Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorsatzanfechtung. Zweiter Leistungsmittler. Rückzahlung von Versicherungsprämien
Leitsatz (amtlich)
Zur Vorsatzanfechtung gegenüber einem Versicherungsmakler als zweiten Leistungsmittler.
Normenkette
InsO § 133 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 12.09.2012; Aktenzeichen 13 S 70/12) |
AG Stuttgart (Urteil vom 23.03.2012; Aktenzeichen 1 C 4707/11) |
Tenor
Auf die Rechtsmittel des Klägers werden das Urteil der 13. Zivilkammer des LG Stuttgart vom 12.9.2012 und das Urteil des AG Stuttgart vom 23.3.2012 aufgehoben.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zur Masse 3.192,05 EUR zzgl. Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 26.11.2011 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Der Kläger verlangt als Verwalter in dem am 13.12.2007 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der B. GmbH (künftig: Schuldnerin) von der Beklagten im Wege der Insolvenzanfechtung die Rückzahlung von Versicherungsprämien. Die Beklagte ist Versicherungsmaklerin. Sie vermittelte der Schuldnerin Versicherungsverträge für ihre Fahrzeuge. Da die Schuldnerin die Versicherungsprämien an den Versicherer nicht, wie geschuldet, vierteljährlich, sondern monatlich zahlen wollte, vereinbarte sie mit der Beklagten, dass diese die anteiligen Versicherungsprämien monatlich vom Konto der Schuldnerin einziehen und quartalsweise an die Versicherung weiterleiten sollte. Entsprechend wurde verfahren. Im Streit sind die vom Konto der Schuldnerin eingezogenen Prämien für Juli, August und September 2007 über insgesamt 3.192,05 EUR.
Rz. 2
Auf Eigenantrag der Schuldnerin vom 9.11.2007 bestellte das Insolvenzgericht den Kläger zum vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt. Dieser setzte die Beklagte am 16.11.2007 hierüber in Kenntnis. Gleichzeitig genehmigte er gegenüber der Schuldnerbank die Einziehung der Versicherungsprämien für die streitigen Monate, die am 31.7.2007, 20.9.2007 und 27.9.2007 vom Konto der Schuldnerin im Lastschriftverfahren abgebucht worden waren. Am 17.12.2007 leitete die Beklagte die Versicherungsprämien an den Versicherer weiter.
Rz. 3
Das AG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger den Anfechtungsanspruch in vollem Umfang weiter.
Entscheidungsgründe
Rz. 4
Die Revision ist begründet. Sie führt zur antragsgemäßen Verurteilung der Beklagten.
I.
Rz. 5
Das Berufungsgericht hat gemeint, es spreche vieles dafür, dass die Beklagte nicht nur bloße Zahlstelle gewesen sei, weil sie nicht nur wie ein Bankinstitut ohne Kenntnis von Einzelheiten zur Abwicklung von Zahlungsvorgängen eingeschaltet gewesen sei, sondern den Vertragszweck gekannt und die Funktion der Prämienansammlung ausgeübt habe.
Rz. 6
Als anfechtbare Rechtshandlung komme nur die Genehmigung der Einziehung gegenüber der Bank am 16.11.2007 in Betracht. Insoweit sei bereits fraglich, ob eine Rechtshandlung der Schuldnerin vorliege, weil die Genehmigung durch den vorläufigen Verwalter erklärt worden sei. Jedenfalls sei die Vermutung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO erschüttert, wenn der (zunächst vorläufige) Verwalter zu erkennen gebe, dass er mit dem Zahlungsvorgang einverstanden sei. Dies gelte jedenfalls dann, wenn er hiermit den Zweck verfolge, die notwendige Haftpflichtversicherung für den Weiterbetrieb der Fahrzeuge im Interesse der Masse zu sichern. Hätte er sich die Anfechtung gegenüber der Beklagten vorbehalten, hätte diese die Prämien nicht an den Versicherer weitergeleitet und diesen über die Insolvenz informiert, was mit Sicherheit die Kündigung zur Folge gehabt hätte. Dies habe der Kläger vermeiden wollen und deshalb die Genehmigung vorbehaltslos erklärt. In einem solchen Fall liege keine Kenntnis des Gläubigers vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners vor.
Rz. 7
Eine Deckungsanfechtung komme schon deshalb nicht in Betracht, weil es sich bei den angefochtenen Zahlungen um mittelbare Zuwendungen gehandelt habe, die die Schuldnerin mit Hilfe der Beklagten als Mittelsperson an den Versicherer geleistet habe. Dann sei das gesamte Rechtsverhältnis so anzusehen, als ob nur der Dritte vom Schuldner unmittelbar erworben hätte.
II.
Rz. 8
Demgegenüber macht die Revision geltend, die Beklagte könne als uneigennützige Treuhänderin Anfechtungsgegnerin nach § 133 Abs. 1 InsO sein, weil sie nicht nur eine bloße Zahlstellenfunktion wahrgenommen habe. Eine Schuldnerhandlung liege schon deshalb vor, weil das Genehmigungsschreiben des Klägers gegenüber der Schuldnerbank vom 16.11.2007 auch vom Geschäftsführer der Schuldnerin unterschrieben gewesen sei. Das Berufungsgericht verkenne, dass § 133 Abs. 1 InsO keinen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Anfechtungsgegners erfordere. Es genüge die Kenntnis vom Benachteiligungsvorsatz des Schuldners. Diese sei hier zu bejahen, weil die Beklagte im Zeitpunkt der Genehmigung Kenntnis vom Insolvenzantrag gehabt habe. Die Genehmigung der Lastschriften sei im Übrigen nicht gegenüber der Beklagten, sondern der Schuldnerbank erfolgt. Der vorläufige Verwalter habe damit gerade den Zweck verfolgt, gegenüber der Beklagten anfechten zu können. Ein Vertrauenstatbestand sei nicht geschaffen worden. Dass der Versicherer bei entsprechender Information die Versicherungsverträge habe kündigen können, sei unerheblich. Ein hypothetischer Geschehensablauf finde im Insolvenzanfechtungsrecht keine Berücksichtigung. Mit einer Kündigung sei zudem im Hinblick auf eine mögliche Unternehmensfortführung weder zu rechnen gewesen noch habe überhaupt gekündigt werden können. Denn im Zeitpunkt der Weiterleitung der Prämien am 17.12.2007 sei das Insolvenzverfahren bereits eröffnet gewesen.
III.
Rz. 9
Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten rechtlicher Prüfung nicht stand.
Rz. 10
1. Das Berufungsgericht hat unter Bezugnahme auf das Urteil des AG eine Anfechtbarkeit der Zahlungen an die Beklagte nach § 130 InsO zutreffend verneint.
Rz. 11
Hat der Schuldner eine Zwischenperson eingeschaltet, die für ihn im Wege einer einheitlichen Handlung eine Zuwendung an einen Dritten bewirkt und damit zugleich unmittelbar das den Insolvenzgläubigern haftende Vermögen vermindert hat, richtet sich die Deckungsanfechtung allein gegen den Dritten als Empfänger, wenn es sich für diesen erkennbar um eine Leistung des Schuldners handelte (BGH, Urt. v. 16.9.1999 - IX ZR 204/98, BGHZ 142, 284, 287; v. 16.11.2007 - IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228 Rz. 35; v. 26.4.2012 - IX ZR 74/11, BGHZ 193, 129 Rz. 9). Da mittelbare Zuwendungen so zu behandeln sind, als habe der befriedigte Gläubiger unmittelbar von dem Schuldner erworben, finde die Deckungsanfechtung nicht gegenüber dem Leistungsmittler, der als solcher kein Gläubiger des Schuldners ist, sondern allein gegen den Leistungsempfänger statt (BGH, Urt. v. 29.11.2007 - IX ZR 121/06, BGHZ 174, 314 Rz. 14; vom 26.4.2012, a.a.O.).
Rz. 12
Die Schuldnerin hat sich im Streitfall neben ihrer Bank auch der Beklagten bedient, um die Versicherungsprämien an den Versicherer zu bezahlen. Für Letzteren war erkennbar, dass es sich um Leistungen der Schuldnerin auf ihre vertraglichen Zahlungspflichten handelte. Eine Anfechtung nach §§ 130, 131 InsO kommt deshalb sowohl gegenüber der Schuldnerbank als auch gegenüber der Beklagten, die beide Leistungsmittler waren, nicht in Betracht. Dass die Beklagte selbst Insolvenzgläubigerin gewesen wäre, etwa weil sie insoweit selbst eigene durchsetzbare Ansprüche gegen die Schuldnerin erworben gehabt hätte, die sie in eigenem Namen hätte geltend machen können, hat der Kläger nicht substantiiert dargelegt. Die Revision hat gegen die Entscheidung der Vorinstanzen insoweit keine Bedenken erhoben.
Rz. 13
2. Die Zahlungen der Schuldnerin an die Beklagte als zweite Zahlungsmittlerin waren jedoch gem. § 133 Abs. 1 InsO anfechtbar.
Rz. 14
a) Die mögliche Deckungsanfechtung gegenüber dem Versicherer als Insolvenzgläubiger schließt die Vorsatzanfechtung gegenüber dem oder den Zahlungsmittlern nicht aus (vgl. BGH, Urt. v. 29.11.2007, a.a.O., Rz. 24 f.; vom 26.4.2012, a.a.O., Rz. 14; v. 24.1.2013 - IX ZR 11/12, WM 2013, 361 Rz. 14).
Rz. 15
b) Die Zahlungen der Schuldnerin an die Beklagte i.H.v. insgesamt 3.192,05 EUR haben infolge des Vermögensabflusses bei der Schuldnerin eine objektive Gläubigerbenachteiligung i.S.d. § 129 Abs. 1 InsO bewirkt.
Rz. 16
Eine Gläubigerbenachteiligung liegt vor, wenn die Rechtshandlung entweder die Schuldenmasse vermehrt oder die Aktivmasse verkürzt und dadurch den Zugriff auf das Vermögen des Schuldners vereitelt, erschwert oder verzögert hat, sich somit die Befriedigungsmöglichkeiten der Insolvenzgläubiger ohne die Handlung bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise günstiger gestaltet hätten (BGH, Urt. v. 20.1.2011 - IX ZR 58/10, WM 2011, 371 Rz. 12; v. 17.3.2011 - IX ZR 166/08, WM 2011, 803 Rz. 8; v. 29.9.2011 - IX ZR 74/09, WM 2011, 2293 Rz. 6; vom 26.4.2012, a.a.O., Rz. 11).
Rz. 17
Durch die Genehmigung der Einziehung der Prämien vom Konto der Schuldnerin durch die Beklagte hat sich die Schuldnerin zum Nachteil ihrer Gläubiger finanzieller Mittel entäußert, ohne hierfür eine gleichwertige Gegenleistung zu erhalten. Der zunächst noch bestehende Herausgabeanspruch der Schuldnerin gegen die Beklagte gem. §§ 675, 667 BGB ist keine gleichwertige Gegenleistung der abgeflossenen Zahlungsmittel. Allerdings war das Auftragsverhältnis zwischen der Schuldnerin und der Beklagten nach §§ 115, 116 InsO mit der Insolvenzeröffnung über das Vermögen der Schuldnerin erloschen. Auch wenn die Beklagte dem Insolvenzverwalter nach § 97 InsO zur Auskunft verpflichtet gewesen wäre, hätten sich Schwierigkeiten dabei ergeben können, den Verbleib der Gelder aufzuklären und zur Masse zurückzuführen. Folglich ist bereits die Weggabe des Geldes durch Genehmigung der Lastschriften für die Gläubiger benachteiligend (vgl. BGH, Urt. v. 26.4.2012, a.a.O., Rz. 12).
Rz. 18
Dies gilt auch, wenn die Zahlung mit Mitteln eines zuvor eingeräumten und vom Schuldner abgerufenen Dispositionskredits (BGH, Urt. v. 24.1.2013 - IX ZR 11/12, ZIP 2013, 371 Rz. 20 m.w.N.; st.Rspr.) oder aus den Mitteln einer lediglich geduldeten Kontoüberziehung bewirkt wurde (BGH, Urt. v. 6.10.2009 - IX ZR 191/05, BGHZ 182, 317 Rz. 11 ff.).
Rz. 19
c) Die für § 133 Abs. 1 InsO erforderliche Rechtshandlung der Schuldnerin (vgl. BGH, Urt. v. 10.2.2005 - IX ZR 211/02, BGHZ 162, 143, 147 ff.) lag vor.
Rz. 20
Bei einer Zahlung im Wege des Einziehungsermächtigungsverfahrens liegt die anfechtbare Rechtshandlung erst in der Genehmigung der Lastschriftbuchung, nicht bereits in dieser Buchung selbst, weil die Belastung des Kontos bis zur Genehmigung ohne materielle Wirkung bleibt (BGH, Urt. v. 30.9.2010 - IX ZR 178/09, WM 2010, 2023 Rz. 21; vom 30.9.2010 - IX ZR 177/07, WM 2010, 2167 Rz. 11; v. 29.9.2011 - IX ZR 202/10, WM 2012, 85 Rz. 10). Die Genehmigung ist durch das gemeinsame Schreiben des Klägers und der Schuldnerin vom 16.11.2007 erteilt worden, das an die Schuldnerbank und damit an den richtigen Adressaten (vgl. BGH, Urt. v. 13.10.2011 - IX ZR 115/10, WM 2011, 2130 Rz. 12 m.w.N.) gerichtet war. Die Voraussetzungen der Genehmigungsfiktion der zwischen Schuldnerin und der Schuldnerbank vereinbarten Nr. 7 Abs. 4 AGB-Sparkassen lagen zu diesem Zeitpunkt noch nicht vor, weil die Frist von sechs Wochen nach Zugang des Rechnungsabschlusses zum 30.9.2007 (vgl. BGH, Urt. v. 30.9.2010 - IX ZR 178/09, WM 2010, 2023 Rz. 19) noch nicht abgelaufen war. Der Rechnungsabschluss war der Schuldnerin erst am 8.10.2007 zugegangen.
Rz. 21
Das Genehmigungsschreiben war zwar auf Briefpapier des Insolvenzverwalters abgefasst, enthielt aber sowohl die Unterschrift des für die Schuldnerin handelnden Geschäftsführers sowie deren Firmendaten, wie auch diejenige des mitbestimmenden vorläufigen Insolvenzverwalters. Sie war deshalb wirksam für die Schuldnerin erteilt und ist der Schuldnerbank unstreitig am 19.11.2007 per Telefax zugegangen.
Rz. 22
Die am 16.11.2007 erteilte Genehmigung war als anfechtbare Rechtshandlung nach der Insolvenzantragstellung vorgenommen worden (vgl. BGH, Urt. v. 30.9.2010 - IX ZR 177/07, WM 2010, 2167 Rz. 14; v. 29.9.2011 - IX ZR 202/10, WM 2012, 85 Rz. 10).
Rz. 23
d) Die Schuldnerin handelte mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz.
Rz. 24
Der Schuldner handelt mit diesem Vorsatz, wenn er die Benachteiligung der Gläubiger als Erfolg seiner Rechtshandlung will oder als mutmaßliche Folge erkennt und billigt. Kennt der Schuldner seine Zahlungsunfähigkeit, kann daraus auf einen Benachteiligungsvorsatz geschlossen werden. In diesem Fall weiß der Schuldner, dass sein Vermögen nicht ausreicht, um sämtliche Gläubiger zu befriedigen. Auch die nur drohende Zahlungsunfähigkeit stellt ein starkes Beweisanzeichen für den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners dar, wenn sie ihm bei Vornahme der Rechtshandlung bekannt war (BGH, Urt. v. 13.4.2006 - IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 Rz. 14; vom 24.5.2007 - IX ZR 97/06, ZIP 2007, 1511 Rz. 8; v. 29.11.2007 - IX ZR 121/06, BGHZ 174, 314 Rz. 32; v. 5.3.2009 - IX ZR 85/07, BGHZ 180, 98 Rz. 10; v. 13.8.2009 - IX ZR 159/06, WM 2009, 1943 Rz. 8; vom 24.1.2013, a.a.O., Rz. 24).
Rz. 25
Diese Grundsätze gelten auch, wenn eine kongruente Leistung angefochten wird (BGH, Urt. v. 10.1.2013 - IX ZR 13/12, ZIP 2013, 174 Rz. 15; vom 24.1.2013, a.a.O., Rz. 25).
Rz. 26
Die Schuldnerin hatte am 9.11.2007 Insolvenzantrag wegen Zahlungsunfähigkeit gestellt. Bei Erteilung der Genehmigung des Lastschrifteinzuges mit Schreiben vom 16.11.2007 war ihr dies bekannt.
Rz. 27
e) Die Anfechtung wegen vorsätzlicher Gläubigerbenachteiligung nach § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO setzt zudem voraus, dass der Anfechtungsgegner zur Zeit der angefochtenen Handlung den Vorsatz des Schuldners, seine Gläubiger zu benachteiligen, kennt. Dies hat das Berufungsgericht zu Unrecht verneint.
Rz. 28
aa) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hatte die Beklagte im maßgeblichen Zeitpunkt der Genehmigung der Lastschriften Kenntnis vom Insolvenzantrag der Schuldnerin. Kennt der Anfechtungsgegner die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners oder ist er über einen gegen den Schuldner gestellten Eröffnungsantrag unterrichtet, so weiß er auch, dass Leistungen aus dessen Vermögen die Befriedigungsmöglichkeit anderer Gläubiger vereiteln oder zumindest erschweren und verzögern. Mithin ist der Anfechtungsgegner zugleich regelmäßig über den Benachteiligungsvorsatz im Bilde (BGH, Urt. v. 10.2.2005 - IX ZR 211/02, BGHZ 162, 143, 153; vom 18.3.2010 - IX ZR 57/09, WM 2010, 851 Rz. 19 ff.; v. 30.6.2011 - IX ZR 134/10, WM 2011, 1429 Rz. 21; v. 29.9.2011 - IX ZR 202/10, WM 2012, 85 Rz. 15; vom 26.4.2012, a.a.O., Rz. 20).
Rz. 29
bb) Allerdings kann aus der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Insolvenzantrags nicht in jedem Fall auf die Kenntnis vom Benachteiligungsvorsatz des Schuldners geschlossen werden.
Rz. 30
(1) Wird ein Anfechtungsgegner als bloße Zahlstelle des Schuldners tätig und ist er an dem Zahlungsvorgang nur in technischen Funktionen beteiligt, kann auch bei Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Insolvenzantrags nicht auf die Kenntnis des Benachteiligungsvorsatzes geschlossen werden (BGH, Urt. v. 26.4.2012 - IX ZR 74/11, BGHZ 193, 129 Rz. 21; v. 24.1.2013 - IX ZR 11/12, ZIP 2013, 371 Rz. 31 ff.; MünchKomm/InsO/Kirchhof, InsO, 2. Aufl., § 129 Rz. 49a). Ist der Leistungsmittler in dieser Funktion gesetzlich verpflichtet, von dem Schuldner veranlasste Zahlungsaufträge durchzuführen, kann vielmehr eine Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners nur unter besonderen Voraussetzungen bejaht werden (vgl. BGH, Urt. v. 26.4.2012, a.a.O., Rz. 22 ff.; vom 24.1.2013, a.a.O., Rz. 30 ff.).
Rz. 31
(2) Die Beklagte war jedoch nicht lediglich als Zahlstelle in diesem Sinne tätig. Sie ist kein Zahlungsdienstleister i.S.d. § 675o Abs. 2 BGB, der zur Ausführung eines Zahlungsauftrags der Schuldnerin im Sinne dieser Vorschrift verpflichtet gewesen wäre. Aufgrund Vereinbarung mit der Schuldnerin hatte sie sich bereit erklärt und verpflichtet, monatlich die anteiligen Versicherungsbeiträge bei der Schuldnerin einzuziehen, zu sammeln und bei Fälligkeit quartalsweise an den Versicherer weiterzuleiten. Die hier streitgegenständlichen Abbuchungen erfolgten am 31.7.2007, 20.9.2007 und 27.9.2007, die Weiterleitung an die Versicherung erst am 17.12.2007.
Rz. 32
Die Beklagte hat damit bei der Befriedigung des Versicherers eine eigene maßgebliche Rolle übernommen, die die Zahlung der Versicherungsbeiträge sicherstellen sollte. Damit verfolgte die Beklagte, welche die Versicherungsverträge vermittelt hatte, offensichtlich auch eigene Interessen, jedenfalls aber Interessen der Schuldnerin. Im anfechtungsrechtlich maßgeblichen Zeitpunkt der Genehmigung wusste die Beklagte nicht nur vom Insolvenzantrag, sondern auch von der durch die Genehmigung der Abbuchung eintretenden Gläubigerbenachteiligung. Die Beklagte kannte auch die näheren Umstände. Sie wusste, dass die Zahlung nicht etwa zur Befriedigung eines insolvenzfest gesicherten Gläubigers verwendet oder ein solches Sicherungsrecht abgelöst werden sollte. Eine Zahlung aus unpfändbarem Vermögen kam schon im Hinblick auf die Rechtsform der Schuldnerin nicht in Betracht; ebenso wenig konnte unter dem Gesichtspunkt der Deckungsanfechtung ein Bargeschäft vorliegen, schon weil es hier am unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung fehlte (vgl. BGH, Urt. v. 13.4.2006 - IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 Rz. 30 ff.; v. 6.12.2007 - IX ZR 113/06, ZIP 2008, 232 Rz. 20; Beschl. v. 18.9.2008 - IX ZR 134/05, nv Rz. 2; Urt. v. 15.12.2011 - IX ZR 118/11, ZIP 2012, 333 Rz. 25 ff.).
Rz. 33
Die Beklagte nahm einen erheblichen eigenen Handlungsspielraum in Anspruch. Sie war dadurch selbst in die Gläubigerbenachteiligung eingebunden. Dies zeigen sowohl die Abbuchungszeitpunkte wie der Umstand, dass die Prämie für Juli, August und September 2007 schließlich erst am 17.12.2007 an den Versicherer weitergeleitet wurden. Die Beklagte hat auch nicht behauptet, dass sie das eingezogene Geld als Treugut aussonderungsfähig auf einem nachweisbar ausschließlich zur Aufnahme von treuhänderisch gebundenem Geld bestimmten Konto angelegt gehabt hätte (vgl. BGH, Urt. v. 7.7.2005 - III ZR 422/04, ZIP 2005, 1465, 1466; v. 10.2.2011 - IX ZR 49/10, BGHZ 188, 317 Rz. 13). Die abgebuchten Beträge waren in ihr eigenes Vermögen übergegangen.
Rz. 34
Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 13.12.2007 war das Auftragsverhältnis zwischen der Schuldnerin und der Beklagten gem. §§ 115, 116 InsO erloschen (vgl. BGH, Urt. v. 26.4.2012, a.a.O., Rz. 12). Dies hinderte die Beklagte als Vollrechtsinhaberin allerdings nicht gem. § 81 InsO, wirksam zugunsten des Versicherers zu verfügen (BGH, Beschl. v. 12.7.2012 - IX ZR 213/11, WM 2012, 1496 Rz. 10 m.w.N.). Aus denselben Gründen stand auch § 91 InsO einem Rechtserwerb des Versicherers nicht entgegen. Der Umstand, dass die Beklagte, nachdem sie am 16.11.2007 von der Einleitung des Insolvenzeröffnungsverfahrens erfahren hatte, noch über einen Monat zuwartete, bis sie das Geld an den Versicherer weiterleitete, zeigt abermals ihre weitreichende eigenständige Handlungsbefugnis. Es besteht deshalb keine Veranlassung, ihre bestehende Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin durch eine einschränkende Auslegung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO unberücksichtigt zu lassen.
Rz. 35
3. Die Anfechtung gegenüber der Beklagten hindert entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht der Umstand, dass der Kläger der Genehmigung der Abbuchungen der Beklagten vom Konto der Schuldnerin zugestimmt hat. Dadurch wurde kein der Anfechtung entgegenstehender Vertrauenstatbestand für die Beklagte begründet.
Rz. 36
Der vorläufige Insolvenzverwalter ohne allgemeine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis hat keine an den endgültigen Insolvenzverwalter derart angenäherte Rechtsstellung, dass er Rechtshandlungen des Schuldners, denen er zugestimmt hat, als Insolvenzverwalter nicht anfechten könnte. Die Anfechtung ist vielmehr nur dann ausgeschlossen, wenn der vorläufige Verwalter mit Zustimmungsvorbehalt durch sein Handeln einen schutzwürdigen Vertrauenstatbestand gesetzt hat und der Empfänger der Leistung demzufolge nach Treu und Glauben damit rechnen durfte, ein nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr entziehbares Recht erhalten zu haben (BGH, Urt. v. 15.12.2005 - IX ZR 156/04, BGHZ 165, 283, 286; vgl. auch BGH, Urt. v. 10.1.2013 - IX ZR 161/11, ZIP 2013, 528 Rz. 17 m.w.N.).
Rz. 37
Ein schutzwürdiges Vertrauen in diesem Sinne hat der Kläger als vorläufiger Verwalter gegenüber der Beklagten nicht begründet. Er hat lediglich der Genehmigung der Abbuchung durch die Schuldnerin gegenüber ihrer Bank zugestimmt. Daraus kann die Beklagte nichts zu ihren Gunsten ableiten. Die Bank war ihrerseits lediglich als Zahlungsmittlerin eingeschaltet. Dass ihr gegenüber die Abbuchungen der im Lastschriftverfahren eingezogenen Beträge genehmigt wurden, schließt die Anfechtung gegenüber der Zahlungsempfängerin nicht aus (vgl. BGH, Urt. v. 29.11.2007 - IX ZR 121/06, a.a.O., Rz. 25; v. 24.1.2013 - IX ZR 11/12, a.a.O., Rz. 14), auch wenn diese wie hier ihrerseits Leistungsmittlerin ist, die die Zahlungen erneut weiterleitet.
Rz. 38
Die Ausübung des Anfechtungsrechts stellt sich damit auch nicht als treuwidriges Verhalten des Klägers gegenüber der Beklagten dar.
Rz. 39
4. Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts ändert an der Anfechtbarkeit der Zahlung auch nichts der Umstand, dass der Versicherer bei Nichtzahlung der Prämien womöglich gekündigt hätte.
Rz. 40
Hypothetische Geschehensabläufe sind schon dem Grunde nach gemäß ständiger Rechtsprechung des Senats im Rahmen des Anfechtungsrechts nicht berücksichtigungsfähig (BGH, Urt. v. 29.6.2004 - IX ZR 258/02, BGHZ 159, 397, 401; v. 29.9.2005 - IX ZR 184/04, ZIP 2005, 2025, 2026; v. 12.7.2007 - IX ZR 235/03, ZIP 2007, 2084 Rz. 15).
Rz. 41
Davon abgesehen hat das Berufungsgericht keine entsprechenden Feststellungen getroffen, sondern lediglich Vermutungen angestellt, die nicht einmal nahe liegen. Bis zur Weiterleitung des Geldes nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens hatte der Versicherer noch nicht gekündigt. Selbst eine Mahnung ist nicht vorgetragen oder festgestellt. Eine Kündigung hätte jedenfalls erst erhebliche Zeit nach Eröffnung erfolgen können. Für den Fall der Fortführung des Schuldnerunternehmens hätte dann aber eher ein Erfüllungsverlangen des Klägers nach § 103 InsO nahegelegen, was die Prämien anteilig ab dem Zeitpunkt der Eröffnung zu Masseverbindlichkeiten gemacht hätte, für deren Erfüllung der Kläger nach § 61 InsO einzustehen gehabt hätte. Die Prämienforderungen für die Zeit vor Eröffnung wären zu Insolvenzforderungen geworden (vgl. § 105 Satz 1 InsO), woran sich vom Versicherer auch nichts mehr ändern ließ. Deshalb hätte es eher nahegelegen, dass der Versicherer den Kläger zur Erklärung nach § 103 Abs. 2 Satz 2 InsO aufgefordert hätte.
Rz. 42
5. Auf Entreicherung kann sich die Beklagte nicht berufen (vgl. im Einzelnen BGH, Urt. v. 26.4.2012, a.a.O., Rz. 30 ff.). Dies macht sie in der Revision auch nicht mehr geltend.
Rz. 43
Den Eintritt der Verjährung hat das Berufungsgericht bei rechtzeitiger Einreichung des Prozesskostenhilfeantrags zutreffend gem. § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB verneint. Hiergegen erinnert die Revision ebenfalls nichts.
IV.
Rz. 44
Das Berufungsurteil kann deshalb keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Aufhebung nur wegen Rechtsverletzung bei der Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat selbst zu entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Beklagte ist antragsgemäß zu verurteilen.
Fundstellen
Haufe-Index 3793045 |
DB 2013, 1224 |
DB 2013, 6 |
DStR 2013, 12 |
EBE/BGH 2013 |
EWiR 2013, 491 |
WM 2013, 1044 |
WuB 2013, 669 |
ZIP 2013, 1127 |
DZWir 2013, 538 |
JZ 2013, 417 |
MDR 2013, 1002 |
NZI 2013, 583 |
NZI 2013, 7 |
VersR 2013, 1008 |
ZInsO 2013, 1077 |
NJW-Spezial 2013, 565 |