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Auch wenn dies im Gesetzestext nicht ausdrücklich erwähnt ist, erfordert auch die Ersatzpflicht des Verwalters nach § 61 ein Verschulden als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal. Maßstab ist hier § 276 BGB, d.h. der Verwalter hat auch einfache Fahrlässigkeit zu vertreten.
Prozessual wird allerdings mit der Regelung in § 61 Satz 2 eine Beweislastumkehr zu Lasten des Verwalters herbeigeführt, d.h. der geschädigte Massegläubiger muss lediglich die zuvor unter 2.1 bis 2.3 abgehandelten Voraussetzungen sowie den ihm entstandenen Schaden darlegen. Ein Verschulden des Verwalters hinsichtlich der Nichterfüllung der Masseverbindlichkeit wird dann zugunsten des Massegläubigers vermutet. Dies erscheint zunächst unter dem Gesichtspunkt gerechtfertigt, dass nur der Verwalter Einblick in die Verfahrenseinzelheiten besitzt, um darlegen zu können, dass die Masseunzulänglichkeit im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht absehbar war. Der Verwalter ist daher eher in der Lage, sich durch den Vortrag entsprechender Einzelheiten zu entlasten, als der Gläubiger die Möglichkeit hat, einzelne verschuldensbegründende Umstände zu ermitteln und vorzutragen. Allerdings ist mit dieser Beweislastverteilungsregel eine faktische Haftungsverschärfung für den Verwalter verbunden. Er muss den vollen Nachweis erbringen, dass er bei Begründung der Verbindlichkeit die später eingetretene Masseunzulänglichkeit trotz Anwendung der im einzelnen Verfahren gebotenen Sorgfalt nicht vorhersehen bzw. erkennen konnte. Der Verwalter hat also zwei Möglichkeiten sich zu entlasten. Er muss entweder beweisen, dass objektiv von einer zur Erfüllung der streitigen Verbindlichkeit voraussichtlich ausreichend Masse auszugehen war oder für ihn nicht erkennbar war, dass dies von Anfang an nicht zutraf. Erforderlich ist daher eine ex-ante-Betrachtung aus der Sicht eines gewissenhaften und pflichtgemäß handelnden Insolvenzverwalters unter Berücksichtigung der Erkenntnismöglichkeiten, die dem Verwalter im konkreten Verfahrensstadium in zumutbarer Weise zur Verfügung standen. Damit wird der Sorgfaltsmaßstab auch für die spezielle Haftungsnorm des § 61 an die allgemeinen Haftungsgrundsätze aus § 60 angepasst, so dass auf die dortigen Ausführungen verwiesen werden darf. Es ist also auch hier auf die besondere insolvenzspezifische Situation des Verwalters und damit vor allem des vorläufigen Insolvenzverwalters sowie die daraus resultierenden besonderen Schwierigkeiten bei der Beurteilung abzustellen, wie sie in der Kommentierung zu § 60 bereits dargestellt wurden. Es ist also zu prüfen, ob sich ein sorgfältiger Verwalter in der Verfahrenssituation zum Zeitpunkt der Begründung der Verbindlichkeit die notwendigen Kenntnisse z.B. durch entsprechende Auswertung der Buchhaltung, vorsichtigere Bewertung der Vermögensgegenstände oder eine detaillierte Finanzplanung hätte verschaffen können, um zu erkennen, dass die insgesamt im Verfahren erzielbare Masse voraussichtlich nicht für die Erfüllung der entstehenden Masseverbindlichkeiten ausreichen werde. Erforderlich ist dabei kein sicheres Wissen, sondern nach dem Begriff "voraussichtlich" ähnlich wie in der Regelung über die drohende Zahlungsunfähigkeit in § 18 Abs. 2 lediglich die Erkennbarkeit einer Wahrscheinlichkeit des Eintritts der Masseunzulänglichkeit, um ein Verschulden des Verwalters zu bejahen. Eine Exkulpation des Verwalters scheitert also, wenn nach der vorzunehmenden Betrachtung unter den zuvor dargelegten Umständen aus der damaligen Sicht eines sorgfältigen Verwalters der Eintritt der Masseunzulänglichkeit wahrscheinlicher war als ihr Nichteintritt.
Der Verwalter hat also permanent eine Prognose über die voraussichtliche Masseentwicklung im weiteren Verfahrensverlauf anzustellen und sich dabei insbesondere bei Betriebsfortführungen der anerkannten Planungs- und Überwachungsinstrumentarien zu bedienen. Dazu gehört vor allem eine eigenverantwortliche Prüfung und Auswertung der vorgefundenen Finanzbuchhaltung des Schuldners und eine laufend aktualisierte eigene Liquiditätsplanung des Verwalters. Nur so wird der Verwalter seiner Verantwortlichkeit gerecht und kann eine sich abzeichnende Masseunzulänglichkeit rechtzeitig erkennen. Der Insolvenzverwalter darf sich also insbesondere nicht auf die vom Schuldner erstellten Finanzplanungen oder Liquiditätsbetrachtungen verlassen. Die Verantwortlichkeit des Verwalters nach dieser Vorschrift entsteht auch, wenn er die Begleichung einer Masseverbindlichkeit pflichtwidrig bis zum Eintritt der Masseunzulänglichkeit hinauszögert, auch wenn er bei Eingehung der Verbindlichkeiten noch davon ausgehen durfte, diese zum Zeitpunkt der Fälligkeit erfüllen zu können, d.h. die pflichtwidrige Verwendung von Massemitteln wird einer Erkennbarkeit der späteren Masseunzulänglichkeit gleichgestellt.
Daneben ist es für den Verwalter notwendig, aber auch hinreichend, dass er alle verfügbaren Vermögensgegenstände oder Einnahmemöglichkeiten nachvollziehbar und...