Leitsatz (amtlich)
War der Beteiligte im Berufungsverfahren rechtskundig vertreten, kann er im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde dann nicht rügen, das LSG habe einen Beweisantrag übergangen (§ 160 Abs 2 Nr 3, letzte Alternative SGG), wenn der Beweisantrag weder im Berufungsurteil erwähnt ist noch im letzten Termin zur mündlichen Verhandlung – und sei es hilfsweise – gestellt, wiederholt oder in Bezug genommen wurde (Fortführung von BSG SozR 1500 § 160 Nr 12; Anschluß an ständige, bisher nicht in SozR veröffentlichte Rechtsprechung des BSG).
Stand: 21. März 2000
Stand:23. März 2000
Beteiligte
Bergbau-Berufsgenossenschaft |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 10. Juni 1999 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten für das Beschwerdeverfahren sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Der Kläger begehrt von der beklagten Berufsgenossenschaft – teilweise im Rahmen eines Verfahrens nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – die Zahlung einer Verletztenrente über den 25. Mai 1992 hinaus. Für die Zeit vom 27. Dezember 1997 bis zum 26. Juni 1998 steht ihm insoweit aufgrund des Berufungsurteils eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 vH zu. Die Klage gegen den (negativen Zugunsten-)Bescheid der Beklagten vom 23. September 1993 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Januar 1994 hatte hinsichtlich der noch streitigen Zeiten keinen Erfolg (Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen ≪SG≫ vom 19. Februar 1997; Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen ≪LSG≫ vom 10. Juni 1999), da insoweit keine MdE in rentenberechtigendem Grade vorliege; es fehle an einer Stützrentensituation und die MdE sei mit 10 vH zutreffend bewertet.
Der Beschwerdeführer macht als Verfahrensfehler geltend, das LSG sei den von ihm im Schriftsatz vom 1. Juni 1999 gestellten Anträgen ohne hinreichenden Grund nicht gefolgt. Er habe beantragt, den Sachverständigen Prof. Dr. L. zu bestimmten Fragen zu vernehmen und ein ergänzendes Gutachten einzuholen. Noch in der mündlichen Verhandlung vom 10. Juni 1999 habe er auf Widersprüche und noch aufzuklärende Einzelheiten hingewiesen.
II
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist jedenfalls unbegründet.
Der gerügte Verfahrensmangel des LSG liegt nicht vor. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ist die Revision nur zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 (Anhörung eines bestimmten Arztes) und 128 Abs 1 Satz 1 (freie richterliche Beweiswürdigung) SGG und auf eine Verletzung des § 103 (Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen) SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
Soweit er nicht bereits im Berufungsurteil erwähnt wird, muß ein Beweisantrag in diesem Sinne im letzten Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem LSG gestellt oder zumindest aufrechterhalten worden sein (vgl Senatsbeschluß vom 22. Oktober 1975, SozR 1500 § 160 Nr 12). Diese Voraussetzung ist bei rechtskundig vertretenen Beteiligten nicht erfüllt, wenn im letzten Termin zur mündlichen Verhandlung ausweislich der Sitzungsniederschrift nur noch ein Sachantrag gestellt und der Beweisantrag auch nicht hilfsweise – und sei es durch ausdrückliche Bezugnahme auf einen früher gestellten Antrag – wiederholt wird (wie hier zB BSG vom 27. März 1998 - B 14 KG 26/97 B, vom 23. Juni 1998 - B 9 V 31/98 B, vom 30. Juni 1998 - B 10 AL 8/98 B, vom 3. März 1999 - B 9 VJ 1/98 B, vom 18. Mai 1999 - B 7 AL 262/98 B und vom 11. November 1999 - B 13 RJ 173/99 B; dieser Rechtsprechung zustimmend bereits BVerfG vom 19. Februar 1992, SozR 3-1500 § 160 Nr 6).
Ist letzteres nicht der Fall, muß aus dem durch die Sitzungsniederschrift belegten Schweigen des Bevollmächtigten im Verhandlungstermin geschlossen werden, daß der Beweisantrag nicht mehr aufrechterhalten wird. Nur ausdrücklich gestellten, wiederholten oder in Bezug genommenen Beweisanträgen kommt die insoweit maßgebende Warnfunktion zu: Nur so wird der Tatsacheninstanz vor Augen geführt, daß der Beteiligte die gerichtliche Sachaufklärungspflicht in einem bestimmten Punkt nicht als erfüllt ansieht (vgl BSG vom 24. Mai 1993, SozR 3-1500 § 160 Nr 9 S 20 f).
Auf dieser Grundlage aber lag dem LSG kein Beweisantrag mehr vor. In der mündlichen Verhandlung vor dem LSG haben die Beteiligten – nach Abschluß eines Teil-Vergleichs über die Zahlung der Verletztenrente für die Zeit vom 27. August bis zum 26. Dezember 1997 – lediglich noch Sachanträge gestellt; auf die im Schriftsatz vom 1. Juni 1999 gestellten Anträge auf Vernehmung des Sachverständigen Prof. Dr. L. und Einholung eines weiteren Gutachtens ist der Kläger nicht mehr eingegangen. Folgerichtig hat das LSG in seinem Urteil zwar jenen Schriftsatz („Bl 263 ff Gerichtsakten”) erwähnt, sich jedoch mit den Anträgen nicht auseinandergesetzt.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 543191 |
SozSi 2000, 362 |