Leitsatz (amtlich)
Wenn ein Handelsvertreter neue Kunden geworben hat und der Unternehmer nach Maßgabe des Umsatzes mit diesen Kunden ein Verarbeitungskontingent erhält, so liegt der erhebliche Vorteil des Unternehmers im Sinn des § 89 b Abs. 1 Nr. 1 HGB schon darin, daß er dieses Kontingent selbst ausnutzen oder veräußern kann, selbst wenn die ursprünglichen Kunden nicht weiter beliefert werden.
Normenkette
HGB § 89b
Verfahrensgang
OLG Hamburg (Urteil vom 25.03.1958) |
Tenor
Die Revision der Beklagten und die Anschlußrevision des Klägers gegen das Urteil des 2. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts zu Hamburg vom 25. März 1958 werden zurückgewiesen.
Die Kosten der Revisionsinstanz werden gegeneinander aufgehoben.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Beklagte zu 1), eine offene Handelsgesellschaft, deren Gesellschafter die Beklagten zu 2 a) und 2 b) sind, betrieben in H. eine Mühle. Am 22. Oktober 1949 schlossen sie mit dem Kläger einen Vertrag, auf Grund dessen er als ihr Handelsvertreter in W. tätig wurde. Nachdem zunächst der Handel mit Mühlenerzeugnissen in B. öffentlichrechtlich geregelt war, herrschte seit dem Jahre 1953 auf dem B. Markt freier Wettbewerb, soweit der Bedarf nicht von den B. Mühlen gedeckt wurde. Auf Grund der Vermittlungstätigkeit des Klägers erreichten die Beklagten im Jahre 1954 einen Lieferungsanteil von 18 % an dem für auswärtige Mühlen in Frage kommenden B. Kontingent.
Im November 1955 schlossen die deutschen Mühlen zur Vermeidung eines Überangebots von Mühlenerzeugnissen die sog. Mühlenkonvention. In dieser Vereinbarung wurde für jede Mühle, berechnet nach dem Absatz des Jahres 1954, ein bestimmter Marktanteil (Kontingent) festgelegt.
Die Beklagte zu 1) geriet einmal durch die Überbesetzung im Mühlengewerbe, zum anderen durch öffentlich-rechtliche Bauverbote, die einer Rationalisierung ihres Betriebes entgegenstanden, in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Sie schloß daher im September 1955 mit ihren Gläubigern ein Moratorium. Durch den weiterhin ungünstigen Geschäftsverlauf sah sie sich gezwungen, ihren Mühlenbetrieb ab 1. September 1956 einzustellen. In einem Vertrag vom 31. August 1956 übertrug sie vorläufig bis zum 30. Juni 1959 der B. R. E. & Co. (im Folgenden R.) ihr Vermahlungskontingent (Marktlieferungsanteil auf Grund der Vermahlungen im Jahre 1954). Die R. erhielt das Recht, die von der Beklagten zu 1) eingeführten Mehlmarken zu benutzen. Sie verpflichtete sich zur Zahlung einer jährlichen Vergütung je Tonne vermahlenen Getreides von dem ihr von der Beklagten zu 1) übertragenen Kontingent. Da die R. den Kläger nicht als Vertreter übernahm, kündigte die Beklagte zu 1) den Vertretervertrag zum 31. Dezember 1956.
Der Kläger beantragt die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 13.392,59 DM.
Diesen Betrag fordert er einmal als Ausgleichszahlung. Er führt aus, seine Tätigkeit sei mit ausschlaggebend gewesen für die Erhöhung des der Beklagten zu 1) durch die Mühlenkonvention zugeteilten Kontingents. Für die entgeltliche Übertragung dieses Kontingents erhalte die Beklagte zu 1) eine erhebliche Entschädigung, während er durch die Kündigung des Vertretervertrages bei seinen bisherigen Kunden nur noch geringe Umsätze erziele, da er die von diesen Kunden weiterhin gewünschten Mehlmarken der Beklagten zu 1) nicht mehr vermitteln könne. Zudem habe die Beklagte zu 1) seinen Kundenstamm der R. und deren B. Vertreter übergeben. Von der Entschädigung, die auf das von ihm geschaffene Kontingent entfalle, berechne er seinen Ausgleichsanspruch.
Außerdem begründet er seine Forderung damit, daß die Beklagte zu 1) ihn arglistig abgehalten habe, rechtzeitig eine andere Vertretung zu übernehmen. Sie sei Gerüchten über ihre finanziellen Schwierigkeiten stets entgegengetreten. Hätte sie ihn auf seine Frage nach ihrer finanziellen läge wahrheitsgemäß aufgeklärt, so hätte er eine ertragreiche Vertretung einer anderen Mühle angenommen.
Die Beklagte zu 1) beantragt Klagabweisung. Sie bestreitet, den Kundenstamm des Klägers der R. übergeben zu haben. Der Kläger beliefere diese Kunden mit den Erzeugnissen einer anderen Mühle. Sie sei im übrigen auch nicht verpflichtet gewesen, den Kläger über ihre ungünstige wirtschaftliche Lage zu unterrichten, zumal er eine Konkurrenzfirma vertreten habe.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht den Klageanspruch dem Grunde nach für berechtigt erklärt. Es hat, dazu aufgeführt, daß dem Kläger ein Ausglelchsanspruch zustehe, daß seine Forderung jedoch unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes wegen positiver Vertragsverletzung unbegründet sei. Mit der Revision erstrebt die Beklagte zu 1) die Abweisung der Klage, während der Kläger, der die Zurückweisung der Revision begehrt, mit seiner Anschlußrevision beantragt, den Anspruch den Grunde nach auch insoweit für gerechtfertigt zu erklären, als er auf positive Vertragsverletzung gestützt werde.
Entscheidungsgründe
I. Revision.
1. Das Berufungsgericht legt dar, der Kläger habe es erreicht, daß das Kontingent an Mühlenerzeugnissen, das der Magistrat der Stadt B. der Beklagten zu 1) zunächst zugeteilt habe, auch abgesetzt worden sei, daß er die Abnehmer für die Marken der Beklagten zu 1) gewonnen habe, so daß sie laufend deren Erzeugnisse gekauft hätten. Darüber hinaus habe er nach Aufhebung der beschränkten Zuteilung und Einführung des freien Wettbewerbs für den westdeutschen Anteil am B. Mehlmarkt den Anteil der Beklagten zu 1) hieran auf 18 % gesteigert. Er habe so die Geschäftsverbindung mit neuen Kunden hergestellt. Da das Kontingent, das die Mühlen in der Mühlenkonvention vereinbart hätten, sich nach der Höhe des Umsatzes im Jahre 1954 gerichtet habe, sei die Vermittlungstätigkeit des Klägers für die Erlangung dieses Kontingents mit ursächlich gewesen. Durch die Übertragung des Kontingents an die R. habe die Beklagte zu 1) aus der Tätigkeit des Klägers somit nach Endigung des Vertretervertrages noch insoweit Vorteile gezogen, als die R. eine laufende Vergütung je Tonne des aus diesem Kontingent vermahlenen Getreides an die Beklagte zu 1) bezahlt habe. Es sei nicht erforderlich, daß die übernehmende Mühle die Geschäftsverbindung mit den vom Kläger geworbenen Kunden fortsetze. Diese Ausführungen, die die Revision zur Nachprüfung stellt, begegnen keinen rechtlichen Bedenken.
a) Mit der Gewinnung der B. Kunden für die Erzeugnisse der Beklagten zu 1) zum Absatz des ihr zunächst zugeteilten Kontingents, der Beibehaltung dieser Kunden nach Einführung des freien Wettbewerbs auf den B. Markt und der Vergrößerung des Absatzes hat der Kläger unzweifelhaft eine Geschäftsverbindung mit neuen Kunden hergestellt (§ 89 b Abs. 1 Nr. 1 HGB). Entgegen der Ansicht der Revision ist es unerheblich, ob die Beklagte zu 1) ohne die Tätigkeit des Klägers denselben Umsatz hätte erreichen können. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, ist nicht die sonst möglich gewesene Erweiterung des Geschäftsumfanges entscheidend, sondern die tatsächlich eingetretene, wie sie im konkreten Fall durch die Tätigkeit des Klägers erreicht wurde.
b) Nach § 89 Abs. 1 Nr. 1 HGB muß der Unternehmer aus der Geschäftsverbindung mit den neuen Kunden noch nach Beendigung des Vertragsvarhältnisses erhebliche Vorteile ziehen. In der Regel wird er sich diese Geschäftsverbindung durch Abschluß weiterer Geschäfte mit den neuen Kunden nutzbar machen. Veräußert er seinen Geschäftsbetrieb, so bleibt zwar die von dem Handelsvertreter eingeleitete Geschäftsverbindung zwischen Kunden und Unternehmer nicht bestehen. Wenn der Unternehmer jedoch mit Rücksicht darauf, daß mit der Veräußerung des Geschäfts der vom Handelsvertreter geworbene Kundenstamm übergeht, ein höheres Entgelt bekommt, so hat er an Stelle einer fortlaufenden Nutzung der Geschäftsverbindungen durch Abschluß von einzelnen Geschäften mit den Kunden den Vorteil aus der Geschäftsverbindung auf einmal gezogen. Der Vorteil hat sich in diesem Fall bereits unmittelbar für den Unternehmer ausgewirkt. Damit ist dem Gesetzeswortlaut und dem Sinn und Zweck des Gesetzes genügt (Schlegelberger-Schröder HGB § 69 b Randnote 6; Würdinger RGRK-HGB § 89 b Anm. 8). Einer Veräußerung des Betriebes, mindestens einer Teilveräußerung kommt es gleich, wenn die Beklagte zu 1) das ihr zustehende Kontingent auf die Rolandmühle übertragen hat.
Der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters wäre somit unzweifelhaft gegeben, wenn der Rechtsnachfolger des Unternehmers, dem der Kundenstamm übertragen wird, die Geschäftsverbindung mit den Kunden durch Abschluß weiterer Geschäfte fortsetzen kann und für die darin liegende Aussicht auf Vermehrung Beines Unternehmergewinns dem übergebenden Unternehmer ein Entgelt bezahlt. Hiervon unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt insoweit, als nach den in erster Linie getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts die Beklagte zu 1) nicht den vom Kläger geworbenen Kundenstamm übertragen hat, sondern lediglich ihr Vermittlungskontingent. Dieses Kontingent war ihr mit Rücksicht auf ihren Umsatz im Jahre 1954 in der Mühlenkonvention zugebilligt worden. Die Größe des Kontingents richtete sich nach der Größe des Umsatzes. Zu diesem Umsatz hatte der Kläger insoweit beigetragen, als er Kunden in W. geworben hatte. Es erhebt sich daher die Frage, ob schon damit die Voraussetzungen für einen Ausgleichsanspruch gegeben sind, selbst wenn der Rechtsnachfolger des Unternehmers den Kundenstamm des Handelsvertreters nicht mehr beliefert, es ihm vielmehr nur auf die Erlangung eines größeren Vermittlungskontingentes zur Belieferung anderer Kunden ankam. Dies ist zu bejahen, Wie der Senat wiederholt ausgesprochen hat (BGHZ 24, 214, 222; 30, 98, 102), hat der Ausgleichsanspruch zum Inhalt, daß der Handelsvertreter für einen auf seiner Tätigkeit beruhenden, ihm aber infolge der Beendigung des Vertragsverhältnisses nicht mehr vergüteten Vorteil des Unternehmers, wie er in der Schaffung des Kundenstammes liegt, eine Gegenleistung erhält. Der Ausgleich stellt eine zusätzliche Entschädigung für die nachträglich noch eintretenden Vorteile des Unternehmers aus der früheren Tätigkeit des Handelsvertreters, also insoweit für eine Wertsteigerung des Unternehmens dar. Wenn der Vertreter durch die Vertreigsbeendigung seinen von ihm geworbenen Kundenstamm verliert, so entspricht dem in der Regel auf der Seite des Unternehmers oder, wie oben dargelegt, seines Rechtsnachfolgers die Möglichkeit der gewinnbringenden Ausnutzung dieses Kundenstammes durch Abschluß weiterer Geschäfte. Hiervon gehen auch die erwähnten Entscheidungen aus. Es kann aber keinen wesentlichen Unterschied bedeuten, wenn infolge der besonderen Sachlage die Nutzung des Kundenstammes nicht den fortdauernden Vorteil des Unternehmers bildet, der Kundenstamm sich vielmehr in ein Vermahlungskontingent umgewandelt hat, dessen Ausnutzung, sei es im eigenen Betrieb oder durch Veräußerung, dem Unternehmer Vorteile bringt. Die für einen Ausgleichsanspruch geforderte Wertsteigerung liegt in diesem Fall in dem vom Kundenstamm abhängigen Kontingent. Dies bedeutet nicht, daß der Handelsvertreter an jeder Wertsteigerung des Unternehmens, die mit auf seine Tätigkeit zurückzuführen ist, teilnimmt. Wenn daher der Unternehmer mit den Gewinnen, die er aus den vom Handelsvertreter vermittelten Geschäften zieht, seinen Betrieb z.B. durch Anschaffung von Maschinen oder sonstige Veränderungen vergrößern kann, so kann der Handelsvertreter hierfür keine Entschädigung verlangen, selbst wenn der Unternehmer mit Rücksicht darauf bei einer Veräußerung des Betriebes einen höheren Preis erzielt. Anderenfalls wäre er, was das Gesetz nicht vorsieht, einem stillen Gesellschafter des Unternehmers gleichzustellen. Wenn die Wertsteigerung des Unternehmens jedoch so unmittelbar mit der Schaffung des Kundenstamm es zusammenhängt, daß das auf den Kundenstamm sich aufbauende Kontingent von dem Unternehmer nachträglich verwertet werden kann, so entspricht es einer sinngemäßen Auslegung des Gesetzes, daß insoweit ein ausgleichspflichtiger Vorteil des Unternehmers gegeben ist. Die Fortführung der Geschäftsverbindung in irgendeiner Form wird nach dem Gesetzeswortlaut nicht vorausgesetzt, die Art und Weise der Ausnutzung der Geschäftsverbindung offengelassen. Wenn somit ein Handelsvertreter neue Kunden geworben hat und der Unternehmer nach Maßgabe des Umsatzes mit diesen Kunden ein Verarbeitungskontingent erhält, so liegt der erhebliche Verteil des Unternehmers im Sinne des § 89 b Abs. 1 Nr. 1 HGB schon darin, daß er dieses Kontingent selbst ausnutzen oder veräußern kann, selbst wenn die ursprünglichen Kunden nicht weiter beliefert werden. Es kommt daher nicht darauf an, ob, wie das Berufungsgericht in einer Hilfserwägung dargelegt hat, die Rechtsnachfolgerin der Beklagten zu 1) mit den vom Kläger eingeführten Mehlmarken einen Teil der früheren Kunden weiterbeliefert.
c) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Kläger durch die Beendigung des Vertreterverhältnisses einen Ausfall an Provision erlitten. Es habe sich um einen Kundenkreis von solcher Beschaffenheit gehandelt, daß er ihm über den Zeitpunkt der Beendigung des Vertragsverhältnisses hinaus andauernden Provisionsverdienst gewährleistet hätte. Das Berufungsgericht hat auch den Fall unterstellt, daß die Beklagte zu 1) möglicherweise ihre Zahlungen hätte einstellen müssen, wenn sie das Abkommen mit der Rolandmühle nicht, geschlossen hätte. Wenn die Beklagte zu 1) etwa durch ein Konkursverfahren liquidiere worden wäre, ohne daß die Möglichkeit bestanden hätte, ihr Kontingent und damit das Ergebnis der Tätigkeit des Klägers nutzbringend zu verwerten, so würde es allerdings an einem Vorteil des Unternehmers fehlen. Nachdem jedoch die Beklagte zu 1) die Geschäftsverbindungen mit der Übertragung des Kontingents nutzbringend verwerten konnte, muß es, wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, auf der Seite des Vertreters genügen, daß der Kundenkreis normalerweise weitere Provisionsverdienste hätte erwarten lassen.
Die Feststellung, daß der Kläger seinen Kundenstamm verloren hat, wird von der Revision angegriffen. Die Beklagte zu 1) hatte vorgetragen (Schriftsatz vom 28. September 1957 – Bl. 4, GA 67), es habe dem Kläger sicher keine Schwierigkeiten bereiten können, seinen Kundenstamm mit Mehlsorten einer von ihm vertretenen Firma zu beliefern. Seine Kunden würden offensichtlich nach wie vor von ihm beliefert, ein Provisionsausfall sei ihm durch die Beendigung des Vertragsverhältnisses nicht entstanden. Außerdem hat die Beklagte zu 1) vorgetragen (Schriftsatz vom 17. Februar 1958 S. 7/8), der Kläger habe überhaupt keinen Einnahmerückgang erlitten. Dieses letztere Vorbringen ist unerheblich, denn es steht der Annahme, ein Handelsvertreter habe einen Teil seines Kundenstemmes verloren, nicht entgegen, wenn er ohne Lieferung an diese Kunden aus Geschäften mit anderen Kunden höhere Einnahmen erzielt als er sie vorher hatte. Dagegen könnte es zu einem Wegfall des Ausgleichsanspruch führen, wenn der Handelsvertreter den von ihm während seiner Tätigkeit für den Unternehmer bearbeiteten Kundenkreis nach Beendigung des Vertragsverhältnisses in der Weise für sich weiternutzt, daß er die Kunden mit den gleichen Artikeln wie bisher für einen anderen Unternehmer beliefert. In einem solchen Fall kann nicht davon gesprochen werden, daß der Handelsvertreter seinen Kundenstamm, der sein Kapital bildet, verloren hat. Das Berufungsgericht hat jedoch als unstreitig festgestellt, der Kläger habe dadurch, daß er nicht mehr für die Beklagte zu 1) habe tätig sein können, Ausfälle an Provision gehabt. Aus dieser tatbestandlichen Feststellung ergibt sich somit, daß die Voraussetzungen für den Ausgleichsanspruch gegeben sind. Die Klage konnte daher dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt werden. Die Ausführungen der Revision, die zum Teil nur Vermutungen enthalten, widersprechen dem vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalt und sind daher, da keine Berichtigung des Tatbestands beantragt worden ist, unbeachtlich. Die Revision ist daher unbegründet.
II. Anschlußrevision.
Der Kläger stützt seine Klage außerdem auf eine positive Vertragsverletzung der Beklagten zu 1), die er darin sieht, daß die Beklagte zu 1) ihn trotz Befragung ihre schlechte wirtschaftliche Lage verschwiegen habe. Hätte die Beklagte zu 1) ihn davon unterrichtet, so hätte er die ihm angebotene Vertretung einer anderen leistungsfähigen Mühle übernommen und infolgedessen keine Provisionsminderung erfahren. Zwar unterstellt das Berufungsgericht, die Unrichtigkeit der Auskunft der Beklagten zu 1) über ihre wirtschaftliche Lage sei für den Kläger der Grund dafür gewesen, das Angebot der anderen Mühle auf übernähme der Vertretung auszuschlagen. Es sieht jedoch in der Erklärung der Beklagten keine schuldhafte Verletzung der ihr aus dem Vertrag obliegenden Treuepflicht. Nachdem die Beklagte zu 1.) am 5. September 1959 mit der Hauptgläubigerin ein Stillhalteabkommen getroffen habe, habe sie annehmen können, daß sie die aufgetauchten Schwierigkeiten überwinden und damit in der Lage sein werde, den Platz B. für sich zu erhalten.
a) Diese Auffassung ist gerechtfertigt. Die ausdrückliche Regelung der Pflichten des Unternehmers in § 86 a HGB erstreckt sich nur auf die Rechtspflicht des Unternehmers, den Handelsvertreter bei seiner Arbeit für den Unternehmer zu unterstützen. Die dort aufgeführten Verpflichtungen und die weiteren in der Rechtsprechung (BGHZ 26, 161) und im Schrifttum im Anschluß an diese Bestimmung bejahten Pflichten haben zum Inhalt, die berechtigten Erwartungen des Handelsvertreters auf den Erfolg seiner Arbeit und seiner Aufwendungen zu schützen. Wieweit der Unternehmer darüber hinaus noch für den Fall einer ordnungsgemäßen Lösung des Vertreterverhältnisses die Interessen des Vertreters berücksichtigen muß, ergibt sich aus den allgemeinen Regeln über den Inhalt eines Dienstverträges und in Sonderheit eines Handelsvertreterverhältnisses, das auf beiden Seiten gewisse Treuepflichten mit sich bringt. Bei, der Abwägung der beiderseitigen Interessen ist einmal das berechtigte Interesse des Handelsvertreters, das er an dem Fortbestand des Betriebes seines Unternehmers hat, zu beachten, da davon seine Verdienstmöglichkeiten abhängen. Auf der anderen Seite steht das Interesse des Geschäftsherrn, interne Vorgänge nicht zu offenbaren. Das Gesetz trägt den Schwierigkeiten, die sich für den Handelsvertreter aus der von ihm nicht erwarteten Endigung seines Vertreterverhältnisses ergeben, dadurch Rechnung, daß es eine Mindestkündigungsfrist vorschreibt und darüber hinaus unter bestimmten Voraussetzungen einen Ausgleichsanspruch gibt. Würde man außerdem fordern, daß der Unternehmer verpflichtet ist, z.B. über seine wirtschaftliche Lage und die sich daraus möglicherweise einmal ergebenden Folgen für die Fortsetzung des Handelsvertreterverhältnisses vorzeitig Auskunft zu geben, so würde dies eine zu weitgehende Beschränkung der Entschließungsfreiheit des Unternehmers bedeuten. Daß die Beklagte zu 1) bei ihrer Auskunft etwa sittenwidrig gehandelt hat, ist nicht dargetan. Das Risiko, daß ein Vertreterverhältnis im Rahmen der gesetzlichen Bestimmung gekündigt wird, trägt der Vertreter. Deshalb war die Beklagte zu 1) nicht verpflichtet, auf Befragen des Klägers Auskunft über ihre wirtschaftliche Lage zu geben, es mag etwas anderes gelten, wenn der Handelsvertreter bei einer derartigen Sachlage den Unternehmer davon unterrichtet, er habe Gelegenheit zum Abschluß eines für ihn günstigen Vertretervertrages, den er eingehen würde, wenn die wirtschaftliche Lage des Unternehmers eine baldige Einstellung des Betriebes befürchten lasse. Hierzu braucht jedoch nicht abschließend Stellung genommen zu werden, da der Kläger die Beklagte zu 1) nicht in diesem Sinn unterrichtet hatte.
b) In Rechtsprechung und Schrifttum wird für ein Arbeitsverhältnis gefordert, daß der Unternehmer auf Grund seiner Fürsorgepflicht unter Umständen verpflichtet ist, den nicht unterrichteten Arbeitnehmer auf das bevorstehende Ende seines Arbeitsvernältnisses hinzuweisen, sobald sich dieser Zeitpunkt einigermaßen übersehen läßt (RAG ArbRS 31, 207, 210; Hueck-Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts 1. Bd. III, 7). Eine solche dich aus dem Arbeitsverhältnis mit seiner gesteigerten Fürsorgepflicht ergebende Verpflichtung mag auch bei anderen Dauerschuldverhältnissen mit einem personenrechtlichen Einschlag wie dem Handelsvertreterverhältnis anerkannt werden. Sie ergibt sich aus der diesen Beziehungen innewohnenden Treuepflicht. Sie würde auf jeden Fall jedoch voraussetzen, daß der Unternehmer das Ende des Vertreterverhältnisses voraussieht. Dies war nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht der Fall. Wie bereits oben dargelegt, genügt es nicht, daß der Unternehmer mit der Möglichkeit rechnen muß, er werde seine wirtschaftlichen Schwierigkeiten nicht meistern und deshalb seinen Betrieb einstellen müssen.
Die Anschlußrevision meint, das Berufungsgericht habe dem Kläger zu Unrecht die Beweislast dafür aufgebürdet, daß die Beklagte zu 1) noch Ende Januar 1956 hinsichtlich einer Fortsetzung des Betriebes gutgläubig gewesen sei. Dieses Vorbringen widerspricht schon in tatsächlicher Hinsicht dem festgestellten Sachverhalt insoweit, als die Beklagte zu 1) die unrichtige Auskunft, die nach den Feststellungen des Berufungsgerichts für die Ausschlagung einer anderen Vertretung für den Kläger ursächlich gewesen sein mag, bereits am 5. November 1955 gegeben hat. Auf die Frage, ob die Beweislast verkannt ist, kommt es im übrigen nicht an, da das Berufungsgericht als Tatsache festgestellt hat, die Beklagte zu 1) habe damals noch annehmen dürfen, sie werde die aufgetauchten Schwierigkeiten überwinden und in der Lage sein, den Platz B. für sich zu erhalten. Zudem hätte der Kläger die Voraussetzungen für eine Offenbarungspflicht der Beklagten zu 1), somit deren Bewußtsein, daß sie das Geschäft einstellen werde, zu beweisen. Es könnte nur die Aufgabe der Beklagten sein, bei einem derartigen Sachverhalt, bei dem dem Kläger notwendigerweise eine genaue Kenntnis der Tatsachen fehlt, die erforderliche Aufklärung über den Tatsachenverlauf zu geben. Es wäre ihr in diesem Fall unter dem Gesichtspunkt der in, § 138 Abs. 1 ZPO vorgeschriebenen Mitwirkung zur richtigen Rechtsfindung anzusinnen, durch vollständige und wahrheitsgemäße Anführung über tatsächliche Umstände den Sachverhalt aufzuklären (RGZ 166, 240, 242). Dies hat die Beklagte zu 1) getan, indem sie, soweit. übersehbar, die Urkunden vorgelegt hat, aus denen sich ihre wirtschaftliche Lage und die daraus entspringende Vereinbarung mit den Gläubigern und später mit der übernehmenden Rolandmühle ergab.
Des weiteren rügt die Anschlußrevision, das Berufungsgericht habe nicht berücksichtigt, daß sich schon im April 1956 gezeigt habe, daß die Voraussetzungen für das Stillhalteabkommen nicht mehr gegeben gewesen seien. Entscheidend könnt es darauf an, ob die Beklagte zu 1) bereits im November 1955 diese Überzeugung gewonnen hatte, aus der sich die Erkenntnis einer baldigen Betriebestillegung etwa ergeben hätte. Dies hat der Kläger nicht vorgetragen. Es folgt auch nicht aus der Tatsache, daß sich im April 1956 diese Überzeugung der Beklagten zu 1) etwa aufdrängen mußte. Ob die Beklagte zu 1) noch im Juni 1956 den Eindruck erweckt hat, sie werde ihre Geschäfte weiterführen, ist unerheblich, da diese Auskunft nach den Feststellungen des Berufungsgerichts für die Ausschlagung der Vertretung durch den Kläger nicht ursächlich war. Somit wird durch die unrichtige Auskunft der Beklagten zu 1) über ihre geschäftlichen Verhältnisse kein Schadenersatzanspruch des Klägers begründet.
c) Die Anschlußrevision sieht ferner eine Verletzung des § 551 Abs. 1 Nr. 7 ZPO darin, daß das Berufungsgericht das Vorbringen des Klägers nicht gewürdigt habe, er habe durch schlechte Lieferungen der Beklagten zu 1) erhebliche Ausfälle gehabt. Diese Rüge ist unbegründet, denn der Kläger hatte auf diesen Sachverhalt keinen selbständigen Schadensersatz anspruch gestützt, sondern damit nur einer, seiner Ansicht nach bei der Bemessung der Höhe des Ausgleichsanspruchs zu berücksichtigenden Umstand vorgetragen (vgl. Schriftsatz vom 13.5.1957 S. 8). Somit waren die Revision und die Anschlußrevision mit der Kostenfolge aus §§ 97, 92 ZPO zurückzuweisen.
Unterschriften
Dr. Nastelski, Dr. Haidinger, Dr. Kuhn, Dr. Nörr, Dr. Haager
Fundstellen
Haufe-Index 1502365 |
NJW 1960, 1292 |
BGHWarn 1960, 439 |
Nachschlagewerk BGH |
MDR 1960, 998 |