Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. unterbliebene notwendige Beiladung. Verfahrensmangel
Orientierungssatz
Ist eine notwendige Beiladung durch das Berufungsgericht unterblieben, stellt dies keinen wesentlichen Verfahrensmangel dar, der im Fall der Revision zur Zurückverweisung der Sache führt, wenn die Klage aus Sicht des Revisionsgerichts in jedem Fall abgewiesen werden muss und die zu treffende Entscheidung den Beigeladenen deshalb nicht benachteiligen kann.
Normenkette
SGG § 75 Abs. 2 Alt. 1, § 160 Abs. 2 Nr. 3
Verfahrensgang
Tenor
Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 26. Oktober 2016 vor dem Bundessozialgericht Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird abgelehnt.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im bezeichneten Urteil wird als unzulässig verworfen.
Der Kläger trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 755,60 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Der im Bezirk der beklagten Kassenzahnärztlichen Vereinigung als Zahnarzt zugelassene Kläger wendet sich gegen die Auszahlung von zahnärztlichem Honorar an die L. Zahntechnik GmbH.
Am 9.1.2008 wurde über das Vermögen des Klägers das Insolvenzverfahren eröffnet. Bezogen auf die zahnärztliche Praxis des Klägers erfolgte eine Freigabe zum 1.7.2010. Am 9.1.2013 erging ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss in der Zwangsvollstreckungssache der L. Zahntechnik GmbH gegen den Kläger, mit dem die Honorarforderungen des Klägers gegen die beklagte KZÄV wegen einer Forderung in Höhe von 25 961,44 Euro gepfändet und dem Gläubiger zur Einziehung überwiesen wurden. Mit Beschluss des Amtsgerichts Dortmund vom 4.6.2014 wurde dem Kläger Restschuldbefreiung erteilt. Die Beklagte erkannte die Pfändung ausdrücklich an und zahlte zahnärztliches Honorar für das Quartal IV/2013 in Höhe von 359,44 Euro an die L. Zahntechnik GmbH.
Der Kläger war mit seinem Begehren, einen Betrag in Höhe von 755,66 Euro an ihn auszuzahlen, im Widerspruchs-, im Klage- und im Berufungsverfahren erfolglos.
Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG wendet sich der Kläger mit der Nichtzulassungsbeschwerde. Gleichzeitig beantragt der Kläger die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) für dieses Verfahren.
II. 1. Der Antrag auf Bewilligung von PKH ist nicht begründet. PKH ist nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 ZPO). An der erforderlichen Erfolgsaussicht fehlt es hier. Es ist nicht zu erkennen, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter (§ 73 Abs 4 SGG) in der Lage wäre, eine Nichtzulassungsbeschwerde erfolgreich zu begründen. Hinreichende Aussicht auf Erfolg böte die Nichtzulassungsbeschwerde nur, wenn einer der drei in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe mit Erfolg geltend gemacht werden könnte; denn nur diese Gründe können zur Zulassung der Revision führen. Die Revision darf nur zugelassen werden, wenn der Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG), das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Von diesen Zulassungsgründen ist keiner ersichtlich.
Zwar spricht viel dafür, dass das LSG die L. Zahntechnik GmbH nach § 75 Abs 2 1. Alt SGG zum Rechtsstreit hätte beiladen müssen. Eine unterbliebene notwendige Beiladung nach dieser Vorschrift ist ein Verfahrensmangel, der die Revision nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG eröffnet und auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachten ist. Der Fehler führt grundsätzlich zur Zurückverweisung, wenn er nicht nach § 168 Satz 2 SGG behoben werden kann. Eine unterbliebene notwendige Beiladung stellt aber keinen wesentlichen Verfahrensmangel dar, der im Fall der Revision zur Zurückverweisung der Sache führt, wenn die Klage aus Sicht des Revisionsgerichts in jedem Fall abgewiesen werden muss und die zu treffende Entscheidung den Beigeladenen deshalb nicht benachteiligen kann (Littmann in Lüdtke/Berchtold, SGG, 5. Aufl 2017, § 75 RdNr 9; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 75 RdNr 13c mwN). So liegt der Fall hier:
Das LSG hat die Berufung des Klägers gegen das klagabweisende Urteil des SG zu Recht und mit zutreffenden Gründen zurückgewiesen. Insbesondere steht die dem Kläger erteilte Restschuldbefreiung der Pfändung nicht entgegen, weil eine Restschuldbefreiung nach § 301 Abs 1 Insolvenzordnung (InsO) nur gegen die Insolvenzgläubiger wirkt. Dies sind die Inhaber von Forderungen, die einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner haben (§ 38 InsO). Die Forderung der L. Zahntechnik GmbH hat noch nicht zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestanden, sondern ist durch die nach der Freigabeerklärung ausgeübte zahnärztliche Tätigkeit begründet worden. Das hat der Kläger auf Befragen in der Verhandlung vor dem SG ausdrücklich eingeräumt. Die auf § 35 Abs 2 Satz 1 InsO gestützte Freigabe des Vermögens aus der selbstständigen Tätigkeit des Klägers als Zahnarzt zum 1.7.2010 hatte zur Folge, dass der Neuerwerb aus der selbstständigen Tätigkeit nicht zur Masse gezogen wird, sondern den Neugläubigern - und damit auch der L. Zahntechnik GmbH - als Haftungsmasse zur Verfügung steht. Dementsprechend ist die L Zahntechnik GmbH nicht Insolvenzgläubigerin.
Fragen von grundsätzlicher Bedeutung stellen sich in diesem Zusammenhang nicht, und das LSG ist auch nicht von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abgewichen. Woraus der Kläger im Klageverfahren eine über den Betrag von 359,44 Euro hinausgehende Forderung in Höhe von 755,66 Euro herleiten wollte, ist nicht ersichtlich. Einen Anspruch auf Übernahme von Verfahrenskosten hat der Kläger aus den im Urteil des LSG zutreffend angegebenen Gründen nicht. Soweit der Kläger das Revisionsverfahren auf weitere Forderungen erstrecken möchte, die nicht Gegenstand des Klageverfahrens waren (insgesamt 3535,08 Euro), steht einer Erfolgsaussicht bereits entgegen, dass Klageänderungen im Revisionsverfahren nicht zulässig sind (§ 168 Satz 1 SGG). Auch für weitere Verfahrensfehler des LSG gibt es keine Anhaltspunkte.
2. Die von dem Kläger privatschriftlich eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen, weil der Kläger insoweit nicht durch einen vor dem BSG zugelassenen Prozessbevollmächtigten (§ 73 Abs 4 SGG) vertreten ist (§ 160a Abs 4 Satz 1 2. Halbsatz iVm § 169 SGG).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach trägt der Kläger die Kosten des von ihm erfolglos geführten Rechtsmittels (§ 154 Abs 2 VwGO).
4. Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 197 Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 3 Satz 1, § 47 Abs 1 und 3 GKG.
Fundstellen
Haufe-Index 10862114 |
ZInsO 2017, 2769 |
InsbürO 2018, 160 |