Rn 1
§ 335 ist die Grundnorm des deutschen Internationalen Insolvenzrechts und enthält eine ähnliche Regelung wie Art. 7 EuInsVO (Art. 4 EuInsVO a. F.). Es ist grundsätzlich das Insolvenzrecht des Staates der Verfahrenseröffnung (lex fori concursus) für das Insolvenzverfahren und seine Auswirkungen anzuwenden. Die Regelanknüpfung erfasst hierbei die verfahrensrechtlichen wie auch die materiell-rechtlichen Vorschriften. In Art. 7 EuInsVO wird jedoch zusätzlich anhand einiger Beispiele erläutert, für welche Regelungsbereiche die lex fori concursus maßgebend ist. Der Katalog des Art. 7 EuInsVO kann als Interpretationshilfe für die Auslegung des § 335 herangezogen werden.
Rn 2
§ 335 ist als allseitige Kollisionsnorm ausgestaltet. Sie bestimmt zum einen, dass bei der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens im Inland deutsches Recht im Verhältnis zum Ausland zur Anwendung kommt, aber auch, dass bei der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens im Ausland das ausländische Insolvenzrecht in Deutschland anerkannt wird.
Rn 3
§ 335 ist sowohl bei Haupt- als auch bei Territorialinsolvenzverfahren anwendbar.
Rn 4
Die automatische Anerkennung des ausländischen Insolvenzverfahrens (§ 343) bedeutet eine "Wirkungserstreckung" der ausländischen Entscheidungen im Inland. Das heißt z. B., dass das Vermögen des Schuldners in Deutschland Bestandteil der ausländischen Insolvenzmasse ist oder dass der ausländische Verwalter befugt ist, das Vermögen des Schuldners zu verwalten und zu verwerten. Seine Befugnisse richten sich nach der lex fori concursus (§ 335). In diesem Zusammenhang ist ein möglicher Verstoß gegen den deutschen ordre public vorstellbar, der einer Anwendung des ausländischen Rechts nach der allgemeinen Kollisionsregel des Art. 6 EGBGB – trotz grundsätzlicher Anerkennung – entgegensteht. Dies ist dann der Fall, wenn eine Rechtsnorm eines anderen Staates, in ihrer Anwendung zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist. Hierfür bedarf es einer eingehenden Analyse des ausländischen Rechts. Dazu und zur Feststellung eines möglichen Verstoßes ist das Recht und die Gerichte des Anerkennungsstaates berufen.
Rn 5
In § 335 wurde – wie in der EuInsVO – der Grundsatz der eingeschränkten Universalität umgesetzt. Sowohl hinsichtlich des Insolvenzverfahrensrechts als auch hinsichtlich der materiell-rechtlichen Wirkungen des Insolvenzverfahrens gilt die lex fori concursus. Das Recht des Verfahrensstaates gilt jedoch nur, "soweit nichts anderes bestimmt ist". Zur Wahrung des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit im Geschäftsverkehr wurden Ausnahmen von der Anwendbarkeit der lex fori concursus in den §§ 336 ff. normiert. Eingeschränkt wird der Grundsatz der Universalität auch dadurch, dass neben einem universalen Hauptinsolvenzverfahren über das weltweite Vermögen des Schuldners Territorialinsolvenzverfahren in einzelnen Staaten zulässig sind, die nur das in diesem Staat befindliche Vermögen erfassen und in Form der Sekundärinsolvenzverfahren die Wirkungen des Hauptinsolvenzverfahrens weitgehend blockieren. Für dieses Verfahren und die Rechtswirkungen der Eröffnung des Partikular- oder Sekundärinsolvenzverfahrens ist das Recht des Eröffnungsstaates maßgeblich (lex fori concursus secundariae). Bei inländischen Territorialinsolvenzverfahren ist dies das deutsche Recht.
Rn 6
Zudem setzt § 335 zugleich Art. 9 der Richtlinie 2001/17/EG über die Sanierung und Liquidation von Versicherungsunternehmen sowie Art. 10 der Richtlinie 2001/24/EG über die Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten in das deutsche Recht um.