Dr. Jürgen Blersch, Prof. Dr. Eberhard von Olshausen
Rn 1
Mit der Vorschrift werden die Aufrechnungsmöglichkeiten für Insolvenzgläubiger gegenüber § 94 im Hinblick auf schutzwürdige Vertrauenstatbestände erweitert. Steht dem Gläubiger bei Verfahrenseröffnung bereits eine noch aufschiebend bedingte, nicht fällige oder noch nicht gleichartige Gegenforderung zu, durfte er zuvor darauf vertrauen, dass die Durchsetzung seiner Forderung mit Rücksicht auf die Aufrechnungslage möglich sein werde und er sich seinerseits durch Aufrechnung von der Verbindlichkeit befreien könne. Ein solches schutzwürdiges Vertrauen soll auch durch die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nicht enttäuscht werden. Nach den bisher geltenden Regelungen in der KO und VerglO wurde der Gläubiger aber demgegenüber noch weiter bevorzugt. Danach war eine Aufrechnung mit nicht fälligen Gegenforderungen schon vor Eintritt der Fälligkeit möglich; nicht auf Geld gerichtete Forderungen konnten sofort mit Verfahrenseröffnung in Geld umgerechnet und dadurch gegen Geldforderungen des Gemeinschuldners aufgerechnet werden. Auch aufschiebend bedingte Forderungen berechtigten bis zum Bedingungseintritt in aufrechenbarer Höhe zur Sicherstellung. Darin wurde zu Recht eine systemwidrige Vorzugsstellung gesehen, die vor allem dadurch entstanden war, dass die eigentlich nur zur vereinfachten Forderungsanmeldung vorgesehenen Vorschriften der §§ 65, 69, 70 KO, heute §§ 41, 45 und 46 InsO, auch im Bereich der Aufrechnung kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung angewandt werden durften. Dadurch sind unerträgliche Wertungswidersprüche entstanden, da der Gläubiger einer Naturalleistung gegen eine Geldforderung der Masse aufrechnen konnte, andererseits der Gläubiger einer Geldforderung gegenüber einem Individualanspruch der Masse weder ein Zurückbehaltungsrecht geltend machen noch aufrechnen konnte. Erfreulicherweise sind daher für den Bereich der Aufrechnung nunmehr die Vereinfachungsvorschriften für das Forderungsfeststellungsverfahren nicht mehr anwendbar. Dies geht ausdrücklich aus § 95 Abs. 1 Satz 2 hervor.
Nach seiner Grundkonzeption sieht § 95 nunmehr vor, dass Gläubiger der in Abs. 1 genannten Forderungen zunächst im Insolvenzverfahren bis zum Eintritt des jeweiligen Ereignisses nicht aufrechnen können. Darüber hinaus erfolgte eine insolvenzrechtliche Anpassung an den allgemeinen Vertrauensschutztatbestand des § 392 BGB, der die Voraussetzungen regelt, unter denen die Aufrechnung gegen eine beschlagnahmte Forderung möglich ist (vgl. § 95 Abs. 1 Satz 3).
Rn 2
Des Weiteren wurde im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens § 95 um einen Abs. 2 ergänzt, um über die allgemeinen zivilrechtlichen Voraussetzungen hinaus auch die Aufrechnung wirtschaftlich gleichartiger Forderungen zu ermöglichen, die auf unterschiedliche Währungen gerichtet sind.