Leitsatz (amtlich)
Erklärt der Treuhänder im vereinfachten Insolvenzverfahren dem Schuldner, er erkenne das Absonderungsrecht eines Dritten an der vom Schuldner gerichtlich geltend gemachten Forderung an und werde deshalb insoweit keine Verwertung vornehmen, bringt er damit i. d. R. zum Ausdruck, dass er die Aufnahme des unterbrochenen Rechtsstreits ablehnt.
Erhält der Gläubiger vom Kreditinstitut seines Vertragspartners eine Bürgschaft zur Sicherung einer vertraglich geschuldeten Anzahlung, soll die Sicherheit jedoch erst in Kraft treten, wenn die Anzahlung bei der Bank "bedingungslos und auflagenfrei" eingegangen ist, kommt zwischen Gläubiger und Kreditinstitut ein Treuhandauftrag zu Stande, wenn der Gläubiger dem Kreditinstitut die Auflage erteilt, die Auszahlung dürfe erst nach Freigabe durch ihn erfolgen, und das Kreditinstitut die geleistete Zahlung nicht zurückweist.
Normenkette
BGB §§ 662, 765; InsO § 85 Abs. 2, § 313 Abs. 3 S. 1; ZPO § 240 S. 1
Verfahrensgang
OLG München (Urteil vom 30.05.2000) |
LG München I (Urteil vom 19.03.1999) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Rechtsmittel des Klägers werden das Urteil des 5. Zivilsenats des OLG München v. 30.5.2000 - berichtigt durch Beschl. v. 7.11.2000 - und das Urteil des Einzelrichters der 24. Zivilkammer des LG München I v. 19.3.1999 aufgehoben.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 376.004,05 Euro nebst 4 % Zinsen seit dem 26.4.1995 zu zahlen.
Der in der Revisionsinstanz gestellte Hauptantrag auf Zahlung an die Ehefrau des Klägers wird zurückgewiesen.
Zur Verhandlung und Entscheidung über den weiter gehenden Zinsanspruch und die Kosten des Rechtsstreits wird die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Mit Generalübernehmervertrag v. 3.12.1993 (nachfolgend GÜV) verpflichtete sich die M. GmbH (nachfolgend: M.) gegenüber dem Kläger zur Errichtung eines Verbrauchermarktes in P. Der vereinbarte Werklohn war in Teilzahlungen zu entrichten.
Am 15.12.1993 nahm der Kläger mit Wertstellung zum 22.12.eine Überweisung i. H. v. 1.200.000 DM auf ein Konto der M. bei der beklagten Bank vor. Der Überweisungsträger bezeichnet als Verwendungszweck: "Generalübernehmervertrag v. 3.12.1993 Anzahlung". An diesem Tage war der Kläger bereits in Besitz einer Bürgschaftserklärung der Beklagten v. 14.12.1993, die sich auf den GÜV ("Auftrag") bezieht, den Kläger als Auftraggeber bezeichnet und auszugsweise lautet:
"Für diesen Auftrag leistet der Auftraggeber eine Anzahlung von 1.200.000 DM, wenn dagegen eine Bankbürgschaft in gleicher Höhe erbracht wird.
Zur Sicherung eines etwaigen Anspruchs auf Rückgewähr dieser Anzahlung übernehmen wir für den Auftragnehmer gegenüber dem Auftraggeber die selbstschuldnerische Bürgschaft bis zum Höchstbetrag von insgesamt 1.200.000 DM ... unter Verzicht auf die Einreden der Anfechtung, Aufrechnung und Vorausklage ...
Unsere Verpflichtungen aus der Bürgschaft erlöschen mit Rückgabe der Bürgschaftserklärung.
Die Bürgschaft tritt in Kraft, wenn der Betrag von 1.200.000 DM bei unserer Bank ... zu Gunsten des Kontos Nr. ... lautend auf M. GmbH, bedingungslos und auflagenfrei eingegangen ist."
Der Kläger richtete am 15.12.1993 ein Schreiben an die Beklagte, in dem er sich für die Bürgschaft bedankte, die Absendung der Überweisung von 1.200.000 DM mitteilte und sodann erklärte:
"Die Auszahlung an die Firma M. erfolgt nach Vorlage einer prüffähigen Rechnung und Freigaben durch mich.
Ordnungshalber bestätige ich, dass der Gesamtpreis des Werkvertrages zur Verfügung steht."
In der Folgezeit gab der Kläger gegenüber der M. einen Betrag von 177.100 DM frei. Die Beklagte erteilte mit Datum v. 6.4.1994 eine auf 1.022.900 DM reduzierte Bürgschaft. Diese enthält den Vermerk, die Bürgschaft trete in Kraft, wenn der Betrag von 1.022.900 DM auf dem Konto der M. bei der Beklagten bedingungslos und auflagenfrei eingegangen sei.
Später stimmte der Kläger der Auszahlung eines weiteren Betrages von 287.500 DM zu. Das Bauvorhaben wurde nicht zu Ende geführt. Der Kläger verlangte von der M. Schadensersatz wegen Nichterfüllung. Diese rechnete die erbrachten Teilleistungen gegenüber dem Kläger ab. Über ihr Vermögen wurde inzwischen das Konkursverfahren eröffnet.
Der Kläger verlangt von der Beklagten Rückzahlung des von ihm nicht gegenüber der M. freigegebenen Betrages von 735.400 DM zzgl. 16,75 % Zinsen seit dem 18.10.1994. Das Berufungsgericht hat die Klageabweisung durch das LG bestätigt. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er begehrt in erster Linie Zahlung an seine Ehefrau, hilfsweise an sich selbst.
Während des Revisionsrechtszuges ist über sein Vermögen das Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet worden. Dort hat der Kläger aufgedeckt, dass er den geltend gemachten Anspruch mit Erklärung v. 6.2.1997 - nach Klageerhebung - an seine Ehefrau sicherheitshalber abgetreten habe wegen einer Darlehensforderung in gleicher Höhe sowie eines Aufwendungsersatzanspruchs betreffend künftige Anwalts- und Gerichtskosten. Der Treuhänder des Klägers hat mit Schreiben v. 19.5.2003 erklärt, er erkenne das Absonderungsrecht der Ehefrau des Klägers insoweit an, als von dieser Abtretung Ansprüche des Klägers gegenüber der Beklagten erfasst würden. Wegen der von der Abtretung erfassten Ansprüche werde er insoweit keine Verwertung i. S. v. § 313 Abs. 3 S. 1 InsO vornehmen. Der Kläger hat diesen Sachverhalt zum Gegenstand seines Revisionsvorbringens gemacht. Die Beklagte hat bestritten, dass der Kläger die streitgegenständliche Forderung vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens an seine Ehefrau abgetreten habe.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg; sie führt in der Hauptsache zur antragsgemäßen Verurteilung der Beklagten und wegen eines Teils des Zinsanspruchs zur Aufhebung und Zurückverweisung.
I.
Der Senat ist durch das anhängige Verbraucherinsolvenzverfahren nicht gehindert, über den vom Kläger geltend gemachten Anspruch eine Sachentscheidung zu treffen.
1. Der Rechtsstreit war zunächst infolge der Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens über das Vermögen des Klägers gem. § 240 S. 1 ZPO unterbrochen; denn der streitgegenständliche Anspruch betrifft die Insolvenzmasse. Dies gilt unabhängig von dem zu Gunsten der Ehefrau des Klägers infolge der Sicherungsabtretung gem. § 51 Nr. 1 InsO begründeten Absonderungsrecht; denn dadurch hat sich nichts an der haftungsmäßigen Zuordnung der Forderung des Klägers zur Insolvenzmasse geändert. Zwar steht dem Treuhänder gem. § 313 Abs. 3 S. 1 InsO im Gegensatz zum Insolvenzverwalter (§ 166 Abs. 1 InsO) nicht das Recht zur Verwertung von Gegenständen zu, an denen ein Absonderungsrecht besteht. Das Verwertungsrecht des Gläubigers (§ 313 Abs. 3 S. 2 InsO) ändert indes nichts daran, dass der Gegenstand zur Masse gehört und der Schuldner die Verfügungsbefugnis auch insoweit durch die Insolvenzeröffnung verloren hat. Die Vorschrift des § 240 S. 1 ZPO greift daher entsprechend dem Normzweck auch in einem solchen Falle ein.
2. Im vereinfachten Insolvenzverfahren werden die Aufgaben des Insolvenzverwalters vom Treuhänder wahrgenommen (§ 313 Abs. 1 S. 1 InsO). Dessen Rechtsstellung bestimmt sich grundsätzlich nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 80 ff InsO. Lehnt der Insolvenzverwalter die Aufnahme des Rechtsstreits ab, so kann der Schuldner den Prozess selbst aufnehmen (§ 85 Abs. 2 InsO). Dazu ist der Kläger im Streitfall berechtigt.
a) Die Ablehnungserklärung des Insolvenzverwalters erfolgt gegenüber dem Schuldner oder der Gegenpartei. Sie ist nicht an eine bestimmte Form gebunden und kann deshalb auch durch schlüssiges Verhalten - etwa durch Freigabe des Gegenstandes an den Schuldner - wirksam erfolgen (Schumacher in MünchKomm/InsO, § 85 Rz. 22; Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl., § 85 Rz. 55).
b) Im Streitfall hat der zweitinstanzliche Prozessbevollmächtigte des Klägers den Treuhänder unter Vorlage der Abtretungserklärung aufgefordert, das Absonderungsrecht der Ehefrau des Klägers anzuerkennen. Nach dem Inhalt dieser Abtretungsurkunde bestand schon am 6.2.1997 eine Forderung der Ehefrau in Höhe der Klagesumme. Seitdem sind weitere Gerichts- und Anwaltskosten angefallen, von denen es in der Urkunde heißt, Frau B. werde diese für den Kläger bezahlen. Der Treuhänder hat mit Schreiben v. 19.5.2003 das darauf gestützte Absonderungsrecht uneingeschränkt anerkannt und erklärt, er werde hinsichtlich des vom Kläger gegen das beklagte Kreditinstitut geltend gemachten Anspruchs keine Verwertungsmaßnahmen vornehmen. Dieses Verhalten kann nur in dem Sinne verstanden werden, dass er selbst den Rechtsstreit nicht weiterführen, sondern es dem Kläger überlassen will, den Prozess selbst aufzunehmen; denn das anerkannte Absonderungsrecht stützt sich auf eine Forderung, die jedenfalls in der Hauptsache mindestens so hoch ist wie der streitgegenständliche Anspruch. Ein Nachteil für die Insolvenzgläubiger entsteht daraus ohnehin nicht, weil die absonderungsberechtigte Gläubigerin den nach Befriedigung eventuell verbleibenden Restbetrag - der sich im Streitfall ergeben kann, wenn der Zinsanspruch auch der Höhe nach gerechtfertigt ist - an die Masse abzuliefern hat. Der Schriftsatz des Revisionsanwalts v. 2.6.2003 bringt den Aufnahmewillen des Klägers hinreichend zum Ausdruck.
II.
Das Berufungsgericht ist der Ansicht, der Kläger könne von der Beklagten die Rückzahlung des überwiesenen Restbetrages von 735.400 DM nicht verlangen, weil er die 1.200.000 DM nicht an die Beklagte, sondern an die M. geleistet habe. Das ergebe sich aus dem Text der Überweisung und sei vom Kläger in späteren Schreiben selbst so gesehen worden. Die Rückgewähr dieser Anzahlung sei durch die Bürgschaft der Beklagten v. 14.12.1993 gesichert worden. Der Kläger habe sich mit dieser Regelung in seinem Schreiben v. 14. (richtig: 15.) Dezember 1993 ausdrücklich einverstanden erklärt. Die Annahme, der Kläger habe eine Leistung an die Beklagte erbracht, sei schon deshalb ausgeschlossen, weil in diesem Falle eine Absicherung seines Anspruchs durch Bürgschaft nicht notwendig gewesen wäre.
Inwieweit die M. im Verhältnis zur Beklagten nur beschränkt über den eingezahlten Betrag habe verfügen können, sei unerheblich, weil davon das Rechtsverhältnis der Beklagten zum Kläger nicht berührt werde. Dieser habe auch durch das Behalten der Bürgschaftsurkunde zum Ausdruck gebracht, dass zwischen den Parteien eine vertragliche Beziehung lediglich auf bürgschaftsrechtlicher Grundlage bestehe. Ein Anspruch aus der Bürgschaft sei jedoch nicht begründet, weil die M. Bauleistungen erbracht habe, deren Wert die Vorauszahlung des Klägers übersteige.
III.
Der Senat hat bei der sachlich rechtlichen Nachprüfung von dem Parteivorbringen auszugehen, das aus dem Berufungsurteil ersichtlich ist (§ 561 Abs. 1 S. 1 ZPO a. F.). Er hat daher die Sicherungsabtretung, die in den Tatsacheninstanzen nicht erwähnt wurde, außer Betracht zu lassen. Daher ist der erstmals im Revisionsrechtszug gestellte Antrag auf Zahlung an die Ehefrau des Klägers, der allein auf die angeblich am 6.2.1997 erfolgte Abtretung gestützt wird, unbegründet.
Neue Tatsachen dürfen im Revisionsrechtszug grundsätzlich nicht berücksichtigt werden. Zwar legt der BGH die Vorschrift des § 561 Abs. 1 S. 1 ZPO a. F. einschränkend in dem Sinne aus, dass Tatsachen, die sich erst während des Revisionsverfahrens ereignen, in die rechtliche Beurteilung einbezogen werden, sofern sie unstreitig sind und schutzwürdige Belange einer Partei nicht entgegenstehen (BGH v. 25.4.1988 - II ZR 252/86, BGHZ 104, 215 [221] = MDR 1988, 756; v. 9.7.1998 - IX ZR 272/96, BGHZ 139, 214 [221] = MDR 1998, 1240). Im Streitfall wurde die Abtretung jedoch vorgenommen, als der Rechtsstreit noch in erster Instanz anhängig war. Der Kläger hätte diese Tatsache somit vor der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz in den Prozess einführen können. Die aus dieser Unterlassung ihn zukünftig eventuell treffenden Nachteile fallen daher in seinen Verantwortungsbereich. Das schutzwürdige Interesse der Beklagten, nicht zweimal leisten zu müssen, ist durch § 407 Abs. 2 BGB ausreichend gewahrt.
IV.
Die Revision rügt mit Erfolg, dass das Berufungsgericht den Inhalt der Rechtsbeziehung des Klägers zu der Beklagten rechtsfehlerhaft bestimmt habe. Diese hat einen Auftrag des Klägers angenommen, der festlegte, unter welchen Voraussetzungen sie die vom Kläger geleistete Anzahlung an die M. weiterleiten durfte.
1. Die Auslegung der rechtsgeschäftlichen Willenserklärungen der Parteien ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Dessen Auslegung enthält jedoch Rechtsfehler, wenn er versäumt hat, wesentlichen Tatsachenstoff in die Abwägung einzubeziehen. Die Revision zeigt zutreffend einen solchen Fehler des Berufungsgerichts auf.
a) Der Kläger hat in dem Schreiben v. 15.12.1993, das sich auf die Überweisung des Betrages von 1.200.000 DM bezieht, der Beklagten erklärt, die Auszahlung dieses Betrages an M. erfolge nach Vorlage einer prüffähigen Rechnung und Freigabe durch ihn. Der Wortlaut dieser Erklärung spricht dafür, dass die für das Konto der M. bestimmte Überweisung dieser nicht zur freien Verfügung zustehen sollte, der Kläger sich vielmehr die Entscheidung über Zeitpunkt und Umfang der Auszahlung vorbehalten wollte. Eine Geldschuld wird im Wege der Banküberweisung erst dann erfüllt (§ 362 Abs. 1 BGB), wenn der Empfänger den Betrag zur freien Verfügung erhält (BGH, Urt. v. 17.2.1994 - IX ZR 158/93, MDR 1994, 770 = WM 1994, 647 [648]; Beschl. v. 23.1.1996 - XI ZR 75/95, MDR 1996, 1112 = WM 1996, 438 [439]; Urt. v. 28.10.1998 - VIII ZR 157/97, MDR 1999, 242 = WM 1999, 11). Der Leistende hat die Möglichkeit, den Eintritt dieser Wirkung zu verhindern, indem er dem Empfänger die entsprechende Rechtsmacht nicht einräumt (BGH, Beschl. v. 23.1.1996 - XI ZR 75/95, MDR 1996, 1112 = WM 1996, 438 [439]). Das konnte durch die Anweisung an die beklagte Bank geschehen, die Anzahlung erst nach Freigabe durch den Kläger der M. zur Verfügung zu stellen. Ist das Schreiben des Klägers in diesem Sinne zu verstehen und hat die Bank das darin liegende Angebot angenommen, so haben die Parteien einen entsprechenden Treuhandvertrag (vgl. dazu BGH, Urt. v. 6.6.2002 - III ZR 206/01, MDR 2002, 1191 = BGHReport 2002, 825 = WM 2002, 1440 [1441]) geschlossen.
b) Das Berufungsgericht meint, eventuelle Verfügungsbeschränkungen der M. über den auf ihr Konto eingezahlten Betrag hätten sich ausschließlich aus einer Vereinbarung zwischen ihr und der Beklagten ergeben; der Kläger sei in dieses Rechtsverhältnis nicht einbezogen worden. Dabei ist unbeachtet geblieben, wie sich die Auszahlung der zwei Teilbeträge von 177.100 DM und 287.500 DM vollzogen hat. Unstreitig wurden diese Raten der M. jeweils erst zur freien Verfügung überlassen, nachdem sie dem Kläger prüffähige Teilrechnungen ausgestellt und dieser gegenüber der Beklagten sein Einverständnis mit der Auszahlung erklärt hatte. So heißt es im Schreiben des Klägers v. 6.4.1994 an die Beklagte, er gebe den Betrag von 177.100 DM frei. Erst danach konnte die M. über diese Summe verfügen. Unstreitig hat der Kläger mit der M. zudem über die Freigabe eines dritten Teilbetrages verhandelt. Die M. schrieb am 14.7.1994:
"... absprachegemäß hatten wir Ihnen am 30.6.1994 unsere 3. Abschlagsrechnung für das vorgenannte BV überreicht.
...
Trotz mehrfacher mündlicher Unterredungen, haben Sie bis zum heutigen Tage ... die längst überfälligen Zahlungsraten nicht freigegeben."
Das Berufungsurteil lässt nicht erkennen, dass der Tatrichter diese Umstände in seine Würdigung einbezogen hat. Seine Auffassung, der Kläger habe nach dem Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Absprachen über die Auszahlung des Betrages an die M. nicht bestimmen können, ist schon auf der Grundlage des unstreitigen Sachverhalts nicht nachvollziehbar.
2. Da die für die inhaltliche Gestaltung des Rechtsverhältnisses der Parteien maßgeblichen Tatsachen unstreitig sind und nach ihrem Vorbringen keine weiteren entscheidungserheblichen Feststellungen in Betracht kommen, kann der Senat die Auslegung selbst vornehmen. Sie führt zu dem Ergebnis, dass die beklagte Bank dem Kläger gegenüber verpflichtet war, nur nach dessen Weisung die M. über den Betrag von 1.200.000 DM verfügen zu lassen.
a) Der Kläger hat der Beklagten mit Schreiben v. 15.12.1993 vorgegeben, die Auszahlung erfolge "nach Vorlage einer prüffähigen Rechnung und Freigaben durch mich". Daraus war für die Beklagte ohne weiteres der Wille des Klägers erkennbar, sich trotz der Überweisung die Entscheidung über die Weiterleitung an die M. vorzubehalten. Indem die Beklagte dem nicht widersprochen und den erhaltenen Betrag nicht zurücküberwiesen, sondern auf dem Konto behalten hat, hat sie den in dem Schreiben des Klägers enthaltenen Treuhandauftrag angenommen. Diese Annahme hat sie in der Folgezeit dadurch bestätigt, dass sie an der Auszahlung von zwei Teilbeträgen entsprechend den beschriebenen Vorgaben des Klägers mitgewirkt hat.
b) Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger schon im Besitz der Bürgschaftsurkunde v. 14.12.1993 war, die etwaige die Anzahlung von 1,2 Mio. DM betreffende Rückgewähransprüche sichern sollte, als er das Schreiben v. 15.12.1993 an die Beklagte richtete. Die Verpflichtung aus der Bürgschaft wurde gerade davon abhängig gemacht, dass der genannte Betrag bei der Beklagten "bedingungslos und auflagenfrei" einging. Diese Voraussetzung ist nicht eingetreten. Darauf hat sich die Beklagte in diesem Rechtsstreit - an sich konsequent - auch berufen. Die vom Kläger der Beklagten erteilte Weisung hatte zur Folge, dass deren Haftung aus der Bürgschaft für den jetzt noch geltend gemachten Betrag von 735.400 DM nicht begründet wurde. Eine andere Beurteilung ist nicht deshalb gerechtfertigt, weil der Kläger nach Auszahlung von 177.100 DM sich mit einer "Reduzierung der Bürgschaft" einverstanden erklärt und anschließend die Bürgschaft der Beklagten v. 6.4.1994 über 1.022.900 DM angenommen hat. Der Umstand, dass der Kläger nach Freigabe der ersten Rate auf eine bürgschaftsrechtliche Sicherung hinsichtlich eines eventuell diesen Teilbetrag betreffenden Rückgewähranspruchs verzichtet hat, macht vielmehr deutlich, dass es ihm vorrangig darauf ankam, über Zeitpunkt und Umfang der Weiterleitung des Anzahlungsbetrages selbst zu entscheiden. Die Erteilung einer neuen, im Haftungsumfang eingeschränkten Bürgschaft stellte das Rechtsverhältnis der Parteien im Übrigen schon deshalb auf keine neue Grundlage, weil diese Bürgschaft ebenfalls den Vermerk enthielt, sie trete erst in Kraft, wenn der für die M. bestimmte Betrag auflagenfrei zur Verfügung stehe.
c) Die Auslegung des erkennenden Senats führt zwar zu dem Ergebnis, dass die einen Rückgewähranspruch sichernden Bürgschaften wertlos geblieben sind, weil die Bedingung auflagenfreier Überweisung nicht eingetreten ist. Das ist indes die notwendige Folge des eindeutig zum Ausdruck gebrachten Willens des Klägers, selbst über die Weiterleitung der Anzahlung an die M. zu entscheiden. Sein die Begründung und Änderung der Bürgschaftsverträge betreffendes Verhalten steht einer solchen Wertung nicht entgegen; denn nach dem Vorbringen der Parteien sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Kläger damals die rechtliche Wechselwirkung zwischen den der Beklagten erteilten Weisungen und den Bürgschaftsverträgen verstanden hat.
V.
Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, soweit es um den Hauptanspruch geht (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO); zur Feststellung der Höhe des Zinsanspruchs muss die Sache dagegen an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.
1. Da der Kläger den überwiesenen Betrag i. H. v. 735.400 DM nicht freigegeben hat, muss die Beklagte ihn auf Grund des angenommenen Bankauftrages zurückerstatten (§ 667 BGB).
Ob der Kläger der M. gegenüber verpflichtet ist, weitere Zahlungen zu leisten, kann dahingestellt bleiben, weil dies das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien nicht berührt. Daher braucht auch nicht geklärt zu werden, ob die Beklagte - wie sie in der Berufungsinstanz behauptet hat - der M. den streitgegenständlichen Betrag zur Verfügung gestellt hat. In diesem Falle wäre die Klage in gleicher Höhe aus positiver Vertragsverletzung begründet. Dasselbe gilt, wenn die Beklagte den Betrag nicht der M. ausbezahlt hat, weil sie eine Verrechnung mit eigenen Ansprüchen vorgenommen hat. Da sie dazu nach dem Inhalt ihrer mit dem Kläger bestehenden Vereinbarung nicht berechtigt war, schuldet sie dann ebenfalls Schadensersatz in Höhe der Klagesumme.
2. Das Berufungsgericht hatte von seinem Rechtsstandpunkt aus keine Veranlassung, sich mit der Höhe des vom Kläger geltend gemachten Zinsanspruchs zu befassen. Das muss nunmehr nachgeholt werden, soweit der Kläger mehr als 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit verlangt. Dabei wird zu beachten sein, dass sich die Höhe des Zinsanspruchs nach der zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Forderung geltenden Fassung des § 288 BGB richtet (Art. 229 § 1 Abs. 1 S. 3 EGBGB).
Fundstellen
Haufe-Index 1050009 |
BGHR 2003, 1339 |
NJW-RR 2004, 48 |
EWiR 2004, 427 |
KTS 2004, 91 |
WM 2003, 1948 |
WuB 2004, 79 |
ZIP 2003, 1972 |
InVo 2004, 40 |
MDR 2004, 42 |
NZI 2003, 666 |
VuR 2003, 467 |
ZInsO 2003, 943 |
BKR 2003, 866 |
NZBau 2003, 668 |
ZBB 2003, 449 |
ZVI 2003, 541 |