Rn 55
Die Sperrfristen sollten entsprechend dem Unwertsgehalt der vom Schuldner begangenen Pflichtverstöße angehoben werden. Deshalb wurde auch die Jahresfrist in Nr. 4 angehoben. Hat der Schuldner in den letzten drei Jahren (§ 290 Abs. 1 Nr. 4 n. F.) ("im letzten Jahr" § 290 Abs. 1 Nr. 4 a. F.) vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach Stellung dieses Antrags die Insolvenzmasse grob fahrlässig oder gar vorsätzlich dadurch geschmälert, dass er Verbindlichkeiten begründet hat, die er unter keinem Gesichtspunkt ordnungsgemäß erfüllen konnte, oder das vorhandene Vermögen verschwendet oder die Stellung eines eigenen Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen unangemessen verzögert, soll ihm die Erlangung einer Restschuldbefreiung versagt werden können, da er sie nicht verdient. Über eine Versagung kann das Gericht aber nur entscheiden, wenn ein Gläubiger diese beantragt (§ 290 Abs. 1 Satz 1).
Rn 56
Die in Nr. 4 genannten drei Tatbestände bzw. schädlichen Verhaltensweisen sind abschließend. Hierunter fallen nach dem Willen des Gesetzgebers missbräuchliche Verhaltensweisen des Schuldners,
- insbesondere Ausgaben für Luxusaufwendungen,
- aber auch die Begründung von Schadensersatzforderungen durch vorsätzliche unerlaubte Handlungen und
- die Verschleppung der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens.
Die Tatbestände dürfen nicht auf ähnliche Verhaltensweise des Schuldners erweitert werden. So erzeugt die Ausschlagung einer Erbschaft keinen Versagungsgrund.
Rn 57
Die Begründung unangemessener Verbindlichkeiten richtet sich nach den persönlichen Umständen zur Zeit der Eingehung und der Vorhersehbarkeit der mangelnden Erfüllbarkeit. Die Begründung von Verbindlichkeiten aus dem unpfändbaren Einkommen ist unschädlich.
Rn 58
Der Vermögensbegriff steht im Einklang mit der Insolvenzmasse (§§ 35-37). Es handelt sich um jede geldeswerte Rechtsposition.
Rn 59
Eine Verschwendung liegt vor, wenn der Schuldner einen unangemessen luxuriösen Lebensstil führt, wenn Werte außerhalb einer sinnvollen und nachvollziehbaren Verhaltensweise und unnötig ohne einen entsprechenden Nutzen verbraucht werden oder Ausgaben im Verhältnis zum Gesamtvermögen und dem Einkommen des Schuldners als grob unangemessen und wirtschaftlich nicht nachvollziehbar erscheinen.
Rn 60
Als Verschwendung können auch Ausgaben von Summen im Rahmen von Glücksspielen, Wetten oder Schenkungen ohne nachvollziehbaren Grund, unentgeltliche Nutzungsüberlassung eines Anwesens an Dritte oder die Belastung eines nicht voll mit Sicherheiten belasteten Grundstücks mit weiteren Fremdgrundschulden, die keine Forderungen von Gläubigern sicherstellen, angesehen werden. Eine nach § 134 anfechtbare Schenkung stellt für sich genommen nicht ohne Weiteres den Versagungsgrund dar. Ein Versagungsgrund gemäß § 290 Abs. 1 Nr. 4 kann schließlich gegeben sein, wenn der Schuldner ohne zwingenden wirtschaftlichen Grund Waren erheblich unter dem Einkaufs-, Gestehungs- oder Marktpreis veräußert oder Leistungen weit unter Wert erbringt.
Rn 61
Nur auf diese Unwertmerkmale stellt Nr. 4 ab, nicht aber auf eine allgemeine "Kapitalerhaltungspflicht". Ohne Hinzutreten besonderer Unwertmerkmale liegt eine Verschwendung nicht vor, wenn der Schuldner nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit einzelne Gläubiger befriedigt. § 290 Abs. 1 Nr. 4 enthält – anders als die Massesicherungspflicht mit Ersatzanspruch gegen Geschäftsführer und Vorstände von Kapitalgesellschaften (§ 64 Satz 1 GmbHG, § 92 Abs. 2 Satz 1 AktG, § 99 Satz 1 GenG) – keine Obliegenheit des Schuldners, sein Vermögen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit bis zur Verfahrenseröffnung zum Zwecke der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung wertmäßig in seinem Bestand zu erhalten. Der BGH hat auch keine Verschwendung darin gesehen, dass der Schuldner als Pächter einer Gaststätte dem Erwerber das Mobiliar in der Erwartung schenkt, dass der Verpächter diesem die Gaststätte nur verpachten wird, wenn er die in Höhe des Verkehrswerts des Mobiliars offen stehenden Ansprüche auf Zahlung der Pacht begleicht.
Rn 62
Auch die Fortsetzung eines der Situation des Schuldners unangemessenen Lebensstils kann als Vermögensverschwendung angesehen werden.
Rn 63
Für den Fall einer durch den Schuldner hinausgezögerten Eröffnungsantragstellung und zum Nachteil seiner Gläubiger verschleppten Insolvenzeröffnung soll nach der Vorstellung des Gesetzgebers besonders durch die drohende Versagung der Restschuldbefreiung darauf hingewirkt werden, dass der Schuldner auch als natürliche Person ein unvermeidliches Insolvenzverfahren über sein Vermögen rechtzeitig beantragt, ohne dass dadurch eine strafbewehrte Antragspflicht entsprechend der Verpflichtung für Organe juristischer Personen zur Eröffnungsantragstellung statuiert wird. Es besteht aber keine Verpflichtung des Schuldners einen Eröffnungsantrag zu stellen. Keine Verschleppung gem. Nr. 4 ist di...