Rn 16
Es obliegt grundsätzlich der Gläubigerversammlung, im eröffneten Verfahren zu entscheiden, ob ein Unternehmen ganz oder in Teilen fortgeführt oder liquidiert wird. Daher verbieten sich Verwertungsmaßnahmen des vorläufigen Verwalters regelmäßig. Eine Ausnahme kann nur gelten, wenn diese Verwertungsmaßnahmen, die im Extremfall auch in einer vollständigen Betriebsveräußerung bestehen können, für die Sicherung des Schuldnervermögens unabdingbar sind. Die Grenze kann abstrakt nur ungenau bestimmt werden: Zulässig sind Maßnahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung, die ein ordentlicher Geschäftsleiter vornehmen würde, um das Schuldnerunternehmen nach Möglichkeit in seinem Bestand fortzuführen, unzulässig hingegen eine veräußernde Verfügung, die mehr Massebestandteile abgibt, als für den Erhalt des Schuldnervermögens nötig.
Rn 17
Der vorläufige Insolvenzverwalter darf also bei einem eingestellten Geschäftsbetrieb des Schuldners eine fällige Forderung nicht zur bloßen Masseanreicherung einziehen, sondern nur, um einer drohenden Verjährung oder Uneinbringlichkeit vorzubeugen. Handelt es sich um Forderungen, die im Rahmen der Fortführung des Geschäftsbetriebes begründet wurden, liegt bereits keine Verwertung im funktionalen Sinn vor, wenn die aus dem Unternehmen erwirtschafteten Forderungen zügig eingezogen werden, um das Unternehmen unter Einsatz des Erlöses fortzuführen. Zur Einziehung von zur Sicherung eines Anspruchs abgetretener Forderungen kann auf die Kommentierung bei § 21 Rdn. 93 ff. verwiesen werden.
Rn 18
Kann das Schuldnervermögen in seinem Bestand nur durch einen sofortigen Verkauf des Unternehmens erhalten werden (z. B. wegen der mit einer Fortführung verbundenen hohen Gemein- bzw. Fixkosten), ist dieser ausnahmsweise zulässig. Gleiches gilt, wenn eine auch nur annähernd vergleichbar lukrative Veräußerungsmöglichkeit später voraussichtlich nicht mehr zur Verfügung steht. Darüber hinaus ist der vorläufige Verwalter selbstverständlich berechtigt, im Rahmen der laufenden Produktion zur gleichzeitigen Erfüllung seiner Pflicht zum Erhalt des Schuldnerunternehmens Vorräte oder Halbfertigprodukte zu verarbeiten bzw. zu verwerten. Auch damit erfüllt der Verwalter seine Sicherungsfunktion, da er dadurch den mit dem werbenden Unternehmen verbundenen Vermögenswert bewahrt. Dazu gehört naturgemäß auch der Verkauf und somit die Verwertung der vom Schuldnerunternehmen produzierten Endprodukte.