Rn 38
Nach § 108 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 bestehen Miet- oder Pachtverhältnisse über unbewegliche Sachen oder Räume nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit Wirkung für die Insolvenzmasse fort und begründen daher Masseverbindlichkeiten. Der Insolvenzverwalter kann die Erfüllung nicht ablehnen nach § 103 und damit das Entstehen von Masseverbindlichkeiten nicht verhindern. Der Insolvenzverwalter hat bei Anmietung oder Anpachtung ein Sonderkündigungsrecht nach § 109 Abs. 1 Halbs. 1.
Rn 39
Die Hauptpflichten eines Miet- oder Pachtvertrages sind leicht auf den Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens abzugrenzen. Die vereinbarte Miete (bei Insolvenz des Mieters) bzw. die Verpflichtung zur Gebrauchsüberlassung (bei Insolvenz des Vermieters) sind für die Zeiträume ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens Masseverbindlichkeiten.
Rn 40
Der Anspruch auf Rückgabe der Miet- oder Pachtsache ist ein Aussonderungsanspruch und keine Masseverbindlichkeit. Ein Herausgabeanspruch besteht nicht, wenn der Insolvenzverwalter die Wohnung nicht in Besitz genommen hat oder sonst daran kein Recht für die Masse beansprucht. Bei sonstigen Forderungen aus dem Miet- oder Pachtverhältnis wird nach dem Zeitpunkt der jeweiligen Begründung differenziert. Die Verpflichtung zur Räumung oder zum Rückbau von Einbauten wird zwar erst mit Rückgabe des Miet- oder Pachtobjektes fällig; der Anspruch wurde jedoch bereits zum Zeitpunkt des Einbaus bzw. der Verbringung der Gegenstände in das Miet- oder Pachtobjekt begründet. Daher handelt es sich bei Räumungs- und Rückbauverpflichtungen in der Regel um Insolvenzforderungen. Nur wenn Gegenstände erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens in das Miet- oder Pachtobjekt verbracht wurden, handelt es sich bei der entsprechenden Räumungsverpflichtung um eine Masseverbindlichkeit.
Rn 41
Bei Insolvenz des Vermieters schuldet der Vermieter laufend die Erhaltung der Mietsache in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand (§ 535 Abs. 1 Satz 2 BGB). Diese Verpflichtung trifft den Insolvenzverwalter nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeit unabhängig von dem Zeitpunkt des Eintritts des Mangels. Die Beseitigung eines Reparaturstaus kann allerdings schnell zu unverhältnismäßig hohem Aufwand führen, dem keine adäquaten Vorteile der Insolvenzmasse gegenüberstehen. Forderungen des Insolvenzschuldners als Vermieter können nicht mit Insolvenzforderungen des Mieters aufgerechnet werden.
Rn 42
Bei laufend entstehenden Verpflichtungen des Mieters wie der Pflicht zur Durchführung von Schönheitsreparaturen nach dem Grad der Abnutzung ist entscheidend, ob die zugrundeliegende Abnutzung auf die Zeit vor oder nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entfällt. Ist nach Eröffnung des Verfahrens keine wesentliche Verschlechterung eingetreten und haben sich die Räumlichkeiten bereits zum Zeitpunkt der Eröffnung in einem renovierungsbedürftigen Zustand befunden, ändert die bloß kurzzeitig fortdauernde anschließende Abnutzung nichts an der Tatsache, dass der Grund des Anspruchs bereits vor Eröffnung gelegt war und somit nur eine Insolvenzforderung besteht. Setzt der Verwalter hingegen die Nutzung über einen längeren Zeitraum fort, besteht hinsichtlich der Abnutzungen nach Eröffnung zeitanteilig eine Masseverbindlichkeit.