Rn 70
Die Schnittstelle zwischen Insolvenz- und Steuerrecht wirft an zahlreichen Stellen erhebliche praktische Schwierigkeiten auf. Insbesondere die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes ist dogmatisch mit Abs. 4 nur schwer zu vereinbaren.[154] Innerhalb der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist erheblich umstritten, nach welchen Kriterien Verbindlichkeiten aus dem Steuerverhältnis als Insolvenzforderungen oder als Masseverbindlichkeiten einzustufen sind. Aus insolvenzrechtlicher Perspektive kommt es darauf an, wann der der Steuerforderung zugrundeliegende zivilrechtliche Sachverhalt verwirklicht wurde, der zur Entstehung des Anspruches aus dem Steuerschuldverhältnis führt.[155] Dieser zutreffenden Ansicht folgen der BGH und der I. Senat des BFH.[156] Für die Umsatzsteuer bedeutet das, dass steuerbare Leistungen des Insolvenzschuldners im Eröffnungszeitraum nicht zu Masseverbindlichkeiten führen.[157]
Rn 71
Der V. und nach lange abweichender Rechtsprechung mittlerweile auch der VII. Senat des BFH[158] legen die Begründetheit einer Steuerverbindlichkeit im Sinne des § 38 aus in der Form, dass es darauf ankomme, wann der Steuertatbestand nach steuerlichen Grundsätzen verwirklicht und damit abgeschlossen sei; auf die steuerliche Entstehung und die Fälligkeit komme es nicht an.[159] Als Konsequenz dieser sehr komplizierten und praktisch überaus aufwändigen Rechtsprechung sind Verbindlichkeiten aus Umsatzsteuer für Leistungen aus dem Zeitraum der vorläufigen Insolvenzverwaltung Masseverbindlichkeiten.
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