keinen Schaden des Klägers verursacht. Dagegen richtet sich dessen Revision.
Entscheidungsgründe
Das Rechtsmittel hat Erfolg.
A.
Vertragsverletzung
I.
Das Berufungsgericht hat angenommen, der Beklagte sei dem Kläger dem Grunde nach schadensersatzpflichtig, und hierzu ausgeführt: Der Beklagte selbst sei ausweislich der von ihm verfaßten Schreiben an das Finanzamt von einem bestehenden Mandatsverhältnis zum Kläger ausgegangen. Mindestens hätte er dem Kläger auf dessen Schreiben vom 16. April 1992 unverzüglich antworten müssen, wenn er in dieser Angelegenheit, in der Fristen zu beachten waren, nicht tätig werden wollte (§ 44 Satz 2 BRAO). Dann hätte der Kläger die Möglichkeit gehabt, entweder fristgerecht beim Finanzamt vorstellig zu werden oder seinen Steuerberater mit dem Vorgang zu befassen.
II.
Das ist jedenfalls im Ergebnis richtig. Der Beklagte hatte mit dem Kläger einen Anwaltsdienstvertrag (§§ 675, 611 BGB) über die Abgabe der Umsatzsteuererklärung 1988 abgeschlossen. Daß er diese Geschäftsbesorgung möglicherweise nur übernommen hat, weil er damit zusammenhängend Umsatzsteuerangelegenheiten der KG auftragsgemäß erledigen wollte, und daß er dem Kläger tatsächlich keine Gebühren berechnet hat, ist unerheblich. Denn auch unter solchen Voraussetzungen kann derjenige, der einem Rechtsanwalt die Erstellung und Abgabe einer Steuererklärung über einen nicht unerheblichen Betrag anvertraut, erwarten, daß dies in vertraglich geordneten Bahnen abgewickelt wird.
Hat ein Rechtsanwalt für einen Mandanten eine Steuererklärung abgegeben, so ist er zwar nicht verpflichtet, ein sich anschließendes Einspruchs- oder gar ein Abänderungsverfahren ebenfalls zu betreiben. Der Mandant wird dies aber regelmäßig von ihm erkennbar erwarten und darauf vertrauen. Wendet sich der (frühere) Mandant wegen eines solchen Nachfolgebescheids zur früheren Steuererklärung an einen Rechtsanwalt, so ist dieser aufgrund des nachvertraglichen Sorgfaltsverhältnisses (vgl. dazu BGH, Urt. v. 11. Oktober 1983 – VI ZR 95/82, NJW 1984, 431, 432; v. 2. März 1988 – IVa ZR 218/87, VersR 1988, 835, 836) gemäß § 242 BGB verpflichtet, dem – früheren – Mandanten die Ablehnung unverzüglich mitzuteilen. Ist die Angelegenheit, wie bei Einsprüchen gegen Steuerbescheide, offensichtlich fristgebunden, so hat der Rechtsanwalt möglichst so beschleunigt zu antworten, daß die laufende Frist nicht in vermeidbarer Weise versäumt wird, und hierbei auf den drohenden Fristablauf hinzuweisen. Auf § 44 Satz 2 BRAO, der nicht einmal ein – vorangegangenes – Vertragsverhältnis voraussetzt, kommt es hierfür nicht entscheidend an.
Der Beklagte hat die bezeichnete Rechtspflicht verletzt. Er mußte damit rechnen, daß die Einspruchsfrist des § 355 Abs. 1 Satz 1 AO spätestens am 16. Mai 1992 ablief, weil der Kläger den belastenden Bescheid am 16. April 1992 in Händen hielt. Seine erst mit Datum vom 26. Mai 1992 erteilte Antwort war jedenfalls verspätet. Das mußte sich ihm nach den Umständen ohne weiteres aufdrängen, so daß die Verzögerung fahrlässig war (§ 276 Abs. 1 BGB).
B.
Schadensursächlichkeit
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Auch bei fristgerechtem Handeln des Beklagten hätte keine günstigere Entscheidung der Finanzverwaltung erreicht werden können. Insoweit komme es darauf an, wie die Steuerfrage „richtig” hätte entschieden werden müssen.
Der Kläger sei kein Unternehmer im Sinne von § 2 UStG gewesen, weil er nach seiner Anzeige vom 30. November 1987 eine berufliche Tätigkeit nicht mehr „nachhaltig” ausgeübt habe. Die einmalige Veräußerung des Betriebsteils Güterfernverkehr mit allen einzelnen aufgeführten Betriebsgegenständen habe keine „nachhaltige” Berufsausübung bedeutet.
Der Kläger hätte seine Rechnung auch nicht berichtigen können, weil auf ihn § 14 Abs. 3 – nicht Abs. 2 – UStG anzuwenden gewesen sei. Ob zugunsten des Klägers eine Billigkeitsmaßnahme nach § 163 AO in Betracht gekommen wäre, brauche nicht abschließend beurteilt zu werden. Denn dieselben Gesichtspunkte hätte die Finanzbehörde mit gleicher Auswirkung nach § 227 AO im Erhebungsverfahren berücksichtigen können, aber nicht berücksichtigt.
II.
Die Ansicht des Berufungsgerichts, der Kläger sei kein Unternehmer im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 UStG gewesen, hält den Angriffen der Revision stand.
Unternehmer ist nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG jeder, der eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbst ausübt; als beruflich oder gewerblich definiert Satz 3 der Vorschrift jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt.
1. Der Kläger war zwar bis zu seiner Anzeige vom 30. November 1987 Unternehmer; mit diesem Schreiben an das Finanzamt endete die unternehmerische Tätigkeit jedoch.
Der Unternehmerbegriff des § 2 Abs. 1 UStG wird nach der neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs geprägt durch den Leistungsaustausch im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG. Unternehmer kann nur sein, wer Lieferungen oder Leistungen gegen Entgelt ausführt (BFH BStBl. II 1993, 564, 565 m.w.N.; UR 1994, 272). Danach endet die Unternehmereigenschaft zwar nicht schon regelmäßig dann, wenn der Unternehmer vorübergehend keine auf Entgelterzielung gerichtete Leistungen erbringt. Die Prüfung der tatsächlichen Verhältnisse darf sich auch nicht allein auf den einzelnen Besteuerungszeitraum beschränken, sondern muß gegebenenfalls einen längeren Zeitraum einschließen (BFHE 158, 144, 149; BFH NV 1992, 206). Unternehmen und Unternehmereigenschaft erlöschen jedoch, wenn konkrete Anhaltspunkte für die Aufgabe der unternehmerischen Tätigkeit vorliegen (BFH BStBl. II 1993, 561); maßgeblich ist der Wille des Unternehmers, seine Tätigkeit aufzugeben (BFHE 78, 231, 232 f; 158, 144, 149; BFH UR 1990, 212).
Im vorliegenden Falle hatte der Kläger schon im gesamten Jahr 1987 keine Umsätze mehr getätigt. Auch in der Folgezeit hat er – von dem hier fraglichen Sondergeschäft (siehe unten 2) abgesehen – keine unternehmerischen Leistungen mehr erbracht. Diese nachträgliche Entwicklung durfte das Finanzamt ebenfalls mit in die Bewertung einbeziehen (vgl. BFH BStBl. II 1993, 564, 565; Wagner StuW 1990, 61, 64 f). Unter diesen Umständen konnte der Tatrichter dem Schreiben des Klägers vom 30. November 1987 den entscheidenden Anhaltspunkt für die Aufgabe seiner unternehmerischen Tätigkeit beimessen. Denn der Kläger kündigte darin an, auf absehbare Zeit und bis zu einer gegenteiligen Meldung keine Umsätze mehr tätigen zu wollen. Eine denkbare Beendigung dieses Zeitraums wurde nicht konkret ins Auge gefaßt. Damit ruhte die unternehmerische Tätigkeit nicht nur vorübergehend. Der Kläger hat auch selbst nicht dargetan, daß er etwa noch Rechtsbeziehungen hätte abwickeln müssen, die mit dem aufgegebenen Betrieb zusammenhingen (vgl. hierzu BFH UR 1990, 212; BStBl. II 1993, 696 f).
2. Die Veräußerung des Betriebsteils Güterfernverkehr im April 1988 allein machte den Kläger nicht (wieder) zum Unternehmer.
a) § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG setzt eine „nachhaltige” Tätigkeit zur Einnahmeerzielung voraus. Nachhaltig ist eine sich auf längere Zeit stark auswirkende Tätigkeit (BFH BStBl. II 1986, 874, 876; BB 1991, 1849). Bei einmaligem aktivem Tun kann sie vorliegen, wenn es auf Dauer berechnet (vgl. BFH BStBl. II 1972, 238) oder wenn die Tätigkeit wenigstens auf Wiederholung angelegt ist (vgl. BFHE 150, 192, 194 f). Eine von vornherein auf einen nur einmaligen Umsatz angelegte Tätigkeit ist dagegen nicht nachhaltig. Das gilt auch dann, wenn ein Unternehmer eine neue, in keinem rechtlichen Zusammenhang mit seiner Tätigkeit stehende Betätigung aufnimmt (BFH NVwZ 1995, 206).
Daran ändert – entgegen der Ansicht der Revision – die in Artikel 4 Abs. 2 der sechsten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 17. Mai 1977 (77/388/EWG, Amtsbl. 1977 Nr. L 145 S. 3) enthaltene Definition der unternehmerischen Tätigkeit nichts. Wenn das Erfordernis der Nachhaltigkeit nur in Satz 2 dieser Vorschrift für die Nutzung von Gegenständen ausdrücklich erwähnt ist, so folgt das allein aus der für diese Tätigkeit zwangsläufig gebotenen Abgrenzung gegen nur einmalige Nutzungen. Die genannte Umschreibung in der Richtlinie schließt es nicht aus, daß zum Begriff der in Satz 1 genannten, umfassend angelegten „Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden” schon dem Typus nach gehört, daß er nicht nur einmal tätig werden will. Hierauf deutet insbesondere Absatz 3 der Vorschrift hin: Wenn danach bestimmte Lieferungen, die nur „gelegentlich” erfolgen, von den Mitgliedstaaten der Umsatzsteuer unterworfen werden können, so fällt die Ausübung solcher zeitweiliger Tätigkeiten jedenfalls nicht unter die Begriffsbestimmung des regelmäßig Umsatzsteuerpflichtigen nach Absatz 2. Eine gegenteilige Auffassung ist dem Vorlagebeschluß des Bundesfinanzhofs vom 5. Mai 1994 (BB 1994, 1769, 1771) nicht zu entnehmen; in dem dort zugrundeliegenden Fall war eine immerhin mehrmalige Vermietung von Gegenständen zu beurteilen.
Der Kläger hat nicht dargetan, daß die Veräußerung des Betriebsteils Güterfernverkehr etwa in einem organisatorischen und sachlichen Zusammenhang mit seiner früheren Unternehmertätigkeit gestanden hätte. Die äußeren Umstände sprechen dagegen: Das Ausscheiden aus einer Erbengemeinschaft ist der Natur nach ein einmaliger Vorgang. Zwar umfaßt die Erbengemeinschaft, welcher der Kläger angehört, soweit erkennbar, noch weitere Vermögensgegenstände als die KG. Welcher Art sie im einzelnen sind – insbesondere, ob auf Umsatz angelegt – ist aber ebensowenig dargetan wie eine Absicht des Klägers, aus der Erbengemeinschaft insgesamt auszuscheiden.
Ferner hat der Kläger den Betriebsteil von der Erbengemeinschaft von vornherein nicht zu dem Zweck erhalten, ihn selbst weiterzuführen. Der Erwerb stellte also nicht die Einrichtung eines eigenen (neuen) Güterfernverkehrsunternehmens des Klägers dar. Statt dessen ging es ihm nur um den durch den Betriebsteil verkörperten finanziellen Wert; die Weiterveräußerung in einem Zuge war von Anfang an vorgesehen, um Geld flüssig zu machen. Eine solche Vermögensumschichtung bleibt der privaten Sphäre des Klägers zuzuordnen.
b) Der Kläger wurde – entgegen seiner Auffassung – auch nicht deshalb Unternehmer, weil zu dem veräußerten Betriebsteil Güterfernverkehr außer dem Firmenwert mit Kundenbeziehungen drei Lastkraftwagen mit Ausstattungs- und Zubehörstücken gehörten. Ungeachtet dessen erwarb der Kläger selbst den gesamten Betriebsteil als eine Einheit, und genauso veräußerte er ihn. Der Umfang der zusammengehörig verkauften Einzelteile allein begründet jedenfalls dann keine „nachhaltige” Tätigkeit, wenn es bei einem einmaligen Verkauf bewenden soll. Im übrigen stellt sogar eine mehrmalige Veräußerung von Bestandteilen des Privatvermögens nur dann die Unternehmereigenschaft her, wenn sich der Veräußernde regelmäßig und planmäßig wie ein Händler am Markt betätigt (BFH BStBl. II 1987 744 f). Daran fehlt es hier.
III.
Das Berufungsgericht hat es jedoch zu Unrecht offengelassen, ob dem Kläger die nach § 14 Abs. 3 Satz 2, erster Fall UStG geschuldete Steuer aus Billigkeitsgründen gemäß § 227 AO hätte erlassen werden können oder müssen, wenn der Kläger dazu geeignete Maßnahmen ergriffen hätte. Wenn das Berufungsgericht dies mit der Begründung für unerheblich hält, tatsächlich habe das Finanzamt keinen Gebrauch von der Möglichkeit eines Billigkeitserlasses nach § 227 AO gemacht, so beruht das in zweifacher Hinsicht auf Rechtsfehlern.
1. a) Zum einen hat das Berufungsgericht – entgegen seinem zutreffenden Ansatz – zu Unrecht darauf abgestellt, wie sich das Finanzamt tatsächlich verhalten hat, nicht wie es sich richtig hätte verhalten müssen. Nur die letzte Fragestellung entspricht § 249 BGB (vgl. BGHZ 36, 144, 154; Senatsurt. v. 3. Juni 1993 – IX ZR 173/92, WM 1993, 1677, 1679 m.w.N.). Zwar ist auf die mutmaßliche Behördenentscheidung dann abzustellen, wenn der Verwaltungsbehörde ein Ermessensspielraum zustand (BGHZ 79, 223, 226; BGH, Urt. v. 23. Februar 1959 – III ZR 77/58, NJW 1959, 1125, 1126; Senatsurt. v. 3. Juni 1993 – IX ZR 173/92, aaO S. 1680; v. 28. September 1995 – IX ZR 158/94, EWiR 1995, 1065). Ließ die zu beurteilende Fallgestaltung bei pflichtgemäßer Ermessensausübung aber nur eine einzige Beurteilung zu (sogenannte Ermessensreduzierung auf Null), so ist diese im späteren Schadensersatzprozeß zugrunde zu legen (vgl. Senatsurt. v. 16. November 1995 – IX ZR 14/95, zVb.). Denn auch insoweit ist jedenfalls wieder davon auszugehen, daß die Behörde sich bei der Ausübung ihres Ermessens pflichtgemäß verhalten hätte.
b) Darüber hinaus hat das Berufungsgericht die Bedeutung einer bestandskräftigen Steuerfestsetzung für den Billigkeitserlaß im Erhebungsverfahren nach § 227 AO verkannt. Bestandskräftig festgesetzte Steuern können im Billigkeitsverfahren nur dann nachgeprüft werden, wenn die Steuerfestsetzung offensichtlich und eindeutig unrichtig ist und wenn es dem Steuerpflichtigen nicht möglich oder nicht zumutbar war, sich gegen die Fehlerhaftigkeit rechtzeitig zu wehren (BFHE 133, 255, 257; 149, 126, 129; BFH NV 1988, 73, 74; NVwZ 1988, 575 f; BVerwG NJW 1991, 1073, 1074 f). Jedenfalls der zuletzt genannte Grund stand auch dem im September 1992 gestellten Erlaßgesuch des Klägers entgegen. Gerade diese Ausschlußwirkung wäre bei rechtzeitiger Einlegung eines Einspruchs vermieden worden.
Zwar schloß die vom Finanzamt hinzunehmende Bindungswirkung der Steuerfestsetzung nicht eine Überprüfung im Hinblick auf selbständige Billigkeitsgesichtspunkte von vornherein aus. Sie erschwerte es dem Kläger jedoch, sachliche Härtegründe darzutun. Darüber hinaus begründete sie die Gefahr, daß eine umfassende Prüfung von vornherein nicht stattfand, wenn die Härtegründe nicht deutlich von der – zu unterstellenden – Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung getrennt wurden. Auch diese Erschwerung der Begründung ist eine adäquat ursächliche Folge der Fristversäumung.
2. Einem rechtzeitig gestellten und ordnungsgemäß begründeten Antrag des Klägers auf Erlaß der Steuerschuld hätte die Finanzbehörde nach § 227 AO stattgeben müssen.
a) Der Kläger hat in § 6 des Kaufvertrages mit der GmbH einen Steuerbetrag gesondert ausgewiesen, obwohl er nicht (mehr) Unternehmer war. Da ein derartiger Kaufvertrag als Abrechnungspapier im umsatzsteuerrechtlichen Sinne zu werten ist (vgl. BFHE 155, 193, 194), war der Tatbestand des § 14 Abs. 3 Satz 2, Fall 1 UStG verwirklicht. Diese Vorschrift sieht auch – im Gegensatz zu § 14 Abs. 2 Satz 2 UStG – nicht die Möglichkeit vor, die Rechnung nachträglich im Sinne von § 17 UStG zu „berichtigen”; eine entsprechende Anwendung der Berichtigungsmöglichkeit nach § 14 Abs. 2 Satz 2 im Rahmen des Abs. 3 lehnt der Bundesfinanzhof ab (BFH BStBl. II 1980, 287, 289; 1981, 547, 549; 1988, 752, 753).
Statt dessen läßt Abschnitt 190 Abs. 3 UStR es aus Billigkeitsgründen zu, daß der Aussteller die Rechnung in entsprechender Anwendung des § 14 Abs. 2 UStG berichtigt, wenn die Erhebung der zu Unrecht ausgewiesenen Steuer zu einer sachlichen Härte führt. Eine solche Härte wird insbesondere dann angenommen, wenn die Leistung, über die in der Rechnung abgerechnet wird, vom Aussteller ausgeführt wurde und glaubhaft gemacht wird, daß nur irrtümlich unrichtige Angaben gemacht wurden.
Die letztgenannten Voraussetzungen liegen hier vor: Der Kläger hat den Betriebsteil Güterfernverkehr tatsächlich, wie abgerechnet, übertragen. Sein guter Glaube an seine eigene Unternehmereigenschaft ist schon deshalb wahrscheinlich, weil seine letzten Umsätze im eigenen Unternehmen nur wenig mehr als 1 Jahr zurücklagen. Er wird dadurch erhärtet, daß der Kläger auch dem Finanzamt gegenüber wie ein Unternehmer aufgetreten ist, indem er die Voranmeldung 1988 zeitnah und inhaltlich zutreffend abgegeben hat.
Auf die Frage, ob der Kläger das Original der „Rechnung” zurückerhalten hat, kommt es nicht entscheidend an. Denn wenn der Leistungsempfänger im Inland ansässig ist, kann der unrichtige Rechnungsausweis auch durch Erklärung des Rechnungsausstellers gegenüber dem Leistungsempfänger berichtigt werden (Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 2 Satz 1 des Schreibens des BMF v. 15. Februar 1994, BStBl. I 1994, 193); das gilt zugleich für die Fälle der Billigkeitsentscheidung im Zusammenhang mit § 14 Abs. 3 UStG (Abs. 4 Satz 2 des zuvor bezeichneten Schreibens).
b) Allerdings handelt es sich bei den Billigkeitsentscheidungen nach §§ 163, 227 AO um Ermessensentscheidungen (GmS – OGB NJW 1972, 1411, 1413 f). Abschnitt 190 Abs. 3 UStR läßt der Finanzbehörde noch einen gewissen – wenngleich eng gebundenen – Ermessensspielraum bei der Entscheidung über eine „Berichtigung”. Das gilt insbesondere in den Fällen, in denen der Rechnungsempfänger einen Vorsteuerabzug geltend gemacht hat und damit ein Steuerausfall tatsächlich entstanden ist.
Demgegenüber brauchte hier ein Steuerausfall schon deswegen nicht zu entstehen, weil der Kläger seinerseits die zum Ausgleich erforderliche Mehrwertsteuer – wenngleich ohne Rechtspflicht – in vollem Umfange eingezahlt hatte (vgl. hierzu Weiß UR 1980, 125, 129). Darüber hinaus hat die GmbH als Rechnungsempfängerin die empfangene Vorsteuervergütung in der Folgezeit, auf Anforderung des Finanzamts, tatsächlich in voller Höhe zurückgewährt.
Die Finanzbehörde ist jedenfalls dann verpflichtet, im Rahmen des § 14 Abs. 3 UStG aus Billigkeitsgründen eine „Rechnungsberichtigung” zuzulassen, wenn sämtliche Vorsteuern, die aufgrund der Rechnung abgezogen wurden, tatsächlich in die Steuerkasse zurückgezahlt wurden, und wenn der Unternehmer seinen guten Glauben nachweist. Dies ergibt sich im einzelnen aus folgenden Gründen:
aa) Nach Artikel 20 Abs. 1 Buchst. a der Ratsrichtlinie 77/388 der Europäischen Gemeinschaften (aaO S. 15) „wird” der ursprüngliche Vorsteuerabzug nach den von den Mitgliedstaaten festgelegten Einzelheiten insbesondere „berichtigt”, wenn der Vorsteuerabzug höher oder niedriger ist als der, zu dessen Vornahme der Steuerpflichtige „berechtigt” war. Im Zusammenhang mit der Auslegung dieser Vorschrift hat der Europäische Gerichtshof darauf hingewiesen, „daß es Sache der Mitgliedstaaten ist, die Geltung dieses Grundsatzes (nämlich der Neutralität der Mehrwertsteuer) dadurch zu gewährleisten, daß sie in ihrem innerstaatlichen Recht vorsehen, daß jede zu Unrecht in Rechnung gestellte Steuer berichtigt werden kann, wenn der Aussteller der Rechnung seinen guten Glauben nachweist” (Urt. v. 13. Dezember 1989 – C-342/87, Amtl. Slg. 1989, 4227, 4247 unter Nr. 18 = UR 1991, 83, 84).
Dies haben die Organe der Bundesrepublik Deutschland aufgrund ihrer Pflicht zu richtlinienkonformem Verhalten zu beachten. Gegenüber dem engeren Wortlaut des § 14 Abs. 3 UStG ist das Gebot jedenfalls im Rahmen der Billigkeitsentscheidung nach § 227 AO – insoweit bindend – zu befolgen.
bb) Darüber hinaus entspricht nur diese Auslegung des § 227 AO dem Zweck des § 14 Abs. 3 UStG.
Diese Vorschrift soll der Möglichkeit entgegenwirken, daß eine von einem Nichtunternehmer ausgestellte Rechnung vom Rechnungsempfänger – mißbräuchlich – verwendet wird, um einen Vorsteuerabzug zu erreichen (BFHE 129, 569, 572; BFH BStBl. II 1980, 287, 288; 1981, 547, 549 m.w.N.); in ihrer Ausgestaltung geht sie allerdings insoweit darüber hinaus, als sie nicht selbst auf subjektive Elemente oder gar Vorwerfbarkeit abstellt (vgl. BFHE 155, 193, 195; 171, 125, 127 f; BFH BStBl. II 1987, 652; NV 1993, 443 f); auch setzt die Vorschrift nicht voraus, daß dem Steuerfiskus tatsächlich ein Schaden entstanden ist (BFH BStBl. II 1982, 229, 230). Es soll sich um einen Gefährdungstatbestand eigener Art handeln (BFH BStBl. II 1989, 250, 251; 1993, 357, 358), der zugleich Sanktions- und Sicherungscharakter hat (BFH NV 1989, 197, 198 f). Dagegen bezweckt die Bestimmung es nicht, selbständig neue Einnahmequellen für den Staat zu erschließen.
Die Gefährdung des Steueraufkommens fällt weg, wenn es dem Rechnungsaussteller gelingt, das von ihm ausgestellte Abrechnungspapier vor Verwendung durch den Rechnungsempfänger wieder in die Hand zu bekommen oder die Gefährdungslage durch rechtzeitige andere Maßnahmen – beispielsweise die Anzeige beim Finanzamt – zu beseitigen. In diesen Fällen wäre es sachlich unbillig, die nach § 14 Abs. 3 UStG geschuldete Steuer zu erheben. Eine Unbilligkeit im Sinne der §§ 163, 227 AO liegt vor, wenn die Besteuerung eines Sachverhalts, der unter einen gesetzlichen Tatbestand fällt, im Einzelfall mit Sinn und Zweck des Steuergesetzes nicht vereinbar ist, wenn also ein Überhang des gesetzlichen Tatbestandes über die Wertungen des Gesetzgebers feststellbar ist. Deshalb ist eine auf Nichterhebung der Steuern gerichtete Billigkeitsmaßnahme geboten, wenn der Aussteller den Gefährdungstatbestand rechtzeitig und vollständig beseitigt (BFHE 129, 569, 575 f).
Soweit allerdings der Rechnungsempfänger die ausgewiesenen Vorsteuerbeträge – objektiv unberechtigt (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG) – abgezogen hat, ist ein konkreter Schaden entstanden. Ein Überhang im Sinne des § 163 AO kann dann nur entstehen, wenn der abgezogene Betrag in die Steuerkasse zurückgezahlt wird. Der Bundesfinanzhof hat bisher die Frage offengelassen, ob Billigkeitsmaßnahmen auch dann noch möglich sind, wenn der Rechnungsempfänger die ihm ausgestellte Rechnung mißbräuchlich zur Erlangung von Vorsteuerbeträgen verwendet hat, aber die dem Fiskus entstandenen Schäden durch Zurückholen der Vorsteuerbeträge beseitigt werden könnten (BFHE 129, 569, 576). In dieser Form stellt sich die Rechtsfrage vorliegend ebenfalls nicht. Statt dessen geht es nur um den Fall, daß sowohl der Rechnungsaussteller als auch der Rechnungsempfänger gutgläubig von der Unternehmereigenschaft des Ausstellers ausgegangen ist und der zunächst erlangte Vorsteuerbetrag tatsächlich in voller Höhe an das Finanzamt zurückgezahlt worden ist.
Bei Fällen dieser Art hat sich allerdings auch die Abschreckungsfunktion der Gesetzesbestimmung auszuwirken. Sie soll durch die Haftungsfolge von mißbräuchlicher Rechnungsausstellung abhalten (vgl. BFHE 172, 555, 557). Die Bedeutung dieser Abschreckungswirkung ist jedoch von vornherein gemindert, wenn Rechnungsaussteller wie – empfänger nachweislich in gutem Glauben waren. Redliche Steuerbürger können nicht wirksam von einem bloßen Rechtsirrtum abgeschreckt werden, erst recht dann nicht, wenn er entschuldbar ist. In den Fällen bloß rechtsirrtümlicher und versehentlicher Bejahung der Besteuerbarkeit und Steuerpflicht wäre es mit dem Gesetzeszweck des § 14 Abs. 3 UStG unvereinbar, die Möglichkeit einer Korrektur nicht zuzulassen (BFH BStBl. II 1981, 547, 549). In diesen Fällen liegt eine wirksame Sanktion schon darin, daß der Rechnungsaussteller sich in doppelter Hinsicht entlasten muß: Zum einen muß dafür gesorgt werden, daß das Steueraufkommen tatsächlich nicht geschmälert bleibt, und zum anderen muß er seine Gutgläubigkeit nachweisen. Einer weitergehenden Abschreckung bedarf es ihm gegenüber nicht (vgl. auch Reiß in Anmerkung UR 1991, 84, 85). Es besteht ein Überhang des Gesetzes sowohl über die von ihm zu verwirklichende Sicherungs – als auch über die Abschreckungsfunktion, wenn § 14 Abs. 3 UStG auf Nichtunternehmer angewendet wird, die gemäß ihrer rechtsirrtümlichen Auffassung, Unternehmer zu sein, vermeintlich korrekt handeln und die abgerechnete Leistung ihrerseits „ordnungsgemäß” versteuern (Weiß UR 1980, 125, 129).
Letztlich ist eine Begrenzung des Anwendungsbereichs des § 14 Abs. 3 UStG im Billigkeitswege auch verfassungsrechtlich geboten. Das Bundesverfassungsgericht (INF 1992, 431, 432) hat einen Verstoß der Vorschrift gegen Artikel 3 Abs. 1 GG gerade auch wegen der Korrektur durch Billigkeitsmaßnahmen verneint. Handelt jemand in gutem Glauben und verursacht er keinen Schaden, so ist dies der vorrangige und zwingende Anwendungsfall für derartige Billigkeitsmaßnahmen.
Mit dieser Entscheidung weicht der Senat nicht vom Urteil des Bundesfinanzhofs vom 9. September 1993 (BStBl. II 1994, 131, 132 f) ab. In diesem Urteil hat der Bundesfinanzhof zwar ausgeführt, daß ein Erlaß der festgesetzten Umsatzsteuer gemäß § 227 AO dann noch nicht zwingend geboten sei, wenn ein anderer Unternehmer als der Rechnungsaussteller die abgerechnete Leistung erbracht sowie die Umsatzsteuer angemeldet und abgeführt hat. Der hier zu entscheidende Fall liegt jedoch in zwei wesentlichen Umständen anders. Erstens hat hier der Kläger selbst die Leistung erbracht, abgerechnet und die Umsatzsteuer angemeldet sowie abgeführt; im Vergleich damit ist der Bundesfinanzhof wegen der Abweichung zwischen Rechnung und tatsächlicher Durchführung nicht von einem guten Glauben ausgegangen. Zum anderen hat er eine weiterhin bestehende Gefahr unterstellt, daß der Empfänger der Urkunden die vom Aussteller zu Unrecht ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuer abzieht; in dem hier zu beurteilenden Falle ist hingegen die abgezogene Vorsteuer erstattet worden und die Gefahr für die Zukunft ausgeräumt.
cc) Der Kläger erfüllt im vorliegenden Falle die Voraussetzungen, unter denen die Steuer zwangsläufig im Billigkeitswege zu erlassen ist (siehe oben a). Insbesondere gereicht es ihm nicht zum Verschulden, daß er annahm, die Veräußerung des Betriebsteils Güterfernverkehr falle noch unter seine Unternehmereigenschaft. Der Begriff des Unternehmens hängt in mehreren Einzelelementen von wertenden Abgrenzungen ab, über die unterschiedliche Meinungen möglich sind und die sich fortentwickeln. Das gilt insbesondere für Ende und Neubeginn einer Unternehmertätigkeit. Diese Frage ist zudem in der Rechtsliteratur umstritten (vgl. Schmidt-Liebig, BB 1994 Beilage 20 S. 22 f m.w.N.). Der Kläger selbst hat sich genau so verhalten, wie ein steuerehrlicher Unternehmer vorzugehen hat.
Der Kläger ist endlich nicht dem Vorwurf ausgesetzt, er hätte sich rechtskundig beraten lassen müssen. Unstreitig hat der Beklagte als Fachanwalt für Steuerrecht – wenngleich möglicherweise vorrangig als Berater der KG – den gesamten Vorgang der Übertragung des Betriebsteils von der KG (für den Kläger) auf die GmbH bearbeitet. Auf die steuerrechtliche Zulässigkeit durfte der Kläger sich verlassen.
c) Im einzelnen hätte danach aufgrund des Steuerbescheids vom 13. April 1992 sinnvollerweise Einspruch eingelegt werden müssen, um jegliche Ausschlußwirkung der Bestandskraft zu vermeiden. Zusätzlich hätte ein Billigkeitserlaß des Finanzamts gemäß § 227 AO beantragt werden müssen, weil derartige Gesichtspunkte nicht im Feststellungsverfahren selbst berücksichtigt werden (vgl. BFH BStBl. II 1989, 250, 252; NV 1993, 200). Zu diesem Antrag hätten die erforderlichen Tatsachen unterbreitet werden müssen.
C.
Schadenshöhe
I.
Der Kläger verlangt 60.046 DM erstattet, die er als Umsatzsteuer an das Finanzamt gezahlt oder die dieses bei ihm beigetrieben hat. Diesen Schaden hat der Beklagte dem Kläger gemäß § 249 Satz 1 BGB zu ersetzen.
Der Beklagte hätte den Kläger rechtzeitig darauf hinweisen müssen, daß er sich an das Finanzamt – oder einen anderen Steuerberater – zu wenden habe (siehe oben A). Wegen der tatsächlichen Vermutung, die für beratungsgemäßes Verhalten spricht, hat der Senat davon auszugehen, daß der Kläger dann entweder selbst oder durch einen Steuerberater beim Finanzamt vorstellig geworden wäre. Einen förmlichen Antrag setzt § 227 AO nicht voraus (vgl. BFH BStBl. II 1972, 806, 808). Nach der unwidersprochenen Darlegung des Klägers hat sein Steuerberater im Herbst 1992 gegenüber dem Finanzamt diejenigen Argumente unterbreitet, aus denen der Kläger meinte, als Unternehmer gehandelt zu haben. Die Tatsache der Steuerrückerstattung war der Finanzbehörde bekannt. Damit waren alle für eine Billigkeitsentscheidung maßgeblichen Umstände erkennbar. Die Oberfinanzdirektion – der das Finanzamt den Vorgang wegen der Höhe der Steuerforderung hätte vorlegen müssen (§ 227 Abs. 2 Satz 1 AO) – hätte verbleibende Zweifelsfragen von sich aus aufklären müssen.
Der Kläger hat die Klage jedenfalls in zweiter Instanz auch darauf mitgestützt, daß ihm eine geleistete Zahlung in Höhe von 60.046 DM unmittelbar vom Finanzamt zurückerstattet worden wäre.
II.
1. Der Kläger verlangt weiter Erstattung von 2.081,56 DM Zinsen ab Rechtshängigkeit und 3.604,29 DM festgesetzte Kosten (nebst Zinsen), die er an die GmbH bezahlt hat. Ferner macht er 5.008,05 DM eigene Anwaltskosten und 1.316 DM Gerichtskosten aus dem Prozeß gegen die GmbH geltend. Die Klage beruht insoweit auf der unzutreffenden Annahme, der Kläger sei bei Erteilung der Rechnung an die GmbH noch Unternehmer gewesen, so daß im Falle eines Einspruchs auch die GmbH nicht vom Finanzamt auf Rückerstattung der abgezogenen Vorsteuer in Anspruch genommen worden wäre. Statt dessen ist richtigerweise davon auszugehen, daß der Kläger Nichtunternehmer war (siehe oben B II), also der GmbH den von dieser ans Finanzamt zurückzuzahlenden Steuerbetrag in jedem Falle hätte ersetzen müssen. Bei diesem zutreffenden Ansatz stellt sich statt dessen die Frage, ob der Kläger den Betrag von insgesamt 60.046 DM (siehe oben I.) der GmbH ohne Prozeß und ohne Anfallen von Zinsen erstattet hätte.
Der Kläger behauptet dies sinngemäß (S. 4 seines Schriftsatzes v. 14. Januar 1994 im Berufungsverfahren = Bl. 19 Bd. II GA), ohne daß der Beklagte dem entgegengetreten ist (sein Schriftsatz v. 27. Juli 1994 = Bl. 109 Bd. II GA). Hinsichtlich der Zeitfolge fällt ins Gewicht, daß der Kläger sich gegen die Klage der GmbH allein mit der Begründung verteidigt hat, er sei wegen seiner eigenen Zahlungspflicht gegenüber dem Finanzamt nicht bereichert. Diese Verteidigung wäre bei einem Billigkeitserlaß durch das Finanzamt entfallen. Zudem hat der Kläger unwidersprochen behauptet, durch die (doppelte) Zahlung sowohl an das Finanzamt als auch an die GmbH in eine schwierige finanzielle Lage geraten zu sein. Dazu wäre es bei einem rechtzeitigen Tätigwerden gegenüber dem Finanzamt ebenfalls nicht gekommen: Der Einspruch hätte in der ersten Maihälfte 1992 eingelegt werden müssen, während die GmbH ihre Klage gegen den Kläger erst am 24. November 1993 eingereicht hat. In der Zwischenzeit blieb genug Zeit für eine Billigkeitsentscheidung des Finanzamts und eine Rückzahlung der vom Kläger geleisteten Steuerbeträge. Unter diesen Umständen spricht nach der Lebenserfahrung alles dafür, daß die GmbH wegen ihres Erstattungsanspruchs ohne Prozeß befriedigt worden wäre, notfalls sogar durch Abtretung einer dem Kläger gegen den Fiskus erwachsenen Rückgewährforderung.
Dieser Ursachenzusammenhang, dem der Beklagte nicht entgegengetreten ist (vgl. Schriftsatz v. 27. Juli 1994 = Bl. 109 Bd. II GA), ist als unstreitig zugrunde zu legen. Der Senat kann deshalb auch insoweit in der Sache abschließend entscheiden (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO).
2. Unschlüssig ist die Klage hingegen in Höhe von weiteren 9.646 DM. Es handelt sich um denjenigen Teil der Mehrwertsteuer, den die GmbH aufgrund der Abtretungserklärung des Klägers unmittelbar an die KG gezahlt hat. Zwar hat sie auch diesen Teil des Vorsteuerabzugs an das Finanzamt zurückzuerstatten, weil dem Kläger die Unternehmereigenschaft fehlte. Der Kläger dagegen konnte vom Finanzamt keinesfalls mehr zurückerstattet erhalten als den Betrag von insgesamt 60.046 DM (siehe oben I), der allein gegen ihn gemäß § 14 Abs. 3 UStG festgesetzt worden war. Im übrigen hängt es von seinem Innenverhältnis zur KG ab, inwieweit er dieser gegenüber durch die ursprüngliche Zahlung der GmbH von eigenen Verbindlichkeiten befreit worden ist. Dazu ist nichts dargetan.
III.
Unstreitig hat der Kläger zur Abwicklung des Rechtsstreits verzinsliche Kredite aufnehmen müssen. Auch diese Zinsbelastung auf die ausgeurteilten Beträge stellt einen erstattungsfähigen Schaden dar (§ 249 Satz 1 BGB).
Fundstellen