Entscheidungsstichwort (Thema)

Revision. Nichtzulassungsbeschwerde. Begründung. Grundsätzliche Bedeutung. Verletzung des rechtlichen Gehörs durch verspätete Ladung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die grundsätzliche Bedeutung einer Sache ist nicht ausreichend dargelegt, wenn sich die aufgeworfene Rechtsfrage ersichtlich auf den Einzelfall des Beschwerdeführers bezieht.

2. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs durch eine verspätet zugegangene Ladung kann bei Einhaltung der dreitägigen Frist nach § 217 ZPO i.V.m. § 202 SGG nur mit Aussicht auf Erfolg gerügt werden, wenn dargelegt wird, welcher entscheidungserhebliche Vortrag deswegen unterblieben ist.

 

Normenkette

SGG § 160 Abs. 2, § 160a Abs. 2 S. 3; ZPO § 217

 

Verfahrensgang

LSG Niedersachsen-Bremen (Urteil vom 25.09.2003; Aktenzeichen L 8 AL 233/03)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 25. September 2003 – L 8 AL 233/03 – wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die Beschwerde ist unzulässig, da in ihrer Begründung entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein Grund, der nach § 160 Abs 2 SGG die Zulassung der Revision rechtfertigt, nicht in der erforderlichen Weise dargelegt bzw bezeichnet ist.

  • Unzureichend ist der Vortrag der Beschwerdebegründung, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Denn die grundsätzliche Bedeutung lässt sich nur darlegen, indem die Beschwerdebegründung ausführt, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN – stRspr; BVerwG NJW 1999, 304; vgl auch BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7); aufzuzeigen ist also, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne weiteres zu beantworten ist, und es ist der Schritt darzustellen, der die Entscheidung der als grundsätzlich bezeichneten Rechtsfrage durch das Revisionsgericht notwendig macht.

    Dem Beschwerdeführer gelingt bereits nicht die Formulierung einer sich ernsthaft stellenden Rechtsfrage mit Bedeutung über den Einzelfall hinaus; die von ihm aufgeworfene Frage, ob ein Anspruch gegenüber der Beklagten auf Löschung personenbezogener Sozialdaten bestehe, “wenn die mit einer Begutachtung beauftragte Ärztin davon ausgeht, dass eine Begutachtung auf Grund einer Weigerung des Arbeitssuchenden bei der Erstellung des Gutachtens mitzuwirken nicht stattgefunden habe, mithin auch kein Gutachtensergebnis festgestellt werden konnte und sowohl SG als auch LSG davon ausgehen, dass die Frage, ob die Einschätzung der Ärztin letztlich zutreffend ist, offen bleiben muss”, bezieht sich ersichtlich nur auf den vorliegenden Einzelfall. Darüber hinaus sind der Beschwerdebegründung keinerlei Ausführungen dazu zu entnehmen, inwiefern die gestellte Frage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre klärungsbedürftig sein könnte; vielmehr wird lediglich in der Art einer Berufungsbegründung die Richtigkeit der Entscheidung des Landessozialgerichts (LSG) beanstandet, worüber jedoch im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren nicht zu befinden ist.

  • Soweit die Beschwerde Verfahrensmängel unter Hinweis auf die §§ 62, 103, 109 und 160 Abs 2 Nr 3 SGG geltend macht, fehlt es jedenfalls an hinreichenden Ausführungen dazu, dass das Urteil des LSG auf einem Verfahrensmangel beruhen kann. In der Beschwerdebegründung wird nicht dargestellt, dass es nach der Rechtsauffassung des LSG auf die behaupteten Tatsachen – insbesondere, die aktenkundige Einschätzung der Ärztin Dr. W.… sei unzutreffend – ankommt. Es bedarf deshalb keines weiteren Eingehens darauf, dass im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren eine Verletzung des § 109 SGG nicht und eine Verletzung des § 103 SGG nur gerügt werden kann, wenn das LSG einem Beweisantrag – nicht etwa nur einem Beweisantritt, vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 9 mwN – ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
  • Nicht formgerecht bezeichnet ist die behauptete Verletzung des rechtlichen Gehörs mit Hinweis auf die “verspätet zugegangene Ladung”. Da es sich bei der Ladungsfrist des § 110 Abs 1 Satz 1 SGG (“in der Regel zwei Wochen”) um keine Frist handelt, deren Einhaltung zwingend geboten ist, und da im vorliegenden Fall die dreitägige Frist des § 217 Zivilprozessordnung – anwendbar über § 202 SGG – beachtet ist, kann die Verkürzung der Frist von zwei Wochen nur mit Aussicht auf Erfolg gerügt werden, wenn dargelegt wird, welcher entscheidungserhebliche Vortrag unterblieben ist (vgl Meyer-Ladewig, SGG, 7. Auflage, § 110 RdNr 13a). In der Beschwerdebegründung wird nicht vorgetragen, es sei entscheidungserhebliches Vorbringen verhindert worden; allgemeine Ausführungen wie die, der Kläger habe noch mit einer weiteren Aufklärung rechnen können oder er habe noch die Inanspruchnahme anwaltlicher Beratung beabsichtigt, reichen nicht aus. Hinsichtlich der Inanspruchnahme anwaltlicher Beratung wird außerdem nicht einmal ansatzweise aufgezeigt, weshalb der Kläger gehindert gewesen sein sollte, innerhalb von zwölf Tagen nach Zugang der Ladung einen Anwalt aufzusuchen.
  • Die unzulässige Beschwerde ist zu verwerfen.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1328787

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