Gesetzestext
(1) Eine Rechtshandlung gilt als in dem Zeitpunkt vorgenommen, in dem ihre rechtlichen Wirkungen eintreten.
(2) 1Ist für das Wirksamwerden eines Rechtsgeschäfts eine Eintragung im Grundbuch, im Schiffsregister, im Schiffsbauregister oder im Register für Pfandrechte an Luftfahrzeugen erforderlich, so gilt das Rechtsgeschäft als vorgenommen, sobald die übrigen Voraussetzungen für das Wirksamwerden erfüllt sind, die Willenserklärung des Schuldners für ihn bindend geworden ist und der andere Teil den Antrag auf Eintragung der Rechtsänderung gestellt hat. 2Ist der Antrag auf Eintragung einer Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs auf die Rechtsänderung gestellt worden, so gilt Satz 1 mit der Maßgabe, dass dieser Antrag an die Stelle des Antrags auf Eintragung der Rechtsänderung tritt.
(3) Bei einer bedingten oder befristeten Rechtshandlung bleibt der Eintritt der Bedingung oder des Termins außer Betracht.
1. Allgemeines
1.1 Entstehungsgeschichte
Rn 1
§ 140 besteht seit Inkrafttreten der InsO (Art. 110 Abs. 1 EGInsO) unverändert. Eine vergleichbare Vorschrift in der KO existierte nicht. Lediglich § 10 Abs. 3 GesO enthielt eine dem Abs. 2 Satz 1 vergleichbare Regelung, verzichtete jedoch die Bestimmung auf Eintragungen im Schiffsregister, im Schiffsbauregister oder im Register für Pfandrechte an Luftfahrzeugen auszudehnen. Die bereits zu § 10 Abs. 3 GesO ergangene Rechtsprechung kann zur Auslegung des § 140 Abs. 2 herangezogen werden.
1.2 Normzweck
Rn 2
Im Dienste der Rechtssicherheit legt § 140 fest, wann eine Rechtshandlung i.S. der Anfechtungsvorschriften als vorgenommen gilt. Dieses Ziel wird einerseits durch die gesetzliche Klarstellung des Zeitpunktes erreicht, in dem die Rechtshandlung als vorgenommen gilt. Andererseits verknüpft die Norm diesen Zeitpunkt mit anderen Regelungen der InsO (insbesondere § 91 Abs. 2, § 147). Den drei Absätzen des § 140 ist der Grundgedanke immanent, dass derjenige Zeitpunkt maßgebend ist, in dem der Anfechtungsgegner durch die Rechtshandlung eine Rechtsstellung erreicht, die im Falle der Insolvenzeröffnung Beachtung findet (gesicherte Rechtsposition) und demnach nur noch durch das Anfechtungsrecht beseitigt werden kann. Eine gesicherte Rechtsposition hat der Anfechtungsgegner erlangt, wenn sie ihm nicht mehr entzogen werden kann und ihr Eintritt nicht vor freien Entscheidungen des Schuldners oder eines Dritten abhängt. Anders ausgedrückt entfaltet eine Rechtshandlung ihre Wirkung, sobald sie die Gläubigerbenachteiligung bewirkt hat.
1.3 Tragweite der Norm
Rn 3
§ 140 fingiert den im Rahmen der Insolvenzanfechtungstatbestände maßgeblichen Zeitpunkt der Vornahme einer Rechtshandlung (§ 129 Rn. 4 ff.) und legt damit einheitlich für den Bereich der Insolvenzanfechtung fest, ab wann Handlungen des Schuldners bzw. Anfechtungsgegners anfechtungsrechtliche Relevanz beigemessen wird.
Rn 4
In § 140 Abs. 1 ist der Grundsatz formuliert, wonach eine Rechtshandlung in dem Zeitpunkt als vorgenommen gilt, in dem die Rechtswirkungen der Handlung eintreten. Die Absätze 2 (in Anlehnung an § 10 Abs. 3 GesO) und 3 enthalten demgegenüber Ausnahmen für bestimmte Fallgruppen. In diesen Absätzen wird der Zeitpunkt gegenüber Abs. 1 vorverlagert.
1.4 Anwendungsbereich
Rn 5
§ 140 gilt für Rechtshandlungen i.S. des § 129 einschließlich der Rechtsgeschäfte nach § 132, der Verträge nach § 133 Abs. 2 und der Leistungen i.S. des § 134. Die Festlegung des Vornahmezeitpunktes hat besondere Bedeutung für die Anfechtungstatbestände. Zum einen lässt sich eine Abgrenzung dahin gehend erreichen, ob die Rechtshandlung vor oder nach dem Eröffnungsantrag (§ 130 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2; § 132 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2) bzw. vor oder nach der Verfahrenseröffnung vorgenommen wurde (§§ 129 ff.,