Verfahrensgang
Tenor
Dem Kläger wird wegen der Versäumung der Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 11. Dezember 2019 wird als unzulässig verworfen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 520 727,90 Euro festgesetzt.
Gründe
I
Das LSG Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 11.12.2019 den Anspruch des Klägers auf Zahlung von Vergütung iH von 520 727,90 Euro für in den Jahren 2007 bis 2011 erbrachte Hilfsmittelversorgung (Abgabe von CPAP-Geräten) in ambulanten und stationären Schlaflaboren verneint.
Der Kläger ist ein Leistungserbringer, der Versicherte der beklagten Krankenkasse mit Hilfsmitteln versorgte. Grundlage der Versorgung waren zwischen dem Kläger und der Beklagten geschlossene Rahmenverträge nach §§ 126, 127 SGB V, jeweils aF. Die Beklagte verweigerte die Zahlung der Vergütung für gelieferte CPAP-Geräte, weil der Kläger - wie er selbst einräumt - nicht vertragskonform gehandelt hatte. Zur Begründung hat das LSG im Wesentlichen darauf abgestellt, dass ein Vergütungsanspruch für Leistungen im Zeitraum vom 1.1.2010 bis 31.10.2010 bereits am Fehlen eines Gebrauchsüberlassungsvertrages scheitere. Insgesamt stehe dem Vergütungsanspruch entgegen, dass der Kläger den vertraglich vorgeschriebenen Beschaffungsweg nicht eingehalten habe. Denn er habe in keinem Fall vor Durchführung der CPAP-Versorgung einen Kostenvoranschlag eingereicht, wie es in den vertraglichen Regelungen vorgesehen sei. Nach der Rechtsprechung des BSG stelle dies aber ein zwingendes Element des einzuhaltenden Beschaffungswegs für einen Vergütungsanspruch des Hilfsmittelbringers dar. Aus einer entgegenstehenden rechtswidrigen Verwaltungspraxis der Krankenkasse könne der Kläger keine Ansprüche herleiten. Die Beklagte habe die vom Vertrag abweichende Verfahrensweise weder gebilligt noch auf Vertragsbestimmungen verzichtet. Für den Vergütungsanspruch für Leistungen ab November 2010 komme hinzu, dass der Kläger auch nicht den vertraglichen Vereinbarungen entsprechend vor der Beschaffung die Abfrage im Hilfsmittelpool durchgeführt habe, ob ein geeignetes Hilfsmittel für den Wiedereinsatz zur Verfügung stehe. Schriftliche Zusicherungen oder mündliche Zusagen für ein vertraglich abweichendes Verhalten lägen nicht vor. Soweit es zu Zahlungen gekommen sei, beruhten diese auf Kulanzregelungen. Ansprüche aus Bereicherungsrecht gemäß §§ 812 ff BGB seien nach der Rechtsprechung des BSG ausgeschlossen. Auf den Hilfsantrag des Klägers, zum praktizierten Versorgungsweg den Zeugen L. zu vernehmen, komme es nicht an. Dem tatsächlichen Geschehensablauf sei jedenfalls die Entbehrlichkeit eines vorangegangenen Kostenvoranschlags oder einer Pool-Abfrage nicht zu entnehmen.
Hiergegen hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er beruft sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und auf Verfahrensmängel (§ 160 Abs 2 Nr 1 und Nr 3 SGG).
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde - für die ihm in Bezug auf die Versäumung der Frist für deren Einlegung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist - ist unzulässig, weil der Kläger den geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache und den des Verfahrensmangels nicht hinreichend dargelegt hat (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
1. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufzeigen, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine solche Klärung erwarten lässt (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 und § 160a Nr 7, 11, 13, 31, 39, 59, 65).
Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss ein Beschwerdeführer mithin eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Der Kläger hält für grundsätzlich bedeutsam folgende Frage,
"ob von Rahmenverträgen nach § 127 SGB V durch übereinstimmendes Verhalten der Vertragsparteien - d.h. Leistungserbringer und Krankenkassen - abgewichen werden kann und ob dieses vom schriftlichen Vertrag abweichende Verhalten zu einer für beide Parteien verbindlichen Vertragsmodifikation führt."
Hierzu führt er aus, dass sich diese Frage weder nach dem Wortlaut von § 127 SGB V beantworten lasse noch das BSG diese Frage bislang beantwortet habe. Die Entscheidung des LSG wäre anders ausgefallen, hätte es die übereinstimmend praktizierte einvernehmliche Abweichung vom Vertrag als zulässig erachtet. Da diese Handlungsweise in der Praxis sehr häufig vorkomme, komme dem Rechtsstreit auch die erforderliche Breitenwirkung zu.
Dieser Vortrag genügt nicht den formalen Anforderungen an die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache. Obwohl das LSG sein Urteil auf bereits vorhandene Rechtsprechung des BSG gestützt hat, hat es der Kläger versäumt, sich mit dieser argumentativ auseinanderzusetzen.
Das BSG hat bereits entschieden, dass den Vorschriften zur Notwendigkeit der Einreichung von Kostenvoranschlägen bei Hilfsmitteln nicht nur bloße Ordnungsfunktion zukommt. Vielmehr dient das Kostenvoranschlagsverfahren jeweils mit den weiteren für eine Genehmigung einzureichenden Unterlagen der vollständigen Prüfung eines Sachleistungsanspruches des Versicherten und der Prüfung, ob es sich um eine wirtschaftliche Versorgung (§ 12 SGB V) handelt. Die Einreichung des Kostenvoranschlages ist mithin zwingendes Element des einzuhaltenden Beschaffungswegs zur Erlangung eines Vergütungsanspruches des Hilfsmittelerbringers. Die Missachtung dieses Verfahrens schließt das Entstehen eines Vergütungsanspruches aus. Der Zweck des Genehmigungsverfahrens würde unterlaufen, wenn Versorgungen auch dann abzugelten wären, wenn sie ohne diese Voraussetzungen durchgeführt werden (vgl BSG Urteil vom 10.4.2008 - B 3 KR 8/07 R - SozR 4-2500 § 127 Nr 2 RdNr 24).
Die mit dem Recht der GKV befassten Senate des BSG sehen ein allgemeines Prinzip darin, dass Leistungserbringer auch bereicherungsrechtlich die Abgeltung von Leistungen, die unter Verstoß gegen Vorschriften, die bestimmte formale oder inhaltliche Voraussetzungen aufstellen, selbst dann nicht beanspruchen können, wenn die Leistungen im Übrigen ordnungsgemäß erbracht worden sind und für den Versicherten geeignet und nützlich sind. Nur soweit Vorschriften reine Ordnungsfunktion haben, kann etwas anderes gelten (vgl BSG SozR 4-2500 § 124 Nr 4 RdNr 32 mwN). Dass im Hinblick auf diese gefestigte Rechtsprechung neuer Klärungsbedarf entstanden sein könnte, hat der Kläger nicht hinreichend dargelegt. Hierfür ist es nicht ausreichend vorzutragen, dass die rechtswidrige Praxis zu einer Vertragsmodifikation geführt habe.
2. Der Kläger hat auch keinen Verfahrensmangel iS von § 160a Abs 2 Satz 3 SGG hinreichend aufgezeigt. Hierzu führt er aus, das LSG habe seine Sachaufklärungspflicht gemäß § 103 SGG verletzt. Es sei dem Beweisantrag des Klägers, die von der Beklagten langjährig praktizierten Abläufe bei der Versorgung Versicherter mit CPAP-Geräten aufzuklären, ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt.
Bereits aus der Beschwerdebegründung ergibt sich aber, dass sich das LSG nicht zur weiteren Beweiserhebung hätte gedrängt sehen müssen. Denn wie der Kläger selbst anführt, habe das LSG in seiner Urteilsbegründung ausgeführt, dass diesem Hilfsantrag nicht entsprochen werden müsse, weil es die tatsächlichen Geschehensabläufe zum praktizierten Versorgungsweg seiner Entscheidung zugrunde gelegt habe. Daher ist es nicht plausibel dargelegt, aus welchem Grund eine Zeugenvernehmung bzw ggf die Einholung eines Sachverständigengutachtens hätte erfolgen sollen, um den vom Kläger behaupteten und vom LSG als tatsächlich zutreffend zugrunde gelegten Versorgungsweg aufklären zu lassen. Eine fehlerhaft unterbliebene Beweiserhebung iS von § 103 SGG wird damit nicht aufgezeigt.
Im Übrigen hat der Kläger auch keinen Verstoß gegen seinen Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG) hinreichend aufgezeigt. Wenn er vorträgt, dass durch die unterbliebene Beweisaufnahme zugleich sein Vorbringen unberücksichtigt und nicht hinreichend zur Kenntnis genommen worden sei, so stellen diese Ausführungen nichts anderes als eine in das Gewand der Gehörsrüge gekleidete Sachverhaltsrüge dar, die der Nichtzulassungsbeschwerde ebenso wenig zum Erfolg verhelfen kann.
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO.
5. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs 1 und 3, § 52 Abs 3, § 63 Abs 2 GKG.
Fundstellen
Dokument-Index HI14069902 |