Rn 56
Grundsätzlich besteht auch hinsichtlich der mit Absonderungsrechten behafteten Gegenstände die Berechtigung des Verwalters zur umfassenden Verwertung nach § 166 Abs. 1 erst nach dem Berichtstermin. § 166 findet damit also jedenfalls im Grundsatz erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens Anwendung.
Dies ist jedenfalls in den Fällen sachgerecht, in denen ein laufender Geschäftsbetrieb des Schuldners tatsächlich noch existiert und Gegenstände des Anlagevermögens verwertet werden sollen, deren Entziehung zum Stillstand des Betriebs führen würde, so dass der Verwalter durch die Verwertung faktisch bereits eine Entscheidung über die Frage träfe, ob der Betrieb fortgeführt oder liquidiert wird. Diese Entscheidung soll nach dem in § 157 formulierten Willen des Gesetzgebers ausdrücklich und ausschließlich die Gesamtheit der Gläubiger im Berichtstermin treffen.
Rn 57
In allen übrigen Fällen ist seit langem umstritten, inwieweit der vorläufige Verwalter zur Verwertung von Absonderungsgut berechtigt ist. Für die Einziehung von Forderungen wird dies von einem großen Teil der Literatur seit langem gefordert. Der Gesetzgeber hat diese Forderung mit § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 aufgegriffen.
In der Rechtsprechung wurde zum Teil vertreten, dass die Verwertungsbefugnis aus § 166 bereits dem "starken" vorläufigen Insolvenzverwalter i.S.d. § 22 zustehen müsse. Die Erstreckung der Verwertungsbefugnis auf den vorläufigen Insolvenzverwalter wird damit begründet, dass aufgrund des Übergangs der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis die rechtliche Stellung des "starken" vorläufigen Insolvenzverwalters derjenigen des Insolvenzverwalters weitgehend angenähert ist. Für den schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter soll dies hingegen nicht gelten.
Insbesondere wird bei laufenden Geschäftsbetrieben eine Verwertungsbefugnis zu Recht auch in Bezug auf bewegliche Gegenstände dann angenommen, wenn sich eine solche aus der Betriebsfortführungspflicht ergibt. Dies soll aber nur für das dem Betrieb zugehörige Umlaufvermögen und nur für die Fälle gelten, in denen der Betrieb dann auch tatsächlich fortgeführt wird.
Jedenfalls ist eine Verwertung des Absonderungsgutes durch den Insolvenzverwalter zulässig, wenn der absonderungsberechtigte Gläubiger der Verwertung zustimmt und wenn es sich um Gegenstände des Umlaufvermögens handelt, die nicht zur Betriebsfortführung in der Masse verbleiben müssen. Eine solche Befugniszuweisung erscheint auch in Bezug auf das Anlagevermögen dann sinnvoll, wenn das schuldnerische Unternehmen bereits stillgelegt wurde und der Masse bei späterer Verwertung weitere Kosten, wie etwa Sicherungs- oder Einlagerungskosten, entstehen würden.
Rn 58
Der BGH lehnt gleichwohl eine Verwertungsbefugnis des "starken" vorläufigen Insolvenzverwalters grundsätzlich ab. In neueren Entscheidungen hat er ausdrücklich betont, dass sich sowohl aus dem Wortlaut der §§ 165 ff. als auch aus der systematischen Stellung im dritten Abschnitt des vierten Teils ergebe, dass sich die Verwertungsbefugnis nur auf den Insolvenzverwalter im eröffneten Verfahren bezieht. Auch die amtliche Begründung nenne ausdrücklich nur den Notverkauf verderblicher Waren als Aufgabe des erst vorläufigen Insolvenzverwalters.
In der amtlichen Begründung heißt es allerdings, dass der vorläufige Verwalter die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das schuldnerische Vermögen soweit ausüben darf, wie es der Zweck der Vermögenssicherung bis zur Entscheidung über die Eröffnung des Verfahrens erfordert. Der Notverkauf verderblicher Waren wird dabei nur als ein Beispiel genannt. Die Begründung zielt ersichtlich darauf ab, dem Verwalter in den Fällen der Gefahr im Verzug ein entsprechendes Verwertungsrecht zuzubilligen. Bei näherer Betrachtung ergibt sich in den Fällen, in denen ein laufender Geschäftsbetrieb nicht existiert, aber kein Grund, die Verwertung verderblicher Waren des Umlaufvermögens anders zu behandeln als die einer Maschine des Anlagevermögens, bei der das längere Zuwarten mit dem Verkauf zu einem Wertverlust oder aber zu einer erheblichen Massebelastung führen würde. Eine Eingrenzung allein auf den Fall verderblicher Waren erscheint daher zu eng. Vor dem Ziel der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung gilt es vielmehr, jegliche wirtschaftliche Gefahr zu verhindern.
Rn 59
Umgekehrt kann der vorläufige Insolvenzverwalter sogar zur Zustimmung zu einem Verkauf verpflichtet sein. So hat der BGH entschieden, dass den vorläufigen mitbestimmenden Insolvenzverwalter die Verpflichtung trifft, gegenüber dem Absonderungsberechtigten einer Art des Verkaufs zuzustimmen, wenn bei einer freihändigen Veräußerung mit einem kaufmännischen Zurückbehaltungsrecht belasteter Ware ein höherer Erlös als bei einer Versteigerung zu erwarten ist. Wäre im Falle der Erteilung einer Zustimmung des nur mitbestimmenden vorläufigen Insolvenzverwalters und der Belehrung über das notwendige Einverständnis auch des Schuldners ein freihändiger Verk...