Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenentscheidung im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren. Anwendbarkeit von GKG und VwGO
Leitsatz (amtlich)
- Die Kostengrundentscheidung ergeht im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde in entsprechender Anwendung des § 193 SGG in der zum Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels geltenden Fassung, wenn der Beschwerdeführer nicht zu den in § 197a Abs 1 S 1 Halbs 1 SGG iVm § 183 SGG genannten Personen gehört, auch wenn die Klage vor dem 2.1.2002 erhoben wurde.
- Gemäß § 197a Abs 1 SGG sind im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde das GKG und die VwGO nicht anwendbar, wenn ein bisher Beigeladener in seiner Eigenschaft als Versicherter dieses Rechtsmittel einlegt, auch wenn im Klage- oder Berufungsverfahren weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen gehörten.
Normenkette
SGG §§ 160a, 183, 184 Abs. 1, § 193 Abs. 4, § 197a Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde des Beigeladenen zu 1) gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 16. Februar 2005 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten in der Hauptsache darüber, ob der beigeladene Beschwerdeführer, der als Architekt für die Klägerin tätig war, in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis stand und daher die Klägerin an die beklagte Krankenkasse Sozialversicherungsbeiträge abzuführen hat.
Mit Bescheid vom 6. März 2001 forderte die Beklagte von der Klägerin die Zahlung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung und zur Arbeitslosenversicherung für den Beschwerdeführer in Höhe von insgesamt 82.397,20 DM für den Zeitraum vom 15. Dezember 1994 bis 31. März 1998. Den Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 11. Mai 2001 zurück. Das Sozialgericht hat die im Jahr 2001 erhobene Klage mit Gerichtsbescheid vom 18. April 2002 abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung der Klägerin unter Abänderung des Gerichtsbescheides vom 18. April 2002 den Bescheid vom 6. März 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Mai 2001 aufgehoben, soweit er die Beitragsforderung für die Zeit vom 15. Dezember 1994 bis November 1996 regelte, und im Übrigen die Berufung zurückgewiesen. Es hat seine Entscheidung darauf gestützt, dass die Beitragsansprüche bis einschließlich November 1996 verjährt seien.
Mit seiner Beschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Nichtzulassung der Revision.
Entscheidungsgründe
II
Die Beschwerde ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫). Der Beschwerdeführer hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
Das Bundessozialgericht (BSG) darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn – die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder – das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder – bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).
Der Beschwerdeführer stützt sich zum einen auf den Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG). Abweichung bzw Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG bedeutet Widerspruch im Rechtssatz, dh das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Urteilen zu Grunde gelegt worden sind. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz der in der Vorschrift genannten Gerichte aufgestellt hat. Die Beschwerdebegründung muss daher erkennen lassen, welcher abstrakte Rechtssatz in den herangezogenen höchstrichterlichen Urteilen enthalten ist und welcher im Urteil des LSG enthaltene tragende Rechtssatz dazu im Widerspruch steht (Beschlüsse des BSG vom 21. April 1978, 1 BJ 12/78, SozR 1500 § 160a Nr 29 S 33 f, und vom 29. November 1989, 7 BAr 130/88, SozR 1500 § 160a Nr 67 S 89 f). Eine Abweichung liegt nicht schon dann vor, wenn das Urteil eines LSG nicht den Kriterien entspricht, die das BSG aufgestellt hat, sondern erst, wenn das LSG diesen Kriterien widersprochen, also andere Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Abweichung (vgl Beschlüsse des BSG vom 29. November 1989, 7 BAr 130/88, SozR 1500 § 160a Nr 67 S 91, und vom 27. Januar 1999, B 4 RA 131/98 B, SozR 3-1500 § 160 Nr 26 S 42 ff).
Der Beschwerdeführer sieht eine Abweichung des Urteils des LSG vom Urteil des Senats vom 26. Januar 2005 (B 12 KR 3/04 R, SozR 4-2400 § 14 Nr 7) darin, dass das Berufungsgericht davon ausgehe, die 30-jährige Verjährungsfrist finde nur bei von Anfang an vorliegender Bösgläubigkeit Anwendung, während das BSG in dem genannten Urteil die Auffassung vertreten habe, Gutgläubigkeit vor Ablauf der kurzen Verjährungsfrist könne in Bösgläubigkeit umschlagen, sodass die 30-jährige Verjährungsfrist gelte. Er legt jedoch damit noch nicht dar, dass das LSG seiner Entscheidung einen tragenden Rechtssatz, der von einem in der Entscheidung des Senats vom 26. Januar 2005 (B 12 KR 3/04 R, SozR 4-2400 § 14 Nr 7) enthaltenen Rechtssatz abweicht, zu Grunde gelegt haben könnte. Dazu hätte nicht nur ausgeführt werden müssen, dass das LSG eine zwischenzeitlich eingetretene Bösgläubigkeit nicht berücksichtigt hat, sondern auch, dass das Gericht diese deshalb nicht als entscheidungserheblich angesehen hat, weil es in Abweichung von der Entscheidung des Senats vom 26. Januar 2005 für die 30-jährige Verjährungsfrist das Vorliegen von Bösgläubigkeit ab Fälligkeit der Beiträge vorausgesetzt hat. Dieser Darlegung hätte es auch deshalb bedurft, weil das LSG unter Hinweis auf die Entscheidung des Senats vom 30. März 2000 (B 12 KR 14/99 R, SozR 3-2400 § 25 Nr 7), auf die auch die Entscheidung des Senats vom 26. Januar 2005, B 12 KR 3/04 R (SozR 4-2400 § 14 Nr 7) verweist, ausgeführt hat, dass mit bedingtem Vorsatz vorenthaltene Beitragsansprüche gemäß § 25 Abs 1 Satz 2 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch in 30 Jahren verjähren, und der Beschwerdeführer selbst darauf hinweist, das LSG sei davon ausgegangen, dass der Klägerin nicht der Vorwurf des bedingten Vorsatzes gemacht werden könne.
Soweit der Beschwerdeführer sich auf den Zulassungsgrund des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG beruft und rügt, das LSG habe seiner Untersuchungspflicht nach § 103 SGG nicht genügt, weil es nicht ermittelt habe, ob die Verjährung gehemmt gewesen sei, wird der Verfahrensfehler nicht hinreichend bezeichnet. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Dass ein solcher Beweisantrag gestellt worden ist, legt der Beschwerdeführer in seiner Begründung nicht dar.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG. Für die Kostenentscheidung der hier im Jahre 2005 eingelegten Beschwerde ist § 193 Abs 4 SGG idF des Art 6 Nr 2 des Gesetzes zur Änderung des Sozialgesetzbuches und anderer Gesetze vom 24. Juli 2003 (BGBl I 1526, § 193 SGG nF) entsprechend anzuwenden, weil für die Anwendung der geänderten Kostenvorschriften grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Einlegung des jeweiligen Rechtsmittels abzustellen ist (vgl Urteil des Senats vom 23. September 2003, B 12 P 2/02 R, SozR 4-2600 § 3 Nr 1, im Anschluss an Urteil des BSG vom 8. Juli 2002, B 3 P 3/02 R, SozR 3-1500 § 164 Nr 13). Die Rechtsprechung, nach der das im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit geltende Recht maßgebend ist, wenn die Kostenentscheidung bei Anwendung der durch das Sechste Gesetz zur Änderung des SGG (6. SGG ÄndG) vom 17. August 2001 (BGBl I 2144) ab 2002 geänderten Kostenvorschriften nach § 197a SGG zu ergehen hätte (vgl BSG, Urteil vom 30. Januar 2002, B 6 KA 12/01 R, SozR 3-2500 § 116 Nr 24 stRspr), ist hier ungeachtet der 2001 eingetretenen Rechtshängigkeit ohne Bedeutung. Eine Kostenentscheidung nach § 197a SGG kann nur ergehen, wenn in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören. Der Beschwerdeführer zählt als Versicherter aber zu diesem Personenkreis. Ohne Bedeutung ist, dass er im Klageverfahren Beigeladener war und weder die klagende Arbeitgeberin noch die Beklagte zu den nach § 183 SGG privilegierten Personen gehörten. Für die Anwendung des § 197a Abs 1 SGG ist auf die Stellung eines Beteiligten im jeweiligen Rechtszug abzustellen (vgl auch die Begründung zu Nr 68 6. SGG ÄndG BT-Drucks 14/5943 S 29) und nicht auf die Stellung im Klageverfahren. Im Beschwerdeverfahren, auf das hier deshalb abzustellen ist, hat der durch § 183 SGG privilegierte Beschwerdeführer aber die einem Kläger vergleichbare Stellung inne.
Nach § 193 Abs 4 SGG nF sind dem Beschwerdeführer, obwohl er das Rechtsmittel ohne Erfolg eingelegt hat, Kosten nicht aufzuerlegen, weil die Aufwendungen der übrigen Beteiligten des Verfahrens nicht erstattungsfähig sind, denn diese gehören zu den in § 184 Abs 1 SGG genannten Gebührenpflichtigen. Die Klägerin ist im Beschwerdeverfahren in ihrer Eigenschaft als Arbeitgeberin, die zur Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen für ihren Arbeitnehmer herangezogen wird, beteiligt und nicht als eine der in § 183 SGG genannten Personen, auf den § 184 SGG verweist.
Fundstellen
Haufe-Index 1508753 |
NZS 2007, 111 |
www.judicialis.de 2006 |